Physiotherapie bei eingeklemmten Nerv: Behandlung, Ursachen und Prävention

Viele Menschen haben bereits Erfahrungen mit dem sogenannten "Ischias-Nerv" gemacht oder zumindest davon gehört. Oft wird davon gesprochen, dass dieser Nerv "eingeklemmt" sei und man ihn lediglich wieder "befreien" müsse. Symptomatisch äußert sich dies meist in plötzlich einschießenden und ausstrahlenden Schmerzen oder anderen Symptomen wie Kribbeln oder einem Ameisenlaufen, die die Bein-, Becken- und Lendenwirbelsäulenregion betreffen. Viele Menschen haben Angst vor dem Begriff "eingeklemmter Nerv" und vermeiden es, sich zu bewegen. Es ist jedoch wichtig zu verstehen, dass Nerven, wie beispielsweise im Ellenbogengelenk, auch bei einer Beweglichkeit von fast 180° Beugung nicht eingeklemmt werden. Die "Ischias-Schmerzen" entstehen vielmehr durch fortlaufende Irritationen und daraus resultierende Entzündungsprozesse an den Nervenwurzeln innerhalb der Lendenwirbelsäule.

Was ist ein eingeklemmter Nerv?

Umgangssprachlich wird der Begriff "eingeklemmter Nerv" oft für plötzlich auftretende Schmerzen verwendet, die sich anfühlen, als wäre ein Nerv tatsächlich eingeklemmt. Medizinisch gesehen handelt es sich jedoch fast nie um eine tatsächliche Einklemmung des Nervs. Eher zutreffend ist der Begriff bei Druckschäden an Nerven, wie sie beispielsweise im Karpaltunnel am Handgelenk auftreten können. Hier verlaufen die Beugesehnen der Finger und der Mittelnerv durch einen engen Kanal. Auch bei Bandscheibenvorfällen mit Nervenschädigungen spricht man häufig von einem eingeklemmten Nerv. Eine Nervenkompression (Nerveneinklemmung) beschreibt einen Zustand, bei dem ein Nerv durch umliegende Strukturen wie Knochen, Muskeln, Sehnen oder Schwellungen zusammengedrückt oder eingeklemmt wird. Diese Kompression kann zu Schmerzen, Kribbeln, Schwäche oder Gefühlsverlust in dem von dem Nerv versorgten Bereich führen. Eine Nervenkompression kann an verschiedenen Stellen des Körpers auftreten, und der betroffene Bereich wird zu einer Quelle von Schmerzen oder anderen Beschwerden.

Ursachen für einen eingeklemmten Nerv

Die Ursachen für einen eingeklemmten Nerv sind vielfältig. Häufig sind wiederholte Bewegungen, einseitige Belastungen oder langanhaltende Fehlhaltungen dafür verantwortlich. Auch unbewusster Druck, beispielsweise durch Arbeiten mit ständig gebeugtem Handgelenk, kann eine Nervenkompression verursachen. Weitere mögliche Ursachen sind:

  • Muskelverhärtungen: Verspannungen in der Muskulatur können auf Nerven drücken und diese reizen.
  • Fehlhaltungen: Eine dauerhaft falsche Körperhaltung kann zu einer Überlastung bestimmter Muskelgruppen und somit zu Nervenkompressionen führen.
  • Verschleißvorgänge: Degenerative Veränderungen an der Wirbelsäule, wie beispielsweise Arthrose oder Bandscheibenvorfälle, können Nerven einengen.
  • Bandscheibenvorfall: Bei einem Bandscheibenvorfall tritt Bandscheibengewebe aus und drückt auf die Nervenwurzel.
  • Knochenbrüche: Brüche im Bereich der Wirbelsäule oder anderer Knochen können Nerven schädigen oder einengen.
  • Tumore: In seltenen Fällen können Tumore auf Nerven drücken und diese komprimieren.
  • Schilddrüsenerkrankungen: Auch Stoffwechselerkrankungen wie Schilddrüsenfunktionsstörungen können Nervenkompressionen begünstigen.
  • Übergewicht: Übergewicht belastet die Wirbelsäule zusätzlich und kann degenerative Prozesse beschleunigen, die zu eingeklemmten Nerven führen können.
  • Bewegungsmangel: Mangelnde Bewegung kann zu einer Schwächung der stabilisierenden Muskulatur führen, was das Risiko für Nervenkompressionen erhöht.
  • Schwere körperliche Arbeit oder repetitive Bewegungen: Diese können zu Überlastungen und Schwellungen des Gewebes führen, wodurch Nervenbahnen komprimiert werden.
  • Entzündliche Erkrankungen: Erkrankungen wie Arthrose oder rheumatische Prozesse können durch Schwellungen im Gelenkbereich auf benachbarte Nerven drücken und diese einklemmen.

Symptome eines eingeklemmten Nervs

Ein eingeklemmter Nerv kann sich durch verschiedene Symptome bemerkbar machen. Typische Anzeichen sind:

  • Schmerzen: Die Schmerzen können stechend, brennend oder dumpf sein und sich bei bestimmten Bewegungen verstärken. Sie können auch in andere Körperteile ausstrahlen, beispielsweise vom Rücken in die Beine (Ischialgie) oder vom Nacken in die Arme.
  • Kribbeln: Ein Kribbeln oder "Ameisenlaufen" in den betroffenen Körperteilen ist ein häufiges Symptom.
  • Taubheitsgefühle: Betroffene können ein Taubheitsgefühl in den Fingern, Händen, Zehen oder Füßen verspüren.
  • Muskelschwäche: In manchen Fällen kann es zu einer Schwäche der Muskeln kommen, die von dem betroffenen Nerv versorgt werden. Dies kann sich beispielsweise durch Schwierigkeiten beim Heben von Gegenständen oder beim Gehen äußern.
  • Funktionsausfälle: Bleibt ein Nerv über längere Zeit unter Druck, kann die Signalübertragung zur Muskulatur gestört sein. Die Folge: Muskelschwäche oder vorübergehende Lähmungserscheinungen oder Muskelschwäche, die sich meist wieder zurückbilden, sobald sich der Nerv erholt.
  • Empfindungsstörungen: Verändertes Empfinden wie Kälte-, Druck- oder Berührungsstörungen
  • Weitere Symptome: Bei einem eingeklemmten Nerv in der Halswirbelsäule können auch Kopfschmerzen, Schwindel, Tinnitus oder Übelkeit auftreten.

Diagnose eines eingeklemmten Nervs

Um die Ursache der Beschwerden festzustellen und einen eingeklemmten Nerv zu diagnostizieren, führt der Arzt in der Regel folgende Untersuchungen durch:

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  1. Anamnese: Zunächst erfolgt ein ausführliches Gespräch mit dem Patienten, in dem die Krankengeschichte erfasst wird. Dabei werden Fragen zu den Beschwerden, deren Beginn und Verlauf, möglichen Auslösern sowie Vorerkrankungen gestellt.
  2. Körperliche Untersuchung: Der Arzt untersucht die Körperhaltung, Beweglichkeit und Reflexe des Patienten. Er tastet die betroffenen Bereiche ab, um Muskelverspannungen oder Druckschmerzpunkte zu identifizieren.
  3. Neurologische Untersuchung: Mit speziellen Tests werden die Sensibilität, Motorik und Nervenleitgeschwindigkeit überprüft, um den betroffenen Nerv zu lokalisieren und das Ausmaß der Schädigung festzustellen. Provokationstests wie das Hoffmann-Tinel-Zeichen oder der Phalen-Test helfen dabei, einen eingeklemmten Nerv zu diagnostizieren.
  4. Bildgebende Verfahren: In manchen Fällen sind bildgebende Verfahren wie Röntgen, MRT oder Ultraschall erforderlich, um die Ursache der Nervenkompression zu identifizieren.
  • Röntgen: Röntgenaufnahmen können degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Wirbelkanalverengungen, Arthrose oder knöcherne Anbauten sichtbar machen, die für die Nervenkompression verantwortlich sein können.
  • MRT (Magnetresonanztomographie): Die MRT ist das wichtigste bildgebende Verfahren, um Bandscheibenvorfälle oder -vorwölbungen, die den Nerv komprimieren, direkt darzustellen.
  • Ultraschall: Der Ultraschall eignet sich besonders zur Darstellung von Muskelverspannungen und -verhärtungen, die auf Nervenbahnen drücken können. Auch oberflächlich gelegene Nerven lassen sich gut beurteilen.
  • Elektromyographie (EMG): Zur Diagnosestellung des eingeklemmten Nervs trägt auch die Elektromyographie (EMG) bei - eine Untersuchung der elektrischen Aktivität von Muskeln und Nerven.

Physiotherapie als Behandlungsmethode

Die Physiotherapie spielt eine zentrale Rolle bei der Behandlung eines eingeklemmten Nervs. Durch gezielte Techniken und Übungen wird versucht, die Durchblutung zu steigern und die Mobilität wieder zu verbessern. Die Physiotherapie hilft, die Muskeln in dem betroffenen Bereich zu dehnen und zu stärken. Dies trägt zur Verringerung des Drucks auf den betroffenen Nerv bei. Die Behandlung zielt darauf ab, Muskelverspannungen zu lösen, Fehlhaltungen zu korrigieren und die Körperwahrnehmung zu verbessern. Im Rahmen der Physiotherapie können folgende Maßnahmen zum Einsatz kommen:

  • Manuelle Therapie: Durch sanfte Handgriffe werden Blockaden und Verspannungen in Gelenken und Muskeln gelöst.
  • Bewegungsübungen: Aktive und passive Bewegungsübungen helfen, die Beweglichkeit wiederherzustellen und die Muskulatur zu kräftigen.
  • Dehnübungen: Gezielte Dehnübungen verbessern die Flexibilität der Muskeln und Sehnen und entlasten den Nerv.
  • Kräftigungsübungen: Durch Kräftigungsübungen wird die Muskulatur gestärkt, um die Wirbelsäule zu stabilisieren und Fehlhaltungen zu korrigieren.
  • Haltungsschulung: Die Haltungsschulung hilft, eine gesunde Körperhaltung im Alltag einzunehmen und Fehlbelastungen zu vermeiden.
  • Wärme- und Kälteanwendungen: Wärme kann verspannte Muskeln lockern, während Kälte bei akuten Entzündungen schmerzlindernd wirken kann.
  • Elektrotherapie: Elektrotherapie kann zur Schmerzlinderung und Muskelstimulation eingesetzt werden.

Übungen für zu Hause

Ergänzend zur physiotherapeutischen Behandlung können Betroffene auch selbst aktiv werden und Übungen zu Hause durchführen, um die Beschwerden zu lindern und die Heilung zu fördern. Hier sind einige Beispiele für Übungen bei einem eingeklemmten Nerv in verschiedenen Körperregionen:

Halswirbelsäule:

  • Übung 1: Der Patient liegt in Rückenlage auf einer Matte. Die Beine sind aufgestellt, die Hände liegen in U-Haltung neben dem Kopf. Der Kopf ist mit einem Pilates Ball oder einem schmalen Kissen unterlagert. Der Patient macht ein Doppelkinn, zieht das Kinn leicht in Richtung Brust und drückt seinen Kopf in den Ball/das Kissen. Gleichzeitig schiebt er das Brustbein nach oben und drückt die Schultern nach unten. Position 5 Sekunden halten, danach lösen.
  • Übung 2: Der Patient sitzt aufrecht auf einem Stuhl. Das Kinn wird nach hinten geschoben, sodass ein Doppelkinn entsteht. Nun den Hinterkopf nach oben strecken, sodass sich die Halswirbelsäule aufrichtet. Das Brustbein nach oben schieben, die Schultern nach unten drücken. Die Position ca. 10 Sekunden halten, dann langsam lösen. Ruckartige Bewegungen vermeiden.
  • Übung 3: Um Muskelverhärtungen zu lösen, helfen Lockerungsübungen. Dazu zählt beispielsweise das Schulterkreisen (gleichsinnig, gegensinnig, abwechseln oder beide gleichzeitig).
  • Übung 4: Betroffene sollten ihre Halsmuskulatur dehnen. Das gelingt, indem beispielsweise das linke Ohr auf die linke Schulter gelegt wird. Position 5 Sekunden halten, dann auf der anderen Seite wiederholen.

Brustwirbelsäule:

  • Übung 1: Der Betroffene stellt sich so dicht an eine Wand, dass er mit seinem Rücken die Wand berührt. Nun nimmt er einen Tennis- oder Igelball und positioniert ihn so, dass er neben der Wirbelsäule auf der schmerzenden Stelle liegt. Mit seinem Rücken klemmt er den Ball zwischen seinem Rücken und der Wand ein und beginnt nun seinen Körper leicht auf und ab oder auch kreisend zu bewegen.
  • Übung 2: Der Betroffene rollt ein großes Handtuch oder eine Decke zu einer langen Rolle zusammen. Auf diese legt er sich in Rückenlage, sodass die Decke direkt unter seiner Wirbelsäule liegt. Die Füße werden hüftbreit aufgestellt und die Arme in U-Haltung seitlich neben dem Kopf abgelegt. Dehnung ca.
  • Übung 3: Der Betroffene legt sich in Bauchlage auf eine Matte. Die Beine werden durchgestreckt und die Zehen aufgestellt. Nun wird der Kopf leicht von der Unterlage abgehoben, der Blick fällt nach unten in Richtung Matte. Die Arme werden in U-Haltung ebenso vom Boden abgehoben, die Daumen zeigen nach oben. Wichtig: den Bauch anspannen, damit die Lendenwirbelsäule nicht in ein Hohlkreuz gerät. Die Position 10 Sekunden halten. 3 Mal wiederholen.
  • Übung 4: Der Betroffene setzt sich aufrecht auf einen Pezziball. Die Arme befinden sich rechtwinkelig in U-Haltung neben dem Kopf. Die Handflächen zeigen nach vorne. Nun werden die Handflächen aufeinander zu bewegt, bis sie sich berühren. Danach die Arme wieder auseinanderführen. Dabei das Brustbein weit nach oben schieben, die Schultern nach unten drücken und den Bauch anspannen. 15 Wiederholungen.

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