Einführung
Das menschliche Gehirn ist ein komplexes Organ, das mit zunehmendem Alter an Leistungsfähigkeit verliert. Während genetische Faktoren eine Rolle spielen, ist der Lebensstil ein entscheidender Faktor, um die Gesundheit des Gehirns zu erhalten. Die Ernährung spielt dabei eine wichtige Rolle. Es wird vermutet, dass alternde Gehirne spezifische Nährstoffe für eine optimale Gesundheit benötigen, ähnlich wie Kinder bestimmte Nährstoffe für eine gesunde Gehirnentwicklung benötigen.
Flavanole und ihre Wirkung auf das Gehirn
Frühere Studien haben Wirkstoffe wie Flavanole untersucht, die Alterungsprozessen im Gehirn entgegenwirken könnten. Flavanole sind Pflanzenstoffe, die Obst und Gemüse bunt färben. Sie kommen ausschließlich in Pflanzen vor und färben diese rot, blau, gelb oder violett. Sie haben gesundheitsfördernde Effekte, die bislang nur in Teilen verstanden sind. Experimente mit Mäusen haben gezeigt, dass Flavanole, insbesondere die bioaktive Substanz Epicatechin, das Wachstum von Neuronen und Blutgefäßen im Hippocampus fördern und so das Gedächtnis der Tiere verbessern. Der Hippocampus ist eine Hirnregion, die für das Abspeichern neuer Erinnerungen zuständig ist.
Eine Studie mit über 3500 über 60-Jährigen untersuchte den Effekt von Flavanolen. Die Teilnehmer füllten zunächst einen umfangreichen Fragebogen zu ihrer Ernährung aus und absolvierten einen Gedächtnistest. Anschließend erhielt ein Teil von ihnen eine Dosis von 500 mg Flavanolen am Tag, darunter 80 mg Epicatechin. Die übrigen erhielten ein Placebo. Mehr als ein Drittel der Teilnehmer gab außerdem Urinproben ab, anhand derer die Forschenden den über Nahrung und Nahrungsergänzungsmittel zugeführten Flavanolgehalt objektiv bestimmen konnten.
Die Ergebnisse zeigten, dass Teilnehmer, die sich schlechter ernährten und deren Flavanol-Werte anfangs niedrig lagen, ihre Gedächtniswerte unter der Flavanol-Einnahme im Vergleich zur Placebo-Gruppe um durchschnittlich 10,5 Prozent verbesserten. Auch im Vergleich zu ihrer Gedächtnisleistung bei Studienbeginn schnitten sie besser ab. Ihre Werte steigerten sich um durchschnittlich 16 Prozent. Jährliche kognitive Tests zeigten zudem, dass die nach einem Jahr beobachtete Verbesserung mindestens zwei weitere Jahre anhielt. Personen jedoch, die aufgrund ihrer Ernährung bereits gut mit Flavanolen versorgt waren, verbesserten ihre Gedächtnisleistung auch mithilfe der Nahrungsergänzungsmittel nicht.
Vorangegangene Untersuchungen hatten einen Zusammenhang zwischen altersbedingtem Gedächtnisverlust und Veränderungen in einem speziellen Areal im Hippocampus, dem sogenannten Gyrus dentatus, gezeigt. Flavanole scheinen die Funktion genau in dieser Hirnregion zu verbessern. Flavanole sind insbesondere in bunten Gemüsen und Obst enthalten: Beeren, Apfelschalen, rote und gelbe Paprika. Das Flavanol Epicatechin findet sich vor allem in Kakao, Weintrauben und Tee.
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Die Auswirkungen von Zucker und Fett auf das Gehirn
Eine Studie des Max-Planck-Instituts hat gezeigt, dass Zucker und Fette unser Gehirn verändern, sodass wir immer mehr davon essen. Das Verlangen nach ungesundem Essen begünstigt Diabetes und Adipositas. Durch den regelmäßigen Konsum von stark fett- und zuckerhaltigen Lebensmitteln verändert sich das Gehirn. Es befiehlt uns quasi, die ungesunden Lebensmittel zu bevorzugen. Wir wollen mehr davon.
Zwischen Gehirn und Darm gibt es eine direkte Verbindung: Erreicht Nahrung den Dünndarm, registrieren unterschiedliche Sensoren, ob Zucker und Fett in der Nahrung enthalten sind. Diese Information wird über verschiedene Nervenverbindungen ans Gehirn weitergeleitet. Die Signale kommen im Belohnungszentrum des Gehirns an, sorgen für ein gutes Gefühl und lösen ein Verlangen nach mehr aus.
Die Aufnahmen der Gehirne der Studienteilnehmenden zeigten, dass das Belohnungssystem bei den auf Fett und Zucker trainierten Teilnehmenden besonders stark aktiviert war. Dort hatten sich durch den regelmäßigen Konsum der Puddings offenbar neue Nervenverbindungen entwickelt. Die Probandinnen und Probanden hatten dadurch ein offensichtlich stärkeres Verlangen nach fetthaltigen und süßen Speisen erlernt. Diese Veränderungen der Hirnnetzwerke sind anhaltend. Das bedeutet, sie könnten dafür sorgen, dass Menschen zukünftig unbewusst immer die Lebensmittel bevorzugen, die viel Fett und Zucker enthalten. Das könnte eine Gewichtszunahme begünstigen.
Hat sich das Gehirn an stark fett- und zuckerhaltige Speisen gewöhnt, will es nicht nur immer mehr davon, sondern lehnt auch Speisen mit weniger Fett oder Zucker eher ab. Jeder Mensch kommt zwar mit einer angeborenen Vorliebe für Süßes zur Welt, aber wenn diese Vorliebe durch Gewöhnung immer weiter verstärkt wird, schmecken gesunde Lebensmittel irgendwann nicht mehr. Aber Körper und Gehirn können auch wieder "umprogrammiert" werden, sich wieder an weniger fett- und zuckerhaltige Lebensmittel gewöhnen.
Ultrahochverarbeitete Lebensmittel und ihre Risiken
Der 15. Ernährungsbericht von 2023 definiert ultrahochverarbeitete Lebensmittel („ultraprocessed foods“/UPF) als „Lebensmittel und Getränke, bei deren Herstellung die eingesetzten Rohstoffe einem umfangreichen industriellen Verarbeitungsprozess unterzogen wurden, und die in der Regel eine Vielzahl von zusätzlichen Zutaten, insbesondere Zusatzstoffe (z. B. Aromen, Konservierungsmittel, Farbstoffe) und energiereiche Inhaltsstoffe mit geringer Essenzialität (gesättigte Fettsäuren, Zucker), enthalten.“ Der Bericht zeigt einen Zusammenhang zwischen UPF und Übergewicht/Adipositas, Hypertonie, Typ-2-Diabetes und kardiovaskulären Erkrankungen auf. Zu letzteren gehört auch der Schlaganfall, der wiederum häufig in Folge von Übergewicht, Bluthochdruck und Diabetes auftritt. Allein deshalb sollte man den Verzehr dieser energiedichten, verarbeiteten Lebensmittel auf ein Minimum begrenzen.
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Fast Food, Fertigpizza, Dosenravioli, Instantsuppe oder Mikrowellengerichte haben offensichtliche Vorteile: In wenigen Minuten steht das Essen auf dem Tisch, und zwar ganz ohne die „lästige“ Kocharbeit. Diese Vorzüge werden jedoch erkauft durch eine hohe Energiedichte, wenig Vitamin- und Ballaststoffgehalt, viele künstliche Zusatzstoffe - und daraus resultierend ein erhöhtes Gesundheitsrisiko bei häufigem Verzehr dieser Produkte. Dennoch ist der Konsum von UPF hoch: Deutschland liegt mit fast 39% der gesamten Energieaufnahme aus hochverarbeiteten Lebensmitteln (Nahrung und Getränke) weit oben im europäischen Vergleich.
Verschiedene große Studien legen nahe, dass es zwischen UPF und Demenz einen Zusammenhang gibt. Ein systematisches Review anhand einer Metaanalyse zeigte beispielsweise im Vorjahr, dass ein hoher UPF-Konsum mit einem 44% höherem Demenzrisiko (jedweder Ursache) einhergeht. Eine aktuelle Analyse der Framingham-Kohorte untersuchte den Einfluss von UPF in den mittleren Lebensjahren (bei Menschen unter 68 Jahre zu Beginn der Erhebung) auf das spätere Alzheimer-Risiko. Sie kam zu dem Ergebnis, dass diejenigen, die im Durchschnitt über 12 Jahre lang mehr als 10 Portionen verarbeitete Lebensmittel am Tag konsumierten, ein 2,7-fach erhöhtes Alzheimer-Risiko hatten. Das Risiko stieg mit der Menge des Konsums an: Jede Portion ultraverarbeiteter Lebensmittel pro Tag ging nach dieser Zeitspanne im Durchschnitt mit einem um 13% erhöhtem Alzheimer-Risiko einher.
In einer Studie ging jede Erhöhung des UPF-Konsums um 10% mit einer 25%igen Erhöhung des Demenzrisikos und 14%igen Erhöhung des Alzheimer-Risikos einher.
Die Mechanismen sind nicht vollständig geklärt, vermutet würden aber verschiedene Wege, wie hochprozessierte Nahrung zu einer Demenz beitragen kann. „Zum einen gibt es den indirekten Zusammenhang via Übergewicht und den Folgekrankheiten Bluthochdruck und Diabetes, die mit einem höheren Demenzrisiko einhergehen. Daneben geht man von einem Mechanismus aus, der über das Darmmikrobiom vermittelt wird: Prozessierte Lebensmittel enthalten viele gesättigte Fette, Transfette, raffinierte Kohlenhydrate, Salz und wenig Ballaststoffe, was die mikrobielle Vielfalt im Darm verändern kann. Wir wissen, dass diese Veränderungen via Darm-Hirn-Achse krankmachende Veränderungen im Gehirn nach sich ziehen können.“ Last, but not least könnten auch einzelne Stoffe, wie künstliche Aromen oder andere Zusatzstoffe direkt neurotoxisch wirken und die Entstehung einer Demenz begünstigen. In Verdacht stehen z. B. Die Verbreitung von Mikro- und Nanoplastik wird weltweit intensiv erforscht.
UPF scheinen auch einen Einfluss auf das Parkinson-Risiko zu haben. Eine prospektive Kohorten-Analyse aus neun europäischen Ländern zeigte unter anderem, dass die Parkinson-spezifische Mortalität bei hohem UPF-Konsum um 23% höher lag. Die Studie ergab im Umkehrschluss auch, dass sich das Risiko durch eine Ernährungsumstellung beeinflussen lässt. „Der Ersatz von 10 Gramm ultraverarbeiteter Lebensmittel pro Tag durch die gleiche Menge unverarbeiteter Lebensmittel ging mit einem geringeren Risiko für die Gesamtsterblichkeit und die ursachenspezifische Sterblichkeit einher. Wir selbst haben also die Möglichkeit, hier direkt Einfluss zu nehmen.“
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Eine aktuelle Arbeit weist auf das höhere Risiko für psychische Störungen, Angststörungen und depressive Störungen durch den Konsum hochverarbeiteter Lebensmittel hin. Eine australische Erhebung hatte zuvor gezeigt, dass der Konsum von UPF mit einem 11%igen Anstieg des Depressionsrisikos verbunden war.
Zucker als "neurotoxische" Substanz
Zu viel Zucker kann bekanntlich zu Adipositas führen oder Diabetes begünstigen. Weniger bekannt ist allerdings: Ein hoher Zuckerkonsum fördert auch die Entstehung von Hirnkrankheiten wie Demenz. Als Energieträger ist er für das Hirn existenziell. Verständlich also, dass Traubenzucker ein beliebter Snack ist, um die Konzentration hochzuhalten. Doch die Dosis ist entscheidend. Ein hoher Blutzuckergehalt fördert die Entstehung von Adipositas und Diabetes. Doch Zucker ist auch eine "neurotoxische" Substanz. Das heißt, er schädigt Nervenzellen - unter anderem im Gehirn. Viele dieser Erkrankungen ließen sich durch einen gesünderen Lebensstil vermeiden. Dazu gehört auch ein geringerer Zuckerkonsum.
Zu viel Zucker im Blut kann auch die Blutgefäße schädigen. Durch den veränderten Insulinstoffwechsel können sich Ablagerungen in den Gefäßwänden bilden. So verengen sich mit der Zeit die Gefäße, die das Hirn mit Blut versorgen. Dadurch kann es dann zu einer Unterversorgung einzelner Hirnareale kommen. Langfristig könne die Gefäßverengung zu Demenz, Alzheimer und Schlaganfällen führen. Bereits seit den neunziger Jahren wissen Forschende, dass mit einer Diabetes Typ-2-Erkrankung auch das Demenzrisiko steigt. Dazu wird angenommen, dass dadurch auch der Glukose-Stoffwechsel in den Nervenzellen gestört wird. Damit steigt auch das Risiko für eine Alzheimer-Erkrankung. Denn Insulin spielt auch eine Rolle bei der Entstehung der Alzheimer-Plaques im Gehirn.
In Deutschland liegt der jährliche Konsum von Zucker bei durchschnittlich 33 Kilogramm - fast doppelt so hoch wie die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. (DGE) empfiehlt. Laut der DGE sollten lediglich zehn Prozent unserer Energiezufuhr mit Zucker gedeckt werden. Im Durchschnitt wären das etwa 18 Kilogramm im Jahr. Eine Möglichkeit, den Konsum zu senken, wäre eine Zuckersteuer.
Bereits kleine Dosen führen zu einem erhöhten Verlangen. Denn durch die Einnahme kommt es im Gehirn zur Ausschüttung des Glückshormons Dopamin. Auch der Ersatz von Zucker durch verschiedene Süßungsmittel ist laut Experten nicht unproblematisch. Zwar enthalten sie keine Kalorien, doch neue Studien deuten an, dass durch den Konsum von Süßungsmitteln auch die Zahl an Gefäßerkrankungen zunimmt.
Wissenschaftler haben herausgefunden, dass eine zuckerarme Ernährung auch unabhängig vom Blutzuckerspiegel positive Auswirkungen auf die langfristige Leistungsfähigkeit des Gehirns haben könnte. Milchzucker kann die Neurodegeneration unseres Gehirns beschleunigen. Milchzucker lagert sich an Eiweiße an und verändert auf diese Weise die Isolierschicht von Zellen, was zu einer schnelleren Abnutzung und Alterung von Gehirnzellen führt. Derartige Prozesse können einer Demenz wie der Alzheimer-Erkrankung den Weg bereiten. Das Gehirn beansprucht im Normalbetrieb etwa 75 Prozent der in allen Körperzellen verbrauchten Glukose. Es gilt also den gesunden Mittelweg zu finden, um den Zuckerhaushalt konstant zu halten und nicht zu unterzuckern, um die geistige und körperliche Leistungsfähigkeit aufrecht zu erhalten.