Das menschliche Gehirn ist ein komplexes Organ, das sich im Laufe des Lebens ständig verändert. Mit zunehmendem Alter durchläuft das Gehirn natürliche Veränderungen, darunter eine Verringerung des Volumens. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen und Einflussfaktoren der Gehirnschrumpfung im Alter und gibt einen Überblick über verschiedene Demenzformen, die mit dieser Schrumpfung in Verbindung stehen können.
Natürliche Alterungsprozesse des Gehirns
Wenn Menschen älter werden, nimmt das Volumen ihres Gehirns ab. Dieser Prozess scheint bei Männern schneller abzulaufen als bei Frauen. Die graue Hirnsubstanz, die aus Zellkörpern und Synapsen besteht, nimmt etwa bis zum 12. Lebensjahr zu, bevor sie sich allmählich wieder ausdünnt. Betroffen von dem Verlust sind vor allem der präfrontale Cortex und der Hippocampus, die für exekutive Funktionen und das Langzeitgedächtnis unerlässlich sind. Die weiße Hirnsubstanz, die aus Nervenfasern besteht, gewinnt etwa bis zum Alter von etwa 40 bis 50 Jahren an Volumen. Dann schrumpft auch sie wieder. Unter dem Substanzverlust leidet möglicherweise die mentale Verarbeitungsgeschwindigkeit. Die Kommunikation zwischen verschiedenen Hirnarealen lässt in ihrer Effizienz nach. Ursachen für den Schwund sind vermutlich die Veränderung von Nervenzellen, die Schrumpfung von Nervenfortsätzen sowie der Verlust von synaptischen Verbindungen. Mit zunehmendem Alter finden sich auch vermehrt Ansammlungen von Tau-Proteinen. Sie sind möglicherweise für das Absterben von Nervenzellen verantwortlich. Das reife Gehirn ist aber in der Lage, gewisse Defizite zu kompensieren.
Dopaminverlust im Alter
Mit steigendem Alter geht es mit dem Botenstoff Dopamin drastisch bergab. Er spielt eine wichtige Rolle bei Bewegungskontrolle, Motivation und Lernen. Studien haben unter anderem herausgefunden, dass die Dopamin-Synthese im Striatum im Alter abnimmt. Andere Untersuchungen fanden, dass die Dichte an Rezeptoren - also Empfangsstationen - für Dopamin abnimmt. Der Verlust an Dopamin könnte für viele neurologische Symptome verantwortlich sein, die sich mit zunehmendem Alter bemerkbar machen: die zunehmende Steifheit der Bewegungen, aber auch Einbußen bei der geistigen Flexibilität.
Alzheimer-Krankheit und Gehirnschrumpfung
Bei der Alzheimer-Krankheit sterben nach und nach Nervenzellen im Gehirn ab, was zu einem fortschreitenden Verlust der geistigen (kognitiven) Fähigkeiten führt. Gedächtnisprobleme und Orientierungsschwierigkeiten sind nur zwei der Symptome, die den Alltag der Betroffenen zunehmend erschweren. Im Gehirn von Menschen mit Alzheimer sammelt sich übermäßig viel Amyloid-beta zwischen den Gehirnzellen an und bildet kleinere, giftige Klumpen (Oligomere) und riesige Zusammenlagerungen (Plaques). Im Inneren der Gehirnzellen sorgt das Tau-Protein für die Stabilität und Nährstoffversorgung. Bei der Alzheimer-Krankheit ist das Tau-Protein chemisch so verändert, dass es seiner Funktion nicht mehr nachkommen kann. Die Forschung geht davon aus, dass die für Alzheimer typischen molekularen Prozesse im Gehirn Jahre oder Jahrzehnte vor dem Auftreten der ersten Symptome beginnen.
Vaskuläre Demenz und Durchblutungsstörungen
Vaskuläre Demenz ist mit etwa 15 Prozent aller Demenzerkrankungen die zweithäufigste Form nach Alzheimer-Demenz. Sie entsteht aufgrund von Durchblutungsstörungen im Gehirn. Ursachen hierfür können Ablagerungen in Blutgefäßen, Blutgerinnsel oder Hirnblutungen auch in kleinerem Umfang sein. Diese können dazu führen, dass Bereiche des Gehirns mit zu wenig Sauerstoff versorgt werden. Hierdurch können Hirnzellen in unterschiedlichen Bereichen des Gehirns geschädigt werden oder absterben. Das Risiko für eine vaskuläre Demenz kann steigen, wenn das Herz-Kreislaufsystem beeinträchtigt ist. Bei vaskulärer Demenz können zu Beginn vor allem Probleme mit Aufmerksamkeit, verlangsamtem Denken sowie Persönlichkeitsveränderungen auftreten. Dazu können Gangstörungen oder Kontrollverluste der Blase sowie Probleme mit der Sprache kommen. Auch Gedächtnisstörungen können auftreten, stehen aber zu Beginn nicht immer im Vordergrund.
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Frontotemporale Demenz (FTD)
Die Frontotemporale Demenz, kurz FTD und früher als Morbus Pick bekannt, betrifft häufig Menschen vor dem 65. Lebensjahr und zählt damit zu den Demenzen im jüngeren Lebensalter. Bei einer FTD werden Bereiche im Gehirn zunehmend beschädigt, die für das Verhalten, die Persönlichkeit, die Sprache oder seltener auch für die Bewegung zuständig sind. Im Laufe der Erkrankung werden die Hirnregionen zunehmend beschädigt und schrumpfen, was zu den Symptomen der FTD führt. In Bezug auf die Häufigkeit handelt es sich bei drei bis neun Prozent aller Demenzerkrankungen um eine FTD. Die Medizin unterscheidet zwischen zwei Hauptformen beziehungsweise Varianten der Frontotemporalen Demenz: die Verhaltensvariante und die Sprachvariante.
Verhaltensvariante der FTD
Bei der Verhaltensvariante der FTD verändern sich vor allem das Verhalten und die Persönlichkeit des Patienten. Typische Symptome sind unter anderem Persönlichkeitsveränderungen, sozialer Rückzug, Apathie (Teilnahmelosigkeit), Verlust von sozialem Bewusstsein, fehlende Einsicht, schlechte Impulskontrolle und (sexuelle) Enthemmung.
Sprachvariante der FTD
Bei der Sprachvariante der FTD ist in erster Linie die Kommunikationsfähigkeit vom Patienten beeinträchtigt. In der Medizin wird die Sprachvariante der FTD unter dem Fachbegriff primär progressive Aphasien zusammengefasst. Es gibt verschiedene Unterformen:
- Semantische Unterform: Person hat Schwierigkeiten, Bezeichnungen und Gegenstände in Einklang miteinander zu bringen.
- Progrediente nicht-flüssige/agrammatische Unterform: Person hat Schwierigkeiten, flüssig zu sprechen, weil es ihr schwerfällt, Sätze zu bilden. Sie lässt häufig einzelne kurze Wörter wie „ist“, „und“, „der“ oder „die“ weg und macht Fehler bei der Zeitform oder Endungen von Wörtern.
- Logopenische Unterform: Person hat vor allem Probleme beim Finden der richtigen Wörter.
Ebenfalls können die Betroffenen gänzlich verstummen. In manchen Fällen entwickeln Patienten auch eine Sprechstörung. Bei der sogenannten Sprechapraxie ist die Fähigkeit einer Person beeinträchtigt, die Bewegungen ihrer Lippen, Zunge und ihres Kiefers zu koordinieren, die für das Sprechen notwendig sind.
Stadien der FTD
Die Frontotemporale Demenz kann in drei Stadien eingeteilt werden. Im Krankheitsverlauf einer FTD sind die Patienten zunehmend beeinträchtigt. Wie schnell sich der Zustand verschlechtert, ist immer individuell. Im fortgeschrittenen Stadium einer FTD treten meist auch Symptome der anderen Variante auf. Im Endstadium der Frontotemporalen Demenz ähneln die Symptome vor allem der Alzheimer-Krankheit: Es kommt zum weitgehenden Verlust der Selbstständigkeit und teilweise auch der Sprache.
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Ursachen und Risikofaktoren der FTD
Was man jedoch weiß: Bei einer FTD handelt es sich um eine neurodegenerative Erkrankung, bei der Nervenzellen im Frontal- und Temporallappen des Gehirns absterben. In einigen Fällen, etwa zehn Prozent, wird das gehäufte Auftreten von FTD innerhalb einer Familie mit bestimmten Genen in Verbindung gebracht. Da die Frontotemporale Demenz bislang nicht heilbar ist, sollten sich Betroffene gut überlegen, ob sie einen Gentest machen lassen.
Diagnose der FTD
Der Weg zur Diagnose einer FTD ist in der Regel komplex und erfordert mehrere Untersuchungen. Zunächst sammelt der Arzt wichtige Informationen über die Symptome, die Krankheitsgeschichte des Patienten und mögliche familiäre Vorbelastungen. Besonderes Augenmerk wird auf Veränderungen im Verhalten, in der Persönlichkeit, in der Sprache und in den kognitiven Fähigkeiten gelegt. Neuropsychologische Tests helfen dabei, das Ausmaß und die Art der kognitiven Beeinträchtigung zu bewerten. Bildaufnahmen des Gehirns im Rahmen einer Magnetresonanztomographie (MRT) und Computertomographie (CT) können strukturelle Veränderungen im Frontal- und Temporallappen aufzeigen, die für eine FTD charakteristisch sind.
Therapie und Umgang mit FTD
Es gibt noch keine gezielte Therapie zur Behandlung einer Frontotemporalen Demenz, weil die Ursachen dieses Demenztyps nicht bekannt beziehungsweise nicht beeinflussbar sind. Im Rahmen der Demenz-Therapie können auffällige Verhaltensweisen medikamentös gemildert werden. Die nicht-medikamentöse Therapie bei Frontotemporaler Demenz setzt vor allem auf Maßnahmen, die den Lebensstil betreffen. Frontotemporale Demenz ist eine Herausforderung sowohl für die Betroffenen als auch für ihre Angehörigen. Informieren Sie sich: Der Umgang mit Demenz muss gelernt sein. Treffen Sie frühzeitig rechtliche Vorkehrungen: Erstellen Sie rechtzeitig Vollmachten und Verfügungen. Passen Sie die Kommunikation an: Formulieren Sie möglichst einfache Sätze. Schaffen Sie Routinen im Alltag: Ein geregelter Tagesablauf gibt Patienten mit FTD Sicherheit und kann dazu beitragen, Verwirrung zu reduzieren. Schaffen Sie ein demenzgerechtes Zuhause: Passen Sie das häusliche Umfeld Ihres betroffenen Angehörigen Stück für Stück an, um eine Wohlfühlatmosphäre zu erzeugen und die Sicherheit zu erhöhen. Bleiben Sie geduldig: Veränderungen im Verhalten und in der Persönlichkeit können sehr belastend sein - gerade für die Angehörigen. Achten Sie bei allem auch auf sich selbst: Vergessen Sie Ihre eigene Gesundheit und Ihr Wohlbefinden nicht. Schaffen Sie positive Momente: Versuchen Sie, trotz aller Herausforderungen auch schöne Momente miteinander zu erleben.
Altershirndruck (Normaldruckhydrocephalus)
Eine Kombination aus Vergesslichkeit, schlurfendem Gang und leichter Inkontinenz ist ein Indiz für gut behandelbaren Altershirndruck. Der Normaldruckhydrocephalus (NPH) kann jedoch auch mit anderen degenerativen Erkrankungen wie zum Beispiel Morbus Alzheimer oder Morbus Parkinson einhergehen. Da die meisten Patienten älter als 60 Jahre sind, sprechen die Ärzte auch von „Altershirndruck“. Die Ursachen sind bis heute nicht ausreichend erforscht. Es wird aber vermutet, dass in Deutschland etwa 80.000 über 60-Jährige daran leiden. Experten gehen davon aus, dass etwa jeder zehnte Demenzkranke eigentlich unter NPH leidet. Die Therapieoption der ersten Wahl ist eine neurochirurgische OP, bei der eine „Umleitung“ von den inneren Hirnkammern zum Bauchraum geschaffen wird, in dem das überschüssige Hirnwasser problemlos vom Körper abgebaut wird.
Geschlechtsunterschiede bei Gehirnschrumpfung
Wenn Menschen älter werden, nimmt das Volumen ihres Gehirns ab. Bei Männern läuft dieser Prozess offenbar schneller ab als bei Frauen. An einer Alzheimer-Demenz erkranken Frauen doppelt so häufig wie Männer. Lange ging man davon aus, dass hierfür vor allem die höhere Lebenserwartung von Frauen ausschlaggebend ist, denn Alzheimer ist eine altersassoziierte Erkrankung. Eine Studie hat gezeigt, dass Männer über die Zeit einen stärkeren Volumenrückgang in zahlreichen Hirnregionen zeigten, während bei Frauen lediglich in einzelnen kleineren Arealen ein stärkerer Rückgang zu verzeichnen war.
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Bedeutung von Bildung und Lebensstil
Bisher war die gängige wissenschaftliche Meinung: Bildung beeinflusst, wie unser Gehirn altert. Mehr Bildung, langsamere Alterung. Doch genau diesen Zusammenhang widerlegten nun Forschende von "Lifebrain", einem großen europäischen Forscherverband. Die Anzahl an Bildungsjahren könne den Alterungsprozess weder verlangsamen noch stoppen. Für das mittlere Erwachsenenalter gebe es klare Belege in der Wissenschaft, dass Bewegung, Ernährung, ein großes soziales Netzwerk und eine intellektuell stimulierende Umgebung durchaus einen Einfluss haben auf die Alterung des Gehirns. Auch wer sich körperlich fit hält, tut etwas für sein Gehirn.
Gehirn-MRT und Schrumpfung
Gehirn-Magnetresonanztomographie (MRT) -Aufnahmen sind wertvolle Werkzeuge, die eine detaillierte Untersuchung des Gehirngewebes ermöglichen. Jedoch deutet nicht jede im Gehirn-MRT entdeckte Schrumpfung auf das Vorliegen einer Krankheit hin. In einigen Fällen kann die Schrumpfung jedoch ein Anzeichen für eine schwerwiegende neurologische Erkrankung sein. Mit zunehmendem Alter kann eine Abnahme des Hirnvolumens auftreten. Neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer-Krankheit, Parkinson-Krankheit und Huntington-Krankheit können zu einer Hirnschrumpfung führen.
Kompensationsstrategien des Gehirns
Zwar lässt die mentale Verarbeitungsgeschwindigkeit im Laufe des Lebens nach, doch die Produktivität von Menschen im Arbeitsleben hinkt nicht unbedingt der von jüngeren Menschen hinterher. Wie Studien gezeigt haben, kommen ihnen Erfahrung und über Jahrzehnte hinweg erworbenes Wissen zugute - Wissen, das oft bis ins hohe Alter vergleichsweise gut erhalten bleibt. Bei älteren Menschen werden bei komplexeren Aufgaben im Vergleich zu jüngeren Freiwilligen zusätzliche Hirnareale aktiviert. So können die Senioren trotz neuronaler Defizite schwierige Aufgaben erfolgreich meistern.