Das Gehirn, die Steuerzentrale des menschlichen Körpers, ist eine komplexe Struktur, die eine Vielzahl von Funktionen steuert, von lebenswichtigen Prozessen wie Atmung und Kreislauf bis hin zu höheren kognitiven Leistungen wie Denken, Lernen und Gedächtnis. Um diese vielfältigen Aufgaben zu erfüllen, ist das Gehirn in verschiedene Regionen unterteilt, die jeweils spezialisierte Funktionen haben. Eine wichtige Ebene dieser Organisation sind die Gehirnrindenfelder, auch bekannt als Hirnrindenfelder, Projektionsfelder oder Brodmann-Areale.
Einführung in die Gehirnrinde und ihre Felder
Die Großhirnrinde (Cortex cerebri) bildet die äußere Schicht des Großhirns (Telencephalon) und ist für viele höhere kognitive Funktionen verantwortlich. Sie ist stark gefaltet, um ihre Oberfläche zu vergrößern, wodurch eine größere Anzahl von Nervenzellen (Neuronen) Platz findet. Diese Faltungen bilden Gehirnwindungen (Gyri), die durch Gräben (Sulci) voneinander getrennt sind. Die Großhirnrinde besteht aus grauer Substanz, die hauptsächlich aus den Zellkörpern der Neuronen besteht.
Die Gehirnrinde lässt sich in verschiedene Felder unterteilen, die sich durch ihren zytoarchitektonischen Aufbau und ihre Funktion unterscheiden. Diese Felder sind die Endstätten der aufsteigenden Nervenbahnen aus Rückenmark, Hirnstamm, Zwischenhirn und Kleinhirn. Die Einteilung der Hirnrinde in 52 Rindenfelder (Brodmann-Areale oder Areae) ermöglicht es, eine Art Landkarte der Hirnrinde zu erstellen, die auf der Struktur und Funktion der verschiedenen Bereiche basiert.
Organisation und Struktur der Gehirnrindenfelder
Die Großhirnrinde besteht zu über 90 Prozent aus einem sechsschichtigen Aufbau, dem sogenannten Isokortex. Dieser weist eine charakteristische Organisation in Laminae (Schichten) auf, die sich in ihrer Zellzusammensetzung und Funktion unterscheiden. Die Pyramidenzelle ist das charakteristische Projektionsneuron der Großhirnrinde und befindet sich vor allem in den Laminae III und V des Isokortex. Körnerzellen prägen vor allem die Lamina II und IV. Alle anderen Neurone werden unter dem Begriff Nicht-Pyramidenzellen zusammengefasst.
Die zytoarchitektonischen Besonderheiten ermöglichen die Einteilung der Großhirnrinde in 44 Areale nach Brodmann (1868-1918). Die individuelle Ausbildung einzelner Areale ergibt eine Nummerierung von 1 bis 57 mit Lücken in der Zählfolge. Die thalamokortikalen Fasern als Input für die primären sensiblen Rindenfelder bedingen eine besonders breite Ausbildung der Lamina IV. In den primären motorischen Rindenfeldern ist sie dagegen eher unterrepräsentiert. In diesen Rindenfeldern steht der Output über die Lamina V im Vordergrund.
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Funktionelle Klassifizierung der Rindenfelder
Die Rindenfelder lassen sich funktionell in verschiedene Kategorien einteilen, darunter:
- Primäre Rindenfelder: Diese Felder erhalten direkte Projektionen von peripheren Körperbereichen und sind für die erste kortikale Verarbeitung sensorischer Informationen oder die Steuerung von Muskelbewegungen verantwortlich. Beispiele hierfür sind das primäre motorische Rindenfeld (Gyrus praecentralis, Areal 4), das primäre somatosensorische Rindenfeld (Gyrus postcentralis), das primäre Hörzentrum (Schläfenlappen), das primäre optische Zentrum (Hinterhauptslappen) und das Riechzentrum (Stirnlappen).
- Sekundäre Rindenfelder: Diese Felder sind den primären Rindenfeldern benachbart und dienen der weiteren Verarbeitung der Informationen, die von diesen empfangen werden. Sie sind unimodale Assoziationsareale mit gnostischen Funktionen (Erkennen).
- Assoziationsfelder: Diese Felder erhalten Informationen von den primären und sekundären Rindenfeldern sowie von den Assoziationskernen des Thalamus. Sie sind für höhere kognitive Funktionen wie Integration von Sinneseindrücken, Gedächtnis, Sprache und Handlungsplanung verantwortlich. Der Anteil der Assoziationsfelder ist bei Primaten, insbesondere beim Menschen, bedeutend größer als bei anderen Säugetieren. Tertiäre Rindenfelder ermöglichen höhere integrative Leistungen durch Projektionen aus verschiedenen Rindenfeldern. Sie können lateralisiert sein. Die Sprache zählt beispielsweise zu den höheren kortikalen Funktionen. Sie wird durch komplexe Verschaltungen mehrerer Assoziationsareale erst möglich.
Spezifische Rindenfelder und ihre Funktionen
Motorische Rindenfelder
Die motorische Rinde wird z.B. von zwei Rindenfeldern (Areal 4 und 6) gebildet. In den motorischen Rindenfeldern befinden sich Neurone, die Verbindungen zu sämtlichen Skelettmuskeln besitzen und deren Funktion steuern. Das primäre motorische Rindenfeld (Area 4) im Gyrus praecentralis ist für die Steuerung der willkürlichen Muskelbewegungen verantwortlich. Vor der Ausführung einer willentlichen Bewegung werden multiple Areale im frontalen und parietalen Kortex bis zu 2 Sekunden vor der Ausführung aktiviert. In den Assoziationsarealen wird die Notwendigkeit einer Bewegung festgestellt. Der prämotorische Kortex entwickelt einen Plan, der an den primär-motorischen Kortex weitergegeben wird.
Nach rostral schließen sich lateral der prämotorische Kortex und medial der supplementär-motorische Kortex (beide Teile der Area 6) an. Das frontale Augenfeld (Teil der Area 8) zur Durchführung konjugierter Augenbewegungen (Hirnnerven III, IV und VI) grenzt an den dahinter gelegenen prämotorischen Kortex. Weitere Untersuchungen zeigten, dass bestimmte Regionen im Gyrus praecentralis für die Innervation bestimmter Muskelgruppen des Körpers zuständig sind. Da diese Somatotopie nicht proportional abgebildet ist, spricht man von einer verzerrten Karte des menschlichen Körpers (Homunculus). An der medialen Fläche in der Fissura longitudinalis befinden sich die Repräsentationsgebiete für Fuß und Unterschenkel. Die Bein- und Beckenregion wird über die Mantelkante hinweg nach lateral abgebildet. Daran schließen bis zur Sylvischen Fissur die Gebiete für Rumpf, obere Extremität, Gesicht und Zunge an. Körperregionen, in denen sehr kleine Muskelgruppen oder gar einzelne Muskeln für feine Bewegungen angesteuert werden müssen, besitzen überproportional große Repräsentationsgebiete. Der supplementär-motorische und prämotorische Kortex besitzen ebenfalls eine somatotope Gliederung.
Die Basalganglien sind subkortikale Kerngebiete, die als Teil des motorischen Systems an der Initiation und Modulation von Bewegungen sowie der Regulation des Muskeltonus beteiligt sind. Sie werden zum extrapyramidal- motorischen System (EPMS) gerechnet und bilden komplexe Schleifen zur Beeinflussung des motorischen Kortex (Calabresi et al. 2014).
Sensorische Rindenfelder
Das somatosensorische Rindenfeld im Gyrus postcentralis empfängt Informationen von den Sinnesorganen in der Haut, den Knochen, den Gelenken und den Muskeln. Diese Informationen gelangen über die Projektionskerne des Thalamus zum Großhirn. Jedem Körperteil kann ein bestimmtes Areal der Projektionsfelder zugeordnet werden; so ziehen z.B. die Erregungen von Temperatur-, Tast- und Schmerzrezeptoren von einem Dermatom stets zu denselben corticalen Arealen.
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Die thalamokortikalen Fasern als Input für die primären sensiblen Rindenfelder bedingen eine besonders breite Ausbildung der Lamina IV. Primäre sensible Rindenfelder dienen der ersten kortikalen Verarbeitung und ermöglichen eine bewusste Wahrnehmung. Sekundäre Rindenfelder sind den primären unmittelbar benachbarte, unimodale Assoziationsareale mit gnostischen Funktionen (Erkennen).
Sprachzentren
Die Fähigkeit zur Sprache ist unmittelbar gebunden an die Unversehrtheit bestimmter Rindengebiete des Großhirns, die in der Regel nur in einer Gehirnhälfte (Hemisphäre) liegen. Diese wird als dominante Hemisphäre bezeichnet und ist beim Rechtshänder meist die linke, beim Linkshänder meist die rechte. Im Frontallappen liegt unter anderem das motorische Sprachzentrum (Broca-Areal, Areal 44 und 45), das für die Sprachproduktion verantwortlich ist. Im hinteren Bereich der oberen Schläfenlappenwindung (Gyrus temporalis superior) der dominanten Hemisphäre liegt das sensorische oder Wernicke Sprachzentrum, bei dessen Schädigung eine Störung des Wortverständnisses eintritt (sensorische Aphasie).
Visuelle Rindenfelder
Area 17 bildet die Endigungsstätte aller Sehbahnen, die Sehrinde. Das Sehzentrum wird von Areal 17 gebildet. Der Hinterhauptlappen übernimmt zum größten Teil visuelle Funktionen. Schädigungen im Bereich des Hinterhauptslappens (zum Beispiel durch einen okzipitalen Hirntumor) können zu einer Rindenblindheit führen.
Die Rolle der Assoziationsfelder für höhere kognitive Funktionen
Die Assoziationsfelder des Großhirns dienen der Integration, d.h. der Zusammenführung und weiteren Verarbeitung von Sinneseindrücken und motorischen Handlungsentwürfen. Es gilt der Grundsatz: Je komplizierter der Ablauf, desto mehr Rindenfelder sind daran beteiligt. Im Großhirn werden also Analysate der verschiedenen Rindenfelder zu einem Gesamtbild zusammengebaut.
Die assoziativen Felder stellen Verknüpfungen her, übernehmen höhere Denkvorgänge und sind für das Gedächtnis zuständig. Im korrekten Zusammenspiel der einzelnen Felder entstehen Funktionen. So ist beispielsweise die Handlungsbereitschaft nicht allein vom Stirnhirn, sondern auch vom Scheitellappen gesteuert. Der Scheitellappen ist für die Wahrnehmung des Körpers zuständig, birgt die Geschmacksregion und Areale für ganzheitliche Verknüpfungen. Der Schläfenlappen nimmt Aufgaben in den Bereichen Zeit und Gedächtnis, auditive Wahrnehmung, Einspeichern und Abrufen von langfristigen Informationen wahr.
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Das limbische System und seine Verbindung zu den Rindenfeldern
Das limbische System setzt sich aus einer speziellen Kombination von Gehirnstrukturen zusammen. Es repräsentiert Gefühle sowie die Motivation betreffende Funktionen und ist zentral an der Übertragung von Informationen aus dem Kurzzeit- in das Langzeitgedächtnis beteiligt. In Zusammenhang mit dem limbischen System sind zwei Schaltkreise wichtig. Der erste, der sogenannte Papezsche Schaltkreis, ist für die Informationsübertragung ins Langzeitgedächtnis essenziell. Der zweite Schaltkreis sorgt für die emotionale Bewertung aufgenommener Informationen und entscheidet deren Qualität für die Übertragung ins Langzeitgedächtnis. Als Folge von Schäden am limbischen System treten Gedächtnisstörungen auf.
Die Strukturen des limbischen Systems stehen in Rückkopplung zu allen sensiblen Rindenfeldern und dem Hypothalamus. Auf diese Weise stellen sie eine Brücke zwischen unwillkürlichen und willkürlichen Reaktionen auf die Außenwelt her. Neuere Erkenntnisse zeigen ein offenes System, das unter dem Einfluss zahlreicher anderer Hirnregionen steht.
Klinische Bedeutung von Schädigungen der Rindenfelder
Da sich die meisten Hirnleistungen einer bestimmten anatomischen Hirnregion zuordnen lassen, weisen bestimmte Ausfälle - etwa Bewegungsstörungen, Sprachstörungen oder Sehstörungen - bereits auf krankhafte Veränderungen eines bestimmten Hirnareals hin. Dabei kann es sich zum Beispiel um Durchblutungsstörungen (Schlaganfall) oder gut- oder bösartige Gewebeneubildungen handeln. Verletzungen der Assoziationsfelder führen zu schweren Störungen der Sinnesfunktionen. So tritt trotz intakten Sehvermögens bei Zerstörung des Feldes eine Unfähigkeit zum Erkennen von Gegenständen auf, obwohl Hindernissen ausgewichen wird oder Gegenstände ergriffen werden können.
Schädigungen im Bereich der ganz vorn und an der Unterseite liegenden Rindengebiete des Frontallappens haben manchmal schwere Persönlichkeitsveränderungen zur Folge. Im Scheitellappen (Parietallappen) liegt unter anderem die Postzentralregion. Schädigungen im Parietallappen können zu verschiedenen Formen der Agnosie führen. Bei einem Hirntumor im Schläfenlappen (temporaler Hirntumor) können unter anderem Hör- und/oder Sprachstörungen auftreten. Ist der Hippocampus mitbetroffen, sind oft Gedächtnisstörungen die Folge. Schädigungen im Bereich des Hinterhauptslappens (zum Beispiel durch einen okzipitalen Hirntumor) können zu einer Rindenblindheit führen.
Bei Schädigungen im Bereich des Marklagers kann es also neben dem Ausfall verschiedener Faserbahnen, die die einzelnen Rindengebiete mit Informationen versorgen und von diesen Informationen erhalten, zur Zerstörung von Stammganglien kommen. Manche große Tumoren können zu einer Schwellung des umgebenden Gewebes führen (perifokales Ödem). So kann beispielsweise ein großer Tumor im Großhirn ein Ödem im Marklager verursachen, das - obwohl der Tumor dieses nicht direkt schädigt - einen gewissen Druck auf die sich darin befindlichen Nervenzellkerngruppen ausübt.
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