Rindenfelder: Funktion und Organisation des Gehirns

Das Gehirn, die zentrale Steuereinheit des Körpers, ist ein komplexes Organ, das lebenswichtige Funktionen wie Atmung, Kreislauf, Gedächtnis, Denken, Lernen, Emotionen und Handlungsplanung steuert. Seine Funktionsweise beruht auf der Zusammenarbeit verschiedener Strukturen und spezialisierter Bereiche. Dieser Artikel beleuchtet die Organisation und Funktion der Rindenfelder (Hirnrindenfelder) und ihre Bedeutung für die Verarbeitung von Informationen und die Steuerung von Verhalten.

Aufbau des Gehirns

Das Gehirn besteht aus verschiedenen Arealen, die über Nervenbahnen mit dem Körper verbunden sind. Es wird durch die knöcherne Schädeldecke und drei Hirnhäute (Meningen) geschützt. Das Gehirn lässt sich in graue und weiße Substanz unterteilen. Die graue Substanz beinhaltet die Zellkörper der Nervenzellen, während die weiße Substanz die Nervenfasern (Axone) enthält.

Die Hauptbestandteile des Gehirns sind:

  • Großhirn (Cerebrum): Der größte Teil des Gehirns, der in zwei Hemisphären unterteilt ist. Die Oberfläche des Großhirns ist stark gefaltet und bildet Gehirnwindungen (Gyri), die durch Gräben (Sulci) getrennt sind. Die Großhirnrinde (Cortex) ist die äußere Schicht des Großhirns.
  • Zwischenhirn (Diencephalon): Liegt zwischen Großhirn und Mittelhirn und besteht aus Thalamus, Hypothalamus, Subthalamus und Epithalamus.
  • Kleinhirn (Cerebellum): Befindet sich unterhalb des Großhirns und hinter dem Hirnstamm und ist vor allem für Gleichgewicht und Steuerung von Bewegungsabläufen zuständig.
  • Hirnstamm: Bildet den untersten Teil des Gehirns und ist für die Verschaltung von Sinneseindrücken verantwortlich.

Die Großhirnrinde (Cortex)

Die Großhirnrinde (Cortex) bildet die äußere Schicht des Großhirns und ist 1-4 mm dick. Durch ihre starke Faltung erreicht sie eine Fläche von etwa ¼ m². Sie enthält etwa 16 Milliarden Nervenzellen, was einem Fünftel der gesamten Nervenzellen im Gehirn entspricht. Über 90 Prozent des Cortex sind beim Menschen sechsschichtig aufgebaut. Die beiden Großhirnhälften sind durch einen dicken Nervenstrang (Corpus callosum/Balken) und kleinere Stränge miteinander verbunden. Die linke und rechte Hemisphäre sind funktional nicht gleichwertig. Bei den meisten Menschen ist die linke Hemisphäre für sprachgebundene und detailanalytische Aufgaben zuständig, während die rechte Hemisphäre den nicht-verbalen, ganzheitlich integrativen Teil darstellt.

Rindenfelder: Funktionelle Organisation der Großhirnrinde

Der Cortex besteht aus verschiedenen Rindenfeldern, die sich in primäre und Assoziationsfelder unterteilen lassen. Diese Hirnrindenfelder sind Areale des Neocortex (Gehirn), die sich zum einen durch den Aufbau der einzelnen Schichten unterscheiden, sodass eine Art Landkarte der Rindenfelder erstellt werden kann. Die einzelnen Gehirnareale können zum anderen aber auch aufgrund funktioneller Kriterien unterschieden werden, die dann meist als Projektionsfelder bezeichnet werden.

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  • Primäre Felder: Verarbeiten spezifische Arten von Informationen zu Wahrnehmungen und einfachen Bewegungen. Beispiele sind der visuelle Cortex (Sehen) und der auditorische Cortex (Hören). Diese Felder haben eine direkte Projektion von peripheren Körperbereichen auf die Hirnareale. Jedem Körperteil kann ein bestimmtes Areal der Projektionsfelder zugeordnet werden.
  • Assoziationsfelder: Stellen Verknüpfungen her, übernehmen höhere Denkvorgänge und sind für das Gedächtnis zuständig. Sie erhalten Informationen von den primären Projektionsfeldern und den Assoziationskernen des Thalamus. Der Anteil der Assoziationsfelder ist bei Primaten, insbesondere beim Menschen, bedeutend größer als bei anderen Säugetieren. Verletzungen der Assoziationsfelder führen zu schweren Störungen der Sinnesfunktionen.

Im korrekten Zusammenspiel der einzelnen Felder entstehen komplexe Funktionen. Die Rindenfelder lassen sich jedoch äußerlich nicht voneinander abgrenzen.

Die vier "Lappen" des Großhirns

Die menschliche Großhirnrinde teilt sich in vier sogenannte "Lappen":

  • Stirnlappen (Frontallappen): Enthält motorische Rindenfelder sowie Bereiche, die mit Initiative, Handlungsplanung und Supervision assoziiert werden. Der orbifrontale Anteil steuert Sozialverhalten, Persönlichkeitsdimensionen sowie motivationale und emotionale Dimensionen. Im linken Bereich liegt die Brocasche Sprachregion.
  • Scheitellappen (Parietallappen): Zuständig für die Wahrnehmung des Körpers, birgt die Geschmacksregion und Areale für ganzheitliche Verknüpfungen. Die Handlungsbereitschaft wird nicht allein vom Stirnhirn, sondern auch vom Scheitellappen gesteuert.
  • Schläfenlappen (Temporallappen): Nimmt Aufgaben in den Bereichen Zeit und Gedächtnis, auditive Wahrnehmung, Einspeichern und Abrufen von langfristigen Informationen wahr. Im linken Teil befindet sich die Wernickesche Sprachregion. Hier liegt auch der Hippocampus, eine Struktur, die hauptsächlich für die Gedächtnisbildung zuständig ist.
  • Hinterhauptlappen (Okzipitallappen): Übernimmt zum größten Teil visuelle Funktionen.

Wichtige Rindenfelder und ihre Funktionen

Die Großhirnrinde lässt sich in 52 Rindenfelder (Brodmann-Areale) einteilen, die die Endstätten der aufsteigenden Nervenbahnen aus Rückenmark, Hirnstamm, Zwischenhirn und Kleinhirn darstellen.

Einige wichtige Rindenfelder sind:

  • Motorische Rinde (Areal 4 und 6): Hauptursprungsgebiet der Nachrichtenvermittlung für Muskelaktivitäten.
  • Motorisches Sprachzentrum (Brocasches Feld, Areal 44 und 45): Verantwortlich für die Sprachproduktion.
  • Sehzentrum (Areal 17): Endigungsstätte aller Sehbahnen.
  • Sensorisches Sprachzentrum (Wernicke-Zentrum): Störung des Wortverständnisses bei Schädigung (sensorische Aphasie).

Zusammenspiel der Rindenfelder

Die Assoziationsfelder des Großhirns dienen der Integration, d.h. der Zusammenführung und weiteren Verarbeitung von Sinneseindrücken und motorischen Handlungsentwürfen. Je komplizierter der Ablauf, desto mehr Rindenfelder sind daran beteiligt. Im Großhirn werden also Analysate der verschiedenen Rindenfelder zu einem Gesamtbild zusammengebaut.

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Weitere wichtige Gehirnstrukturen

Neben der Großhirnrinde spielen auch andere Gehirnstrukturen eine wichtige Rolle für die Funktion des Gehirns:

  • Thalamus: Sammelt Sinneswahrnehmungen und leitet sie an das primär sensorische Rindenfeld weiter.
  • Hypothalamus: Kontrolliert den Hormonhaushalt und steuert wichtige Funktionen wie Schlaf-Wach-Rhythmus, Körpertemperatur und Sexualverhalten.
  • Limbisches System: Repräsentiert Gefühle und Motivation und ist zentral an der Übertragung von Informationen aus dem Kurzzeit- in das Langzeitgedächtnis beteiligt. Die Amygdala ordnet den sensiblen Impulsen eine positive oder eine negative Bewertung zu. Sie bildet die Basis des emotionalen Gedächtnisses und dient als übergeordnete Kontrollinstanz für das vegetative System.
  • Basalganglien (Stammganglien): Sind an der Initiation und Modulation von Bewegungen sowie der Regulation des Muskeltonus beteiligt.

Funktionelle Systeme und lateralisierte Funktionen

Die verschiedenen Anteile des zentralen Nervensystems bilden eine funktionelle Einheit. Das Ausmaß einer Läsion kann häufig erst erfasst werden, wenn Strukturen nicht einzeln, sondern im Kontext mit anderen Strukturen gesehen werden.

Die sprachlichen Fähigkeiten sind in der Regel in einer Gehirnhälfte lokalisiert (dominante Hemisphäre). Beim Rechtshänder ist dies meist die linke, beim Linkshänder die rechte Hemisphäre.

Schädigungen der Rindenfelder

Schädigungen der Rindenfelder können zu unterschiedlichen Symptomen führen, je nachdem welcher Bereich betroffen ist. Beispiele sind:

  • Schädigungen im Frontallappen: Können schwere Persönlichkeitsveränderungen zur Folge haben.
  • Schädigungen im Schläfenlappen: Können Hör- und/oder Sprachstörungen sowie Gedächtnisstörungen verursachen.
  • Schädigungen im Hinterhauptlappen: Können zu Rindenblindheit führen.
  • Schlaganfall: Eine Durchblutungsstörung im Gehirn, die zu Sauerstoffunterversorgung und Schädigung der Nervenzellen führt.
  • Hirntumor: Kann je nach Lage und Größe unterschiedliche Symptome verursachen.
  • Demenz: Abnahme von Gedächtnis- und Denkleistungen, z.B. bei Alzheimer.
  • Parkinson: Absterben von Nervenzellen im Gehirn, was zu geringerer Dopaminkonzentration führt.

Entwicklung des Gehirns

Das Gehirn eines Embryos entwickelt sich etwa ab der vierten Schwangerschaftswoche. Bereits in dieser frühen Entwicklungsphase wird das Gehirn in unterschiedliche Abschnitte eingeteilt. Aus den drei ersten Bläschen bilden sich das Vorder-, das Mittel- und das Rautenhirn. Im Laufe der Entwicklung gehen daraus dann weitere Hirnbläschen hervor, welche die restlichen Gehirnabschnitte bilden.

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