Motorische und sensorische Rindenfelder: Funktion und Zusammenspiel

Das menschliche Gehirn ist ein komplexes Organ, das in verschiedene Bereiche unterteilt ist, die jeweils spezifische Funktionen erfüllen. Zu den wichtigsten Strukturen gehören die motorischen und sensorischen Rindenfelder, die eine entscheidende Rolle bei der Steuerung von Bewegungen und der Verarbeitung von Sinnesinformationen spielen. Dieser Artikel beleuchtet die Funktionen dieser Rindenfelder, ihre Organisation und ihr Zusammenspiel.

Aufbau des Gehirns: Eine Übersicht

Das Großhirn, der größte Teil des Gehirns, lässt sich in drei Hauptbereiche unterteilen:

  • Kortex (Hirnrinde): Die äußere Schicht des Großhirns, die für höhere kognitive Funktionen wie Sprache, Gedächtnis und Bewusstsein verantwortlich ist.
  • Medulla (subkortikales Marklager): Die innere Schicht des Großhirns, die hauptsächlich aus Nervenfasern besteht, die verschiedene Bereiche des Gehirns miteinander verbinden.
  • Nukleäre Abschnitte (Kerngebiete): Gruppen von Nervenzellen innerhalb des Großhirns, die spezifische Funktionen erfüllen.

Kortex und Kerngebiete des Gehirns bilden als Sitz der Perikaryen von Nervenzellen die graue Substanz, während das Marklager v. a. Nervenzellfortsätze beherbergt, die von Oligodendrozyten mit einer Myelinscheide umgeben werden und makroskopisch als weiße Substanz in Erscheinung tritt.

Die Fissura longitudinalis cerebri teilt das Großhirn in zwei symmetrische Hemisphären, welche makroskopisch, jedoch nicht funktionell identisch sind. Die Gyrierung der Hirnrinde führt zu einer starken Oberflächenvergrößerung. Das ausgedehnte Wachstum des Großhirns in der Entwicklung spiegelt sich in der Form des Ventrikelsystems wider. Das Großhirn wird in vier Lappen gegliedert, die durch konstante Sulci begrenzt werden: Frontal-, Parietal-, Temporal- und Okzipitallappen. In der Tiefe des Sulcus lateralis (Sylvische Fissur) befindet sich die Insula, ein ursprünglich oberflächlich gelegenes Rindenareal, das durch Wachstumsprozesse benachbarter Hirnareale (Opercula) überdeckt wird. Das Areal zwischen Sulcus parietooccipitalis und Sulcus calcarinus wird aufgrund seiner keilartigen Form als Cuneus bezeichnet.

Die Großhirnrinde lässt sich in den jüngeren, 6-schichtigen Isokortex und den älteren, 3- bis 5-schichtigen Allokortex unterteilen. Der Isokortex macht mit 92 % den größten Anteil aus. Zum Allokortex werden vereinfacht die Riechrinde und der Hippocampus gezählt. Der 3-schichtige Hippocampus ist Teil des limbischen Systems. Er zeichnet mit seiner Ausbreitung vom rostralen Ende des Balkens bis in den mesialen Temporallappen am Unterhorn des Seitenventrikels ebenfalls das Wachstum der Großhirnhemisphären nach. Die Pyramidenzelle ist das charakteristische Projektionsneuron der Großhirnrinde und ist v. a. in der Lamina III und V des Isokortex lokalisiert. Körnerzellen prägen v. a. die Lamina II und IV. Alle anderen Neurone werden unter dem Begriff Nicht-Pyramidenzellen zusammengefasst.

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Die Rindenfelder nach Brodmann

Zytoarchitektonische Besonderheiten ermöglichen die Einteilung der Großhirnrinde in 44 Areale nach Brodmann (1868-1918). Die individuelle Ausbildung einzelner Areale ergibt eine Nummerierung von 1 bis 57 mit Lücken in der Zählfolge. Die thalamokortikalen Fasern als Input für die primären sensiblen Rindenfelder bedingen eine besonders breite Ausbildung der Lamina IV. In den primären motorischen Rindenfeldern ist sie dagegen eher unterrepräsentiert. In diesen Rindenfeldern steht der Output über die Lamina V im Vordergrund.

Werden morphologische Unterschiede mit funktionellen Analysen gekoppelt, kann der Kortex in primäre Rindenfelder und Assoziationsfelder unterteilt werden. Primäre Rindenfelder sind Gebiete mit strenger somatotoper Gliederung, die motorische Efferenzen oder sensorische Afferenzen für verschiedene Körperteile nicht proportional auf dem Kortex abbilden. Für den primär-motorischen und primär-somatosensorischen Kortex wird die Somatotopie in Form des Homunculus widergespiegelt. Primäre sensible Rindenfelder dienen der ersten kortikalen Verarbeitung und ermöglichen eine bewusste Wahrnehmung. Sekundäre Rindenfelder sind den primären unmittelbar benachbarte, unimodale Assoziationsareale mit gnostischen Funktionen (Erkennen). Tertiäre Rindenfelder dagegen ermöglichen höhere integrative Leistungen durch Projektionen aus verschiedenen Rindenfeldern. Sie können lateralisiert sein. Die Sprache zählt beispielsweise zu den höheren kortikalen Funktionen. Sie wird durch komplexe Verschaltungen mehrerer Assoziationsareale erst möglich.

Motorische Rindenfelder: Steuerung der Bewegung

Die motorischen Rindenfelder befinden sich im Frontallappen des Gehirns und sind für die Planung,Initiierung und Ausführung willkürlicher Bewegungen verantwortlich. Der primäre motorische Kortex (Area 4) ist der Hauptort für die Steuerung der Muskeln. Er liegt im Gyrus praecentralis und erstreckt sich von der medialen Hemisphärenoberfläche über die Mantelkante hinweg bis zur Sylvischen Fissur. Nach rostral schließen sich lateral der prämotorische Kortex und medial der supplementär-motorische Kortex (beide Teile der Area 6) an. Das frontale Augenfeld (Teil der Area 8) zur Durchführung konjugierter Augenbewegungen grenzt an den dahinter gelegenen prämotorischen Kortex.

Weitere Untersuchungen zeigten, dass bestimmte Regionen im Gyrus praecentralis für die Innervation bestimmter Muskelgruppen des Körpers zuständig sind. Da diese Somatotopie nicht proportional abgebildet ist, spricht man von einer verzerrten Karte des menschlichen Körpers (Homunculus). An der medialen Fläche in der Fissura longitudinalis befinden sich die Repräsentationsgebiete für Fuß und Unterschenkel. Die Bein- und Beckenregion wird über die Mantelkante hinweg nach lateral abgebildet. Daran schließen bis zur Sylvischen Fissur die Gebiete für Rumpf, obere Extremität, Gesicht und Zunge an. Körperregionen, in denen sehr kleine Muskelgruppen oder gar einzelne Muskeln für feine Bewegungen angesteuert werden müssen, besitzen überproportional große Repräsentationsgebiete. Der supplementär-motorische und prämotorische Kortex besitzen ebenfalls eine somatotope Gliederung. Die Basalganglien sind subkortikale Kerngebiete, die als Teil des motorischen Systems an der Initiation und Modulation von Bewegungen sowie der Regulation des Muskeltonus beteiligt sind. Sie werden zum extrapyramidal- motorischen System (EPMS) gerechnet und bilden komplexe Schleifen zur Beeinflussung des motorischen Kortex.

Organisation der motorischen Rindenfelder

Die motorischen Rindenfelder sind somatotopisch organisiert, was bedeutet, dass verschiedene Körperteile in bestimmten Bereichen des Kortex repräsentiert sind. Diese Repräsentation ist jedoch nicht proportional; Bereiche, die eine feinere motorische Kontrolle erfordern, wie Hände und Gesicht, nehmen einen größeren Teil des Kortex ein. Diese verzerrte Karte des Körpers wird als Homunculus bezeichnet.

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Funktionelle Hierarchie

Die motorischen Rindenfelder sind hierarchisch organisiert. Der primäre motorische Kortex ist für die Ausführung von Bewegungen verantwortlich, während der prämotorische und supplementär-motorische Kortex an der Planung und Vorbereitung von Bewegungen beteiligt sind. Diese Bereiche arbeiten zusammen, um komplexe Bewegungsabläufe zu ermöglichen.

Sensorische Rindenfelder: Verarbeitung von Sinnesinformationen

Die sensorischen Rindenfelder befinden sich im Parietallappen, Temporallappen und Okzipitallappen des Gehirns und sind für die Verarbeitung von Sinnesinformationen aus dem Körper und der Umwelt verantwortlich. Zu den wichtigsten sensorischen Rindenfeldern gehören:

  • Somatosensorischer Kortex: Verarbeitung von Berührung, Temperatur, Schmerz und Druck.
  • Visueller Kortex: Verarbeitung von visuellen Informationen.
  • Auditorischer Kortex: Verarbeitung von auditiven Informationen.
  • Gustatorischer Kortex: Verarbeitung von Geschmacksinformationen.
  • Olfaktorischer Kortex: Verarbeitung von Geruchsinformationen.

Die sensorischen Rindenfelder ermöglichen die bewusste Wahrnehmung und Interpretation von Sinneseindrücken. Sie sind ebenfalls somatotopisch organisiert, wobei verschiedene Körperteile in bestimmten Bereichen des Kortex repräsentiert sind.

Organisation der sensorischen Rindenfelder

Ähnlich wie die motorischen Rindenfelder sind auch die sensorischen Rindenfelder somatotopisch organisiert. Dies bedeutet, dass verschiedene Körperteile in bestimmten Bereichen des Kortex repräsentiert sind. Die Größe der Repräsentation eines Körperteils hängt von der Dichte der sensorischen Rezeptoren in diesem Bereich ab. Zum Beispiel haben die Lippen und Fingerbeeren eine große Repräsentation im somatosensorischen Kortex, da sie eine hohe Dichte an sensorischen Rezeptoren aufweisen.

Primäre und sekundäre Rindenfelder

Innerhalb der sensorischen Rindenfelder gibt es primäre und sekundäre Bereiche. Die primären sensorischen Rindenfelder empfangen direkte Informationen von den Sinnesorganen und sind für die erste Verarbeitung der Informationen verantwortlich. Die sekundären sensorischen Rindenfelder empfangen Informationen von den primären Rindenfeldern und sind an der weiteren Verarbeitung und Interpretation der Informationen beteiligt.

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Zusammenspiel von Motorik und Sensorik

Das Zusammenspiel von Motorik und Sensorik ist entscheidend für die Ausführung zielgerichteter Bewegungen und die Interaktion mit der Umwelt. Sensorische Informationen werden verwendet, um Bewegungen zu planen, auszuführen und anzupassen. Zum Beispiel verwenden wir visuelle Informationen, um nach einem Gegenstand zu greifen, und propriozeptive Informationen, um unsere Körperhaltung und Bewegung zu kontrollieren.

Rückkopplungsschleifen

Die Interaktion zwischen sensorischen und motorischen Systemen erfolgt über komplexe Rückkopplungsschleifen. Sensorische Informationen werden an die motorischen Rindenfelder gesendet, die dann die Bewegung entsprechend anpassen. Diese Rückkopplungsschleifen ermöglichen es uns, Bewegungen präzise und effizient auszuführen.

Rolle der Assoziationsfelder

Die Assoziationsfelder des Großhirns spielen eine wichtige Rolle bei der Integration von sensorischen und motorischen Informationen. Sie ermöglichen es uns, Sinneseindrücke zu interpretieren, Handlungspläne zu entwerfen und komplexe Bewegungsabläufe auszuführen. Je komplizierter der Ablauf, desto mehr Rindenfelder sind daran beteiligt.

Klinische Bedeutung

Schädigungen der motorischen oder sensorischen Rindenfelder können zu einer Vielzahl von neurologischen Störungen führen, darunter:

  • Lähmungen: Verlust der willkürlichen Bewegung aufgrund von Schädigungen des motorischen Kortex oder der absteigenden Bahnen.
  • Sensibilitätsstörungen: Verlust oder Beeinträchtigung der sensorischen Wahrnehmung aufgrund von Schädigungen des sensorischen Kortex oder der aufsteigenden Bahnen.
  • Apraxie: Unfähigkeit, zielgerichtete Bewegungen auszuführen, obwohl keine Lähmung oder Sensibilitätsstörung vorliegt.
  • Agnosie: Unfähigkeit, Objekte, Personen oder Geräusche zu erkennen, obwohl die Sinnesorgane intakt sind.

Die Lokalisation der Schädigung im Gehirn bestimmt die Art und den Schweregrad der Symptome.

Plastizität des Gehirns

Das Gehirn besitzt die Fähigkeit, sich im Laufe der Zeit zu verändern und anzupassen. Diese Eigenschaft wird als Plastizität bezeichnet. Nach Schädigungen der motorischen oder sensorischen Rindenfelder kann das Gehirn neue neuronale Verbindungen bilden und Funktionen auf andere Bereiche des Gehirns verlagern. Diese Plastizität ermöglicht esPatienten, nach einem Schlaganfall oder einer anderen Hirnverletzung verlorene Funktionen wiederzuerlangen.

Motorik und Sprache

Die motorischen Funktionen haben einen erheblichen Einfluss auf die Sprachentwicklung, insbesondere während der Kindheit. Motorische Fähigkeiten fördern die physische Umgebungserkundung und soziale Interaktion, die unabdingbar für den Spracherwerb sind. Bewegungserfahrung etwa durch Spielen verbessert neural Entwicklung, die für Sprachfähigkeiten wichtig ist. Motorische Übungen unterstützen die Entwicklung der Mundmotorik, die für eine klare Artikulation notwendig ist. Soziale Interaktionen während körperlicher Aktivitäten führen zu einer Vermehrung des Vokabulars und besseren Kommunikationsfähigkeiten.

Die Wechselwirkung zwischen motorischer Aktivität und Sprachentwicklung zeigt sich auch später im Leben, wo sprachliche Leistungen durch regelmäßiges körperliches Training verbessert werden können. Kinder, die an sportlichen Aktivitäten teilnehmen, entwickeln oft ein besseres Sprachverständnis und höhere kommunikative Fähigkeiten.

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