Gehirnfunktion und Aufbau: Eine umfassende Übersicht

Das menschliche Gehirn ist eines der komplexesten und faszinierendsten Organe des menschlichen Körpers. Es steuert unser Denken, Verhalten, Empfinden und alle lebenswichtigen Körperfunktionen. Trotz jahrhundertelanger Forschung sind noch immer nicht alle Geheimnisse des Gehirns entschlüsselt. Dieser Artikel bietet einen detaillierten Einblick in den Aufbau und die Funktionsweise des Gehirns, die verschiedenen Hirnregionen und ihre Aufgaben sowie die Bedeutung der Plastizität des Gehirns.

Einführung in das Nervensystem

Um die Funktion des Gehirns zu verstehen, ist es wichtig, das Nervensystem als Ganzes zu betrachten. Der Mensch tritt über das Nervensystem in Kontakt mit seiner Umwelt. Augen, Ohren, Nase, Zunge und Sensoren in der Haut nehmen Reize aus der Umwelt wahr und leiten sie an das Zentralnervensystem weiter. Informationen über den Zustand des eigenen Körpers, wie Körperhaltung, Hunger und Durst, werden ebenfalls registriert.

Das Nervensystem lässt sich in zwei Hauptbereiche unterteilen:

  • Sensorisches Nervensystem: Nimmt Reize aus der Umwelt und dem Körperinneren wahr und leitet sie an das Zentralnervensystem weiter.
  • Motorisches Nervensystem: Reagiert auf Signale aus der Umgebung oder dem Körper selbst und steuert die Muskulatur, um Handlungen auszuführen und sich in der Umwelt zu bewegen.

Viele Funktionen des Nervensystems laufen bewusst ab, wie z.B. die Entscheidung, etwas anzusehen oder wegzusehen, fortzugehen oder stehen zu bleiben, zu sprechen oder zuzuhören. Dieser Teil des Nervensystems unterliegt unserer willkürlichen Kontrolle. Daneben gibt es aber auch Aufgaben, die wir nicht bewusst steuern können. Das vegetative Nervensystem, auch autonomes oder unwillkürliches Nervensystem genannt, kontrolliert die Muskulatur aller Organe und regelt lebenswichtige Körperfunktionen wie Herztätigkeit, Atmung, Kreislauf, Stoffwechsel, Verdauung, Ausscheidung, Schweißbildung, Körpertemperatur und Fortpflanzung.

Das vegetative Nervensystem besteht aus zwei Gegenspielern:

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  • Sympathikus: Erhöht Herzschlag und Atemtätigkeit, verbessert die Durchblutung der Muskulatur und fördert das Schwitzen.
  • Parasympathikus: Senkt den Herzschlag, beruhigt die Atmung und fördert die Verdauung.

Das Gehirn: Die Informationszentrale

Das Gehirn ist die zentrale Informationsverarbeitungsstelle unseres Körpers. Hier werden Informationen aus der Umwelt und über den Zustand des Organismus zusammengetragen und zu Reaktionen verarbeitet. Der am höchsten entwickelte Abschnitt des Gehirns ist das Großhirn mit der Großhirnrinde. Hier liegen die Verarbeitungszentren für Signale, die von den Augen (Sehrinde), den Ohren (Hörzentrum) und anderen Sinnesorganen kommen.

Die weiteren Abschnitte des Gehirns sind Zwischenhirn, Mittelhirn, Kleinhirn und Nachhirn, die jeweils spezifische Funktionen erfüllen.

Überblick über die Gehirnstruktur

Das menschliche Gehirn besteht aus Milliarden von Neuronen und Gliazellen. Es wiegt durchschnittlich 1,5 Kilogramm und ist in vier Hauptbereiche unterteilt:

  • Großhirn (Cerebrum): Der größte Teil des Gehirns, verantwortlich für höhere kognitive Funktionen wie Denken, Sprache, Gedächtnis und bewusste Bewegungen.
  • Kleinhirn (Cerebellum): Koordiniert Bewegungen, hält das Gleichgewicht aufrecht und ist an Lernprozessen beteiligt.
  • Zwischenhirn (Diencephalon): Enthält Thalamus und Hypothalamus, die für die Filterung von Sinnessignalen, die Steuerung von Körpertemperatur, Sexualverhalten, Hunger, Durst und Schlaf zuständig sind.
  • Hirnstamm (Truncus cerebri): Verbindet Gehirn und Rückenmark und ist für lebenswichtige Funktionen wie Atmung, Herzfrequenz und Blutdruckregulation verantwortlich.

Gehirnwindungen und Furchen

Die Oberfläche des Großhirns ist von zahlreichen Windungen (Gyri) und Furchen (Sulci) bedeckt. Diese komplexe Struktur vergrößert die Oberfläche des Gehirns und ermöglicht es, eine große Anzahl von Neuronen auf kleinem Raum unterzubringen, was die Leistungsfähigkeit des Gehirns erhöht. Die größten Furchen dienen als Trennlinien, um die vier Hirnlappen anatomisch voneinander zu unterscheiden:

  • Frontallappen (Stirnlappen): Verantwortlich für Planung, Entscheidungsfindung, Persönlichkeit und willkürliche Bewegungen.
  • Parietallappen (Scheitellappen): Verarbeitet sensorische Informationen wie Berührung, Temperatur, Schmerz und räumliche Orientierung.
  • Temporallappen (Schläfenlappen): Zuständig für Hören, Gedächtnis, Sprache und das Erkennen von Objekten.
  • Okzipitallappen (Hinterhauptlappen): Verarbeitet visuelle Informationen.

Rechte und linke Hemisphäre

Das Gehirn ist in eine rechte und eine linke Hemisphäre unterteilt, die durch den Balken (Corpus callosum) miteinander verbunden sind und zusammenarbeiten. Jede Hemisphäre ist auf bestimmte Funktionen spezialisiert, kommuniziert aber kontinuierlich mit der anderen.

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  • Linke Hemisphäre: Bei den meisten Menschen auf Sprache und abstraktes Denken spezialisiert.
  • Rechte Hemisphäre: Zuständig für räumliches Denken und bildhafte Zusammenhänge.

Interessanterweise steuert jede Gehirnhälfte die entgegengesetzte Körperseite.

Aufbau des Nervensystems

Das Nervensystem besteht aus Neuronen, Gliazellen und Synapsen:

  • Neuronen (Nervenzellen): Spezialisierte Zellen, die Signale in Form von elektrischen Impulsen empfangen, verarbeiten und weiterleiten.
  • Gliazellen: Zellen, die das Gehirn und das Rückenmark umgeben und unterstützen, indem sie Nährstoffe und Sauerstoff liefern, Abfallprodukte entfernen und Neuronen schützen.
  • Synapsen: Verbindungen zwischen Neuronen, die die Übertragung von Signalen ermöglichen.

Entlang einer Nervenzelle werden die Signale elektrisch fortgeleitet. Die Geschwindigkeit solcher Signale kann bis zu 360 km/h erreichen. An der Synapse erfolgt die Übertragung des elektrischen Signals von einer Nervenzelle zur nächsten mit Hilfe von Botenstoffen, den sogenannten Transmittern. Die Funktion von Gehirn und Nervensystem basiert somit nicht nur auf einer Weiterleitung von elektrischen Signalen, sondern auch auf biochemischen Prozessen, welche die Signalübertragung zwischen den Nervenzellen erst ermöglichen.

Dimensionen des Gehirns

Obwohl das Gehirn nur etwa zwei bis drei Prozent der Gesamtmasse unseres Körpers ausmacht, verbraucht es 20 % seiner Energie. Es enthält etwa 86 Milliarden Neuronen sowie eine ähnliche Anzahl an Gliazellen. Der Speicherplatz des Gehirns wird auf etwa ein Petabyte geschätzt, das sind 1.000.000 Gigabyte. Es ist ein Mythos, dass wir nicht unser gesamtes Gehirn nutzen. Zwar sind nicht alle Teile des Gehirns gleichzeitig aktiv, aber jeder Bereich hat seine Spezialisierung und kommt regelmäßig zum Einsatz.

Steuerung des Körpers durch das Gehirn

Das Gehirn steuert alle unsere Bewegungen, von einfachen Handgriffen bis zu komplexen Tanzschritten, meist automatisch. Dabei arbeiten die verschiedenen Bereiche des Gehirns nahtlos zusammen. Das Rückenmark spielt hierbei eine Schlüsselrolle, indem es als Schnittstelle zwischen dem Gehirn und unserem Körper fungiert, Signale an die Muskeln leitet und für einfache Reflexe verantwortlich ist.

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Das Rückenmark und das Gehirn arbeiten eng zusammen, um das reibungslose Funktionieren des Körpers zu gewährleisten. Das Rückenmark ist ein Teil des zentralen Nervensystems und dient als Verbindung zwischen dem Gehirn und den peripheren Nerven des Körpers. Es verläuft entlang der Wirbelsäule und besteht aus Nervenfasern, die Signale vom Gehirn zu den Muskeln und Drüsen des Körpers übertragen.

Das Gehirn ist das Kontrollzentrum des Körpers und sendet ständig Signale an das Rückenmark, um Körperfunktionen wie Atmung, Herzschlag, Verdauung und Bewegung zu regulieren. Diese Signale werden entlang des Rückenmarks weitergeleitet und führen zur Aktivierung der entsprechenden Muskeln oder Drüsen. Zusätzlich werden über das Rückenmark auch Signale an das Gehirn gesendet, um Informationen über Schmerzen, Berührungen und andere sensorische Reize zu übermitteln. Dieses Zusammenspiel zwischen Rückenmark und Gehirn ermöglicht es dem Körper, auf seine Umgebung zu reagieren und seine Funktionen zu regulieren.

Kognitive Funktionen und Plastizität im Gehirn

Das Gehirn ist nicht nur für die Steuerung des Körpers verantwortlich, sondern auch für eine Vielzahl von kognitiven Funktionen wie Lernen, Gedächtnis, Sprache und Entscheidungsfindung. Diese kognitiven Funktionen beruhen auf komplexen neuronalen Netzwerken, die sich im Laufe des Lebens entwickeln und verändern.

Die Plastizität des Gehirns

Die Plastizität des Gehirns ist eine faszinierende Eigenschaft, die es dem Gehirn ermöglicht, sich an neue Herausforderungen, Veränderungen und Erfahrungen anzupassen. Das Gehirn kann seine Funktionen verändern und verbessern, indem es neue Verbindungen zwischen Neuronen bildet und bestehende Verbindungen modifiziert. Dieser Prozess der Anpassungsfähigkeit findet während der gesamten Lebensspanne statt und wird durch Faktoren wie Lernen, Erfahrung, körperliche Aktivität und Umgebung beeinflusst.

Beispielsweise kann sich das Gehirn nach einem Schlaganfall oder einer Verletzung aufgrund von neuroplastischen Mechanismen regenerieren. Wenn ein Teil des Gehirns beschädigt wird, können andere Teile des Gehirns die Funktionen dieses beschädigten Bereichs übernehmen. Darüber hinaus kann das Gehirn auch in der Lage sein, neue Verbindungen zwischen Neuronen zu bilden, um verlorene Funktionen wiederzugewinnen.

Die Plastizität des Gehirns spielt auch eine wichtige Rolle beim Lernen und Gedächtnis. Wenn wir etwas lernen, werden neue neuronale Verbindungen gebildet und bestehende Verbindungen verstärkt. Durch diese Veränderungen kann das Gehirn Informationen schneller und effektiver verarbeiten, wodurch wir unsere kognitiven Fähigkeiten verbessern.

Regelmäßige kognitive Aktivitäten oder körperliches Training können die Neubildung von neuronalen Verbindungen fördern und die Verbesserung kognitiver Fähigkeiten wie Gedächtnis, Aufmerksamkeit und Problemlösung unterstützen.

Das Gedächtnis

Das Gehirn ist in der Lage, Erinnerungen zu speichern und abzurufen, indem es verschiedene Formen von Gedächtnissen verwendet: Arbeitsgedächtnis, Kurzzeitgedächtnis und Langzeitgedächtnis. Der Hippocampus spielt eine wichtige Rolle bei der Bildung des Langzeitgedächtnisses, indem er Informationen aus dem Kurzzeitgedächtnis konsolidiert und sie in der Großhirnrinde speichert.

Die Sprache

Das Gehirn ist auch entscheidend für die Sprachfunktionen des Menschen, einschließlich der Fähigkeit, Sprache zu verstehen, zu sprechen und zu lesen. Die Sprachfunktionen des Gehirns sind hauptsächlich in der linken Hemisphäre lokalisiert und umfassen verschiedene Regionen, darunter das Broca-Areal und das Wernicke-Areal.

Das Broca-Areal ist für die Sprachproduktion zuständig, während das Wernicke-Areal das Verständnis von Sprache ermöglicht.

Störungen und Krankheiten des Gehirns

Das menschliche Gehirn ist ein empfindliches Organ, das anfällig für verschiedene Störungen und Krankheiten sein kann. Einige der häufigsten Störungen des Gehirns sind:

  • Schlaganfall: Tritt auf, wenn die Blutversorgung des Gehirns unterbrochen wird, was zu Schäden an den Gehirnzellen führen kann.
  • Epilepsie: Eine Störung des Gehirns, die zu wiederholten Anfällen führen kann.
  • Demenz: Eine Erkrankung, die das Gedächtnis, das Denken und die sozialen Fähigkeiten beeinträchtigt.
  • Parkinson: Eine degenerative Erkrankung des Nervensystems, die zu Zittern, Steifheit und Bewegungsverlangsamung führt.

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