Übergewicht ist ein weit verbreitetes Gesundheitsproblem, das nicht nur körperliche Auswirkungen hat, sondern auch die Funktion des Gehirns beeinflussen kann. Jüngste Studien haben gezeigt, dass die Gehirne von Menschen mit Übergewicht anders funktionieren als die von Normalgewichtigen, was zu einem Teufelskreis aus ungesundem Essverhalten und Gewichtszunahme führen kann.
Veränderung des Belohnungssystems durch Zucker und Fett
Eine Studie des Max-Planck-Instituts für Stoffwechselforschung in Köln hat gezeigt, dass der regelmäßige Konsum von stark fett- und zuckerhaltigen Lebensmitteln das Gehirn verändert. Diese Veränderungen führen dazu, dass das Gehirn die Präferenz für ungesunde Lebensmittel verstärkt.
Der Mechanismus:
- Verbindung zwischen Darm und Gehirn: Wenn Nahrung den Dünndarm erreicht, registrieren Sensoren Zucker und Fett.
- Signalübertragung: Diese Informationen werden über Nervenverbindungen an das Gehirn weitergeleitet.
- Aktivierung des Belohnungszentrums: Die Signale erreichen das Belohnungszentrum und sorgen für ein gutes Gefühl, was ein Verlangen nach mehr auslöst.
Die Studie:
- Zwei Gruppen normalgewichtiger Probanden aßen acht Wochen lang täglich einen Pudding zusätzlich zu ihrer normalen Ernährung.
- Eine Gruppe erhielt Pudding mit viel Fett und Zucker, die andere mit viel Eiweiß.
- Vor und nach den acht Wochen wurden die Probanden im MRT untersucht, während sie Milchshakes mit unterschiedlichem Fett- und Zuckergehalt tranken.
Die Ergebnisse:
- Das Belohnungssystem der Teilnehmer, die Fett und Zucker konsumierten, war besonders stark aktiviert.
- Es hatten sich neue Nervenverbindungen gebildet, was zu einem stärkeren Verlangen nach fetthaltigen und süßen Speisen führte.
- Diese Veränderungen sind anhaltend und können dazu führen, dass Menschen unbewusst Lebensmittel mit hohem Fett- und Zuckergehalt bevorzugen.
Die Rolle der westlichen Ernährung
Die westliche Ernährung, die reich an Fast Food und Fertiggerichten ist, bedient das Verlangen nach Süßem und Fettigem. Diese Nahrungsmittel enthalten oft hohe Mengen an Fett und Zucker gleichzeitig, eine Kombination, die in der Natur selten vorkommt. Wenn sich das Gehirn an diese stark verarbeiteten Lebensmittel gewöhnt hat, lehnt es Speisen mit weniger Fett oder Zucker ab.
Jeder Mensch hat eine angeborene Vorliebe für Süßes, aber diese kann durch Gewöhnung verstärkt werden, sodass gesunde Lebensmittel irgendwann nicht mehr schmecken. Es ist schwierig, diese Gewohnheit aufzulösen, sobald sich das Gehirn daran gewöhnt hat.
Fehlfunktion im Gehirn bei Adipositas
Eine Studie aus den USA deutet darauf hin, dass eine Fehlfunktion des Gehirns die Ursache für unkontrolliertes Essen bei fettleibigen Menschen sein könnte.
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Die Studie:
- 30 fettleibige und 30 normalgewichtige Personen erhielten Zucker, Fette oder Wasser über eine Ernährungssonde.
- Die Gehirnaktivität wurde mittels funktioneller Magnetresonanztomographie und Einzelphotonen-Emissions-Computertomographie erfasst.
- Der Dopaminspiegel wurde gemessen.
Die Ergebnisse:
- Bei Normalgewichtigen verlangsamten sich die Gehirnsignale im Striatum (einem Teil des Gehirns, der an der Motivation beteiligt ist) bei der Zufuhr von Zucker oder Fett, was zu einem Sättigungsgefühl führte.
- Der Dopaminspiegel stieg an, was auf eine Aktivierung des Belohnungszentrums hindeutet.
- Bei fettleibigen Menschen verlangsamte sich die Hirnaktivität nicht, und der Dopaminspiegel stieg nicht an.
Weitere Erkenntnisse:
- Eine Gewichtsabnahme von zehn Prozent des Körpergewichts veränderte das Gehirn von Menschen mit Fettleibigkeit nicht.
- Das Gehirn erkannte immer noch keine Sättigung, was erklären könnte, warum viele Menschen nach erfolgreicher Gewichtsabnahme wieder zunehmen.
Auswirkungen von Übergewicht auf die Hirnstruktur
Britische Forscher haben herausgefunden, dass bei Menschen mit starkem Übergewicht das Gehirn in bestimmten Bereichen geschrumpft sein kann. Dieser Effekt war besonders bei Menschen festzustellen, die viel Fett um die Körpermitte ansammeln. Es ist jedoch unklar, ob Übergewicht die Hirnveränderungen auslöst oder ein verändertes Gehirn die Entstehung von Übergewicht begünstigt.
Ursachen von Übergewicht
Übergewicht hat viele verschiedene Ursachen, darunter genetische Faktoren, Ernährungsgewohnheiten, Bewegungsmangel und soziale Einflüsse.
Genetische Faktoren:
- Manche Menschen haben eine genetische Veranlagung für Übergewicht.
- Die ersten Lebensmonate (einschließlich der Schwangerschaft) sind entscheidend für die Vorbereitung des Körpers auf die Welt.
- Mangelernährung der Mütter kann dazu führen, dass Kinder epigenetisch auf eine Dürreperiode vorbereitet werden.
Gehirn und Gewohnheiten:
- Gewohnheiten sind überlebenswichtig, können aber Diät- und Sportpläne durchkreuzen.
- Bestimmte Bereiche im Gehirn können das Abnehmen erschweren.
- Stresssituationen können zu vermehrtem Konsum von Süßwaren führen.
Soziales Umfeld:
- Das soziale Umfeld spielt eine entscheidende Rolle bei der Wahrscheinlichkeit, übergewichtig zu werden.
- Das Schönheitsideal in der Gesellschaft kann das Selbstbewusstsein beeinträchtigen und die Scham verstärken.
Weitere Faktoren:
- Schlafmangel kann zu Übergewicht führen.
- Andere Krankheiten können ebenfalls zu Gewichtszunahme führen.
Die Rolle des Unterbewusstseins
Der Neurobiologe Stephan Guyenet betont, dass die Willenskraft oft überschätzt wird und dass Gene und das Unterbewusstsein eine große Rolle spielen. Die Gehirne von Menschen mit Übergewicht funktionieren anders, und das Körpergewicht ist oft genetisch bedingt.
Das Gefühl, satt zu sein, entspringt dem Stammhirn, das Informationen aus Magen, Darm und Blutkreislauf sammelt. Diese Abläufe passieren unbewusst.
Übergewicht und Energiegewinnung im Gehirn
Forscher der Universität Lübeck haben herausgefunden, dass Übergewichtige eine gestörte Energiegewinnung im Gehirn haben. Sie liefern weniger Energie aus Glukose an das Gehirn als Normalgewichtige. Bei Normalgewichtigen stieg der Hirnenergiegehalt nach experimenteller Zuckergabe direkt an, bei fettleibigen Probanden jedoch erst, als deren Glukosespiegel einen höheren Wert erreichte.
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Kurzfristige Auswirkungen ungesunder Ernährung
Bereits wenige Tage ungesunder Ernährung können das Gehirn messbar verändern. Insulin verliert seine Wirkung, das Belohnungssystem gerät aus dem Takt, und die Weichen für künftiges Übergewicht werden gestellt.
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