Das 72-Stunden-Alzheimer-Wunder: Kritik und Perspektiven

Die Alzheimer-Krankheit, eine der häufigsten Ursachen für Demenz, betrifft Millionen von Menschen weltweit. Die Suche nach wirksamen Behandlungen und Präventionsstrategien ist daher von grösster Bedeutung. In den letzten Jahren haben vielversprechende Forschungsarbeiten zu neuen Therapieansätzen geführt, darunter auch die Entwicklung von Nasensprays und Medikamenten, die auf die Ursachen der Krankheit abzielen. Dieser Artikel beleuchtet die aktuellen Entwicklungen in der Alzheimer-Forschung und geht auf die Hoffnungen, aber auch auf die Kritikpunkte ein.

Innovative Therapieansätze: Ein Nasenspray gegen Alzheimer?

US-Forscher arbeiten an einem Nasenspray, das den durch Alzheimer verursachten kognitiven Abbau im Gehirn um bis zu 15 Jahre verzögern soll. Dieses Nasenspray enthält ein entzündungshemmendes Mittel, das aus Stammzellen in extrazellulären Vesikeln gewonnen wird. Es zielt auf Mikrogliazellen und Astrozyten ab, um Entzündungen zu reduzieren und schädliche Proteinablagerungen im Gehirn zu verringern.

Die Rolle von Mikrogliazellen und Astrozyten

Bei Alzheimer spielen schädliche Ablagerungen der Proteine Beta-Amyloid und Tau eine entscheidende Rolle beim Absterben von Nervenzellen und dem damit einhergehenden kognitiven Abbau. Mikrogliazellen und Astrozyten sind ebenfalls beteiligt. In gesunden Gehirnen schützen diese Zellen Nervenzellen und beseitigen beschädigtes Nervengewebe. Bei Alzheimer entsorgen sie zunächst Beta-Amyloid-Ablagerungen, werden dann aber hyperaktiv und zerstören Nervenzellen, was massgeblich zur Entzündung des Nervengewebes beiträgt.

Ergebnisse aus Tierversuchen

Grundlage für die Entwicklung des Nasensprays war ein Mausversuch. Ein Teil der Mäuse wurde genetisch so behandelt, dass sie Alzheimer-Symptome entwickelten. Diese und nicht genetisch veränderte Mäuse erhielten dann entweder das Nasenspray oder ein Placebo-Spray. Die Ergebnisse zeigten, dass die mit dem Nasenspray behandelten Mäuse weniger Proteinablagerungen im Gehirn, eine geringere Aktivität der Gene, die an Entzündungen beteiligt sind, und eine bessere kognitive Funktion aufwiesen als die mit Placebo behandelten Mäuse. Besonders deutlich war der Rückgang der Entzündungen im Hippocampus, einem für Lernen und Gedächtnis wichtigen Hirnbereich.

Kritik und Einschränkungen

Trotz dieser vielversprechenden Ergebnisse dämpfen Mediziner die Euphorie. Sie weisen darauf hin, dass mögliche Nebenwirkungen bewertet werden müssen. Es wird betont, dass klinische Versuche alle immunbezogenen Begleiterscheinungen oder unerwarteten Auswirkungen auf die Kognition überwachen müssten.

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Lecanemab: Ein neues Medikament gegen Alzheimer

Seit dem 15. April 2025 ist in Deutschland ein neues Medikament gegen Alzheimer namens Lecanemab (Handelsname Leqembi) erhältlich. Es wurde für die medikamentöse Behandlung von Menschen mit leichten kognitiven Beeinträchtigungen und im Frühstadium der Alzheimer-Demenz zugelassen. Lecanemab ist ein Antikörper, der an schädliche Eiweissablagerungen im Gehirn bindet und das Immunsystem aktiviert, diese abzubauen.

Wirkungsweise und Anwendungsbereich

Im Gegensatz zu bisherigen Medikamenten, die lediglich Symptome behandeln konnten, setzt Lecanemab bei den Ursachen der Krankheit an. Es soll den Verlauf der Krankheit verlangsamen, wobei Studien eine Verlangsamung des Fortschreitens um etwa ein halbes Jahr gezeigt haben. Allerdings ist das Medikament nur für einen Teil der Erkrankten geeignet, nämlich für Patienten mit leichter kognitiver Beeinträchtigung im frühen Stadium der Alzheimer-Krankheit.

Aufwand und Kosten

Die Therapie mit Lecanemab ist aufwändig und teuer. Sie beinhaltet alle zwei Wochen eine einstündige Infusion über einen Zeitraum von bis zu 18 Monaten. Zudem sind umfangreiche Untersuchungen wie Nervenwasseruntersuchungen, Gentests und MRT-Untersuchungen erforderlich, um die Eignung für die Therapie festzustellen und mögliche Nebenwirkungen frühzeitig zu erkennen. Die Kosten für das Medikament werden auf etwa 24.000 Euro pro Patient und Jahr geschätzt, hinzu kommen Kosten für Tests, Durchführung der Therapie und Überwachung von etwa 10.000 Euro.

Einschränkungen und Nebenwirkungen

Lecanemab ist nicht für alle Patienten im frühen Alzheimer-Stadium geeignet. Patienten mit mehr als einer Kopie eines bestimmten Gens (ApoE4) oder Patienten, die Blutverdünner einnehmen, sind von der Therapie ausgeschlossen. Zudem können Nebenwirkungen wie Hirnschwellungen oder Blutungen im Gehirn auftreten, weshalb eine engmaschige medizinische Überwachung erforderlich ist.

Weitere vielversprechende Forschungsansätze

Neben dem Nasenspray und Lecanemab gibt es weitere vielversprechende Forschungsansätze zur Behandlung und Prävention von Alzheimer.

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Bexaroten: Ein Krebsmedikament gegen Alzheimer?

Forscher haben entdeckt, dass ein gegen Krebs zugelassenes Medikament namens Bexaroten bei Mäusen Alzheimer-Symptome rückgängig machen konnte. Der Wirkstoff beseitigte innerhalb von Stunden die zellzerstörenden Eiweissablagerungen im Gehirn der Tiere und verhinderte den weiteren Abbau von Gehirnmasse. Zudem baute das Mittel auch einen Grossteil der gelösten Eiweissverbindungen ab, die bei Alzheimer die Kommunikation der Gehirnzellen beeinträchtigen. Da Bexaroten bereits als Krebsmedikament für den Menschen zugelassen ist, könnte dies den Beginn klinischer Studien mit Menschen beschleunigen.

Senolytika: Zombie-Zellen bekämpfen

Ein weiterer vielversprechender Ansatz zielt auf die sogenannte Zellseneszenz ab. Seneszente Zellen sind Zellen, die nicht mehr wie gesunde Zellen funktionieren, aber auch nicht absterben. Studien haben gezeigt, dass Senolytika, eine Wirkstoffklasse, die seneszente Zellen beseitigt und gesunde Zellen intakt lässt, Mäuse länger leben und gesünder bleiben lässt. Derzeit laufen placebokontrollierte Studien an Menschen, um die Wirksamkeit von Senolytika bei der Behandlung von Alzheimer im Frühstadium zu testen.

Der Einfluss der Darmbakterien

Die Forschung hat gezeigt, dass Darmbakterien einen Einfluss auf die Hirnfunktionen haben können. Sie spalten unsere Nahrung in Nährstoffe auf und setzen dabei Substanzen frei, die bis ins Gehirn wandern und dort von Immunzellen aufgenommen werden. Eine ausreichende Versorgung mit Ballaststoffen ist wichtig für ein gesundes Gehirn, da sie die Aktivität der Immunzellen im Gehirn unterstützt. Studien haben gezeigt, dass die Verabreichung von Fettsäuren, die von Darmbakterien freigesetzt werden, die Immunzellen von Mäusen wieder in Schwung bringen und das Gehirn der Nager erholen konnte.

Kurkuma: Ein Gewürz mit Potenzial

Curcumin, ein Extrakt aus Kurkuma, wird eine positive Wirkung gegen Arthrose, Diabetes, Parkinson, Alzheimer, Makuladegeneration (AMD) und sogar Krebs nachgesagt. Obwohl die Forschung noch nicht alle Fragen beantwortet hat, können leichte Beschwerden wie Blähungen oder ein Völlegefühl nach dem Essen durch Kurkuma in den Speisen abgemildert oder vermieden werden.

Impfstoffe gegen Alzheimer

In den letzten Jahren haben immer wieder Studien zu neuen Alzheimer-Impfstoffen Aufsehen erregt. Aktuell ist der Wirkstoff Protollin ein besonders vielversprechender Kandidat. Der Impfstoff, der über die Nase verabreicht wird, soll körpereigene Abwehrkräfte mobilisieren, um gegen Ablagerungen an Nervenzellen vorzugehen. Eine erste Humanstudie läuft seit 2021 in den USA.

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Präventionsstrategien: Was Sie selbst tun können

Obwohl Alzheimer derzeit nicht heilbar ist, gibt es Möglichkeiten, das Risiko zu verringern und den Verlauf der Krankheit zu verlangsamen.

Lebensstilfaktoren

  • Herzgesundheit: Was gut für Ihr Herz ist, ist auch gut für Ihr Gehirn. Achten Sie auf eine gesunde Ernährung, regelmässige Bewegung und vermeiden Sie Risikofaktoren wie Bluthochdruck und Diabetes.
  • Geistige Aktivität: Lernen Sie Neues - auch im Alter. Das hält Ihr Gehirn auf Trab.
  • Ernährung: Orientieren Sie sich an der klassischen mediterranen Ernährung. Essen Sie viel Obst und Gemüse, Olivenöl und Nüsse.
  • Soziale Kontakte: Aktivitäten in der Gruppe machen mehr Spass und fordern Ihre grauen Zellen.
  • Gewicht: Achten Sie darauf, dass Sie nicht zu viele Kilo auf die Waage bringen.
  • Rauchen: Rauchen schadet auch Ihrem Gehirn.
  • Blutdruck und Blutzucker: Lassen Sie Ihren Blutdruck und Blutzuckerspiegel regelmässig kontrollieren.
  • Psychische Gesundheit: Sorgen Sie gut für sich. Wenn Sie über eine längere Zeit antriebslos oder niedergeschlagen sind, ist es sinnvoll, Ihren Arzt oder Ihre Ärztin aufzusuchen.
  • Hörvermögen: Nehmen Sie es ernst, wenn Sie merken, dass Sie schlechter hören.

Genetische Beratung und Tests

Wenn in Ihrer Familie Alzheimer aufgetreten ist und die Erkrankten noch relativ jung waren (unter 60 Jahren), besteht ein höheres Risiko, dass in der Familie die familiäre Alzheimer-Krankheit (FAD) vererbt wird. In diesem Fall kann eine genetische Beratung und ein Gentest sinnvoll sein, um das persönliche Risiko zu bestimmen.

Frühzeitige Diagnose

Eine frühzeitige Diagnose ist entscheidend, um von den verfügbaren Therapien und Präventionsmassnahmen zu profitieren. Es gibt verschiedene Diagnoseverfahren, darunter bildgebende Verfahren, Bluttests und psychometrische Demenz-Tests.

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