Die Behandlung von Epilepsie hat im Laufe der Jahrhunderte bedeutende Fortschritte gemacht, von den frühesten abergläubischen Praktiken bis hin zu den modernen medizinischen und chirurgischen Interventionen.
Antike und Mittelalter: Von Aberglauben zu ersten medizinischen Konzepten
Die Epilepsie, auch bekannt als Fallsucht, begleitet die Menschheit seit Anbeginn der Zeit. Bereits in frühen Texten der Antike finden sich Hinweise auf diese Erkrankung. Die Namensgebung der Krankheit spiegelt die jeweiligen Anschauungen über Ursachen und Stellenwert wider. Bezeichnungen wie "hiera nosos" (heilige Krankheit) bei den Griechen, "Morbus lunaticus" (Mondsucht) bei den Römern oder "dämonische Krankheit" im europäischen Mittelalter zeugen von Aberglauben.
Im Mittelalter wurde Krankheit oft als Strafe für sündiges Verhalten oder als Werk von Hexerei und Besessenheit angesehen. Die Behandlung von Epilepsie war von religiösen Praktiken und dem Glauben an übernatürliche Kräfte geprägt. Man glaubte, dass nur Gott oder seine Heiligen heilen könnten.
Hippokrates (ca. 460-370 v. Chr.) war einer der ersten, der der Epilepsie eine natürliche Ursache zuschrieb und sie weder als göttlich noch als teuflisch ansah. Er erkannte, dass das Gehirn für diese Krankheit verantwortlich ist, und setzte auf eine natürliche Behandlung, die vor allem Ernährung und eine vernünftige Lebensweise umfasste.
Renaissance und frühe Neuzeit: Neue Erkenntnisse und erste Medikamente
Mit der Renaissance und der Entwicklung der wissenschaftlichen Medizin kamen neue Erkenntnisse über die Epilepsie auf. Constantinus Africanus (11. Jahrhundert) knüpfte an die hippokratische Auffassung an und schöpfte vor allem aus arabischen Quellen. Paracelsus (1493-1541) fühlte sich Gott und Hippokrates verbunden und vertrat einen ganzheitlichen Ansatz in der Medizin.
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Die Therapieversuche waren vielfältig und reichten von Opfergaben und religiösen Übungen über Ernährungsvorschriften und Heilgymnastik bis zur Anwendung von Fallsuchtmitteln wie Kupfer, Quecksilber, Wismut oder Zinn. Auch Heilpflanzen spielten eine wichtige Rolle, wie beispielsweise die Pfingstrose, die im Mittelalter als Heilmittel gegen Epilepsie galt.
Im 19. Jahrhundert gelang es dem englischen Neurologen John Hughlings Jackson zu beweisen, dass Epilepsie einen physiologischen Ursprung hat. Dies war ein wichtiger Schritt hin zu einem wissenschaftlichen Verständnis der Krankheit.
Das erste antiepileptisch wirksame Medikament wurde 1857 entdeckt: Brom. Im Jahr 1912 folgte dann Phenobarbital, das auch heute noch auf dem Markt ist.
Das 19. Jahrhundert: Fortschritte in der Forschung und Behandlung
Im 19. Jahrhundert erlebte die Erforschung und Behandlung der Epilepsie bedeutende Fortschritte. In Frankfurt am Main wurde bereits 1819 die erste "Anstalt für Epileptische" errichtet, wo die Patienten auch stationär gepflegt wurden. 1834 wurde diese Anstalt mit dem Kastenhospital zur "Anstalt für Irre und Epileptische in Frankfurt am Main" zusammengelegt.
Joseph Wenzel gründete 1802 in Mainz eine Forschungsgesellschaft, um die Ursachen der Epilepsie zu erforschen. Er führte Obduktionen von verstorbenen Epilepsiepatienten durch und verglich die Befunde mit denen von Verstorbenen ohne Epilepsie.
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Heinrich Hoffmann, der Leiter der Frankfurter Anstalt ab 1851, setzte sich für einen Anstaltsneubau ein und behandelte psychisch kranke Menschen als Kranke, denen medizinisch geholfen werden konnte. Während seiner Zeit wurde mit der Verabreichung von Bromsalz eine Therapie eingeführt, die teilweise noch heute eingesetzt wird.
Das 20. Jahrhundert: Neue Medikamente und die Anfänge der Epilepsiechirurgie
Im 20. Jahrhundert kamen zahlreiche neue Medikamente zur Behandlung von Epilepsie auf den Markt. Zwischen den 1930er und den 1970er Jahren stieg die Zahl der Epilepsie-Medikamente rasant an.
Mit Siegmund Auerbach wurde 1912 in Frankfurt die Epilepsiechirurgie eingeführt. Er operierte als Erster Epilepsie-Patienten am Gehirn.
Kurt Goldstein leistete wichtige Beiträge zum Verständnis der Hirnfunktion, musste aber wegen seines jüdischen Glaubens emigrieren. Karl Kleist arbeitete die episodischen Dämmerzustände als eigenständige Krankheitssymptome heraus.
Die moderne Epilepsiebehandlung
Heute leben in Deutschland etwa 800.000 Menschen mit Epilepsie. Dank der stetigen Entwicklung der medizinischen Wissenschaft erhalten sie eine gute medizinische Versorgung und können ein fast normales Leben führen.
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Die moderne Epilepsiebehandlung umfasst verschiedene Therapieansätze:
- Medikamentöse Therapie: Eine Vielzahl von Medikamenten steht zur Verfügung, um epileptische Anfälle zu verhindern. Rund die Hälfte der Patienten ist mit der Ersttherapie anfallsfrei.
- Epilepsiechirurgie: Bei manchen Patienten, die auf Medikamente nicht gut ansprechen, kann eine Operation in Frage kommen. Voraussetzung ist, dass sie an einer fokalen Epilepsie leiden, die von einer umschriebenen Region einer Großhirnhälfte ausgeht.
- Ketogene Diät: Eine spezielle Diät, die reich an Fett und arm an Kohlenhydraten ist, kann bei manchen Kindern mit Epilepsie helfen, die Anfälle zu reduzieren.
- Vagusnervstimulation: Ein kleines Gerät, das unter die Haut implantiert wird, sendet elektrische Impulse an den Vagusnerv, der eine Verbindung zum Gehirn hat. Diese Stimulation kann die Anfallshäufigkeit verringern.
Herausforderungen und Perspektiven
Trotz der großen Fortschritte in der Epilepsiebehandlung gibt es noch immer Herausforderungen. Bei etwa 25 bis 30 Prozent der Patienten zeigt die medikamentöse Therapie keine ausreichende Wirkung. Zudem ist die Stigmatisierung von Menschen mit Epilepsie nach wie vor ein Problem.
Die Forschung arbeitet kontinuierlich daran, neue und bessere Behandlungsmöglichkeiten zu entwickeln. Ein besseres Verständnis der Ursachen und genetischen Risikofaktoren der Epilepsie ist entscheidend, um gezieltere Therapien zu entwickeln.
Das Deutsche Epilepsie-Museum
Das Deutsche Epilepsie-Museum in Kork bietet einen umfassenden Einblick in die Geschichte der Epilepsie und die Entwicklung ihrer Behandlung. Die Sammlung umfasst alte Bücher, Schriften, medizinische Abhandlungen, Bilder und andere Kunstgegenstände zur Epilepsie.
Prominente Persönlichkeiten mit Epilepsie
Im Laufe der Geschichte gab es viele prominente Persönlichkeiten, die an Epilepsie litten. Dazu gehören Julius Caesar, Napoleon Bonaparte, Vincent van Gogh und Fjodor Dostojewski. Diese Beispiele zeigen, dass Epilepsie durchaus vereinbar ist mit hoher Intelligenz und Leistung.
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