Carla: Eine Geschichte von Stärke und Leben mit Sturge-Weber-Syndrom und Epilepsie

Carla Ordowski aus Weilen u.d.R. ist ein Star, wenn sie mit ihrer Mutter Jutta Mattes-Ordowski und ihrem Vater Stefan Ordowski auf den Schörzinger Sportplatz kommt. Sie wird freudig begrüßt und nach ihren Urlaubsplänen gefragt. Ihr Bruder Jacob spielt Fußball in der D-Jugend, trainiert von Vater Stefan. Carla gehört mit ihrer Mutter und anderen Familienmitgliedern zum Fanclub der Jungen. Doch hinter dieser scheinbar unbeschwerten Fassade verbirgt sich eine komplexe Realität.

Die Diagnose: Sturge-Weber-Syndrom

Carla Ordowski wurde mit dem Sturge-Weber-Syndrom geboren, einer nicht erblichen Erkrankung, die durch eine Genmutation verursacht wird und Gefäßfehlbildungen an Haut und Hirnhäuten mit sich zieht. Diese seltene Krankheit betrifft weniger als 25.000 Menschen in Deutschland. Die junge Frau hat ein angeborenes Feuermal und neurologische Anomalien. Sie ist auf dem linken Auge blind und hat auf dem rechten Auge Sichtfeldausfälle. Zudem kämpft sie mit einer Hemiparese, einer halbseitigen Lähmung.

Der Weg durch die Hölle: Krampfanfälle und Operationen

Die Familie Ordowski hat seit Carlas Diagnose einen langen und beschwerlichen Weg hinter sich. „Wir sind mit Carla durch die Hölle gegangen“, erinnert sich Jutta Mattes-Ordowski. Bereits im Alter von elf Wochen erlitt Carla ihren ersten Krampfanfall. Diese Anfälle wurden in den folgenden Wochen und Monaten immer schlimmer. Die Eltern suchten Hilfe bei der Interessengemeinschaft Sturge-Weber-Syndrom (IGS) und erhielten dort wichtige Informationen und Unterstützung.

Da die Krampfanfälle immer häufiger auftraten, mussten die Eltern eine schwierige Entscheidung treffen. Im Universitätsklinikum Tübingen wurde bei der damals dreieinhalbjährigen Carla eine Hemisphärektomie durchgeführt. Dabei wurde die linke Gehirnhälfte von der rechten abgetrennt. „Damit waren die Krämpfe weg“, erklärt Jutta Mattes-Ordowski. „Wir wollten, dass Carla besser leben kann.“ Ohne die Operation hätten die Anfälle zugenommen und sich die Epilepsie verschärft. Seitdem ist die 16-Jährige anfallsfrei.

Leben mit Handicap: Herausforderungen und Erfolge

Trotz der Herausforderungen hat die Familie Ordowski gelernt, mit Carlas Handicap zu leben und das Beste daraus zu machen. Jutta Mattes-Ordowski erzählt die Geschichte vom Urlaub in Holland, als Analogie zum unerwarteten Lebensweg mit einem behinderten Kind. Ursprünglich planten sie eine Reise nach Italien, aber das Leben führte sie nach Holland. „Wenn Du Dein Leben damit verbringst, dem verlorenen Traum Deiner Reise nach Italien nachzutrauern, wirst Du nie offen dafür sein, die einzigartigen und wundervollen Dinge genießen zu können - in Holland.“ Die Familie hat gelernt, die neue Sprache zu sprechen, die mit Carlas Erkrankung einhergeht.

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Die Bedeutung von Familie und sozialem Engagement

Familie und Freunde spielen im Leben der Ordowskis eine zentrale Rolle. Sie engagieren sich ehrenamtlich im Sportverein und beim Showtanz, organisieren Physio-, Ergo- und Logotherapien für Carla und meistern gemeinsam den Alltag. „Wir haben als Familie ein volles Programm und funktionieren miteinander“, sagt Stefan Ordowski.

Auch Carlas Bruder Jacob (12) ist eine wichtige Stütze. Er begleitet Carla zu ihren Klinikbesuchen und zeigt viel soziale Kompetenz.

Die Rolle der Interessengemeinschaft Sturge-Weber-Syndrom (IGS)

Die IGS spielt eine wichtige Rolle für die Familie Ordowski und andere Betroffene. Dort erhalten sie Informationen, Unterstützung und die Möglichkeit zum Austausch mit anderen Familien. Einmal im Jahr findet ein deutschlandweites Treffen der IGS statt.

Medizinische Versorgung und fehlendes Know-how

Ein Problem bei Sturge-Weber ist das fehlende Know-how bei den Ärzten. Da die Krankheit so selten ist, müssen die Ordowskis oft weite Strecken zurücklegen, um Carla von Spezialisten behandeln zu lassen. Mehrmals jährlich reist die Familie zur Elisabeth-Klinik nach Berlin, wo die immer wiederkehrenden Wucherungen im Gesicht weggelasert und innere Gefäße verödet werden.

Carlas Alltag und Zukunft

Carla besucht die Blinden- und Sehbehindertenschule in Schramberg-Heiligenbronn. Dort lernt sie alles, was sie für ihr Leben braucht. Besonders wichtig ist ihr aber ihre Familie, da es keine gesellschaftliche Lobby für ihr Handicap gibt.

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Hindernisse und Erfindungsreichtum

Die Familie Ordowski muss immer wieder Hindernisse überwinden. So bezahlt die Krankenkasse beispielsweise kein Fahrrad mit E-Antrieb für Carla, obwohl die Wege rund um Weilen sehr steil sind. In solchen Fällen müssen die Eltern erfinderisch werden. Sie haben beispielsweise ein Spezialhochbett mit herausfahrbarer Treppe für Carla konstruiert.

Ein Zitat von Erich Kästner als Lebensmotto

Die Familie Ordowski lässt sich nicht entmutigen. Sie bauen aus den Steinen, die ihnen in den Weg gelegt werden, etwas Schönes. Ein Zitat von Erich Kästner beschreibt ihre Einstellung treffend: „Auch aus Steinen, die dir in den Weg gelegt werden, kannst du etwas Schönes bauen.“ Die Ordowskis sind Gewinner.

Das Kinderbuch CARLA: Epilepsie kindgerecht erklärt

Um Kindern die Erkrankung Epilepsie verständlich zu machen, gibt es das Kinderbuch CARLA. Es erzählt die Geschichte von Carla, die im Kindergarten einen epileptischen Anfall erleidet. Das Buch ist ein wichtiges Hilfsmittel für Eltern, Kindergärten, Frühförderung und Therapeuten. Es wird vom e.b.e. epilepsie bundes-elterverband e.V. gemeinsam mit dem Landesverband Epilepsie Bayern e.V. herausgegeben und von der Techniker Krankenkasse gefördert.

Sturge-Weber-Syndrom: Eine seltene Erkrankung im Detail

Das Sturge-Weber-Syndrom (SWS), auch Enzephalotrigeminale Angiomatose genannt, ist eine seltene, nicht erbliche neurokutane Erkrankung, die durch eine oder mehrere der folgenden Merkmale gekennzeichnet ist:

  • Feuermal (Naevus flammeus): Ein angeborenes, meist im Gesichtsbereich auftretendes Feuermal, das durch eine Fehlbildung der Kapillargefäße in der Haut verursacht wird. Typischerweise betrifft es den Versorgungsbereich des Nervus trigeminus (Gesichtsnerv).
  • Leptomeningeales Angiom: Eine Gefäßfehlbildung der Hirnhäute (Leptomeninx), die zu neurologischen Komplikationen wie Krampfanfällen, Entwicklungsverzögerungen, kognitiven Beeinträchtigungen und Hemiparese führen kann.
  • Glaukom: Ein erhöhter Augeninnendruck, der zu Sehschäden bis hin zur Erblindung führen kann.

Die Ausprägung und der Schweregrad der Symptome können von Patient zu Patient stark variieren. Einige Patienten haben nur ein Feuermal, während andere unter schweren neurologischen Komplikationen leiden.

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Ursachen

Das Sturge-Weber-Syndrom wird durch eine somatische Mutation im Gen GNAQ verursacht. Diese Mutation tritt spontan auf und ist nicht erblich. Das bedeutet, dass sie nicht von den Eltern an das Kind weitergegeben wird. Die Mutation führt zu einer Fehlfunktion der Signalübertragung in den Zellen, was die Entwicklung von Gefäßfehlbildungen begünstigt.

Diagnose

Die Diagnose des Sturge-Weber-Syndroms basiert in der Regel auf den klinischen Befunden, insbesondere dem Vorhandensein eines typischen Feuermals. Weitere diagnostische Verfahren können eingesetzt werden, um das Ausmaß der Erkrankung zu beurteilen:

  • Magnetresonanztomographie (MRT): Zur Darstellung der Hirnstrukturen und zum Nachweis von leptomeningealen Angiomen.
  • Computertomographie (CT): Kann in einigen Fällen zur Beurteilung von Knochenveränderungen eingesetzt werden.
  • Augenärztliche Untersuchung: Zur Beurteilung des Augeninnendrucks und zum Nachweis eines Glaukoms.

Behandlung

Die Behandlung des Sturge-Weber-Syndroms zielt darauf ab, die Symptome zu lindern und Komplikationen zu vermeiden. Die Behandlungsmöglichkeiten sind vielfältig und werden individuell auf den Patienten abgestimmt:

  • Lasertherapie: Zur Behandlung des Feuermals.
  • Antiepileptika: Zur Kontrolle von Krampfanfällen.
  • Physiotherapie und Ergotherapie: Zur Verbesserung der motorischen Fähigkeiten und zur Förderung der Entwicklung.
  • Augenärztliche Behandlung: Zur Senkung des Augeninnendrucks und zur Vorbeugung von Sehschäden.
  • Chirurgische Eingriffe: In einigen Fällen können chirurgische Eingriffe erforderlich sein, z.B. zur Entfernung von leptomeningealen Angiomen oder zur Behandlung eines Glaukoms.
  • Hemisphärektomie: In schweren Fällen von Epilepsie, bei denen andere Behandlungen nicht erfolgreich sind, kann eine Hemisphärektomie (Entfernung oder Abtrennung einer Gehirnhälfte) in Betracht gezogen werden.

Prognose

Die Prognose des Sturge-Weber-Syndroms hängt vom Schweregrad der Erkrankung und dem Zeitpunkt der Diagnose und Behandlung ab. Mit einer frühzeitigen und umfassenden Behandlung können viele Patienten ein erfülltes Leben führen.

Epilepsie: Eine neurologische Erkrankung im Detail

Epilepsie ist eine neurologische Erkrankung, die durch wiederholte Krampfanfälle gekennzeichnet ist. Ein Krampfanfall ist eine plötzliche, unkontrollierte Entladung von Nervenzellen im Gehirn, die zu vorübergehenden Störungen der Hirnfunktion führen kann.

Ursachen

Epilepsie kann verschiedene Ursachen haben:

  • Genetische Faktoren: In einigen Fällen ist Epilepsie erblich bedingt.
  • Hirnschäden: Hirnschäden, die durch Verletzungen, Infektionen, Schlaganfälle oder Tumore verursacht werden, können zu Epilepsie führen.
  • Entwicklungsstörungen: Angeborene Fehlbildungen des Gehirns können Epilepsie verursachen.
  • Stoffwechselstörungen: Bestimmte Stoffwechselstörungen können Epilepsie auslösen.
  • Unbekannte Ursache: In vielen Fällen ist die Ursache der Epilepsie unbekannt.

Diagnose

Die Diagnose der Epilepsie basiert in der Regel auf den klinischen Befunden und den Ergebnissen verschiedener Untersuchungen:

  • Elektroenzephalographie (EEG): Eine Untersuchung, bei der die Hirnströme gemessen werden.
  • Magnetresonanztomographie (MRT): Zur Darstellung der Hirnstrukturen und zum Nachweis von Hirnschäden.
  • Blutuntersuchungen: Zum Ausschluss von Stoffwechselstörungen.

Behandlung

Die Behandlung der Epilepsie zielt darauf ab, die Krampfanfälle zu kontrollieren und die Lebensqualität der Patienten zu verbessern. Die Behandlungsmöglichkeiten sind vielfältig:

  • Antiepileptika: Medikamente, die die Krampfanfälle reduzieren oder verhindern können.
  • Chirurgische Eingriffe: In einigen Fällen können chirurgische Eingriffe erforderlich sein, z.B. zur Entfernung eines Hirntumors oder zur Korrektur einer Fehlbildung des Gehirns.
  • Vagusnervstimulation (VNS): Eine Therapie, bei der der Vagusnerv durch einen implantierten Generator stimuliert wird, um die Krampfanfälle zu reduzieren.
  • Ketogene Diät: Eine spezielle Diät, die reich an Fett und arm an Kohlenhydraten ist und bei einigen Patienten mit Epilepsie die Krampfanfälle reduzieren kann.

Prognose

Die Prognose der Epilepsie ist unterschiedlich und hängt von der Ursache, der Art der Anfälle und der Wirksamkeit der Behandlung ab. Viele Patienten können mit einer geeigneten Behandlung ein anfallsfreies Leben führen.

Leben mit Epilepsie und Sturge-Weber-Syndrom

Das Leben mit Epilepsie und Sturge-Weber-Syndrom kann eine Herausforderung sein, aber mit der richtigen Unterstützung und Behandlung können die Betroffenen ein erfülltes Leben führen. Es ist wichtig, sich über die Erkrankungen zu informieren, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen und sich professionelle Hilfe zu suchen.

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