Ökumenische Gottesdienste für Menschen mit Demenz: Ein Konzept für Teilhabe und Erinnerung

Die Zahl der Menschen mit Demenz steigt stetig, und es wird immer wichtiger, ihnen eine aktive Teilhabe am gesellschaftlichen und spirituellen Leben zu ermöglichen. Ökumenische Gottesdienste, die speziell auf die Bedürfnisse von Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen zugeschnitten sind, bieten hier eine wertvolle Möglichkeit. Sie schaffen einen Raum der Geborgenheit, der Erinnerung und des Glaubens, in dem sich Menschen mit Demenz angenommen und verstanden fühlen können.

Einladung zu den Gottesdiensten

Herzliche Einladung zu den ökumenischen Gottesdiensten für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen! Die Gottesdienste starten jeweils um 16.00 Uhr und dauern etwa eine halbe Stunde. Wir singen, beten und erfahren das Thema mit allen Sinnen. Anschließend sitzen wir noch gemütlich bei einer Tasse Kaffee und Selbstgebackenem zusammen. Der Erntedankgottesdienst findet statt am Freitag, 26. September 2025 in der Kirche St. Mariae Geburt, Althofstr. 5 der adventlich gestaltete Gottesdienst ist am Freitag, 12.Dezember 2025 in der Petrikirche nebenan. Wenn Sie dazu noch Fragen haben, wenden Sie sich gerne an Frau Thiele - 30 15 99 02.

Grundlagen und Ziele

Gottesdienste für Menschen mit Demenz sind keine Gottesdienste nur für sie, sondern mit ihnen. Sie werden aktiv einbezogen und beteiligt, damit sie ihren Glauben auf ihre eigene Art und Weise ausdrücken können. Dieser Glaube mag nicht mehr so „vernünftig“ sein wie bei nicht-demenziell erkrankten Menschen, sondern gleicht einem Schatz, der tief im Herzen verborgen liegt und durch die Gestaltung des Gottesdienstes gehoben werden kann.

Ziel ist es, Leib und Seele der Teilnehmenden anzusprechen und ihnen ein Gefühl von Freude und Lebendigkeit in der Gegenwart Gottes zu vermitteln. Dabei spielen vertraute Rituale, Lieder und Texte eine zentrale Rolle, da sie Erinnerungen wecken und ein Gefühl von Sicherheit und Orientierung geben.

Gestaltung des Gottesdienstes

Ein demenzsensibler Gottesdienst zeichnet sich durch folgende Merkmale aus:

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  • Klarer und einfacher Aufbau: Der Ablauf sollte leicht verständlich und wiederholend sein, um Vertrautheit zu schaffen. Es empfiehlt sich, den Gottesdienst nicht jedes Mal komplett neu zu gestalten.
  • Vertraute Lieder und Texte: Bekannte Kirchenlieder und Bibeltexte stärken das Gefühl: „Das kann ich noch, das erinnert mich an früher.“ Die Lieder sollten in einer tieferen Tonlage und nicht zu schnell gesungen werden. Liedblätter mit Großdruck sind leichter zu handhaben als Gesangbücher.
  • Kurze und einfache Predigt: Die Predigt sollte maximal 10 Minuten dauern und auf bekannten und einfachen Bibeltexten basieren. Eine Liedpredigt kann eine willkommene Abwechslung sein, da die poetische Sprache der Lieder oft tiefer eingeprägt ist als Bibelverse.
  • Ansprechen aller Sinne: Einfache Gegenstände und Symbole veranschaulichen die Predigt und sprechen die Sinne an. Ein Schirm kann beispielsweise zum Ausdruck bringen, dass Gott die Menschen beschützt, ein großes Pflaster unterstreicht die Bedeutung von Heilungsgeschichten. Auch Gerüche können eingesetzt werden, um Erinnerungen zu wecken.
  • Aktive Beteiligung: Die Teilnehmenden werden aktiv in den Gottesdienst einbezogen, beispielsweise durch Mitsingen, Summen, Mitsprechen von Psalmen und Bibelversen oder durch das Berühren und Betrachten von Gegenständen.
  • Persönliche Begrüßung und Verabschiedung: Eine persönliche Begrüßung und Verabschiedung drücken Wertschätzung aus und erfreuen die Teilnehmenden.
  • Langsames und deutliches Sprechen: Dies dient dem Verständnis.
  • Abendmahl: Das Abendmahl kann in jedem Gottesdienst gefeiert werden und spricht ganzheitlich an. Statt Oblaten und Wein können auch gewürfeltes Toast- oder Weißbrot und Einzelkelche mit Traubensaft verwendet werden. Aus praktischen Gründen hat sich bei der Austeilung auch die Form der „intinctio“ bewährt (Eintauchen der Hostie oder des Brotstücks in den mit Wein/Saft gefüllten Kelch vor der Austeilung).
  • Fürbitten und Vaterunser: Das Vaterunser und der Segen sind unverzichtbar. Bei den Abkündigungen besteht die Möglichkeit, Mitwirkenden zu danken, Todesfälle bekannt zu machen oder Jubilare zu erwähnen. Es ist alternativ möglich, die Verstorbenen in das Fürbittengebet aufzunehmen.

Ein möglicher Ablauf eines Gottesdienstes könnte wie folgt aussehen:

  1. Glockengeläut (CD) / Persönliche Begrüßung
  2. Musik (z.B. Klaviervorspiel)
  3. Allgemeine Begrüßung mit trinitarischem Gruß / Entzünden der Kerzen
  4. Lied
  5. Psalmgebet (Wird der Psalm im Wechsel gesprochen, kann die Gemeinde zwischen den einzelnen Versen immer einen gleichlautenden Kehrvers sprechen.)
  6. Eingangsgebet und Stilles Gebet
  7. Schriftlesung, die gleichzeitig Predigttext sein kann
  8. Lied
  9. Ansprache über eine biblische Geschichte, ein Lied oder ein bestimmtes Thema (Die Einbeziehung von Gegenständen/Symbolen veranschaulicht wirksam bestimmte Inhalte.)
  10. Lied
  11. Fürbitten und Vaterunser
  12. Lied
  13. Abkündigungen und Segen
  14. Musik (z.B. Klaviernachspiel)

(Die kursiv gedruckten Stücke können bei einer Andacht weggelassen werden.)

Organisatorische Aspekte

Bei der Vorbereitung und Durchführung von Gottesdiensten für Menschen mit Demenz sind einige organisatorische Aspekte zu beachten:

  • Koordination mit dem Heim: Sprechen Sie zunächst die Gottesdienstzeit mit dem Heim ab.
  • Bekanntmachung: Tragen Sie Sorge dafür, dass die Gottesdienste bekannt gemacht werden (z.B. über Hausmitteilungen).
  • Unterstützung: Die Bewohner*innen brauchen Unterstützung dabei, um von den Wohngruppen zum Andachtsraum zu gelangen. Können ehrenamtlich Mitarbeitende für diesen Abholdienst gewonnen werden?
  • Raumgestaltung: Der Raum, in dem der Gottesdienst stattfindet, ist in der Regel ein Multifunktionsraum. Er soll zuvor eigens dafür gestaltet werden. Bewohner sollen erkennen: Hier wird jetzt Gottesdienst gefeiert, hier ist jetzt „Kirche“. Erkennbare Zeichen sind etwa Altar (Tisch) mit Kerzen, aufgeschlagener Bibel, Kreuz und Blumenschmuck und ein einladendes Glockengeläut.
  • Raumklima: Vor dem Gottesdienst ist Lüftung des Raums angebracht (keine Küchendünste!).
  • Anwesenheit von Pflegekräften: Achten Sie darauf, dass wenigstens eine Pflegekraft oder Betreuungsassistenz des Hauses zur Verfügung steht, um im Notfall jemand auf die Toilette zu begleiten oder um auf eine unruhig werdende Person einzugehen. Aus versicherungsrechtlichen Gründen ist die Anwesenheit einer Pflegekraft nötig, falls Bewohner während des Gottesdienstes gesundheitlich Hilfe brauchen.

Bedeutung von Ritualen

Rituale spielen eine zentrale Rolle in Gottesdiensten für Menschen mit Demenz. Es sind Gewohnheiten, feste Abläufe und bekannte Reihenfolgen mit einem bestimmten Symbolgehalt, die oft nicht so schnell vergessen werden, die an etwas Vergangenes erinnern und die gleichzeitig Sicherheit und Orientierung geben.

Gerade für christliche Menschen sind dies vertraute Handlungen, die in einer "früheren" Zeit mal bedeutend für sie waren. Seien es Gebete am Morgen und Abend, das Singen von bekannten Kirchenliedern, das Sprechen vom Vaterunser oder das Erhalten des Segens.

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Herausforderungen und Chancen

Die Arbeit mit Menschen mit Demenz stellt besondere Herausforderungen dar. Es erfordert Einfühlungsvermögen, Geduld und die Bereitschaft, sich auf die individuelle Situation der Betroffenen einzulassen. Gleichzeitig bietet sie aber auch die Chance, tiefe Begegnungen zu erleben und den Glauben auf eine neue, unmittelbare Weise zu erfahren.

Leichte Sprache

Das Konzept von „Evangelium in Leichter Sprache“ berücksichtigt die Bedürfnisse von Menschen mit Lernschwierigkeiten, aber auch von Menschen mit Demenz und von Menschen, die nicht so gut Deutsch sprechen können oder Leseschwierigkeiten haben.

Erinnerungsfeste

Gottesdienste, die mit und für Menschen mit Demenz gefeiert werden, sind im wahrsten Sinne des Wortes Erinnerungsfeste. Die vertrauten Rituale, die seit Kindertagen bekannten Lieder und Texte wecken Erinnerungen, die für Menschen mit Demenz lebenswichtige Schätze sind. Damit kann es gelingen, die Orientierungslosigkeit, unter der diese Menschen leiden, durch Vertrautheits- und Beheimatungserfahrungen zeitweise zu überwinden.

Demenzsensible Gottesdienste zum Welt-Alzheimertag

Am 21. September ist Welt-Alzheimertag! Ziel dieses Tages ist es, das Thema Demenz aus der Tabuzone zu holen, darüber zu informieren, mit allen Betroffenen Solidarität zu zeigen - und: miteinander Gottesdienst zu feiern.

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