Der Hirntod, das Endstadium einer schweren Hirnschädigung, ist in Deutschland die unumgängliche Voraussetzung für eine Organspende. Doch was sind die Ursachen für eine so massive Schädigung des Gehirns, und wie wird der Hirntod diagnostiziert? Welche ethischen Fragen wirft die Organspende nach Hirntod oder Herz-Kreislauf-Stillstand auf? Dieser Artikel gibt einen Überblick über die komplexen Zusammenhänge.
Ursachen für den Hirntod
Der Hirntod ist das Resultat einer extremen Schädigung des Gehirns. Neurologin Stefanie Förderreuther vom Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München erklärt, dass schwere Schädel-Hirn-Traumata, massive Hirnblutungen (etwa als Folge eines Aneurysmas oder Schlaganfalls) oder Schädigungen des Hirngewebes durch Sauerstoffmangel nach einem überlebten Herz-Kreislauf-Stillstand zu einem Hirntod führen können.
Klaus Michael Lücking, Organspendebeauftragter des Universitätsklinikums Freiburg, ergänzt, dass sich ein Hirnfunktionsausfall nicht plötzlich entwickelt, sondern einige Tage benötigt. Durch die Schädigung schwillt das Gehirn an, bis der Druck im Schädelinneren so hoch ist, dass das Herz kein Blut mehr ins Gehirn transportieren kann. Nach etwa zehn Minuten ohne Durchblutung stirbt das Gehirn ab.
Diagnose des Hirntods
In Deutschland ist die Diagnose des Hirntods ein streng geregeltes Verfahren, das von speziell qualifizierten Ärzteteams durchgeführt wird. Zwei Fachärzte mit mehrjähriger intensivmedizinischer Erfahrung, darunter ein Neurologe oder Neurochirurg, müssen zu übereinstimmenden Ergebnissen kommen. Bei Kindern gelten zusätzliche Vorschriften.
Voraussetzungen für die Diagnose
Förderreuther betont, dass zwei Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um den Hirntod festzustellen:
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- Eine klare Diagnose der zugrundeliegenden Erkrankung oder des Ereignisses, das zur Hirnschädigung geführt hat.
- Der Ausschluss von Einflüssen, die den neurologischen Befund verschleiern könnten, wie beispielsweise die Wirkung von Medikamenten, die zu einem künstlichen Koma führen.
Klinische Untersuchung
Wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, folgt eine klinische Untersuchung. Hierbei werden Bewusstseinslage (tiefes Koma) und Hirnstammreflexe geprüft, darunter:
- Reaktion der Pupillen auf Licht
- Würge-, Husten- und Schluckreflex
- Reflektorische Augenbewegungen bei Kopfbewegung
- Hornhautreflex
- Reaktion auf Schmerzreize im Bereich des Trigeminus-Nervs
Sind diese Hirnnervenreflexe ausgefallen, wird in weiteren Tests geprüft, ob die Hirnfunktion unwiederbringlich verloren ist. Je nach Art der Schädigung kann ein EEG zur Messung der Hirnströme infrage kommen.
Irreversibler Ausfall aller Hirnfunktionen
Förderreuther betont, dass der irreversible Ausfall aller Hirnfunktionen ein sicheres Todeszeichen ist. Reflexe, die aus dem Rückenmark kommen und zu Bewegungen von Armen oder Beinen führen, müssen neurologisch von Hirntätigkeit unterschieden werden. Bei Unsicherheiten kann der Hirntod nicht festgestellt werden.
Organspende nach Hirntod und Herz-Kreislauf-Stillstand
In Deutschland ist die Organspende nur nach Feststellung des Hirntods erlaubt. Die Intensivtherapie wird nach Feststellung des Hirntods bis zur Organentnahme fortgeführt, um Schädigungen der Organe zu vermeiden. Der Herz-Kreislauf-Stillstand tritt erst ein, wenn die Organe in der Entnahme-Operation mit einer speziellen Konservierungslösung gespült werden.
Kontrollierter Herz-Kreislauf-Tod
In anderen europäischen Ländern ist die Organspende auch nach einem kontrollierten Herz-Kreislauf-Tod möglich. Dabei werden bei Patienten, bei denen die Prognose aussichtslos ist und die lebenserhaltenden Maßnahmen abgeschaltet werden, nach dem Herz-Kreislauf-Stillstand Organe entnommen.
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Ein zentraler Punkt ist die Sicherheit der Prognose. Lücking betont, dass es durchaus mehrere Tage dauern kann, bis Ärzte sich sicher sind, dass es keine Hoffnung mehr gibt und ein Patient in absehbarer Zeit sterben wird. Nach Beendigung der Intensivtherapie hört der Patient in der Regel auf zu atmen, danach bleibt das Herz stehen. Nach einer "No-touch-Zeit", in der der Patient nicht angefasst wird, um zu prüfen, ob die Herz-Kreislauf-Aktivität spontan wieder einsetzt, kann die Organentnahme erfolgen.
Diagnose des Herz-Kreislauf-Stillstandes
Auch beim kontrollierten Herz-Kreislauf-Stillstand sind neurologische Tests erforderlich, um den Tod festzustellen. Wie bei der Hirntoddiagnostik werden die Hirnstamm-Reflexe geprüft. Lücking erklärt, dass das Gehirn nicht mehr durchblutet wird, wenn das Herz zehn Minuten nicht geschlagen hat, sodass alle Hirnfunktionen dauerhaft erlöschen.
Ethische Aspekte der Organspende
Die Organspende ist ein komplexes Thema, das viele ethische Fragen aufwirft. Die Debatte dreht sich vor allem um die Frage, wann ein Mensch als tot gelten kann und ob die Organspende nach Herz-Kreislauf-Stillstand ethisch vertretbar ist.
Hirntod als Todeszeichen
Förderreuther ist skeptisch gegenüber einer Änderung, die eine Organentnahme nach Herz-Kreislauf-Tod erlauben würde. Sie argumentiert, dass nur der unwiederbringliche Ausfall der Hirnfunktion gewährleistet, dass jeder Spender gesichert tot sein muss. Sie befürchtet Interessenskonflikte bei der prognostischen Beurteilung eines potenziellen Organspenders auf der Intensivstation.
Vertrauen in die Ärzte
Lücking hingegen betont, dass die Entscheidung, die Intensivtherapie zu beenden oder fortzuführen, jeden Tag auf den Intensivstationen getroffen werden muss. Er betont, dass es eine Frage des Vertrauens in die Ärzte ist und dass er noch nie erlebt hat, dass Intensivärzte leichtfertig einen Patienten für tot erklärt hätten.
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Widerspruchslösung vs. Entscheidungslösung
In Deutschland gilt die Entscheidungslösung, die besagt, dass die Entnahme von Organen nach dem Tod nur dann erlaubt ist, wenn ein Mensch zu Lebzeiten zugestimmt hat. Liegt keine Entscheidung vor, werden die Angehörigen gefragt. Eine Gruppe von Abgeordneten im Bundestag setzt sich für eine Widerspruchslösung ein, bei der jeder Mensch automatisch als Organspender gilt, es sei denn, er hat dem zu Lebzeiten widersprochen.
Halbseitenlähmung als Folge einer Hirnschädigung
Eine mögliche Folge einer Schädigung einer Gehirnhälfte ist die Halbseitenlähmung (Hemiplegie oder Hemiparese). Dabei kommt es zu einer Lähmung einer Körperhälfte, die vollständig oder unvollständig ausgeprägt sein kann.
Ursachen und Symptome
Die Halbseitenlähmung wird durch eine Schädigung einer Gehirnhälfte verursacht, meist durch einen Schlaganfall oder unfallbedingte Schädel-Hirn-Verletzungen. Seltener sind bakterielle oder virale Gehirnentzündungen oder Tumoren die Ursache. Eine Schädigung der rechten Gehirnhälfte führt zu einer Lähmung der linken Körperhälfte und umgekehrt.
Bei einer vollständigen Halbseitenlähmung sind häufig auch die Gesichts- und Zungenmuskulatur der gelähmten Seite betroffen. Die Wahrnehmung von Reizen ist gestört oder nicht mehr vorhanden. Die unvollständige Halbseitenlähmung kann sich in einer schlaffen oder starken Muskelspannung äußern und zu unkoordinierten Bewegungen führen.
Diagnose und Behandlung
Eine plötzlich auftretende Halbseitenlähmung ist ein Notfall und muss umgehend untersucht werden. Die Diagnose umfasst die Anamnese, neurologische Untersuchungen, Laboruntersuchungen und bildgebende Verfahren wie CT oder MRT.
Die Behandlung zielt darauf ab, die Ursache der Halbseitenlähmung zu behandeln und die Rehabilitation zu fördern. Physio- und Ergotherapie helfen, die Gliedmaßen wieder zu kontrollieren, Logopädie reduziert die Folgen einer Gesichtslähmung.
Leben mit einer halben Gehirnhälfte
In seltenen Fällen leben Menschen mit nur einer Hirnhälfte. Ein Beispiel ist Michelle Mack, bei der aufgrund eines Schlaganfalls vor der Geburt die linke Hirnhälfte nicht ausgebildet wurde. Durch die "Neuverdrahtung" der rechten Hirnhälfte konnte sie wichtige Funktionen wie Sprechen und Lesen übernehmen und ein überraschend selbständiges Leben führen.
Der Sterbeprozess
Der Sterbeprozess ist der Übergang vom Leben in den Tod. Er kann sehr kurz sein, wenn der Tod abrupt eintritt, oder ein langsamer Übergang bei einer langen Krankheit. Die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin unterteilt die letzten Phasen vor dem Tod in Rehabilitationsphase, Präterminalphase, Terminalphase und Finalphase oder Sterbephase.
Die letzten 48 Stunden vor dem Tod
In den letzten Stunden oder Tagen vor dem Tod treten körperliche Veränderungen auf. Die Sterbenden ziehen sich zurück, sind schläfrig und ruhebedürftig. Die Atmung verändert sich, es kann zur Rasselatmung kommen. Hunger- und Durstgefühl lassen nach. Unruhe und ein verändertes Bewusstsein können auftreten. Die Hände und Füße verfärben sich. Kurz vor dem Tod zeichnet sich das "Todesdreieck" im Gesicht ab. Schließlich hört das Herz auf zu schlagen und die Hirnaktivität nimmt ab.
Todeszeichen
Mit dem Tod treten Veränderungen am Körper auf, die als Todeszeichen bezeichnet werden. Es gibt unsichere Todeszeichen, die auch bei noch Lebenden vorkommen können, und sichere Todeszeichen, die eindeutig den Tod beweisen. Zu den sicheren Todeszeichen gehören Leichenstarre, Totenflecken und fortgeschrittene Leichenerscheinungen.
Klinischer Tod, Hirntod, biologischer Tod
Fachleute unterscheiden zwischen dem klinischen Tod, dem Hirntod und dem biologischen Tod. Beim klinischen Tod versagen die Vitalfunktionen. Beim Hirntod ist die Funktion des Gehirns unwiederbringlich erloschen. Der biologische Tod ist der endgültige Stillstand aller Lebensfunktionen.
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