Histadelie: Symptome, Diagnose und Behandlungsansätze

Histadelie, auch als Histaminose oder Histaminintoleranz bekannt, bezeichnet ein Ungleichgewicht zwischen der Histaminbildung und dem Histaminabbau im Körper. Schätzungsweise sind ein bis sechs Prozent der Bevölkerung von einer Unverträglichkeit histaminhaltiger Lebensmittel betroffen. Dieser Artikel beleuchtet die Symptome, Ursachen, Diagnose und Behandlungsmöglichkeiten der Histadelie, um ein umfassendes Verständnis dieser oft verkannten Stoffwechselstörung zu ermöglichen.

Was ist Histamin?

Histamin ist ein natürlich vorkommender Botenstoff (Neurotransmitter) und ein biogenes Amin, das in jedem menschlichen Körper vorhanden ist. Es spielt eine wichtige Rolle bei der Vermittlung von allergischen und nicht-allergischen Reaktionen. Körpereigene Abwehrzellen (Mastzellen) enthalten Histamin und schütten es bei bestimmten Auslösern aus. Ansonsten enthält jedes Lebensmittel Histamin, nur in unterschiedlich hoher Konzentration. Reifung, Fermentation und Gärung steigern den Gehalt. Je frischer die Nahrungsmittel, desto geringer der Histamingehalt. Histamin ist ein potenter Mediator vieler biologischer Reaktionen.

Ursachen der Histadelie

Wissenschaftler vermuten, dass ein verminderter Histaminabbau und ein daraus resultierender Überschuss des biogenen Amins die Ursache der Intoleranz ist. Histamin besitzt vier Rezeptoren und kann sich mit diesen an nahezu jedes Organ binden. Es ist wichtig zu beachten, dass die Reaktionen des Körpers auf Histamin keine Abwehrreaktion des Immunsystems darstellen.

Die Histaminintoleranz basiert auf einem Ungleichgewicht zwischen anfallendem Histamin und der Möglichkeit, dieses abzubauen. Histamin kann über zwei Wege metabolisiert werden:

  • Oxidative Deaminierung durch die Diaminooxidase (DAO)
  • Ringmethylierung durch die Histamin-N-Methyltransferase (HNMT)

Die DAO ist als sekretorisches Protein für den Abbau von extrazellulärem Histamin verantwortlich, wohingegen HNMT als zytosolisches Protein Histamin nur intrazellulär, beispielsweise in der Leber, inaktiviert. Beim Abbau des über die Nahrung aufgenommenen Histamins spielt das Enzym DAO daher eine zentrale Rolle. Durch eine insuffiziente Aktivität der DAO können infolgedessen nach Aufnahme histaminreicher Nahrungsmittel, von Alkohol oder histaminliberierenden oder DAO-blockierenden Medikamenten Symptome auftreten.

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Eine Reihe von Mechanismen werden als Ursache der Histaminintoleranz diskutiert. Die Produktion der DAO kann beispielsweise durch eine Schädigung der Enterozyten bei gastrointestinalen Erkrankungen vermindert sein. Außerdem können andere biogene Amine, Alkohol und Medikamente den Histaminabbau über die DAO kompetitiv hemmen. Eine erworbene Histaminintoleranz kann nach dem Wegfall der Ursachen wie Absetzen DAO-blockierender Medikamente reversibel sein.

Neben den erworbenen wurden jedoch in letzter Zeit vermehrt potenzielle genetische Ursachen eines reduzierten Histaminabbaus bei einer Gruppe assoziierter Erkrankungen untersucht. Verschiedene Polymorphismen der DAO konnten identifiziert werden, die mit entzündlichen und neoplastischen gastrointestinalen Erkrankungen wie Nahrungsmittelallergien, Sprue, Morbus Crohn, Colitis ulcerosa und Kolonadenomen verbunden waren, sodass eine teilweise DAO-assoziierte genetische Prädisposition zur Entwicklung dieser Erkrankung diskutiert wird.

Symptome der Histadelie

Die Symptome einer Histaminintoleranz sind unspezifisch und vielfältig. Durch einen Histaminüberschuss gerät der Körper in Alarmbereitschaft. Die Symptome können verschiedene Organe betreffen und reichen von:

  • Gastrointestinale Beschwerden: Durchfall, Blähungen, Bauchkrämpfe, Übelkeit, erhöhte Magensaftsekretion
  • Hautprobleme: Hautrötungen, Juckreiz, Nesselsucht (Urtikaria)
  • Atemwege: Verstopfte oder laufende Nase, Asthmaanfälle
  • Herz-Kreislauf-System: Blutdruckschwankungen, Kreislaufschwäche, Herzrasen (Tachykardie), Herzstolpern, Arrhythmien
  • Neurologische Symptome: Kopfschmerzen, Migräne, Schwindel, Müdigkeit, Gedächtnisstörungen, Konzentrationsstörungen, Angstzustände, Panikattacken, Depressionen, Schlafstörungen
  • Weitere Symptome: Zyklusabhängige Beschwerden, Dysmenorrhö (schmerzhafte Menstruation), Missempfindungen, Wahnvorstellungen, Zwangshandlungen, Störungen im Gedankenablauf, Geistesabwesenheit, abnorme Ängste, ständige suizidale Depression, rasches Ausbrechen in Tränen und Verwirrtheit.

Bei Frauen können zyklusabhängige Kopfschmerzen und Dysmenorrhö auftreten, da Histamin dosisabhängig die Estradiolsynthese steigert.

Histamin und Psyche

Histamin ist ein Neurotransmitter im zentralen Nervensystem und interagiert mit anderen Neurotransmittern im Gehirn. Damit beeinflusst es den Schlaf-Wach-Rhythmus, das Sättigungsgefühl, die Selbstmotivation, Ängste, Panik, Depressionen, Merkfähigkeit sowie Stressreaktionen. Ein hoher Histaminspiegel kann sich also auf das zentrale Nervensystem auswirken und zu Ängsten, Unruhe, Depressionen, Schlafstörungen und Konzentrationsstörungen führen.

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Personen mit Histadelie weisen oft bestimmte Persönlichkeitseigenschaften auf, wie Hyperaktivität, hohes Energielevel, Impulsivität, hohe Motivation, Intelligenz, Perfektionismus und Kreativität. Sie neigen dazu, kontrollierend zu sein und kommen nie richtig zur Ruhe. Oftmals haben sie ein starkes sexuelles Verlangen und greifen zu Kaffee, Zucker oder anderen Suchtmitteln.

Diagnose der Histadelie

Da die Symptome vielfältig und unspezifisch sind, ist die Diagnose der Histadelie oft schwierig und langwierig. Es gibt kein diagnostisches Verfahren, das eine Histaminunverträglichkeit direkt nachweisen kann. Die Diagnose erfolgt in der Regel schrittweise:

  1. Anamnese: Eine detaillierte Erhebung der Krankengeschichte ist entscheidend, um mögliche Auslöser und Zusammenhänge zwischen Symptomen und Ernährungsgewohnheiten zu identifizieren.
  2. Ausschluss anderer Erkrankungen: Zunächst müssen andere Krankheiten ausgeschlossen werden, die ähnliche Symptome verursachen können.
  3. Ernährungstagebuch: Das Führen eines Ernährungstagebuchs über einige Wochen kann helfen, die individuelle Histaminverträglichkeit festzustellen und Zusammenhänge zwischen bestimmten Lebensmitteln und Symptomen aufzudecken.
  4. Karenzdiät: Eine histaminarme Diät über einen bestimmten Zeitraum (in der Regel 2-4 Wochen) kann zeigen, ob sich die Symptome bessern.
  5. Provokationstest: Nach der Karenzdiät werden histaminreiche Lebensmittel gezielt wieder in die Ernährung eingeführt, um zu beobachten, ob die Symptome erneut auftreten.
  6. Laboruntersuchungen: Obwohl der DAO-Wert im Blut keinen direkten Aufschluss über eine Histaminintoleranz gibt, können bestimmte Laboruntersuchungen hilfreich sein, um andere Ursachen auszuschließen und Hinweise auf eine Histaminproblematik zu erhalten. Dazu gehören:
    • Histamin im Blut: Erhöhte Histaminspiegel im Blut können auf eine Histaminfreisetzung hindeuten.
    • DAO im Serum: Ein niedriger DAO-Wert kann auf eine eingeschränkte Fähigkeit zum Histaminabbau hinweisen.
    • Histamin im Stuhl: Erhöhte Histaminwerte im Stuhl können auf eine vermehrte Histaminbildung im Darm hindeuten.
    • Nachweis histaminbildender Bakterien im Stuhl: Das Vorhandensein von histaminbildenden Bakterien im Stuhl kann auf eine vermehrte Histaminproduktion im Darm hindeuten.
    • Weitere Untersuchungen: Je nach Symptomatik können weitere Untersuchungen wie IgE-Tests auf Nahrungsmittelallergien, Tests auf Mastzellaktivierung und die Bestimmung von Vitamin- und Mineralstoffspiegeln sinnvoll sein.

Behandlung der Histadelie

Die Behandlung der Histadelie zielt darauf ab, die Symptome zu lindern und die Lebensqualität zu verbessern. Die wichtigsten Säulen der Behandlung sind:

  1. Histaminarme Ernährung: Die wichtigste Maßnahme ist eine konsequente histaminarme Ernährung. Dabei sollten histaminreiche Lebensmittel gemieden und frische, unverarbeitete Lebensmittel bevorzugt werden. Eine Liste mit histaminarmen und histaminreichen Lebensmitteln kann als Orientierungshilfe dienen.
  2. Vermeidung von Histaminliberatoren: Sogenannte Histaminliberatoren fördern die Freisetzung von körpereigenem Histamin und sollten daher ebenfalls gemieden werden.
  3. Medikamentöse Therapie: In einigen Fällen können Medikamente zur Linderung der Symptome eingesetzt werden:
    • Antihistaminika: Antihistaminika blockieren die Wirkung von Histamin an den Rezeptoren und können Symptome wie Juckreiz, Hautrötungen und Magen-Darm-Beschwerden lindern.
    • DAO-Enzympräparate: DAO-Enzympräparate (z.B. Daosin®) enthalten das Enzym Diaminoxidase und können vor dem Verzehr histaminhaltiger Speisen eingenommen werden, um den Histaminabbau im Darm zu unterstützen.
    • Mastzellstabilisatoren: Mastzellstabilisatoren können die Freisetzung von Histamin aus den Mastzellen reduzieren.
  4. Nährstofftherapie: Eine unterstützende Wirkung beim Histaminabbau werden Zink, Vitamin C und Vitamin B6 nachgesagt. Eine gezielte Nährstofftherapie mit diesen Stoffen kann sinnvoll sein, um den Histaminabbau zu unterstützen und eventuelle Mängel auszugleichen. Die Bestimmung von Kupfer, SAMe bzw. ist ebenfalls von Bedeutung. Folsäure sollte bei Histadelie vermieden werden, da sie histaminfördernd wirkt.
  5. Darmsanierung: Eine gesunde Darmflora ist wichtig für den Histaminabbau. Eine Darmsanierung mit Probiotika kann helfen, das Gleichgewicht der Darmflora wiederherzustellen und die Histaminbildung im Darm zu reduzieren.
  6. Stressmanagement: Chronischer Stress kann die Histaminausschüttung aus den Mastzellen erhöhen. Stressmanagement-Techniken wie Entspannungsübungen, Yoga oder Meditation können helfen, Stress abzubauen und die Symptome zu lindern.
  7. Weitere Therapieansätze: Je nach individueller Symptomatik können weitere Therapieansätze wie Neuraltherapie, Akupunktur oder manuelle Therapie sinnvoll sein.

Histamin in Lebensmitteln

Histamin, sein Vorläufer Histidin und andere biogene Amine sind in unterschiedlichen Konzentrationen in nahezu allen Nahrungsmitteln enthalten. Der Histamingehalt wird durch Reifungs- und Gärungsprozesse gesteigert. Hohe Histaminkonzentrationen finden sich vor allem in mikrobiell produzierten Nahrungsmitteln wie lang gereiftem Käse, Sauerkraut, Wein oder mikrobiell kontaminierter proteinreicher Nahrung wie Fisch, Fleisch und Wurst.

Neben histaminreichen Nahrungsmitteln sind unspezifische Histaminliberatoren wie Zitrusfrüchte zu berücksichtigen, die zwar selbst nicht viel Histamin enthalten, jedoch gespeichertes Histamin freisetzen können.

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Medikamente und Histaminintoleranz

Medikamente verschiedenster Substanzgruppen können durch eine Histaminfreisetzung oder eine Hemmung der DAO schwere Intoleranzreaktionen hervorrufen oder eine Histaminintoleranz induzieren. Jede Medikation, vor allem Langzeitmedikation, sollte daher bei der Interpretation von Histaminintoleranzsymptomen berücksichtigt werden.

Histadelie und Schizophrenie

Interessanterweise leiden schätzungsweise 20 % der sogenannten schizophrenen Patienten an Histadelie. Diese Patienten sprechen oft nicht auf die üblichen medikamentösen Behandlungen oder Elektroschock- und Insulinkoma-Therapie an.

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