Während der Schwangerschaft erfährt der Körper einer Frau zahlreiche Veränderungen, die oft mit Beschwerden wie Rückenschmerzen einhergehen. Viele Schwangere kennen den stechenden Schmerz im unteren Rücken, der bis in die Pobacke oder ins Bein ausstrahlt und das Sitzen oder Stehen erschwert. Diese Symptome werden häufig als Ischiasbeschwerden bezeichnet.
Was sind Ischiasschmerzen in der Schwangerschaft?
Obwohl viele Frauen über Ischias-ähnliche Schmerzen klagen, handelt es sich in den meisten Fällen nicht um eine echte Ischialgie, bei der der Ischiasnerv gereizt ist. Echte Ischialgie tritt in weniger als einer von 100 Schwangerschaften auf. Stattdessen haben diese Schmerzen, die aus dem unteren Rücken ausstrahlen, vielfältige Ursachen, die mit den Veränderungen während der Schwangerschaft zusammenhängen.
Ursachen von Ischiasbeschwerden in der Schwangerschaft
Die Ursachen für Schmerzen im Ischiasbereich während der Schwangerschaft sind vielfältig und oft miteinander verbunden. Hier sind einige der Hauptfaktoren:
- Veränderung des Körperschwerpunkts: Mit zunehmendem Bauchumfang verlagert sich der Körperschwerpunkt nach vorne. Der Rücken muss diese Verlagerung kompensieren, was zu einer stärkeren Belastung der Lendenwirbelsäule führt. Die Bauchmuskulatur, die normalerweise den Rücken stabilisiert, ist nicht mehr so funktionstüchtig, was den Druck auf die Lendenwirbelsäule erhöht.
- Hormonelle Veränderungen: Die veränderte Hormonlage während der Schwangerschaft führt dazu, dass sich Bänder und Sehnen, insbesondere im Iliosakralgelenk (ISG), lockern. Das ISG verbindet das Kreuzbein mit dem Becken und bereitet den Körper auf die Geburt vor. Diese Lockerung kann zu Instabilität und Schmerzen führen. Schwangerschaftshormone, besonders Progesteron, lockern die Bänder und Sehnen im Becken und unteren Rücken, was zwar Platz für das wachsende Baby schafft, aber auch die Stabilität des Körpers beeinträchtigt.
- Muskuläre Verspannungen: Die Gesäßmuskulatur muss die veränderte Statik ausgleichen. Wenn Muskeln, die diese Belastung nicht gewohnt sind, plötzlich viel Arbeit leisten müssen, reagieren sie mit Verspannungen und Reizzuständen. Dies kann sich wie ein eingeklemmter Ischiasnerv anfühlen. Tatsächlich gehen viele Beschwerden in der Schwangerschaft vom Iliosakralgelenk aus.
- Gewichtszunahme: Die schwangerschaftsbedingte Gewichtszunahme führt dazu, dass sich der Körperschwerpunkt nach vorne verlagert, was mehr Gewicht auf die untere Wirbelsäule lastet.
- Venenstauung: Im Liegen kann die Gebärmutter mit dem wachsenden Kind vermehrt auf die untere Hohlvene drücken, was zu einem Stau von venösem Blut im kleinen Becken führt. Dieser Stau kann auf den Ischiasnerv drücken und Schmerzen verursachen.
- Druck der wachsenden Gebärmutter: Die Gebärmutter selbst kann auf das Gewebe über dem Ischiasnerv drücken, was ebenfalls zu Schmerzen führen kann.
Symptome von Ischiasbeschwerden in der Schwangerschaft
Viele Frauen klagen während der Schwangerschaft über Rückenschmerzen im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule, besonders im letzten Schwangerschaftsdrittel, wenn das Gewicht des Kindes und der Bauchumfang am stärksten zunehmen. Diese Schmerzen können bis in die Beine ausstrahlen, was oft fälschlicherweise als Ischiasschmerz interpretiert wird.
Echte Ischiasschmerzen ziehen meist einseitig über das Gesäß bis in die Kniekehle, manchmal bis in den Knöchel oder den Fuß. Sie fühlen sich oft plötzlich einschießend oder stechend an und können von Kribbeln oder Taubheitsgefühlen begleitet sein. Belastungen wie Bauchpressen, ungünstige Haltungen oder körperliche Anstrengungen können die Schmerzen verstärken.
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Diagnose von Ischiasschmerzen in der Schwangerschaft
Die Diagnose von Ischiasbeschwerden beginnt mit einer neurologischen Untersuchung, um Kraft, Sensibilität und Muskelreflexe zu prüfen. Der Rücken wird auf Verspannungen, Wirbelsäulenveränderungen oder Fehlhaltungen untersucht, da diese oft die Schmerzursache darstellen. Klinische Tests wie der Laségue- und Bragard-Test prüfen den Dehnungsschmerz des Ischiasnervs. Zehenspitzenstand, Zehen- und Hackengang werden ebenfalls getestet, da Kraftverlust durch Nervenreizung diese Übungen erschweren kann.
Eine Kernspintomographie (MRT) eignet sich gut, um die Ursache einer Ischialgie zu diagnostizieren, da sie Weichteilstrukturen detailliert darstellt. Tumore, Entzündungen und Bandscheibenvorfälle der Wirbelsäule lassen sich so klar erkennen. Da keine Röntgenstrahlung verwendet wird, kann eine MRT grundsätzlich während der gesamten Schwangerschaft durchgeführt werden. Auf Gadolinium-Kontrastmittel sollte jedoch ab dem zweiten Trimester verzichtet werden, da es potenziell schädlich für das Kind ist.
Behandlung von Ischiasschmerzen in der Schwangerschaft
Die Behandlung von Ischiasbeschwerden in der Schwangerschaft zielt darauf ab, Schmerzen zu lindern und die Funktion zu verbessern. Da viele herkömmliche Schmerzmittel in der Schwangerschaft nicht oder nur eingeschränkt eingenommen werden dürfen, liegt der Fokus auf konservativen und natürlichen Methoden.
Konservative Behandlungsmethoden
- Physiotherapie: Physiotherapie ist eine wichtige Säule der Behandlung. Bewegung und angepasste Übungen erreichen die betroffenen Bereiche oft nicht gezielt, daher ist eine manuelle Therapie sinnvoll. Sanfte Griffe, die das Gewebe lockern, die Muskulatur entspannen und die Durchblutung fördern, können Blockaden im ISG lösen. Physiotherapeuten können Übungen zeigen, die zu Hause durchgeführt werden können, um Schmerzen zu lindern und die wirbelsäulennahe Muskulatur zu stärken. Sie geben auch Tipps, wie der Rücken im Alltag geschont werden kann, beispielsweise beim Heben von Lasten.
- Wärmeanwendungen: Sanfte Wärmeanwendungen wie warme Vollbäder, Kompressen, Heizkissen oder Wärmflaschen haben sich bei Beschwerden bewährt. Wärme kombiniert mit Bewegung kann besonders effektiv sein. Zum Beispiel kann man sich auf den Rücken legen, ein warmes Säckchen (gefüllt mit Reis oder Traubenkernen) unter das Kreuzbein legen, die Füße aufstellen und das Becken leicht bewegen.
- Manuelle Therapie: Manuelle Therapie kann helfen, Blockaden im ISG zu lösen. Sanfte Griffe lockern das Gewebe, entspannen die Muskulatur und fördern die Durchblutung.
- Akupunktur und Taping: Akupunktur oder Taping können ebenfalls lindernd wirken. Bei der Akupunktur werden feine Nadeln in bestimmte Punkte auf den Energiebahnen des Körpers gestochen, um den Energiefluss wiederherzustellen und muskuläre Verspannungen und Blockaden zu lösen. Kinesiotapes können helfen, den Ischiasnerv zu entlasten und so die Beschwerden zu lindern.
- Beckenboden- und Rückengymnastik: Gezielte Übungen können helfen, die Muskelkraft zu stärken, die Flexibilität und Stabilität der Wirbelsäule zu fördern und Fehlhaltungen zu korrigieren. Diese Übungen sollten jedoch erst nach Abklingen der akuten Schmerzphase begonnen werden, um den Rücken nicht unnötig zu belasten.
- Osteopathie: Osteopathie ist eine sanfte, ganzheitliche Behandlungsmethode, die helfen kann, Ischiasschmerzen in der Schwangerschaft zu lindern. Osteopathische Techniken können Bewegungseinschränkungen im Iliosakralgelenk beheben, Verspannungen im Gesäß-, Rücken- und Beckenbereich lösen, die Beckenbeweglichkeit optimieren und die Durchblutung fördern. Osteopathen arbeiten auch daran, die Haltung zu verbessern, um Fehlbelastungen und Schmerzen vorzubeugen.
- Entlastung der Wirbelsäule: Bei plötzlichen, starken Ischiasschmerzen kann eine Entlastung der Wirbelsäule rasch Linderung bringen. Eine geeignete Methode ist die Stufenlagerung, bei der Hüfte und Knie jeweils um 90 Grad gebeugt sind, um die Lendenwirbelsäule zu entlasten. Während der akuten Schmerzphase wird Bettruhe und das Hochlagern der Beine empfohlen.
- Beckenstützgurt: In manchen Fällen wird von ärztlicher Seite ein Beckengurt verschrieben, um den Bauch und die Lendenwirbelsäule zu entlasten. Die meisten Frauen tragen diesen gezielt, beim längeren Einkaufen oder einem Ausflug. Wichtig ist es, die Wirbelsäule und das ISG im Alltag zu entlasten und zu vermeiden, dass sich beim Sitzen der untere Rücken längere Zeit rundet.
Medikamentöse Behandlung
Lokalanaästhetika, die zur Muskelentspannung gespritzt werden, sind in der Schwangerschaft tabu. In der Schwangerschaft wird generell empfohlen, NSAR wie Ibuprofen oder ASS nur bis zur 28. Schwangerschaftswoche einzunehmen, da sie später schwerwiegende Nebenwirkungen wie den vorzeitigen Verschluss des Ductus arteriosus und Nierenfunktionsstörungen beim Fötus verursachen können. Paracetamol gilt als sicherer und kann während der gesamten Schwangerschaft verwendet werden, sollte jedoch in möglichst niedriger Dosierung und nur bei Bedarf eingenommen werden. Bei hartnäckigen neuropathischen Schmerzen können in Absprache mit dem Orthopäden auch Antidepressiva wie Amitriptylin, Venlafaxin oder Duloxetin eingesetzt werden. Schmerzmittel sollten während der Schwangerschaft nicht ohne ärztlichen Rat und niemals dauerhaft eingenommen werden. Dies gilt auch für rezeptfrei verkäufliche Medikamente.
Natürliche Mittel und Hausmittel
- Bewegung: Vorbeugend hilft Bewegung aller Art: Spazierengehen, Schwimmen, Gymnastik oder sanftes Yoga. Regelmäßige, sanfte Bewegung ist essentiell für den Heilungsprozess bei Ischias- oder Rückenschmerzen. Rückenfreundliche Sportarten wie Pilates, Yoga, Schwimmen, Walken oder Tanzen können helfen.
- Magnesium: Magnesium hilft bekanntlich gegen Krämpfe der Muskulatur und soll Untersuchungen zufolge auch Schmerzen im Bereich des unteren Rückens lindern. Die Einnahme von Magnesium während der Schwangerschaft gilt als unbedenklich und wird empfohlen, um Mutter und Kind ausreichend mit dem wichtigen Mineralstoff zu versorgen.
- Pfefferminzöl: Pfefferminzöl wird erfolgreich bei Spannungskopfschmerzen und Migräne eingesetzt. Der Hauptbestandteil des ätherischen Öls der Pfefferminze, Menthol, regt bei lokaler Anwendung auf der Haut die Kälte- und Druckrezeptoren an. Dadurch wird die Durchblutung gesteigert, was auch bei Rückenschmerzen einen positiven Effekt haben kann. Für die Anwendung können Sie einige Tropfen ätherisches Pfefferminzöl mit einem neutralen Trägeröl verdünnt auf den schmerzenden Bereich auftragen. Nicht alle ätherischen Öle sind in der Schwangerschaft geeignet.
- Entspannung: Alles, was den Körper entspannt, ist bei Rückenschmerzen in der Schwangerschaft gut. Entspannungsübungen können Stress-bedingte Rückenschmerzen lindern.
- Schlafposition: Um die Wirbelsäule zu entlasten, kann man auf der Seite schlafen, gerne mit einem Kissen zwischen den Knien und unter dem wachsenden Bauch. Viele Frauen empfinden diese Position als angenehm, um Schmerzen in der Nacht zu lindern. Ein Stillkissen kann ebenfalls helfen, den Rücken im Schlaf zu entlasten.
Vorbeugung von Ischiasbeschwerden in der Schwangerschaft
- Rückenschonendes Verhalten im Alltag: Achten Sie auf eine möglichst gerade Körperhaltung und vermeiden Sie ein Hohlkreuz. Heben und tragen Sie rückenschonend. Vermeiden Sie es, zu lange in einseitigen Positionen zu verharren, einschließlich langem Sitzen bei einer Bürotätigkeit. Achten Sie darauf, über die Seite gerollt aufzustehen und nicht ruckartig aus der Rückenposition.
- Körperhaltung: Vermeiden Sie ein Hohlkreuz, indem Sie das Becken aufrichten. Visualisieren Sie, dass sich das Kind noch sicher und geschützt im Körper befindet.
- Bewegung: Integrieren Sie regelmäßige Bewegung in Ihren Alltag. Spaziergänge, Treppensteigen und rückenfreundliche Sportarten wie Pilates, Yoga, Schwimmen, Walken oder Tanzen können Beschwerden vorbeugen und lindern.
- Ergonomisches Sitzen: Sitzen Sie auf einem Keilkissen oder Sitzball, um die Wirbelsäule zu entlasten. Vermeiden Sie es, den unteren Rücken beim Sitzen längere Zeit zu runden. Legen Sie abends beim Liegen auf dem Sofa gerne eine Deckenrolle unter die Knie.
- Unterstützung im Haushalt: Wenn möglich, kann eine Unterstützung für den Haushalt sehr hilfreich sein, besonders wenn Sie schon ein oder mehrere Kinder haben.
Wann sollte man einen Arzt aufsuchen?
Es ist wichtig, bei anhaltenden oder starken Schmerzen einen Arzt oder eine Hebamme zu konsultieren. Besonders bei folgenden Symptomen sollte ärztlicher Rat eingeholt werden:
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- Kraftausfälle oder Taubheitsgefühle in einem Bein
- Plötzlich auftretende oder lange anhaltende Rückenschmerzen trotz Bewegung und Entspannungsübungen
Diese Symptome könnten auf einen Bandscheibenvorfall oder andere Komplikationen hindeuten, die eine spezifische Behandlung erfordern.
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