Ist Taubheit vererbbar? Ursachen und Risiken erklärt

Die Frage, ob Taubheit vererbbar ist, beschäftigt viele Menschen, insbesondere solche, in deren Familie bereits Fälle von Hörverlust aufgetreten sind. Schwerhörigkeit kann tatsächlich erblich bedingt sein, und in diesem Artikel werden wir die verschiedenen Aspekte der Vererbung von Taubheit, ihre Ursachen und die damit verbundenen Risiken beleuchten.

Genetische Grundlagen der Schwerhörigkeit

Viele Arten von Hörverlust sind erblich. Wenn eines oder beide Elternteile schwerhörig sind, besteht die Möglichkeit, dass die Schwerhörigkeit an die Kinder weitergegeben wird. Eine von Geburt an bestehende Mutation in den Genen kann sich auf die Entwicklung und Funktionsweise der Ohren auswirken. In solchen Fällen spricht man von einem genetischen Hörverlust. Dieser ist insbesondere bei Kindern oft der Grund für Schwerhörigkeit.

Sowohl Vater als auch Mutter geben 23 Chromosomen an ihre Kinder weiter. Diese Chromosomen sind Bestandteile komplexer Zellen, auf denen die Erbinformationen gespeichert sind. Ein Chromosom enthält Desoxyribonukleinsäure (DNA), auf der die Gene codiert sind, sowie verschiedene Proteine (Eiweiße).

Das Risiko, beispielsweise einen Hörverlust zu erben, hängt davon ab, ob eine eventuelle Mutation im Gen dominant oder rezessiv ist. Eine dominante Mutation verursacht Hörverlust, wenn bloß eine der beiden Kopien des Gens der Eltern geschädigt ist. Rezessive Mutationen hingegen behaupten sich nur, wenn beide Kopien den Fehler beinhalten - also beide Eltern Träger der Genmutation sind. Beispielsweise können die Sinneszellen im Innenohr geschädigt sein und nicht mehr normal funktionieren, was einen genetischen Hörverlust nach sich zieht. Auch können genetische Faktoren die Sensibilität gegenüber Lärm, Entzündungen und anderen Einflüssen steigern.

Wann sollte man das Gehör des Kindes untersuchen lassen?

Wenn Sie oder Ihr Partner schwerhörig sind, sollten Sie Ihr Kind unbedingt beim HNO-Arzt - über das normale Hörscreening für Neugeborene und Kleinkinder hinaus - auf die Funktionsweise seines Hörsinns untersuchen lassen. Frühzeitige Erkennung und Intervention sind entscheidend, um die Entwicklung des Kindes optimal zu fördern.

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Die Entwicklung des Gehörs im Mutterleib und in den ersten Lebensjahren

Babys können bereits im Mutterleib hören. Die Hörschnecke ist in der 22. bis 23. Schwangerschaftswoche komplett entwickelt. Das bedeutet, dass Babys ungefähr ab der Mitte der Schwangerschaft im Bauch hören können. Zuerst nehmen sie vor allem die Stimme der Mutter, Geräusche in ihrem Bauch, Blutkreislauf und Herz wahr, aber auch die Geschwister oder den Vater. Auch Umgebungsgeräusche außerhalb des Bauches, wie Musik, hören Babys im weiteren Verlauf der Schwangerschaft immer deutlicher.

Anfangs hören sie hohe Töne, wie die Stimme der Mutter, besser als tiefe. Später ändert sich das, denn von Bauchdecke und Fruchtwasser werden eher tiefe Töne weitergeleitet. Nach der Geburt finden viele Babys übrigens genau die Geräusche beruhigend, die sie schon im Bauch der Mutter gehört haben.

Das Gehör bildet sich während der Schwangerschaft organisch ganz aus und ist bei einem gesunden Neugeborenen voll funktionsfähig. Allerdings unterscheidet sich das Hörvermögen zunächst noch sehr von dem der Erwachsenen. Besonders in den ersten drei Lebensjahren bildet es sich, angeregt durch die Höreindrücke aus der Umgebung, aus. In dieser sogenannten „sensiblen Phase“ lernt das Gehirn intensiv, die Hörinformationen zu verfeinern, zu verschärfen und sinnvoll zu deuten. Im weiteren Verlauf der Entwicklung verfeinert sich die Hörfähigkeit weiter, wenn auch deutlich langsamer.

Auswirkungen von Schwerhörigkeit auf die Entwicklung von Kindern

Es ist sehr wichtig, auf das Gehör Ihres Kindes zu achten, denn das Hörvermögen hat einen großen Einfluss auf das Leben und die Entwicklung sozialer und kommunikativer Fähigkeiten. Nur wer gut hört, kann auch sprechen lernen. Wenn Ihr Kind ein oder mehrere Anzeichen von Schwerhörigkeit aufweist, sollten Sie aktiv werden und einen Arzt aufsuchen. Eine unbehandelte erbliche Schwerhörigkeit hat negativen Einfluss auf die schulische Bildung, die Lehre, die Karriereerwartungen und die gesamte allgemeine Lebensqualität des Kindes. Deshalb: Warten Sie bitte nicht ab.

Weitere Ursachen für Hörverlust

Neben der Vererbung gibt es auch andere Ursachen für Hörverlust, sowohl angeborene als auch erworbene:

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  • Infektionen während der Schwangerschaft: Röteln-Embryopathie, Rh-Inkompatibiltät mit Kernikterus oder Labyrinthitiskonnatale (Syphilis) können zu angeborener Gehörlosigkeit führen.
  • Schwierigkeiten während der Geburt: Komplikationen während der Geburt, die zu Sauerstoffmangel führen, können das Gehör schädigen.
  • Lärm: Sowohl Freizeitlärm (Disco- und Konzertbesuche, Feuerwerkskörper) als auch berufsbedingter Lärm können das Gehör schädigen. Die Lautstärke wird in Dezibel (dB) gemessen, wobei 85 dB bereits für den Erwerb eines Hörschadens ausreichen können.
  • Infektionen: Infektionen wie Hirnhautentzündung (Meningitis), Masern oder Mumps können zu bleibenden Hörstörungen führen.
  • Medikamente und Substanzen: Bestimmte Antibiotika, Krebsmedikamente, Drogen und Alkohol können die Entwicklung des Gehörs beeinträchtigen.
  • Andere Ursachen: Ohrenschmalz-Verstopfung, Wasser im Ohr, Luftdruckveränderungen und Unfälle können ebenfalls zu Hörverlust führen.
  • Wattestäbchen: Die unsachgemäße Verwendung von Wattestäbchen kann das Trommelfell verletzen.

Innenohrschwerhörigkeit: Eine spezielle Form des Hörverlusts

Die Innenohrschwerhörigkeit, auch sensorineurale Schwerhörigkeit genannt, betrifft die Schallempfindlichkeit des Ohrs in seinem Innern. Sie kann angeboren sein oder in der frühen Kindheit erworben werden. Bei dieser Art der Schwerhörigkeit werden die Schallsignale zwar empfangen, aber verfälscht wahrgenommen. Oft ist die Innenohrschwerhörigkeit angeboren. Erkrankungen der Mutter vor der Geburt oder Erkrankungen im Baby- und Kleinkindalter können Ursachen sein.

Die auditorische Neuropathie ist eine besondere Form der Schwerhörigkeit, die mit Problemen des Hörnervs zusammenhängt. Dies erschwert die richtige Synchronisation von Nervensignalen, insbesondere beim Verstehen gesprochener Sprache.

Die Ursachen der Innenohrschwerhörigkeit im Erwachsenenalter sind meist krankheitsbedingt. Sie kann akut auftreten und dann auch mit dem Ausheilen der Krankheit wieder verschwinden. In diesem Fall ist die Innenohrschwerhörigkeit heilbar.

Diagnose und Behandlung von Hörverlust

Die Diagnose von Hörverlust erfolgt in der Regel durch einen HNO-Arzt oder Hörakustiker. Zunächst wird ein Audiogramm erstellt, um den Grad des Hörverlusts zu bestimmen. In der Regel folgen dann weitere Untersuchungen, um die Ursache des Hörverlusts zu ermitteln.

Je nach Ursache und Schweregrad des Hörverlusts gibt es verschiedene Behandlungsmöglichkeiten:

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  • Hörgeräte: Hörgeräte verstärken die Schallwellen und lenken sie ins Innenohr. Sie eignen sich für Menschen mit einer Resthörigkeit.
  • Cochlea-Implantate: Cochlea-Implantate sind elektronische Hörprothesen, die die Funktion der beschädigten Teile des Innenohrs übernehmen können. Sie eignen sich für Menschen mit Gehörlosigkeit oder hochgradiger Schwerhörigkeit, bei denen Hörgeräte nicht mehr helfen.
  • CROS/BiCROS-Versorgung: Bei einseitiger Taubheit gibt es die Möglichkeit, diese mit einer sogenannten CROS- beziehungsweise BiCROS-Variante zu versorgen. Hierbei handelt es sich um eine speziell für einseitig taube Menschen oder einseitig Resthörige entwickelte Funktion von Hörgeräten.

Psychogene Hörstörungen

Psychogene, rein seelisch bedingte Hörstörungen sind sehr selten, kommen aber dennoch vor. Die seelischen Ursachen sind dem Betroffenen nicht klar und zudem halten diese sich selbst für taub beziehungsweise hochgradig Schwerhörig, weshalb es sich hierbei nicht um eine Simulation oder Täuschung handelt. Kennzeichnend dieser psychogenen Hörstörung ist, dass sie besonders in stressigen unangenehmen Situationen auftritt und wieder verschwindet, wenn sich der Betroffene wieder wohl fühlt. Die psychogene Hörstörung ist ein Schutzmechanismus, den der Mensch aufbaut um gewisse Dinge nicht zu hören, da er diese nicht erträgt.

Zentrale Hörstörungen

Eine Zentrale Hörstörung beziehungsweise Taubheit bezeichnet eine Einschränkung der auditiven Wahrnehmung, welche nicht eine Schädigung oder Verminderung des normalen Gehörs zur Ursache hat. Die Betroffenen haben Probleme beim Zuhören, Verstehen und Wahrnehmung von auditiven Informationen.

Wichtigkeit der Früherkennung bei Kindern

Gerade bei Kindern werden Hörschwierigkeiten leider oft zu spät entdeckt, da Eltern das Gehör ihrer Kinder häufig für zu gut einschätzen. Dabei ist es besonders wichtig, das Gehör des Nachwuchses zu schulen, weil die Hörbahnreifung mit anderthalb Jahren abgeschlossen ist. Wurde sie bis zu diesem Zeitpunkt akustisch nicht richtig stimuliert, bleibt die Fähigkeit, Hörreize weiterzuverarbeiten, unterentwickelt.

Sollte man bei seinem Kind feststellen, dass es nicht auf Rufen oder Ansprache reagiert, oft nachfragt oder die Sprachentwicklung nicht so ausgereift ist wie sie sein sollte, ist es ratsam umgehend einen Hals-Nasen-Ohren-Arzt aufzusuchen.

Umgang mit Hörverlust im Alltag

Viele Eltern beruhigt es zu erfahren, dass sich ein Kind trotz Hörstörung genauso gut entwickeln kann wie hörende Kinder. Doch dazu gilt es, einige Herausforderungen zu meistern: Hat ein Kind Schwierigkeiten, sich zu verständigen, kann das dazu führen, dass es sich in einer Regelschule oder auch bei Hobbies und Sport ausgegrenzt fühlt.

Hörgeräte oder Hörprothesen können helfen. Damit sie eine gute Kommunikation mit anderen ermöglichen, sind allerdings ein geduldiges Training und viel Förderung durch die Eltern nötig. Dies kostet Zeit und Kraft. Viele Eltern fühlen sich ihrem Kind dadurch aber auch besonders verbunden. Es fällt ihnen leicht, Lernerfolge wertzuschätzen oder allgemein gelassen zu sein.

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