Das Becken ist ein komplexer Bereich des menschlichen Körpers, der eine zentrale Rolle für Stabilität, Schutz und die Durchführung verschiedener Körperfunktionen spielt. Es bildet die Körpermitte und beherbergt wichtige Organe. Dieser Artikel beleuchtet die Anatomie des Beckens, wobei der Fokus besonders auf die neurale Versorgung, die knöcherne Struktur und die funktionelle Bedeutung gelegt wird.
Anatomie des Beckens
In der medizinischen Terminologie wird das Becken (lateinisch: Pelvis oder Cavitas pelvis) als der Bereich definiert, der beim stehenden Menschen unter dem Abdomen beginnt und bis zu den Beinen reicht. Das knöcherne Becken wird von den Hüftknochen (Ossae coxae), dem Kreuzbein (Os sacrum) und dem Steißbein gebildet. Die Hüftknochen sind maßgeblich an der Formgebung des Beckens beteiligt und weisen erhebliche Unterschiede zwischen Frauen und Männern auf.
Knöcherne Struktur
Die nahezu starre Grundlage des Beckens bilden die paarig bestehenden drei Hüftknochen:
- Os ilium (Darmbein): Bildet die vordere Stabilitätssäule des Beckens. Die Beckenschaufeln lassen sich bei den meisten Menschen gut ertasten, indem man die Hände von oben auf die Hüfte legt.
- Os ischii (Sitzbein): Bildet die hintere Stabilitätssäule. Es ist der Knochen, auf dem der Mensch sitzt.
- Os pubis (Schambein): Befindet sich vorne unten und schließt im Bereich der Symphysis pubica (Schambeinfuge) den Beckenring.
Bei Kindern sind die drei Knochen der Hüfte durch unechte Gelenke (Synchondrosen) verbunden, die im Alter meist zu Synostosen verschmelzen. Das größte Gelenk im Bereich des Beckens ist das Hüftgelenk (Articulatio coxae), dessen Gelenkpfanne (Acetabulum) von allen drei Hüftknochen gebildet wird.
Geschlechtsunterschiede
Da Frauen in der Lage sein müssen, ein Kind zu gebären, unterscheiden sich die Knochenstrukturen von männlichem und weiblichem Becken in einigen Gesichtspunkten:
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- Ausmaße: Frauen haben normalerweise ein breiteres Becken, das ausladender ist, während das Becken von Männern massiver und schmaler gebaut ist.
- Beckenöffnung: Bei Frauen ist sie breiter und fast queroval, während bei Männern das Promontorium (die innere Vorwölbung des Os sacrums im Bereich der Linea terminalis) deutlicher hervortritt.
- Schambeinwinkel: Der untere Schambeinwinkel ist bei Männern mit 70 Grad recht spitz (Angulus subpubicus), während Frauen einen weiten Winkel von 90 bis 100 Grad haben (Arcus pubicus).
Diese Geschlechtsunterschiede im Becken sind in der forensischen Osteologie von Bedeutung, um bei unbekannten Knochenfunden das Geschlecht des/der Verstorbenen zu bestimmen.
Linea terminalis und Beckenräume
Die Linea terminalis ist der Rand des Beckeneingangs (Apertura pelvis superior), der sich über alle Knochenstrukturen zieht und linienförmig ringsum verläuft. Dieser Ring dient als Abgrenzung zwischen dem kranialen Großen Becken (Pelvis major) und dem kaudalen Kleinen Becken (Pelvis minor).
- Großes Becken (Pelvis major): Liegt kranial der Linea terminalis zwischen den Darmbeinschaufeln (Alae ossis ilii). Es wird seitlich durch Hüftknochen begrenzt, hat aber nach vorne keine knöcherne Begrenzung. Es ist Teil des Abdomens.
- Kleines Becken (Pelvis minor): Liegt kaudal des Beckenrings und wird von ihm umschlossen. Hier liegen große Teile des Urogenitaltraktes und die wichtigsten Versorgungsstrukturen von Becken und Beinen.
Funktion des Beckens
Die Hauptfunktion des Beckens ist die Wahrung der Stabilität des aufrechten Standes und Ganges. Die Winkel, in denen die einzelnen Knochenstrukturen zueinanderstehen, führen zur physiologischen Körperhaltung und zur optimalen Bewegungsfreiheit. Darüber hinaus schützt das Becken die empfindlichen Geschlechts- und Harnorgane und bildet die kaudalste Struktur des Rumpfes.
Die neurale Anatomie des Beckens
Die neurale Anatomie des Beckens ist komplex und umfasst ein Netzwerk von Nerven, die die Beckenmuskeln und -organe mit motorischen und sensorischen Funktionen versorgen. Dieses Netzwerk ermöglicht die Steuerung der Beckenbodenmuskulatur, die Funktion der Beckenorgane und die Sensibilität im Genitalbereich.
Plexus sacralis
Der Plexus sacralis (Kreuzgeflecht) ist ein Nervengeflecht, das sich auf der vorderen Seite des Kreuzbeins befindet. Er besteht aus den vorderen Nervenästen der Spinalnerven der Wirbelsäulensegmente L5 bis S3 und enthält Anteile von L4 und S4.
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Funktion:
- Versorgung der Hüft-, Gesäß- und Beckenbodenmuskulatur
- Versorgung der Muskeln an der Rückseite der Oberschenkel
- Versorgung der Unterschenkel- und Fußmuskulatur.
Verletzungen an Nerven des Plexus sacralis können Beschwerden im Gesäß, an der Hüfte oder in den Beinen und Füßen verursachen.
Nervus pudendus
Der Nervus pudendus (Pudendusnerv, Schamnerv) ist ein wichtiger Nerv des Beckenbodens, der aus dem Plexus sacralis S2-S4 hervorgeht. Er verläuft durch das Becken und steuert verschiedene Muskeln und Organe im Bereich des Beckens. Ein markanter Punkt seines Verlaufs ist der Alcock-Kanal, eine enge Passage im Becken, durch die der Nerv verläuft.
Funktion:
- Steuerung der Beckenbodenmuskulatur
- Sensibilität im Genitalbereich
- Kontrolle der Schließmuskelfunktion des Rektal-, Harn- und Genitaltrakts
Eine Beeinträchtigung des Nervus pudendus kann zu starkem Schmerz im Becken, Problemen bei der Blasen- und Darmkontrolle sowie zu einer gestörten Sensibilität in den Genitalien führen.
Autonomes Nervensystem
Das autonome Nervensystem, einschließlich der Abteilungen Sympathikus und Parasympathikus, reguliert die Funktionen der Beckenorgane.
Beckenbodenmuskulatur
Der Beckenboden ist eine Muskelgruppe, die die Bauch- und Beckenorgane stützt. Er trennt das Perineum von der Beckenhöhle und hilft bei der Kontrolle der Schließmuskelfunktion des Rektal-, Harn- und Genitaltrakts. Eine Schwächung des Bindegewebes und/oder der Muskeln kann zu einer Beckenbodeninsuffizienz führen, die zu Beckenbodendysfunktion beiträgt. Zu den Beckenbodendysfunktionen gehören Beckenorganprolaps.
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Muskeln des Beckenbodens
Zu den wichtigsten Muskeln des Beckenbodens gehören:
- M. levator ani: Kein einheitlicher Muskel, sondern setzt sich aus verschiedenen Teilen zusammen (M. pubococcygeus, M. iliococcygeus, M. puborectalis). Er verschließt gestaffelt dorsal und lateral den Beckenausgang und umfasst dorsal die Rektumwand. Innerviert wird er von direkten Ästen aus dem Plexus sacralis (S3/S4) und der Puborektalisanteil auch aus dem N. pudendus.
- M. sphincter urethrae externus: Umfasst nur die Urethra halbmondförmig, nicht jedoch die Vagina. Er wird vom N. pudendus innerviert.
- M. sphincter ani externus: Wird vom N. pudendus innerviert und bildet eine enge muskuläre Verzahnung mit dem glattmuskulären M. sphincter ani internus.
Vaskularisation des Beckens
Die Blutversorgung des Beckens erfolgt hauptsächlich durch die Aorta abdominalis, die sich in die Aa. iliacae communes aufzweigt. Diese teilen sich jeweils in eine A. iliaca interna und eine A. iliaca externa. Die A. iliaca interna versorgt die Beckenorgane und -wände, während die A. iliaca externa nach Passieren des Ligamentum inguinale in die A. femoralis übergeht und das Bein versorgt.
Das venöse Blut aus dem Becken wird über die Vv. iliacae communes zur V. cava inferior transportiert.
Klinische Relevanz
Die Kenntnis der Anatomie des Beckens ist entscheidend für das Verständnis verschiedener klinischer Zustände und Erkrankungen.
Pudendusneuralgie
Die Pudendusneuralgie ist eine Erkrankung, bei der der Nervus pudendus im Beckenbereich gereizt oder eingeklemmt wird. Dies kann zu chronischen Schmerzen im Beckenbereich führen, die beim Sitzen stärker werden. Die Diagnose kann schwierig sein, und die Behandlung umfasst in der Regel Physiotherapie, Schmerzmittel oder in schweren Fällen eine Operation.
Beckenbodeninsuffizienz
Eine Schwächung der Beckenbodenmuskulatur kann zu Beckenbodeninsuffizienz und Beckenorganprolaps führen. Dies kann durch Faktoren wie Schwangerschaft, Geburt, Alterung oder Nervenschädigungen verursacht werden.
Beckenfrakturen
Beckenringfrakturen treten am häufigsten bei Patient*innen nach Hochrasanztrauma auf. Aufgrund der hohen Energie dieses Traumas werden Beckenringfrakturen oft als instabile Frakturen angesehen, und die Betroffenen können Gefäßschäden und begleitende Verletzungen des Urogenitalsystems aufweisen.
Hernia obturatoria
Eine Hernia obturatoria ist ein Bruch von Becken- oder Bauchinhalt durch das Foramen obturatorium.