Juvenile Parkinson: Lebenserwartung, Symptome und Behandlung

Parkinson ist eine fortschreitende neurologische Erkrankung, die das extrapyramidal-motorische System und die Basalganglien betrifft. Charakteristische Symptome sind Hypokinese, Rigor, Tremor und posturale Instabilität. Es gibt keine kausale Therapie.

Einleitung

Morbus Parkinson ist nach der Alzheimer-Krankheit die zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung. Die Prävalenz wird auf 100 bis 200 pro 100.000 Einwohner geschätzt. Weltweit sind etwa 6,3 Millionen Menschen betroffen. Die Inzidenz steigt mit dem Alter, wobei der Erkrankungsgipfel um das 60. Lebensjahr liegt. Männer sind häufiger betroffen als Frauen.

In seltenen Fällen tritt Parkinson vor dem 40. Lebensjahr auf. Wenn die Krankheit vor dem 21. Lebensjahr diagnostiziert wird, spricht man von juvenilem Parkinson (JPD).

Formen des Parkinson-Syndroms

Parkinson-Syndrome werden in vier Hauptgruppen unterteilt:

  1. Idiopathisches Parkinson-Syndrom (IPS): Auch bekannt als Parkinson-Krankheit oder Morbus Parkinson. Es macht etwa 75-80 % aller Fälle aus. Die Ursachen sind unklar, es wird jedoch eine multifaktorielle Genese angenommen.
  2. Genetische Formen des IPS: Bei 5-15 % der IPS-Patienten sind weitere Familienmitglieder betroffen. Mutationen in verschiedenen Genen können zu früh auftretenden, autosomal vererbten Formen führen. Je jünger der Patient, desto wahrscheinlicher ist ein genetischer Hintergrund.
  3. Symptomatisches Parkinson-Syndrom (SPS): Auch bekannt als sekundäres Parkinson-Syndrom. Es wird durch andere Ereignisse, Erkrankungen oder Medikamente verursacht, die die zentralnervösen Strukturen schädigen.
  4. Atypische Parkinson-Syndrome (APS): Parkinson-Syndrome, die im Rahmen anderer neurodegenerativer Erkrankungen auftreten.

Ursachen des Parkinson-Syndroms

Die Ursachen des IPS sind bis heute nicht vollständig verstanden. Es wird eine multifaktorielle Genese aus Umweltfaktoren, Verhaltenseinflüssen und genetischer Veranlagung angenommen.

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Genetische Faktoren

Bei einigen Patienten mit IPS sind weitere Familienmitglieder betroffen. Bislang sind 16 Gen-Loci (PARK 1-21) für seltene, autosomal vererbte Formen beschrieben. Für die früh auftretende, autosomal-rezessive Parkinson-Krankheit wurden Mutationen in den Genen PARKIN, PINK1 und DJ-1 als Ursache identifiziert. Mutationen im LRRK2-Gen werden mit autosomal-dominanter Parkinson-Krankheit mit unvollständiger Penetranz in Verbindung gebracht.

Eine Studie schätzte die Erblichkeit von Parkinson-Syndromen auf nur 30 Prozent. Demnach würde das Erkrankungsrisiko vor allem mit Umwelteinflüssen und Verhaltensfaktoren assoziiert sein.

Symptomatisches Parkinson-Syndrom

Symptomatische bzw. sekundäre Parkinson-Syndrome (sPD bzw. SPS) sind auf andere Ereignisse, Erkrankungen oder Arzneimittel zurückzuführen, die die zentralnervösen Strukturen schädigen. Dazu gehören:

  • Arzneimittel: Insbesondere klassische Neuroleptika, Lithium, Valproinsäure, Reserpin, Antiemetika (Metoclopramid) und Calciumkanalantagonisten (Cinnarizin, Flunarizin)
  • Neurotoxine: Zum Beispiel Intoxikationen durch Kohlenmonoxid, Mangan, Blei oder MPTP. Eine Exposition gegenüber Pestiziden, Lindan, Rotenon oder Lösungsmitteln auf Basis von Trichlorethylen, Tetrachlorkohlenstoff und Perchlorethylen erhöhen das Erkrankungsrisiko.
  • Traumatische Hirnschädigung: Speziell schwere Schädel-Hirn-Traumata (SHT). Das Erkrankungsrisiko steigt mit der Anzahl der Kopfverletzungen, spezifischen Umwelteinflüssen und genetischen Anfälligkeitsfaktoren.
  • Hirntumore
  • Entzündungen: Wie AIDS-Enzephalopathie oder seltene Enzephalitiden
  • Stoffwechselstörungen: Wie Morbus Wilson und Hypoparathyreoidismus
  • Psychostimulanzien: vom Amphetamintyp, etwa Methamphetamin (Crystal Meth), erhöhen das Parkinson-Risiko.

Atypische Parkinson-Syndrome

Parkinson-Syndrome im Rahmen anderer neurodegenerativer Krankheiten werden auch als atypische Parkinson-Syndrome bezeichnet.

Pathophysiologie

Parkinson betrifft das extrapyramidal-motorische System (EPS) und die Basalganglien. Pathophysiologisch ist die Krankheit vor allem durch den Verlust dopaminerger Neuronen in der Substantia nigra pars compacta im Mittelhirn definiert und mit intraneuralen zytoplasmatischen Einschlüssen, die unlösliche Alpha-Synuclein-Aggregate enthalten (den sogenannten Lewy-Körpern und Lewy-Neuriten), assoziiert. Degenerieren die Neuronen, kann der Neurotransmitter Dopamin nicht mehr ins Putamen transportiert werden. Die Thalamus-induzierte motorische Aktivierung der Großhirnrinde bleibt aus, was zu Bewegungsbeeinträchtigungen führt. Weitere pathologische Prozesse finden sich in nicht-dopaminergen Neuronen des Locus coeruleus (noradrenerg), der Raphe-Kerne (serotoninerg), des Nucleus basalis Meynert (cholinerg), des dorsalen Vaguskerns und des Bulbus olfactorius.

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Lange Zeit ging man davon aus, dass beim Auftreten motorischer Symptome bereits etwa 50 bis 70 Prozent der dopaminergen Neuronen in der Substantia nigra abgestorben sind. Neuere Arbeiten deuten allerdings darauf hin, dass der Verlust von dopaminergen Endigungen in den Basalganglien für das Auftreten motorischer Symptome entscheidend ist.

Braak-Hypothese

Eine mögliche Kausalkette liefert die sogenannte Braak-Hypothese aus dem Jahr 2003, die die Krankheitsentwicklung in sechs Stadien einteilt. Demnach beginnt die Erkrankung im Darm mit dem Frühsymptom Obstipation oder im Bulbus olfactorius mit Geruchsstörungen. Dies soll Folge einer Akkumulation von fehlgefalteten α-Synuclein im enterischen Nervensystem und dem retrograden Transport ins zentrale Nervensystem (ZNS) sein.

Genauer sollen die Proteine über den Vagusnerv zum Hirnstamm gelangen und sich von dort weiter ausbreiten, bis das ganze Gehirn betroffen ist. Möglicherweise kann der Prozess sogar in der Gegenrichtung ablaufen. Die fehlgefaltete Proteinform neigt zur Bildung von Aggregaten und später auch Fibrillen. Sobald dieser Prozess beginnt, scheint er prionartig von Neuron zu Neuron zu springen. Sowohl im peripheren wie auch zentralen Nervensystem tauchen in zeitlicher Abfolge abnorme alpha-Synuclein-Proteine auf.

Das Modell der Braak’schen Stadieneinteilung basiert auf postmortalen Beobachtungen. Eine Studie am Mausmodell aus dem Jahr 2019 unterstützt die Braak-Theorie.

Symptome des Parkinson-Syndroms

Parkinson-Syndrome zeigen unabhängig ihrer Ätiologie die gleiche Kernsymptomatik. Der Symptomkomplex wird mit dem Akronym TRAP (Tremor, Rigor, Akinese und Posturale Instabilität) zusammengefasst. Als fakultative Begleitsymptome sind sensible, vegetative, psychische und kognitive Störungen möglich.

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Idiopathisches Parkinson-Syndrom

Das IPS beginnt schleichend und schreitet zeitlebens fort. Die Erkrankung ist durch charakteristische motorische Störungen geprägt. Das zentrale Kardinalsymptom ist die Bradykinese (Bewegungsverlangsamung), oft werden auch die Symptome Hypokinese (verminderte Bewegungsamplitude) oder im späteren Verlauf Akinese (hochgradige Bewegungsarmut, Bewegungsstarre) beschrieben. Diese Bewegungsstörungen können mit weiteren Leitsymptomen wie Rigor, Ruhe- und/oder Haltetremor sowie einer posturalen Instabilität assoziiert sein.

Zunächst fallen meist einseitig verstärkte Beschwerden wie das fehlende Mitschwingen eines Arms beim Gehen auf. Auch einseitige Schulterschmerzen und Muskelverspannungen werden häufig beschrieben. Im weiteren Verlauf nimmt die motorische Symptomatik zu und greift auf die Gegenseite über - zu beobachten an einem veränderten Gangbild, manuellen Ungeschicklichkeiten und einer wie eingefroren wirkenden Mimik.

Anhand der dominierenden Symptomatik wird häufig zwischen Tremor- und Rigor-Dominanz-Typ sowie Äquivalenztyp unterschieden. Seltener ist über längere Zeit ein monosymptomatischer Ruhetremor vorhanden.

Juvenile Parkinson-Syndrome (JPD) unterscheiden sich mitunter deutlich vom klassischen IPS.

Parkinson-Frühsymptome

Den motorischen Kardinalsymptomen geht meist eine - oft jahrelange - Prodromalphase mit unklaren Beschwerden voraus. Diese mitunter nicht ernst genommenen „red flags“ bergen eine Chance: Je frühzeitiger das Parkinson-Risiko erkannt wird, umso rascher kann die Behandlung eingeleitet und der Krankheitsverlauf modifiziert werden.

Typische Frühsymptome von Parkinson sind:

  • REM-Schlaf-Verhaltensstörung (RBD): REM-Schlaf-Verhaltensstörungen treten bereits 10-30 Jahre vor der eigentlichen Parkinson-Diagnose auf. Dabei wird die physiologisch bewegungsarme Traumschlafphase durch atypische Bewegungsmuster gestört. Betroffene sprechen oder schreien im Schlaf, verteilen Tritte, schlagen gegen die Bettumrandung oder fallen gar aus dem Bett - mit entsprechenden Verletzungen. Typisch sind die Bewegungen in der zweiten Nachhälfte. Die REM-Schlaf-Verhaltensstörung stellt derzeit die spezifischste Vorstufe von Parkinson dar. Menschen mit RBD besitzen ein etwa 80-prozentiges Risiko, in den nächsten 15 Jahren eine Parkinson-Krankheit zu entwickeln.
  • Riechstörungen: Anamnestisch können Hyposmien schon um bis zu zehn Jahre vor der Parkinson-Diagnose ermittelt werden. Laut einer Kohortenstudie mit Senioren haben Betroffene ein deutlich erhöhtes Risiko, innerhalb der nächsten zehn Jahre an Parkinson zu erkranken.
  • Stimmungsschwankungen: Viele Parkinson-Patienten berichten im Vorfeld über Reizbarkeit und Ruhelosigkeit. Hinweisgebend kann ebenso eine erhöhte Angst- und Depressionsneigung sein.
  • Obstipation: Verstopfung kann der Diagnose auch als unspezifisches Frühzeichen vorausgehen.

Kardinalsymptome

Der klinische Verlauf ist durch folgende Kernsymptomatik geprägt:

  • Bradykinese/Hypokinese/Akinese: Die Bradykinese bzw. Verlangsamung der Bewegungsgeschwindigkeit ist das zentrale Kardinalsymptom des idiopathischen Parkinson-Syndroms. Sie ist durch eine erschwerte und verzögerte Initiierung von Willkürbewegungen und eine Verlangsamung paralleler motorischer Tätigkeiten oder der Durchführung rascher sequenzieller Bewegungen, die im Verlauf nahezu regelhaft an Amplitude verlieren (Dekrement), definiert. Im klinischen Alltag sind auch die Begriffe Akinese (gestörte Bewegungsinitiation und Bewegungsblockade) oder Hypokinese (verminderte Bewegungsamplitude und verminderte Spontanbewegungen) gebräuchlich. Bradykinese, Hypokinese und Akinese betreffen alle Bewegungsabläufe. Willkürliche und zielgerichtete Bewegungen fallen zunehmend schwerer und werden entsprechend seltener. Infolge bewegen sich Parkinson-Patienten weniger und verbringen viel Zeit im Sitzen. Sie fühlen sich unsicher und ungewöhnlich träge. Das Gangbild wird schlurfend und kleinschrittig-trippelnd, die Sprache hypophon (Dysarthrophonie, verminderte Prosodie), die manuelle Geschicklichkeit lässt nach und die Schrift wird kleiner (Mikrographie). Angehörigen bzw. Außenstehenden fällt vor allem die nachlassende Mimik auf. Die Gesichtszüge wirken starr, fast maskenhaft (Hypomimie). Die Patienten schlucken seltener, wodurch sich Speichel im Mund ansammelt (Pseudohypersalivation), was ein Verschlucken zur Folge hat.
  • Tremor: Beim Tremor werden drei Formen unterschieden:
    • Klassischer Parkinsontremor: tritt bei unterstützten Armen in Ruhe mit einer Frequenz von ca. 4-6 Hz in Erscheinung (höhere Frequenzen in frühen Krankheitsstadien möglich), wegweisend ist die Amplitudenabnahme beim Beginn von Willkürbewegungen, hat oft ein Pillendreher-Erscheinungsbild, typisch ist die Aktivierbarkeit des Tremors durch geistige Beschäftigung oder Emotionen
    • Haltetremor: beim Heben des betroffenen Körperteils, meist feinschlägig und hochfrequent, mittlere Frequenz zwischen 5-7 Hz, häufig kombiniert mit einem Ruhetremor
    • Aktionstremor: tritt bei willkürlicher Muskelaktivität auf, Frequenz 8-12 HzDie verschiedenen Tremorformen können unterschiedlich auf eine Behandlung ansprechen.
  • Rigor: Rigor beschreibt eine Tonuserhöhung, die während des gesamten Bewegungsumfangs auftritt und unabhängig von der Geschwindigkeit der Gelenksbewegung ist. Die Beschwerden werden anfangs häufig als Muskelverspannungen fehlgedeutet und nicht selten als orthopädisches Problem behandelt. Wird ein Rigor vom Tremor überlagert, kommt es zum sogenannten Zahnradphänomen. Die Symptomatik wird verstärkt, wenn eine zweite Person die Extremitäten passiv streckt oder beugt. Körpernahe Muskeln sind oft stärker betroffen als körperferne Muskelgruppen (axialer Rigor).
  • Posturale Instabilität: Posturale Instabilität beschreibt die Unfähigkeit, den Körper stabil aufrechtzuerhalten. Die posturalen Reflexe gehen meist im mittleren Stadium der Erkrankung verloren. Auffallend ist eine gebückte Körperhaltung mit leicht gebeugten Knien. Gestörte Stellreflexe führen zu einer zunehmenden Gang- und Standunsicherheit. Plötzliche und rasche Bewegung können nicht mehr ausbalanciert und abgefangen werden. Ausgleichs- und Wendebewegungen fallen immer schwerer, woraus eine große Angst zu stürzen resultiert.

Begleitsymptome

Neben der Kernsymptomatik gibt es noch eine Reihe fakultativer Anzeichen bzw. Begleiterscheinungen. Dazu gehören vor allem sensible, psychische, vegetative und kognitive Störungen. Diese müssen nicht zwingend auftreten und können individuell unterschiedlich ausgeprägt sein. Typisch sind Parästhesien und/oder Dysästhesien, Hyposmien sowie dermatologische Probleme. Viele Parkinson-Betroffen haben eine vermehrte Talgsekretion, was mit einer …

Juveniles Parkinson-Syndrom (JPD)

Juvenile Parkinson-Syndrome (JPD) sind selten und treten vor dem 21. Lebensjahr auf. Sie können sich von den Symptomen und dem Verlauf des klassischen IPS unterscheiden.

Mikrodeletionssyndrom 22q11.2

Das Mikrodeletionssyndrom 22q11.2 (22q11.2 Mikrodeletion), auch DiGeorge-Syndrom, stellt mit einer Frequenz von 1:3000-6000 Geburten die häufigste Mikrodeletion beim Menschen dar. Die klassische Manifestation des vielseitigen Phänotyps beinhaltet unter anderem Anomalien des Gaumens, angeborene Herzfehler, Hypokalzämie, faziale Dysmorphien, Thymushypoplasie, epileptische Anfälle, Entwicklungsverzögerung und psychiatrische Störungen wie Schizophrenie.

Die 22q11.2-Mikrodeletion wird zudem als potenzieller Risikofaktor für die Entstehung eines juvenilen Parkinson-Syndroms („Early-onset-Parkinson-Erkrankung“; EOPD) mit Erkrankungsalter vor dem 50. Lebensjahr beschrieben. Das Mikrodeletionssyndrom 22q11.2 (22q11.2-Mikrodeletion) wird bei 0,4 % aller Patienten mit juveniler Parkinson-Erkrankung (EOPD) gefunden.

Es zeigte sich ein deutlicher Effekt des Geschlechts für EOPD mit 72 % männlichen Betroffenen. Bei 84,2 % der Patienten lag dabei wie bei unserem Patienten eine De-novo-Deletion mit unauffälliger Familienanamnese für Parkinson-Erkrankungen vor. Das durchschnittliche Erkrankungsalter lag bei 39,5 Jahren und meist stellten sich, wie im aktuellen Fall, Patienten anfänglich mit einseitigen motorischen Symptomen vor, die gut auf dopaminerge Medikation ansprachen.

Aufgrund der meist kardial bedingten unterdurchschnittlichen Lebenserwartung von 46,4 Jahren ist davon auszugehen, dass einige Betroffene nicht alt genug werden, um Parkinson-Symptome zu entwickeln.

Es ist bislang nicht klar, welche Genveränderungen durch die Mikrodeletion auf Chromosom 22q11.2 für die Parkinson-Symptomatik ursächlich sind. Jedoch geht man insgesamt in einer ersten Gesamtgenomsequenzanalyse bei 22q11.2-Mikrodeletion davon aus, dass die Akkumulation von Varianten in Genomsequenzen einen schwellensenkenden Effekt zur Entwicklung eines EOPD im Sinne eines „Multi-Hits“ von Parkinson-relevanten Signalwegen hat.

In Bezug auf psychiatrische Auffälligkeiten ist bekannt, dass insbesondere eine Deletion im Bereich der LCR22A-B-Region mit einem erhöhten Risiko für eine schizophrene Störung einhergeht. Neuropsychiatrische Symptome bei 22q11.2-Mikrodeletion liegen insgesamt bei bis zu 60 % der Patienten vor. Bereits im frühen Verlauf der Parkinson-Erkrankung treten bei etwa 20 % der Patienten psychotische Symptome, bei nochmals 20 % Depressionen und Angststörungen auf, insgesamt häufiger als beim idiopathischen Parkinson-Syndrom. Dies stellt eine therapeutische Herausforderung dar.

Dopaminagonisten waren bei ihm aufgrund einer Impulskontrollstörung nicht mehr einsetzbar. Ein gutes Ansprechen der motorischen Symptome der Parkinson-Erkrankung ist allerdings in der Literatur für dopaminerge Therapie bekannt, wobei rasch progrediente Verläufe wie in unserem Fall beschrieben sind.

Immerhin führte die Stimulation im Globus pallidus internus oder Nucleus subthalamicus bei 4 von 5 bislang publizierten Patienten mit 22q11.2-Mikrodeletion zu einem partiellen Ansprechen. Allerdings blieb bei allen Patienten eine dopaminerge Polypharmazie notwendig.

Das Zentrum des Nucleus subthalamicus am Vorderrand des Nucleus ruber befand sich bei unserem Patienten 9 mm lateral der Mittellinie, während der Abstand zur Mittellinie bei den meisten Patienten 12 mm beträgt, sodass dies möglicherweise das intraoperative Fehlen der typischen Entladungsmuster des Nucleus subthalamicus erklärt.

Bei Patienten mit Parkinson-Erkrankung vor dem 50. Lebensjahr sollte auch bei unauffälliger Familienanamnese bei weiteren klinischen Symptomen an ein Mikrodeletionssyndrom 22q11.2 gedacht werden. Patienten mit 22q11.2-Mikrodeletion sollten auf Parkinson-Symptome kontrolliert werden.

Diagnose des Parkinson-Syndroms

Die Diagnose des idiopathischen Parkinsonsyndroms (IPS) wird klinisch gestellt. Dazu gehört eine komplette neurologische Untersuchung mit besonderem Augenmerk auf:

  • Anamnestische Angaben zu Beginn und Dauer der Beschwerden, Seitenbetonung, autonomen Funktionen, Familienanamnese
  • Bradykinese (Supinationsbewegungen der oberen Extremität, Faustöffnung und -schluss, repetitive Zeigefinger-Daumen-Kontakte)
  • Rigor (leichte Flexions- und Extensionsbewegungen im Hand- und Ellbogengelenk, Tonuszunahme der kontralateralen Hand bei Faustschluss)
  • Tremor
  • Posturale Instabilität (Patient steht mit geschlossenen Beinen und wird an den Schultern nach ventral oder dorsal ausgelenkt - mehr als ein Ausfallschritt pathologisch)
  • Okkulomotorikstörungen (Sakkadengeschwindigkeit, vertikale Blickparese, Vestibulookulärer Reflex (VOR), Fixationssuppression des VOR)
  • Frontale Zeichen (z.B.

Weiterführende Untersuchungen:

  • Fluordesoxyglucose Positronen-Emissions-Tomographie - FDG-PET (in besonderen, gut begründeten Fällen zur Abgrenzung anderer neurodegenerativer Erkrankungen, off-label)
  • Präsynaptische Dopamin-Single-Photonen-Emissions-Computertomographie - DAT-SPECT (bei klinisch unklarem Parkinson- oder Tremor-Syndroms zum Nachweis eines nigrostriatalen Defizites)
  • myokardiale 123MIBG-SPECT (zur Unterscheidung von IPS und Multisystematrophie)
  • validierte Geruchstestung (Frühsymptom)
  • Transkranielle Sonographie (nur erfahrene Untersucher)
  • Genetische Testung (auf Wunsch des Patienten, wenn mindestes zwei erstgradige Verwandte ebenfalls erkrankt sind oder bei Manifestation vor dem 45.

Behandlung des Parkinson-Syndroms

Morbus Parkinson ist bislang nicht heilbar. Mit geeigneten Therapien lässt sich die Krankheit jedoch oft über Jahre hinweg gut kontrollieren. Ziel ist es, die bestmögliche Lebensqualität zu gewährleisten.

Medikamentöse Therapie

Eine wichtige Rolle spielt die medikamentöse Behandlung. So kann die Gabe von Dopaminvorstufen (z. B. in Form des Antiparkinson-Wirkstoffs L-Dopa) den Dopaminmangel ausgleichen. Ziel ist eine lange Wirksamkeit und möglichst keine Nebenwirkungen.

Für die medikamentöse Behandlung des IPS stehen zahlreiche Medikamente zur Verfügung. Hierzu gehören:

  • Levodopa (in Kombination mit einem Decarboxylasehemmer)
  • Dopaminagonisten (Non-Ergot-Dopaminagonisten wie Piribidil, Pramipexol, Ropinirol, Rotigotin, Apomorphin und Ergot-Dopaminagonisten wie Bromicriptin, Cabergolin, α-Dihydroergocriptin, Lisurid, Pigolid)
  • MAO-B-Hemmer (Selegilin, Rasagilin)
  • COMT-Inhibitoren (Entacapon, Tolcapon)
  • NMDA-Antagonisten (Amantadin, Budipin),
  • Anticholinergika (z.B. Biperiden)

Frühe Stadien des IPS: Hier werden zur symptomatischen Therapie Levodopa (möglichst niedrige, aber ausreichende Dosis), Dopamin-Agonisten oder MAO-B-Hemmer empfohlen. Dabei sollten Ergot-Dopaminagonisten nur eingesetzt werden, wenn die Therapie mit den schlechter verträglichen non-Ergot-Dopaminagonisten nicht ausreichend wirkt oder nicht vertragen wird. Amantadin kann als Mittel der zweiten Wahl bei frühen IPS-Formen erwogen werden. Anticholinergika werden aufgrund des ungünstigen Nutzen-Schaden-Profils nicht als Mittel der ersten Wahl und schon gar nicht bei geriatrischen Patienten empfohlen.

Wirkfluktuationen (jeweils in Kombination mit Levodopa):

  • Dopaminagonisten
  • COMT-Hemmer
  • MAO-Hemmer
  • In schweren Fällen evtl. subkutane Apomorphin-Injektionen oder subkutane Pumpentherapie

Dyskinesien: Kombinationen verschiedener Antiparkinson-Medikamente, evtl.

Tiefe Hirnstimulation

Ist die medikamentöse Behandlung nicht mehr ausreichend, kommt ein so genannter Hirnschrittmacher in Frage. Bei diesem Verfahren implantieren die Chirurgen Elektroden im Gehirn des Patienten und einen kleinen Schrittmacher in dessen Brust. Per Fernbedienung sind die Elektroden via Schrittmacher in der Brust von außen zu steuern. Wichtig ist, dass die Tiefenhirnstimulation bei Parkinson nur eine symptomatische Behandlung darstellt und die Symptome lindert.

Nichtmedikamentöse Therapien

  • Physiotherapie
  • Logopädie
  • Ergotherapie
  • Evtl.

Physio- und Ergotherapien sollen die Beweglichkeit und das Wohlbefinden der Patienten erhalten oder wiederherstellen. Dazu werden individuelle Interessen der jeweiligen Person berücksichtigt, um die Behandlung möglichst abwechslungsreich zu gestalten. Mithilfe von ergo- und physiotherapeutischen Maßnahmen wird die Beinmuskulatur gestärkt und ein Gangtraining absolviert.

Stimm- und Sprechtherapien bei Patienten mit Parkinson-bedingten Sprechstörungen zielen darauf ab, die Kommunikationsfähigkeit zu verbessern und eventuelle Stimmprobleme zu lindern. Eine Schlucktherapie wird für Patienten mit Parkinson-bedingten Schluckstörungen empfohlen.

Künstlerische Therapien wie etwa Kunst-, Mal- oder Tanztherapien können ebenso in Erwägung gezogen werden. Im Rahmen einer Psychotherapie können sich Parkinson-Patienten aktiv mit ihrer Erkrankung auseinandersetzen und den Umgang mit ihr erlernen. Eine Psychotherapie bietet außerdem die Möglichkeit, mit einer außenstehenden und professionellen Person über die persönlichen Herausforderungen und Sorgen sprechen.

Alternative Therapien:

Eine alternative Behandlung durch Akupunktur, Magnetstimulation oder Massage kann sich im Einzelfall eignen. Therapiemöglichkeiten wie eine Massage lockern beispielsweise Muskelverspannungen und das kann einen hohen Wert für einen Parkinson-Erkrankten haben.

Im Rahmen der Physiotherapie mit professioneller Unterstützung oder auch eigenständig können Bewegungsübungen bei der Parkinson-Therapie unterstützen. Zwar haben sie keine direkte Wirkung auf den Krankheitsverlauf, jedoch können sie einzelne Symptome lindern und dadurch schwerwiegende Folgen verhindern.

Pflege

Mit abnehmender Selbstständigkeit des Betroffenen, kann er im Parkinson-Spätstadium pflegebedürftig werden. Dann kann für ihn und seine Angehörigen gegebenenfalls eine pflegerische Aufklärung hilfreich sein. Hinzu kommt, dass motorische Einschränkungen und die psychische Belastung die Pflege bei Parkinson erschweren. Hier sind viel Verständnis, Feingefühl sowie Akzeptanz gefordert. Grundsätzlich steht bei der Parkinson-Pflegeplanung im Vordergrund, die Selbstständigkeit des Patienten so lange wie möglich aufrechtzuerhalten.

Lebenserwartung bei Parkinson

Die Lebenserwartung von Menschen mit Parkinson verkürzt sich durchschnittlich um vier bis elf Jahre. Das gilt vor allem für die sogenannte Parkinson-Krankheit, welche die häufigste Form der Parkinson-Syndrome ist. Wie lange ein Mensch mit Parkinson schlussendlich lebt, hängt allerdings immer vom individuellen Gesamtbild und der Parkinson-Form ab.

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