Amitriptylin und das Demenzrisiko: Was Sie wissen sollten

Die Frage, ob Amitriptylin das Demenzrisiko erhöht, ist komplex und Gegenstand aktueller Forschung. Dieser Artikel beleuchtet die verfügbaren Informationen und hilft Ihnen, die potenziellen Risiken und Vorteile dieser Medikamente besser zu verstehen.

Einführung

Viele Menschen nehmen im Laufe ihres Lebens verschiedene Medikamente ein, um ihre Gesundheit zu erhalten oder Beschwerden zu lindern. Einige dieser Medikamente, insbesondere solche mit anticholinergen Eigenschaften, stehen jedoch im Verdacht, das Risiko für Demenz zu erhöhen. Dieser Artikel untersucht den Zusammenhang zwischen Amitriptylin, einem Antidepressivum mit anticholinergen Wirkungen, und dem Demenzrisiko.

Was ist Amitriptylin und wie wirkt es?

Amitriptylin gehört zur Gruppe der trizyklischen Antidepressiva. Es wird zur Behandlung von Depressionen, neuropathischen Schmerzen und Migräneprophylaxe eingesetzt. Wie der User berichtet, nimmt er Metoprolol (zur Migräneprophylaxe). Amitriptylin wirkt, indem es die Wiederaufnahme von bestimmten Neurotransmittern im Gehirn hemmt, was zu einer Stimmungsaufhellung und Schmerzlinderung führen kann.

Anticholinerge Wirkung und Demenz

Ein wichtiger Aspekt von Amitriptylin ist seine anticholinerge Wirkung. Anticholinergika blockieren den Neurotransmitter Acetylcholin, der eine wichtige Rolle bei Gedächtnis und Lernen spielt. Medikamente mit starker anticholinerger Wirkung können kurzfristig zu Verwirrtheit, Gedächtnisstörungen und anderen kognitiven Beeinträchtigungen führen.

Forschungsergebnisse zu Anticholinergika und Demenz

Britische Forscher entdeckten einen Zusammenhang zwischen einem erhöhten Demenzrisiko und Medikamenten, die häufig zur Behandlung von Erkrankungen des Darms, der Atemwege und der Stimmung eingesetzt werden. Daten aus Großbritannien zeigen: Patienten, die diese Medikamente über einen Zeitraum von mindestens drei Jahren täglich eingenommen hatten, hatten ein um fast 50 Prozent erhöhtes Demenzrisiko.

Lesen Sie auch: Kann ein Anfall tödlich sein?

Eine im British Medical Journal veröffentlichte Studie der University of East Anglia (UK) hat gezeigt, dass Antidepressiva aus der Gruppe der Anticholinergika noch 20 Jahre, nachdem man sie längst abgesetzt hat, zur Entwicklung einer Demenz beitragen können. Das Forscherteam hatte die Daten von 40.770 Patienten überprüft, die alle an Demenz litten und über 65 Jahre alt waren.

Eine Fall-Kontroll-Studie aus Großbritannien

Eine Gruppe von Allgemeinmedizinern und Psychiatern aus Nottingham/UK ging diesem Verdacht in einer Fall-Kontroll-Studie mit einer großen britischen Population nach. Hierzu wurde in einer medizinischen Datenbank (QResearch database, mit Patientendaten aus über 1.500 Arztpraxen in ganz England) die Medikation von Demenzkranken in den Jahren vor der Diagnosestellung rückverfolgt und mit alters- und geschlechtsgleichen Kontrollen verglichen.

Die Basispopulation umfasste > 3,6 Mio. Personen im Alter von 55-100 Jahren. Bei 128.517 Personen wurde in der Beobachtungszeit eine Demenz diagnostiziert. Nach Anwendung aller Ausschlusskriterien wurden 58.769 „Fälle“ identifiziert und diesen 225.574 Kontrollen zugeordnet. In den Jahren vor der Diagnosestellung wurde bei 56,6% der „Fälle“ und bei 51,0% der Kontrollen mindestens einmal ein AC verschrieben, am häufigsten Antidepressiva (27,1% bzw. 23,3%), Antivertiginosa bzw. Antiemetika (23,8% bzw. 21,7%) und Blasen-Spasmolytika (11,7% bzw.

Die adjOR für Demenz stieg im Vergleich zum „Non-use“ mit der kumulativen AC-Exposition linear an: von 1,06 (bei 1-90 TSDD), über 1,17 (91-365 TSDD), 1,36 (366-1095 TSDD) auf 1,49 (> 1095 TSDD). Bei bestimmten AC scheint das Demenz-Risiko höher zu sein als bei anderen.

Ergebnisse einer israelischen Studie

Die Einnahme von Medikamenten gegen depressive Störungen könnte die Wahrscheinlichkeit erhöhen, an einer Demenz zu erkranken. Darauf weisen die Ergebnisse einer israelischen Studie hin. Bei den über 60-jährigen Teilnehmern war das Demenzrisiko für diejenigen, die mit einem Antidepressivum behandelt wurden, mehr als dreimal größer als für die Vergleichsgruppe. An der neuen, prospektiven Studie nahmen 71.515 Männer und Frauen im Alter zwischen 63 und 105 Jahren teil, die zu Beginn keine Anzeichen einer Demenz zeigten und nicht medikamentös gegen Depressionen behandelt wurden. Innerhalb von durchschnittlich viereinhalb Jahren hatten 2175 Personen eine Demenz entwickelt. Daran erkrankten 11 Prozent von denen, die im Verlauf der Studie ein Antidepressivum eingenommen hatten, aber nur 2,6 Prozent der anderen. In der erstgenannten Gruppe war das Demenzrisiko nach Berücksichtigung von bis zu 42 zusätzlichen Einflussfaktoren 3,4-mal größer als in der Vergleichsgruppe.

Lesen Sie auch: Sicher Autofahren mit Parkinson: Ein Leitfaden für Deutschland

Weitere Risikofaktoren für Demenz

Es ist wichtig zu beachten, dass Demenz eine komplexe Erkrankung ist, die von vielen Faktoren beeinflusst wird. Im Fall von Alzheimer ist zwar klar, dass eine gewisse genetische Veranlagung bei der Entstehung der Erkrankung mitmischt. Daneben scheinen aber eine Vielzahl anderer Faktoren eine Rolle zu spielen - von bestimmten Ernährungs- und Lebensweisen, über die Belastung mit Schadstoffen bis hin zum Kontakt mit Krankheitserregern wie Bakterien und Viren. Auch unerwünschte Wirkungen von Arzneimitteln stehen inzwischen im Verdacht, Demenzerkrankungen auslösen zu können.

Was bedeutet das für Sie?

Wenn Sie Amitriptylin einnehmen und Bedenken hinsichtlich des Demenzrisikos haben, sollten Sie folgende Punkte berücksichtigen:

  • Sprechen Sie mit Ihrem Arzt: Es ist wichtig, dass Sie Ihre Bedenken mit Ihrem Arzt besprechen. Er kann Ihre individuelle Situation beurteilen, die Vor- und Nachteile der Einnahme von Amitriptylin abwägen und gegebenenfalls alternative Behandlungsmöglichkeiten in Betracht ziehen.
  • Nicht einfach absetzen: Die Medikamenteneinnahme abrupt zu stoppen, könnte viel gefährlicher sein als das potenzielle Demenzrisiko. Der Forscher rät besorgten Patienten dazu, erst einmal mit ihrem behandelnden Arzt zu sprechen und die Vor- und Nachteile ihres Medikaments in Ruhe abzuwägen.
  • Alternative Behandlungsmöglichkeiten: Für manche Anticholinergika gibt es tatsächlich gute Alternativen, in anderen Fällen ist eine weitere Einnahme der Mittel dagegen womöglich trotz allem die beste Option.
  • Überprüfen Sie Ihre Medikation: Überprüfen Sie gemeinsam mit Ihrem Arzt alle Ihre Medikamente auf anticholinerge Wirkungen. Möglicherweise gibt es Alternativen mit geringerem Risiko.
  • Achten Sie auf Ihren Lebensstil: Ein gesunder Lebensstil mit ausgewogener Ernährung, regelmäßiger Bewegung und ausreichend Schlaf kann dazu beitragen, das Demenzrisiko zu senken.
  • Frühzeitige Diagnose und Behandlung von Depressionen: Depressionen können das Demenzrisiko erhöhen. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung von Depressionen ist daher wichtig.

Antidepressiva bei Demenz

Antidepressiva sind bei Patienten mit Demenz in etwa so wirksam wie bei Patienten ohne Demenz. Trizyklika wie Amitriptylin, Imipramin oder Clomipramin sind bei Demenzkranken unbedingt zu vermeiden, da sie anticholinerg wirken und die geistige Leistungsfähigkeit weiter verschlechtern können. Zu bevorzugen seien SSRI wie Sertralin oder Citalopram sowie neuere Wirkstoffe wie Mirtazapin oder Venlafaxin.

Medikamente und Kognitionsstörungen im Alter

Wenn ein Arzt ein Mittel verschreibe, das die kognitive Leistungsfähigkeit beeinträchtige, verstoße er automatisch gegen den 1. Hauptsatz der Geriatrie: „Oben Licht, unten dicht, lieber Gott, mehr will ich nicht“, so der Direktor des Instituts für Klinische Pharmakologie der Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg: „Alte Menschen wollen am Leben teilhaben - daher sind Denk- und Merkstörungen das Schlimmste, was ihnen passieren kann.“

Die 4 wichtigsten Auslöser für Verwirrtheit oder Delir im Alter sind laut Wehling Dehydration und Elektrolytentgleisungen (Hyponatriämie), Infektionen (vor allem bei Fieber), Operationen/Unfälle und Medikamente.

Lesen Sie auch: Corona und das Gehirn: Was wir wissen

Bekannt für ihre kognitionsverändernden Effekte sind Anticholinergika: Erst vor Kurzem hat eine Fall-Kontroll-Studie gezeigt, dass bestimmte Substanzen dieser Klasse im Rahmen eines langfristigen Einsatzes bei älteren Patienten mit einem erhöhten Risiko für Demenzerkrankungen einhergehen (1). Letztes Jahr hatte außerdem eine Studie aus Taiwan gezeigt, dass sich die Häufigkeit von Demenzdiagnosen bei älteren Männern unter Anticholinergika verdoppelt (2).

FORTA-Klassifikation

Die FORTA-Klassifikation unterstützt nicht nur die Überprüfung von unnötigen, ungeeigneten und gefährlichen Medikamenten für ältere Patienten, sondern verschafft älteren Patienten auch die Chance, von positiv bewerteten Medikamenten zu profitieren. Die evidenzbasierte und an Alltagsfragen orientierte FORTA-Liste ist mit 25 Experten aus Deutschland und Österreich im Konsensusverfahren entstanden. Derzeit enthält sie 273 Arzneimittelbewertungen für 29 altersrelevante Diagnosen, davon 10 im kognitiv-psychiatrischen Bereich (11). Die zweite Version ist online und als App kostenlos erhältlich.

Medikamente oder Medikamentengruppen werden in 4 Kategorien eingeteilt:

  • A („absolutes Muss“): Für Ältere unverzichtbare Medikamente mit eindeutigen Vorteilen; sie haben sich in größeren Studien als wirksam erwiesen - bei gleichzeitig geringem Nebenwirkungspotenzial.
  • B („Benefit“): Vorteilhaft mit geprüfter oder offensichtlicher Wirksamkeit bei Älteren; es gibt nur wenige Einschränkungen hinsichtlich Wirksamkeit oder Sicherheit.
  • C („cautious/careful“): Medikamente mit fragwürdiger Nutzen-Risiko-Bewertung bei Älteren, die als Erstes weggelassen werden sollen; sonst mit intensivem Monitoring. „Das sind mit schlechtem Gewissen zu verabreichende kritische Arzneimittel - hier gehören die meisten Psychopharmaka hin“, so Wehling.
  • D („donʼt/Das muss weg“): bei älteren Patienten zu vermeiden, Alternativen sollten gefunden werden.

tags: #Amitriptylin #Demenzrisiko