Polyneuropathie: Ursachen, Symptome und Behandlungsansätze

Die Polyneuropathie ist eine neurologische Erkrankung, bei der das periphere Nervensystem außerhalb des Gehirns und des Rückenmarks geschädigt ist. Sie gehört zu den häufigsten neurologischen Krankheiten. Schätzungsweise leiden fünf Millionen Deutsche unter Polyneuropathie. Der Begriff Polyneuropathie ist eine reine Beschreibung, hinter der als Ursache die unterschiedlichsten Erkrankungen stecken. Die griechische Bezeichnung „Poly-neuro-pathie“ bedeutet: Erkrankung vieler peripherer Nerven.

Was ist eine Polyneuropathie?

Unter dem Begriff „Polyneuropathien“ wird eine Gruppe von Erkrankungen zusammengefasst, bei denen es zu Schädigungen des peripheren Nervensystems kommt. Infolge dieser Schädigungen ist die Funktion der betroffenen Nerven gestört. Weil mehrere Nerven beziehungsweise ganze Nervenstrukturen betroffen sind, spricht man von Polyneuropathie (griechisch poly = viel, mehrere).

Zum peripheren Nervensystem gehören alle Nerven, die außerhalb des Gehirns und des Wirbelkanals liegen, also nicht Teil des zentralen Nervensystems sind. Periphere Nerven steuern Muskelbewegungen und Empfindungen wie Kribbeln oder Schmerz. Auch das vegetative Nervensystem ist Teil des peripheren Nervensystems. Seine Nervenstränge koordinieren automatisch ablaufende Körperfunktionen wie Atmen, Verdauen oder Schwitzen.

Das Nervensystem empfängt Informationen von Sinneszellen aus der Außenwelt oder von spezialisierten Zellen (Rezeptoren) aus Geweben und Organen. Diese Informationen wandelt es in elektrische Impulse um, leitet sie weiter und verarbeitet sie. So kann das Nervensystem die Körperfunktionen und Reaktionen steuern.

Man unterscheidet drei Bereiche des Nervensystems:

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  • Zentrales Nervensystem
  • Periphere Nerven
  • Vegetative Nerven

Das zentrale Nervensystem, das aus dem Gehirn und dem Rückenmark besteht, verarbeitet die Informationen und steuert Handlungen, Muskelaktivität und Körperreaktionen. Die peripheren Nerven sind für die Körperperipherie zuständig, das heißt für alle Körperteile außerhalb von Gehirn und Rückenmark. Die sensiblen peripheren Nerven übermitteln Informationen aus der Außenwelt und der Körperperipherie an das Gehirn. Die peripheren motorischen Nerven leiten Anweisungen von Gehirn und Rückenmark an die Muskulatur weiter. Das vegetative Nervensystem hat zentrale und periphere Anteile. Es ist für die Regulation vielfältiger Körperfunktionen, wie z. B. dem Herzschlag, der Atmung, dem Blutdruck, der Nierenfunktion und der Verdauung zuständig.

Abhängig von der Ausprägung der Nervenschäden und der Körperstelle unterscheiden Fachleute vier Formen:

  • Symmetrische Polyneuropathie: Die Schäden an den Nervenbahnen betreffen beide Körperhälften.
  • Asymmetrische Polyneuropathie: Die Erkrankung beeinträchtigt eine Seite des Körpers.
  • Distale Polyneuropathie: Die Nervenschädigung zeigt sich in Körperteilen, die von der Körpermitte entfernt sind. Dazu gehören unter anderem die Hände, die Beine und die Füße.
  • Proximale Polyneuropathie: Bei dieser seltenen Form der Polyneuropathie konzentrieren sich die Nervenschäden auf rumpfnahe Körperbereiche.

Neben der Einteilung nach Ausfallerscheinungen gibt es noch weitere Möglichkeiten Polyneuropathien einzuteilen, z. B. nach Nervenfasertyp oder Innervationsgebiet. Ist eine Neuropathie nicht klassifizierbar, so handelt es sich um eine idiopathische Polyneuropathie. Die Begriffe „Neuropathie“ beziehungsweise „Polyneuropathie“ (PNP) umfassen verschiedene Erkrankungen des peripheren Nervensystems. Dazu zählen sämtliche Nerven im Körper, außer den Nervenzellen im Gehirn und im Rückenmark. Rund fünf bis acht Prozent der erwachsenen Bevölkerung sind von Neuropathien betroffen. Dabei steigt die Rate mit zunehmenden Alter.

Symptome einer Polyneuropathie

Je nachdem, welche Nerven betroffen sind, können bei der Polyneuropathie unterschiedliche Beschwerden im Vordergrund stehen. Die Symptome von Polyneuropathien sind äußerst vielfältig. Erste Anzeichen einer Polyneuropathie treten häufig an den Füßen oder den Händen auf. Es handelt sich meist um ein Gefühl der Taubheit, fehlendes Temperatur- oder Schmerzempfinden oder auch Missempfindungen wie Kribbeln - ein Gefühl, als ob „Ameisen über die Beine laufen“, wie es manche Patient*innen beschreiben. Muskelschwäche sowie allgemeine Schwäche können ebenfalls auftreten. Ein häufiges Symptom der Polyneuropathie ist der neuropathische Schmerz.

Typische Symptome einer Polyneuropathie sind sensible Reizerscheinungen wie Kribbeln, Ameisenlaufen, Stechen, Elektrisieren und sensible Ausfallerscheinungen wie Pelzigkeitsgefühl, Taubheitsgefühl, Gefühl des Eingeschnürtseins, Schwellungsgefühle sowie das Gefühl, wie auf Watte zu gehen. Oft bestehen eine Gangunsicherheit, insbesondere im Dunkeln, und ein fehlendes Temperaturempfinden mit schmerzlosen Wunden.

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Eine Polyneuropathie kann sich durch vielfältige Symptome äußern. Je nach den betroffenen Nerven können die Beschwerden das Fühlen, Bewegungsabläufe oder auch die körperliche Kraft betreffen. So kann es zum Beispiel vorkommen, dass eine Person mit Polyneuropathie Berührungen in einem umschriebenen Hautbereich nicht mehr spürt. Auch Lähmungen im Versorgungsgebiet einzelner Nervenstränge können Ausdruck einer Polyneuropathie sein. Ist das vegetative Nervensystem betroffen, äußert sich die Erkrankung möglicherweise durch Herzrhythmusstörungen, Impotenz, Verdauungsbeschwerden oder Probleme beim Wasserlassen.

Mediziner und Medizinerinnen unterscheiden sensible, motorische und vegetative Polyneuropathien. Manche Menschen sind auch von mehreren Formen der Polyneuropathie gleichzeitig betroffen. Eine Polyneuropathie kann akut, sich schnell verschlechternd oder chronisch verlaufen.

Symptome bei Erkrankung motorischer Nerven:

  • Muskelzucken
  • Muskelkrämpfe
  • Muskelschwäche bis hin zu Lähmungen der Muskulatur
  • Muskelschwund

Symptome bei Neuropathie sensibler Nerven: Die Symptome beginnen meistens an den Füßen, etwas später an den Händen und steigen langsam Richtung Körpermitte auf.

  • Kribbeln („Ameisenlaufen“)
  • Stechen
  • Gefühl der Taubheit der Haut
  • Gefühlsstörungen an Händen oder Füßen
  • Schwellungsgefühle
  • Druckgefühle
  • gestörter Gleichgewichtssinn
  • Gangunsicherheit
  • Verschlechterung der Feinmotorik
  • Störung des Temperaturempfindens

Beschwerden, wenn vegetative Nerven betroffen sind:

  • Herzrhythmusstörungen
  • Völlegefühl und Appetitlosigkeit
  • Aufstoßen
  • Blähungen
  • Durchfall und Verstopfung
  • Urininkontinenz, Stuhlinkontinenz
  • Impotenz
  • Störung der Schweißregulation
  • Kreislaufprobleme, z. B mit Schwindel beim (raschen) Aufstehen
  • Schwellung von Füßen und Händen

Neuropathische Schmerzen

Schmerzen, die entstehen, wenn Nerven direkt geschädigt werden, bezeichnet man als Nervenschmerzen oder neuropathische Schmerzen.

  • Der neuropathische Schmerz wird als durchdringend, brennend, stechend und/oder einschießend beschrieben.
  • Er tritt häufig symmetrisch an Händen und Füßen oder im Bereich bestimmter Nervenversorgungsgebiete auf.
  • Um den neuropathischen Schmerz auszulösen, genügt oft eine leichte Berührung.
  • Neuropathische Schmerzen können nicht durch übliche Schmerzmittel gelindert werden.

Diabetischer Fuß

Viele Menschen mit Diabetes mellitus entwickeln im Verlauf ihrer Erkrankung eine Polyneuropathie, die häufig an den Füßen beginnt. Erste Anzeichen sind Kribbeln, Brennen oder ein vermindertes Schmerzempfinden. Gefährlich ist, dass Verletzungen dadurch oft unbemerkt bleiben und sich schwer heilende Wunden bilden können (Diabetischer Fuß). Regelmäßige Fußpflege und tägliche Kontrolle auf Druckstellen oder Verletzungen helfen, Komplikationen vorzubeugen.

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Ursachen einer Polyneuropathie

Die Polyneuropathie ist eine Folge einer im ganzen Körper ablaufenden Erkrankung (systemischer Prozess). Je nach Ursache werden entweder die Nervenkabel selbst (Axone) oder deren Hüllschicht (Myelinschicht) geschädigt.

Polyneuropathien können durch eine Vielzahl von Erkrankungen und Einflüssen entstehen. Die häufigste Ursache für eine Polyneuropathie sind der Diabetes mellitus oder ein übermäßiger Alkoholkonsum. Die entzündlichen, meist immunvermittelten Polyneuropathien sind mit ca. 20 % seltener. Eine wahrscheinlich weiterhin unterdiagnostizierte Gruppe sind die erblichen Neuropathien.

Häufig führen Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes mellitus oder chronischer Alkoholmissbrauch zu Nervenschäden. Auch Schilddrüsen-, Nieren- oder Lebererkrankungen, Tumorerkrankungen und bestimmte Medikamente, etwa Chemotherapeutika, können eine Polyneuropathie auslösen. Weitere mögliche Ursachen sind Infektionen (z. B. HIV, Borreliose, Diphtherie oder Pfeiffersches Drüsenfieber), Vitaminmangel - insbesondere ein Mangel an Vitamin B12 - sowie Autoimmunerkrankungen, Vergiftungen oder Erkrankungen der Blutgefäße. Darüber hinaus gibt es erbliche Formen der Polyneuropathie. In etwa 20 % der Fälle bleibt die Ursache unklar. Diese Formen bezeichnet man als idiopathische Polyneuropathien. Insgesamt gibt es mehr als 300 Ursachen für eine Polyneuropathie.

Es gibt unzählige stoffwechselbedingte oder immunvermittelte Ursachen (zum Beispiel das Guillain-Barré-Syndrom und andere immunvermittelte Neuropathien), die behandelt werden mit immunmodulierende Therapien wie Immunglobuline oder Plasmaaustausch oder Einsatz von Chemotherapeutika.

Die häufigsten Ursachen einer Polyneuropathie:

  • Erworben:
    • Diabetes mellitus
    • Alkoholmissbrauch
    • Weitere Stoffwechselstörungen (Leber-Nierenerkrankung, Schilddrüsenunterfunktion, Porphyrie, Amyloidose)
    • Bindegewebserkrankungen (Kollagenosen z.B. Lupus erythematodes)
    • Gefahrenstoffe (Alkohol, Gifte, Medikamente vor allem Chemotherapien)
    • Vitaminmangel (zum Beispiel Vitamin B12)
    • Infektionskrankheiten (zum Beispiel Borreliose, Lues, AIDS, Mononukleose, Diphtherie)
    • Paraproteininämien oder Krebserkrankungen als sogenanntes paraneoplastisches Syndrom
    • Autoimmunologisch bedingt (zum Beispiel Guillain-Barré Syndrom, Miller-Fisher Syndrom, chronisch inflammatorisch demyelinisierende Polyradikuloneuropathie (CIDP), Churg-Strauss-Syndrom)
  • Erblich:
    • Vererbbare (hereditäre) Polyneuropathien zum Beispiel Charcot-Marie-Tooth Erkrankung
  • Unklar:
    • Als idiopathische Polyneuropathien bezeichnet

Risikofaktoren für Polyneuropathien

Nicht alle genannten Ursachen führen automatisch zu einer Polyneuropathie. Sie können jedoch das Risiko für Nervenschäden deutlich erhöhen - insbesondere, wenn weitere belastende Faktoren hinzukommen. Wer diese Risikofaktoren meidet oder reduziert, kann die Entstehung einer Polyneuropathie möglicherweise verhindern oder verzögern:

  • hoher Alkoholkonsum schädigt direkt die Nerven und die Leber
  • Rauchen beeinträchtigt die Sauerstoffversorgung der Nerven
  • Mangelernährung oder einseitige Kost führen zu Vitamin- und Nährstoffmangel
  • Bewegungsmangel verringert die Durchblutung und damit auch die Sauerstoffversorgung
  • starkes Übergewicht fördert Leber- und Gefäßschäden
  • Drogen- oder Medikamentenmissbrauch schädigt Leber und Nieren

Diagnose einer Polyneuropathie

Die Diagnostik kann sehr umfangreich sein. Es kann sich auch lohnen bei zunächst ungeklärter Ursache diese in bestimmten Zeitabständen zu wiederholen. Der Verdacht auf eine Polyneuropathie besteht bei den genannten Symptomen.

Um festzustellen, ob tatsächlich eine Polyneuropathie vorliegt, findet zuerst ein Gespräch statt. Dabei erkundigt sich der Mediziner oder die Medizinerin nach der Krankengeschichte und nach den vorliegenden Beschwerden. Von Interesse ist etwa, ob den Betroffenen das Gehen Probleme bereitet oder ob sie feinmotorische Einschränkungen der Hände oder Finger haben. Relevant ist auch, ob die Betroffenen Schmerzen haben und wie stark die Schmerzen sind. Auch eine körperliche Untersuchung ist wichtig. Dabei prüft der Mediziner oder die Medizinerin, ob Muskeln gelähmt oder geschwächt sind. Einschränkungen beim Reizempfinden oder eine Beeinträchtigung der Reflexe können bei der körperlichen Untersuchung ebenfalls auffallen.

Für die Diagnose Polyneuropathie werden verschiedene neurologische Tests und Untersuchungen durchgeführt.

  • Test auf Berührungsempfindlichkeit: z. B. mit einem Nylonfaden, der leicht auf Hände und Füße gedrückt wird
  • Test auf Vibrationsempfindlichkeit (Stimmgabeltest): Eine angeschlagene Stimmgabel wird an den Hand- oder den Fußknöchel gehalten. Der Stimmgabeltest prüft, ob die Tiefensensibilität erhalten ist.
  • Untersuchung der Muskeleigenreflexe
  • Bestimmung der Nervenleitgeschwindigkeit (Elektroneurografie): Dabei misst man, wann ein absichtlich gesetzter Nervenreiz an einer bestimmten Stelle als Signal ankommt. Bei beginnenden Nervenschädigungen ist die Leitgeschwindigkeit vermindert.
  • Untersuchung der Aktivität von Muskeln mithilfe der Elektromyografie
  • Bei Bedarf werden auch Proben des Nervengewebes (Nervenbiopsien) und ggfls. Proben des Muskelgewebes, welches mikroskopisch und histochemisch untersucht wird, sowie das Druck- und Temperaturempfinden untersucht.

Um die Ursachen auf den Grund zu gehen und um herauszufinden, welche Nerven wie stark geschädigt sind, gibt es zahlreiche Untersuchungsmethoden.

  • Elektroneurographie: Bei der Elektroneurographie wird ein Elektrodenset im Gebiet des Nervenverlaufs auf die Haut geklebt - so lassen sich die elektrischen Impulse der Nerven messen. Die Untersuchung hilft dabei, herauszufinden, wie die Nervensignale transportiert und im Körper verteilt werden - Nervenschädigungen führen zu einem auffälligen Ergebnis und geben Hinweise zur Abgrenzung der Nervenausfälle.
  • Elektromyographie: Macht deutlich, ob und wie stark die Muskeln auf die Nervensignale ansprechen. Bei dieser Untersuchung werden dünne Nadelelektroden durch die Haut in den entsprechenden Muskel eingeführt.
  • Untersuchungen von Urin, Gehirnwasser, Blut oder Gewebeproben sowie genetische Tests und bildgebende Verfahren: Diese Methoden sind sinnvoll, wenn etwa Diabetes und Alkoholkrankheit als Ursache unwahrscheinlich sind und das Beschwerdebild sowie elektrophysiologische Untersuchungsbefunde weiteren Abklärungsbedarf ergeben. Auch wenn die Symptome sehr plötzlich auftreten, kann eine zusätzliche Diagnostik sinnvoll sein.

Wie wird die Ursache einer Neuropathie festgestellt?

Erste Hinweise auf die Ursache einer Polyneuropathie liefert das Gespräch zwischen Ärztin und Patientin. Wichtig sind Informationen zur persönlichen Krankengeschichte (Anamnese) und zur Anamnese der Familie, zum Medikamentengebrauch, zu Symptomen und Entwicklung der Beschwerden sowie zur Ernährung, dem Lebensstil und Risikofaktoren wie dem Konsum von Alkohol.

Darüber hinaus werden folgende Untersuchungen durchgeführt:

  • Kontrolle des Blutzuckerspiegels
  • weitere Blutuntersuchungen, z. B. Leber- und Nierenwerte, großes Blutbild, Entzündungswerte, gegebenenfalls auch auf Hinweise für Vergiftungen oder einen Vitamin-B-Mangel, spezielle Laboruntersuchungen des Immunsystems
  • Urinuntersuchung
  • Laboruntersuchungen auf infektiöse Ursachen

Detaillierte Diagnostik

  • Erhebung der Krankengeschichte (Anamnese): Die Anamnese liefert die wichtigsten Informationen über Verteilung, Art und Dynamik der Schädigung. Es können Ursachen erfragt werden wie ein erblicher Hintergrund, eine Stoffwechselerkrankung, ein Vitaminmangel (bei Vegetariern oder Magenerkrankungen), eine Schädigung durch Medikamente oder eine bestimmte Ernährungs- und Lebensweise sowie ein Kontakt mit bestimmten Gefahrenstoffen (Toxinen) im Berufsleben.
  • Klinisch-neurologische Untersuchung: Mithilfe der klinischen Untersuchung wird die Diagnose gestellt. Sie hilft auch das Schädigungsmuster festzustellen und dadurch Rückschlüsse auf die Schädigungsursache zu ziehen. Manchmal gelingt es auch klinisch nicht ersichtliche Nervenschäden bereits frühzeitig durch die Nervenmessung aufzudecken.
  • Blutabnahme: Es wird eine ganze Palette an Werten bestimmt. Ein Basislabor beinhaltet: Blutzucker (mit HbA1C), Differential-Blutbild, Nieren-Leberwerte, Elektrolyte, Schilddrüsenwerte, differenzierte Eiweißbestimmung (Eiweißelektrophorese), Vitamine, Folsäure und ggf. bestimmte Rheumafaktoren und Antikörper.
  • Nervenwasser (Liquor): Die Lumbalpunktion ist immer dann angemessen, wenn eine entzündliche Ursache vermutet wird. Zum Beispiel bei der Neuroborreliose oder der Vaskulitis.
  • Haut-Nerven-Muskelbiopsie: Diese kommt heute nurmehr als ultima ratio in Betracht und ist vor allem dann sinnvoll, wenn eine (autoimmun vermittelte) entzündliche Erkrankung, eine Erkrankung der kleinsten Nervenendigungen (small fiber Polyneuropathie) oder eine bestimmte Stoffwechselerkrankung (Amyloidose) vermutet wird.

Therapie der Polyneuropathie

Die Behandlung richtet sich immer nach der zugrunde liegenden Ursache. Wird diese erkannt und frühzeitig behandelt, können sich die Symptome häufig deutlich bessern. Bei idiopathischen Polyneuropathien, bei denen keine Ursache gefunden wird, konzentriert sich die Therapie auf die Linderung der Beschwerden und die Erhaltung der Lebensqualität. Ziel ist es, Schmerzen zu reduzieren, Beweglichkeit und Kraft zu fördern und den Alltag bestmöglich zu unterstützen.

Akute Formen der Polyneuropathie können sich oft innerhalb weniger Wochen bessern oder vollständig ausheilen. Häufig verläuft die Erkrankung jedoch über einen längeren Zeitraum. Wenn bleibende Nervenschäden bestehen oder eine chronische Grunderkrankung wie Diabetes mellitus vorliegt, ist meist eine langfristige Behandlung erforderlich. Erbliche Polyneuropathien können bislang nicht geheilt werden. Hier gilt es, die Beschwerden zu lindern, das Fortschreiten der Neuropathie zu verlangsamen sowie die Körperfunktionen und die Lebensqualität der Patientinnen zu verbessern. Eine Ausnahme ist die heriditäre Transthyretin Amyloidose (hATTR). Patientinnen mit dieser Erbkrankheit erleiden aufgrund einer fortschreitenden Amyloid-(Eiweiß)Ablagerung Schäden an multiplen Organen, die inzwischen erfolgreich behandelt werden können.

Die Behandlung einer Polyneuropathie ist stets individuell und kann nicht verallgemeinert werden.

Ist der schädigende Mechanismus aufgeklärt, gilt es in erster Linie die Grunderkrankung zu therapieren. Hierzu gehört das Beheben eines Vitaminmangels, die Therapieoptimierung einer stoffwechselbedingten Erkrankung z.B. des Diabetes mellitus oder der Verzicht auf Alkohol.

Therapie bei neuropathischen Schmerzen

Übliche Schmerzmedikamente wirken bei neuropathischen Schmerzen nicht. Bei der Behandlung neuropathischer Schmerzen hat man gute Erfahrungen mit Medikamenten gemacht, die bei Depressionen oder zur Verhinderung von Krampfanfällen bei Epilepsie eingesetzt werden. Häufig muss man jedoch verschiedene Präparate ausprobieren, bis man das im Einzelfall wirksamste und verträglichste Mittel herausfindet.

Pflaster mit lokalen Betäubungsmitteln können Nervenschmerzen punktuell lindern. Manchen Patient*innen helfen auch Capsaicin-Pflaster. Capsaicin stammt aus Chilischoten. Es kann Schmerzen lokal betäuben und fördert die Durchblutung. Capsaicin kann als Salbe auf die schmerzenden Stellen aufgetragen werden. Wichtig ist, dass lokale Betäubungsmittel und Capsaicin-Präparate nach ärztlicher Verordnung angewendet werden, um Nebenwirkungen zu vermeiden.

Im Einzelfall können auch physikalische Therapien und Naturheilverfahren helfen, die Schmerzen zu lindern. Elektrotherapien können Nervenschmerzen lindern, indem sie die Schmerzempfindung in ein Kribbeln „umwandeln“. Tägliche Bewegung und Sport, zum Beispiel Wassergymnastik und Nordic Walking, sowie Physiotherapie unterstützen die medikamentöse Behandlung. Das gilt auch für Verfahren zur Schmerzbewältigung, wie z. B. Entspannungsmethoden.

Behandlungskonzepte

  • Therapie der Ursache: Ist der schädigende Mechanismus aufgeklärt, gilt es in erster Linie die Grunderkrankung zu therapieren. Hierzu gehört das Beheben eines Vitaminmangels, die Therapieoptimierung einer stoffwechselbedingten Erkrankung z.B. des Diabetes mellitus oder der Verzicht auf Alkohol.
  • Physikalische Therapie: In der physikalischen Therapie können vor allem sensible und motorische Symptome lindern. Dazu nutzen wir Bäder, Elektrotherapie und Wärmeanwendungen.
  • Krankengymnastik, Sporttherapie und medizinische Trainingstherapie: Hier lernen Sie spezielle Übungen und stärken Ihre geschwächte Muskulatur.
  • Medikamentöse Therapie: Herkömmliche Schmerzmittel zeigen bei Nervenschmerzen kaum Wirkung. Besser wirken Medikamente, die ursprünglich gegen Epilepsie und gegen Depression entwickelt wurden. Außerdem behandeln wir mögliche Begleiterscheinungen der Polyneuropathie bzw. ihrer Therapie.

Rehabilitation bei Polyneuropathie

In vielen Fällen ist die Polyneuropathie eine langwierige Erkrankung, die vielfältige Auswirkungen auf den Beruf und das Privatleben der Betroffenen hat. In einer stationären oder ambulanten Reha können sich Patient*innen ganz auf ihre Behandlung konzentrieren.

Ziele der Rehabilitation bei Polyneuropathie sind:

  • Wiederherstellung gestörter Nervenfunktionen
  • Wenn eine vollständige Heilung nicht möglich ist, lernen Sie, wie Sie Ihren Alltag im Rahmen Ihrer körperlichen Fähigkeiten bestmöglich bewältigen können.
  • Falls Sie Hilfsmittel wie Gehhilfen oder einen Rollstuhl brauchen, passen wir diese genau an Ihre Bedürfnisse an. Sie lernen auch, wie Sie diese sicher und bequem nutzen.
  • Heilung chronischer Wunden und Regeneration strapazierter Haut

Zur Therapie bei einer Polyneuropathie gehören je nach Bedarf:

  • Behandlung der Ursachen
  • Physikalische Therapie: Bäder, Elektrotherapie und Wärmeanwendungen können die Symptome der Polyneuropathie lindern.
  • Physiotherapie und Krankengymnastik: Die Muskulatur wird gestärkt, die Beweglichkeit gesteigert, Gleichgewicht und Gangsicherheit werden verbessert und Fehlhaltungen korrigiert.
  • Schmerztherapie: Neben physikalischer Therapie helfen individuell angepasste Medikamente sowie Strategien zur Schmerzbewältigung.
  • Wundbehandlung: Chronische Wunden behandelt unser spezialisiertes Fachpersonal. Sie werden außerdem darin geschult, chronische Wunden zu vermeiden.
  • Ergotherapie: verbessert die Feinmotorik und unterstützt dabei, alltägliche Aufgaben trotz körperlicher Einschränkungen - mit oder ohne Hilfsmittel - besser zu meistern
  • Psychologische Therapie: psychische Krankheitsbewältigung in Gruppen oder Einzelsitzungen; wir unterstützen Sie auch bei spezifischen Problemen, z. B. nach einem Alkoholmissbrauch
  • Bewegungstherapie: verbessert Ihre Beweglichkeit und Ihr Körpergefühl
  • Sport und Krafttraining werden angepasst an Ihre persönlichen körperlichen Möglichkeiten und verbessern Ihre Ausdauer, Ihre allgemeine körperliche Kondition und Ihr Wohlbefinden
  • Individuell angepasste Ernährung bei Begleitbeschwerden, wie Verdauungsstörungen oder häufiger Übelkeit
  • Schulungen z. B. zum gesunden Lebensstil, Alltag mit Polyneuropathie und vielen anderen Themen
  • Gemeinsame Einschätzung der beruflichen Leistungsfähigkeit mit dem Sozialdienst

Verlauf und Prognose

Der Verlauf und die Schwere einer Polyneuropathie, auch wenn die Schädigungsmuster sich ähneln, sind von Patient zu Patient sehr unterschiedlich. Manche Polyneuropathien verlaufen sehr rasch in wenigen Tagen (akut), vor allem wenn eine Entzündung der Grund der Nervenschädigung ist, andere hingegen zeigen eine schleichende Verschlechterung (chronisch). Selten kann die Nervenschädigung, vor allem wenn diese durch das Immunsystem vermittelt wird, auch schubförmig verlaufen. In einigen Fällen, gerade bei einem akuten Verlauf, können Nerven geschädigt werden, die direkt aus dem Gehirn abgehen (Hirnnerven) und beispielsweise Gesichtsmuskulatur oder Augenmuskelbewegungen steuern.

Der Verlauf ist je nach Ursache der Polyneuropathie unterschiedlich. Es gibt akute Verläufe, bei denen sich die klinische Symptomatik auch wieder rasch bessert. In Abhängigkeit von der Ursache besteht nur begrenzt die Aussicht auf Heilung. Zum Beispiel sind die weniger häufig vorkommenden entzündlichen Neuropathien mit Medikamenten meist sehr gut zu behandeln, akute Formen heilen oft komplett aus. Bei ca. einem Viertel der Polyneuropathien kann die Ursache nicht geklärt werden, meist haben diese Formen jedoch eine gute Prognose.

Vorbeugung und Lebensqualität

Durch gesunde Ernährung und ausreichend Bewegung lässt sich das Risiko für die Entstehung eines Diabetes mellitus Typ 2 häufig eindämmen. Außerdem helfen Alkoholabstinenz und der regelmäßige ärztliche Check-up dabei, die eigene Gesundheit im Blick zu behalten.

Eine Polyneuropathie bedeutet manchmal eine Einschränkung der Lebensqualität. Diese Tipps können das Wohlbefinden steigern und Risiken minimieren:

  • Blutzucker kontrollieren: Menschen mit Diabetes kontrollieren am besten regelmäßig ihren Blutzucker und nehmen ärztlich verordnete Medikamente ein. Schließlich kann eine suboptimale Blutzuckereinstellung das Risiko für die Entstehung und einen raschen Fortschritt der Erkrankung erhöhen.
  • Füße kontrollieren: Eine Polyneuropathie an Beinen oder Füßen erhöht das Risiko für Fußgeschwüre - eine regelmäßige Kontrolle auf Wunden ist also wichtig.
  • Bewegen: Menschen mit Polyneuropathie können bei Schmerzen und Missempfindungen von verschiedenen Angeboten wie Aquagymnastik oder Gehtraining profitieren.

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