EEG in der Demenzdiagnostik: Ein umfassender Überblick

Die Demenzdiagnostik steht vor der Herausforderung, verschiedene Demenzformen frühzeitig und präzise zu erkennen. Die Elektroenzephalographie (EEG) hat sich als eine vielversprechende Methode erwiesen, um die neuronale Aktivität im Gehirn zu erfassen und somit wertvolle Informationen für die Diagnose und Differenzierung von Demenzerkrankungen zu liefern.

Einleitung

Demenzerkrankungen beginnen meist schleichend und bleiben oft lange unbemerkt. Wenn Gedächtnis oder andere kognitive Fähigkeiten dauerhaft und auffällig nachlassen, ist der Hausarzt oft die erste Anlaufstelle. Eine frühzeitige und korrekte Diagnose ist entscheidend, um Betroffenen und ihren Familien Klarheit zu verschaffen und Behandlungsstrategien rechtzeitig einzuleiten. Die EEG spielt eine wichtige Rolle bei der Erkennung von subtilen Veränderungen der Hirnaktivität, die auf eine Demenz hindeuten können.

Ärztliches Erstgespräch und kognitive Tests

Zunächst findet ein Anamnese-Gespräch statt, in dem der Arzt nach aktuellen Beschwerden, Vorerkrankungen, Medikamenten und möglichen Risikofaktoren fragt. Im Anschluss folgt eine allgemeine körperliche Untersuchung. Kognitive oder neuropsychologische Tests können wichtige Hinweise auf das Vorliegen einer Demenzerkrankung geben. Welche weiteren Untersuchungen sinnvoll sind, hängt von der vermuteten Demenzform ab. Bei der Alzheimer-Diagnostik steht der Nachweis bestimmter Biomarker im Vordergrund - etwa im Nervenwasser (Liquor) oder Blut. Bei anderen Demenzformen kommen zum Teil andere Verfahren zum Einsatz. Auch psychologische Testverfahren können helfen, Demenzformen voneinander zu unterscheiden.

Die Rolle des EEG in der Demenzdiagnostik

Das EEG ist ein nicht-invasives Verfahren, das die elektrische Aktivität des Gehirns über Elektroden auf der Kopfhaut misst. Es kann Veränderungen der Hirnströme aufzeichnen, die mit verschiedenen Demenzformen assoziiert sind.

EEG-Merkmale bei Demenz

  • Verlangsamung des Grundrhythmus: Bei Demenzpatienten ist oft eine Verlangsamung des occipitalen Grundrhythmus zu beobachten.
  • Zunahme von Theta- und Delta-Wellen: Eine Zunahme von langsamen Hirnwellen (Theta und Delta) ist ein weiteres typisches Merkmal.
  • Frontale intermittierende rhythmische Deltaaktivität (FIRDA): Diese spezifische EEG-Muster kann bei Demenz auftreten.
  • Fehlende Aktivierungsreaktion: Die normale Reaktion des Gehirns auf Stimulationen kann bei Demenz verändert sein.

EEG zur Differenzierung von Demenzformen

Das EEG kann auch dazu beitragen, verschiedene Demenzformen voneinander zu unterscheiden.

Lesen Sie auch: Kann ein Anfall tödlich sein?

  • Alzheimer-Krankheit: Die Alzheimer-Demenz könnte sich mit Messmethoden, welche die Hirnaktivität erfassen - wie Elektroenzephalografie (EEG) oder Positronenemmissionstomografie (PET) -, frühzeitig diagnostizieren lassen, berichten zwei Arbeitsgruppen. Die Neurodegeneration bei der AD betrifft bereits frühzeitig das cholinerge Projektionssystem des basalen Vorderhirns und führt so zur kortiko-kortikalen Dyskonnektion und kortikalen Deafferentierung. Diese Effekte lassen sich im digitalen EEG quantifizieren, der Anstieg der Theta-Aktivität wird als sensitivster Parameter angesehen. Tierexperimentelle und PharmakoEEG-Befunde belegen die Modulation des Ruhe-EEGs durch die zentrale cholinerge Neurotransmission. Kohärenzanalysen als Maß der Synchronizität verschiedener Hirnregionen erlauben zudem die Beurteilung der synapt. Verbindungen und ihrer Plastizität, die eine Differenzierung degenerativer von vaskulärer Schädigung zulassen. Therapie-Effekte der Cholinesterasehemmer im EEG sind kontrovers.
  • Vaskuläre Demenz: Hier basiert die Diagnose auf MRT-Aufnahmen, die Durchblutungsstörungen, Gefäßveränderungen oder Schlaganfälle zeigen. Wichtig ist dabei, ob sich die Veränderungen im Gehirn mit den beobachten kognitiven Einschränkungen erklären lassen. Auch medizinische Risikofaktoren wie Bluthochdruck oder Diabetes werden bei der Abklärung einbezogen.
  • Lewy-Körperchen-Demenz: Hier helfen zusätzliche Untersuchungen, etwa zur Beweglichkeit oder zum Schlafverhalten. Auch spezielle bildgebende Verfahren wie DAT-SPECT oder MIBG-Szintigrafie können zum Einsatz kommen. Typische Symptome wie Halluzinationen oder Schwankungen in der Aufmerksamkeit werden gezielt abgefragt oder getestet.
  • Frontotemporale Demenz: Bildgebende Verfahren (MRT) sind besonders wichtig, um den für diese Form typischen Abbau im Stirn- oder Schläfenlappen zu erkennen. Bei unklarem Befund können darüber hinaus PET- oder SPECT-Untersuchungen sinnvoll sein. Bei familiärer Vorbelastung wird eine genetische Beratung empfohlen.
  • Creutzfeldt-Jakob-Krankheit: Charakteristische Veränderungen im Elektro-Enzephalogramm (EEG) helfen, die Diagnose zu sichern.

Quantitative EEG (QEEG)

Die quantitative EEG-Analyse (QEEG) ist eine computergestützte Methode, die EEG-Daten in numerische Werte umwandelt. Dies ermöglicht eine objektivere und detailliertere Analyse der Hirnaktivität.

QEEG-Parameter

  • Frequenzbänder: Analyse der Verteilung der Hirnaktivität in verschiedenen Frequenzbändern (Delta, Theta, Alpha, Beta).
  • Kohärenz: Messung der Synchronität der Hirnaktivität zwischen verschiedenen Hirnregionen.
  • Power: Bestimmung der Stärke der Hirnaktivität in verschiedenen Frequenzbändern.

QEEG in der Demenzforschung

QEEG wird in der Demenzforschung eingesetzt, um:

  • Frühe Veränderungen der Hirnaktivität zu identifizieren.
  • Die Wirkung von Medikamenten auf die Hirnaktivität zu untersuchen.
  • Die Heterogenität von Demenzerkrankungen besser zu verstehen.

Der "Fastball"-Test: Eine neue EEG-basierte Methode zur Früherkennung von Alzheimer

Forscher haben eine neue Methode entwickelt, die die Demenz anhand eines einfachen EEG-Tests erkennen kann - in wenigen Minuten und ohne lange Erinnerungsaufgaben. Der „Fastball“-Test zeigt den Patienten in schneller Folge Bilder von Alltagsobjekten, während ihre Hirnströme aufgezeichnet werden.

Funktionsweise des Fastball-Tests

  1. Testdurchführung: Den Betroffenen werden in drei Testdurchläufen Bilder von Alltagsobjekten gezeigt, einige wiederholen sich, andere sind neu.
  2. Messung der Hirnströme: Währenddessen werden die Hirnströme mittels EEG abgeleitet.
  3. Auswertung: Im EEG der Testpersonen finden sich bei Alzheimer subtile Veränderungen, die Ausfälle in der gedächtnisgestützten Wiedererkennung anzeigen.

Vorteile des Fastball-Tests

  • Geringe aktive Mitwirkung: Der Test erfordert nur wenig aktive Mitwirkung der Patienten.
  • Schnelle Durchführung: Der Test dauert nur wenige Minuten.
  • Hohe Treffsicherheit: In einer Pilotstudie konnte der EEG-Test die Alzheimer-Patienten mit 86-prozentiger Treffsicherheit identifizieren, während klassische psychologische Tests dies nur zu rund 63 Prozent schafften.
  • Frühere Diagnose: Nach Ansicht der Wissenschaftler könnte ein solcher Test die Alzheimer-Diagnose in der jetzigen Form um bis zu fünf Jahre nach vorne verschieben.
  • Mobile Anwendung: Der Test lässt sich mit geringem Aufwand selbst in einer normalen Praxis oder sogar zu Hause bei den Patienten anwenden.

Perspektiven des Fastball-Tests

Die Forscher arbeiten daran, den Test in immer früheren Phasen von Alzheimer einzusetzen und die Hirnaktivität, die der Test erfasst, zu erweitern. Auch an einer Miteinbeziehung von verbalen und weiteren visuellen Tests arbeitet das Team bereits. Das Fernziel für Diagnosehilfen wie diese wäre es, Alzheimer und andere Demenzen schon im mittleren Alter lange vor Auftreten der Symptome nachweisen zu können.

EEG bei Delir und Demenz

Eine besondere Herausforderung stellt die Differentialdiagnose zwischen Delir und Demenz, aber gerade auch die Diagnostik des Delirs bei vorbestehender Demenz dar. So ist zum einen zu prüfen, ob durch das EEG eine Differenzierung der funktionellen, reversiblen Enzephalopathie von der degenerativen Enzephalopathie möglich ist. Andererseits gilt es Befunde zu beschreiben, die eine Differenzierung deliranter Zustände bei Demenzkranken ermöglichen.

Lesen Sie auch: Sicher Autofahren mit Parkinson: Ein Leitfaden für Deutschland

EEG-Merkmale beim Delir

In der EEG-Diagnostik des Delirs gelten occipitale Grundrhythmusverlangsamung, Theta/Delta-Zunahme sowie frontale intermittierende rhythmische Deltaaktivität (FIRDA) und fehlende Aktivierungsreaktion als charakteristisch.

Differenzierung von Delir und Demenz im EEG

Eine Studie ging der Frage nach, ob durch eine zusätzliche einfache Daueraktivierung, 3 Min. geöffnete Augen, eine Differenzierung zwischen Delir und Demenz im Routine-EEG und in den quantitativen EEG-Parametern möglich ist. Hierzu soll die Diagnosegenauigkeit der visuellen, klinischen EEG-Auswertung mit der Aussagekraft der Spektralanalyseparameter verglichen sowie ein Vergleich der Gruppen hinsichtlich der QEEG-Parameter vorgenommen werden. Daneben wird eine Verbesserung der Diagnosegenauigkeit durch den Einsatz einer prolongierten, einfachen Aktivierung in Form einer 3-minütigen Augen-offen-Phase mittels logistischer Regressionen überprüft.

Weitere Demenzformen und ihre EEG-Merkmale

  • Lewy-Körperchen-Demenz: Kennzeichnend sind starke Schwankungen der geistigen Leistungsfähigkeit und der Aufmerksamkeit, optische Halluzinationen, die oft sehr detailreich sind, und leichte Parkinsonsymptome (unwillkürliches Zittern der Hände, Steifigkeit der Bewegungen. Es müssen aber nicht alle Symptome auftreten! Außerdem kommt es häufig zu Stürzen oder kurzen Bewusstlosigkeiten. Besonders gut scheinen die Patienten auf die Behandlung mit modernen Antidementiva, Acetylcholinesterase-Hemmern, anzusprechen. Bei der Behandlung mit Neuroleptika ist dagegen besondere Vorsicht geboten, weil die Patientinnen und Patienten darauf überempfindlich reagieren.
  • Vaskuläre Demenz: Im Vordergrund stehen nicht Gedächtnisstörungen, sondern Verlangsamung, Denkschwierigkeiten oder Stimmungslabilität. Eine seltenere Form der vaskulären Demenz ist die Multi-Infarkt-Demenz, bei der das Gehirn durch viele kleine Schlaganfälle geschädigt wird. Die Multi-Infarkt-Demenz beginnt meist plötzlich und schreitet in der Regel stufenweise fort. Die Krankheitssymptome sind denen der Alzheimer-Krankheit sehr ähnlich, es können aber körperliche Störungen wie Taubheitsgefühle oder Lähmungserscheinungen hinzu kommen. Risikofaktoren sind u.a. Bluthochdruck, Herzerkrankungen, Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit), ein hoher Cholesterinspiegel (Blutfettwerte), Übergewicht, Bewegungsmangel und Rauchen.
  • Parkinson-Demenz: Gleichwohl kann sich bei ca. einem Drittel der Betroffenen im späten Stadium zusätzlich eine Demenz herausbilden. Treten Demenzsymptome hinzu, sprechen diese nach neueren Untersuchungen auf die Behandlung mit einem Antidementivum (Rivastigmin) an.
  • Creutzfeldt-Jakob-Krankheit: Charakteristische Veränderungen im Elektro-Enzephalogramm (EEG) helfen, die Diagnose zu sichern. Die Krankheit ist sehr selten (in Deutschland ca. 80 Fälle pro Jahr) und eine Übertragung vom Tier auf den Menschen bislang nur in Einzelfällen nachgewiesen. Eine Therapie ist nicht bekannt, allenfalls kann eine symptomatische Behandlung der neuropsychiatrischen Begleitsymptome leichte Linderung bringen. Im Vergleich zu vielen anderen Demenzerkrankungen ist der Verlauf deutlich schneller und die meisten Betroffenen versterben innerhalb eines Jahres.
  • Korsakow-Syndrom: Die Betroffenen haben die Fähigkeit verloren, neue Informationen zu speichern (sogenannte anterograde Amnesie) und entwickeln gleichzeitig die Tendenz, die entstehenden Gedächtnislücken und Orientierungsstörungen mit bisweilen frei erfundenen Geschichten zu füllen (sogenannte Konfabulation). Vielen Patienten ist dies jedoch nicht bewusst, so dass es sich bei den Konfabulationen nicht um bewusstes Täuschen oder gar Lügen handelt. Vielmehr ist das Korsakow-Syndrom Ausdruck einer schweren, chronischen Schädigung des Gehirns, die vor allem Hirnregionen betrifft, die für die Gedächtnisbildung und die Regulierung der Emotionen zuständig sind. Die häufigste Ursache des Korsakow-Syndroms ist ein jahrelanger übermäßiger Alkoholkonsum.
  • Chronische Traumatische Enzephalopathie (CTE): Die wiederholten Schädeltraumen führen zu einer zunehmenden Zerstörung von Nervenzellen und zu einer abnormen Anhäufung des Tau-Proteins, wie sie auch bei der Alzheimer-Krankheit und anderen neurodegenerativen Krankheiten vorkommt. Gegenwärtig kann die CTE nur durch eine Untersuchung des Gehirns nach dem Tod eindeutig festgestellt werden.

Die Zukunft der Demenzdiagnostik

Weltweit arbeiten Demenzforscherinnen und -forscher daran, die Diagnose von Demenzerkrankungen zu verbessern. Ein wichtiges Ziel ist es, Demenzerkrankungen wie Alzheimer früher zu erkennen. Ein weiteres wichtiges Forschungsfeld im Bereich der Diagnostik ist die korrekte Abgrenzung von Demenzerkrankungen. Während die Alzheimer-Krankheit mittlerweile sehr gut zu Lebzeiten eindeutig diagnostiziert werden kann, sind andere, seltenere Demenzen diagnostisch nach wie vor eine Herausforderung - zum Beispiel die Frontotemporale Demenz oder die Chronisch Traumatische Enzephalopathie (CTE), die durch Kopfverletzungen hervorgerufen wird. Hier kann oft erst eine Untersuchung des Gehirns nach dem Tod endgültig Gewissheit bringen. Die Forschung arbeitet daran, auch diese Diagnosen frühzeitig und eindeutig zu ermöglichen.

Lesen Sie auch: Corona und das Gehirn: Was wir wissen

tags: #eeg #demenz #diagnostik