Der Nobelpreis für Medizin würdigte die Forschung zur Steuerung der Autophagie, einem zellulären Recyclingprogramm, das beschädigte Zellbestandteile abbaut und wiederverwertet. Fehler in diesem Selbstreinigungsprozess können neurodegenerative Erkrankungen, Krebs oder eine erhöhte Infektionsanfälligkeit zur Folge haben.
Einführung: Zelluläre Wiederverwertung als Schlüssel zur Gesundheit
In der Natur geht nichts verloren. Sowohl für Lebewesen als auch für die gesamte Biosphäre sind Prozesse charakteristisch, bei denen ein großer Teil der Ausgangsstoffe wieder zurückgewonnen wird. Ein solches Regulativ der menschlichen Zelle ist die Autophagie - ein Recyclingprogramm, das es ihr ermöglicht, beschädigte oder falsch gefaltete Proteine bis hin zu ganzen Organellen abzubauen und diese anschließend wieder zu verwerten. Dieser Prozess spielt eine bedeutende Rolle bei der Verhinderung von Alterungsprozessen, Krankheiten und auch der Demenz.
Die Entdeckung und Bedeutung der Autophagie
Das Phänomen der Autophagie wurde erstmals in den 1960er Jahren beschrieben; lange Zeit widmete sich nur eine kleinen Forschergemeinde diesem Bereich. Dies hat sich in den letzten Jahren gewandelt. Jetzt spiegelt sich die Bedeutung dieses wichtigen Zellprozesses in der Anerkennung durch das Nobelpreiskomitee wider: Der Japaner Yoshinori Ohsumi (71) wird für seine Entdeckungen der Autophagie-Mechanismen geehrt. Seine Arbeit „hat das Verständnis dieses lebenswichtigen Prozesses dramatisch verändert“, heißt es in der Begründung des Nobelpreiskomitees. Mit den entscheidenden Experimenten startete Ohsumi in den frühen 1990er Jahren an Hefezellen (Saccharomyces cerevisae). Damals war bereits bekannt, dass bestimmte Organellen, die Lysosomen, Zellbestandteile abbauen. Dafür hatte der Belgier Christian de Duve bereits 1974 den Nobelpreis erhalten. Er war es auch, der den Begriff der Autophagie prägte. Doch erst durch Ohsumis Arbeit wurde klar, welche Prozesse dabei genau ablaufen und wie wichtig sie für die Gesundheit des Menschen sind. Mit einer Reihe von ausgeklügelten Experimenten zeigte er, dass 15 Gene bei der Autophagie wesentlich involviert sind. Anhand seiner Forschung beschrieb er das Netzwerk aus Signalen und Proteinen, die den Prozess in seinen verschiedenen Stadien steuern.
Der Ablauf der Autophagie: Ein zellulärer Wertstoffhof
Recycling ist für Zellen etwas ganz Selbstverständliches - der molekulare Müll wird dabei passgenau von einer Membran verpackt und den Lysosomen zur Wiederverwertung zugeführt. Bei diesem hochkomplexen Prozess werden Zellbestandteile, die ihre Aufgabe nicht mehr richtig erfüllen, ins Innere von Autophagosomen geschleust. Hierbei handelt es sich um Vesikel mit einer doppelten Membran, die Proteine, Lipide, Membranbestandteile und ganze Organellen (Mitochondrien) aus dem Zellplasma in ihr Inneres einschließen. Die Autophagosomen verschmelzen dann mit Lysosomen zu Autophagolysosomen, wo die Partikel durch saure Hydrolasen abgebaut und ihre Grundbausteine zur Wiederverwertung bereitgestellt werden. Letztlich trägt dieser Mechanismus dazu bei, den Abbau alter und die Produktion neuer Zellkomponenten im Gleichgewicht zu halten (zelluäre Homöostase).
Autophagie: Überlebensstrategie und Selbstmordprogramm in Einem
Die Autophagie ist auf einem basalen Niveau kontinuierlich aktiv, wird aber gezielt in Stresssituationen aktiviert. In Extremsituationen, zum Beispiel bei schwerwiegenden Zellschädigungen, kann entweder die Apoptose oder aber der sogenannte autophagosomale Zelltod - ein nicht apoptotischer, programmierter Zelltod - eingeleitet werden. Autophagie ist also ein Mechanismus zur Überlebenssicherung der einzelnen Zelle, zugleich aber auch ein Selbstmord-Programm für geschädigte Zellen, um das Überleben eines multizellulären Organismus zu sichern.
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Die Folgen einer gestörten Autophagie
„Es ist daher leicht zu verstehen, dass eine fehlregulierte oder verminderte autophagische Aktivität, wie wir sie vermutlich im Alter vorfinden, zwangsläufig in ein zelluläres Desaster führen muss, das sich in einer ganzen Bandbreite von Krankheiten manifestiert“, so Prof. Dr. rer. nat. Tassula Proikas-Cezanne vom Interfakultären Institut für Zellbiologie der Universität Tübingen. Dazu gehören unter anderem:
- Krebs (fehlende Tumorsuppression, fehlregulierter Zelltod, fehlende Eliminierung geschädigter Organellen)
- Ansammlung neurodegenerativer Plaques bei Demenzerkrankungen (gestörter intrazellulärer Proteinabbau)
- Muskelerkrankungen (neuromuskuläre Syndrome, Myopathien)
- Infektionserkrankungen (gestörte autophagosomale Eliminierung intrazellulärer Erreger)
- funktionelle Leberinsuffizienz
Autophagie in der Krebstherapie: Ein zweischneidiges Schwert
Die Krebsforscher betrachten Autophagie schon seit Jahren als bedeutsam für ihr Fach. Das gilt zunächst im Hinblick auf die Tumorgenese. Lange Zeit galt Autophagie als tumorsuppressives Prinzip im Körper, weil die Tumorentwicklung mit dem Verlust der Fähigkeit von Zellen zur Autophagie verknüpft war. Autophagie-defiziente Mäuse entwickeln zum Beispiel vermehrt spontan Tumoren. Offenbar gilt dies aber vor allem für die frühen Phasen der Tumorentstehung. Bei weiterentwickelten Malignomen erlaubt eine funktionierende Autophagie den Krebszellen selbst nämlich höhere Überlebenschancen. Deshalb erforschen Wissenschaftler gerade in jüngster Zeit, wie sich Autophagie-Prozesse nutzen lassen, um die Krebstherapie zu verbessern, vor allem, um Therapieresistenzen zu überwinden.
Denn insbesondere unter ungünstigen Bedingungen, etwa in einer Umgebung, wo die Nährstoffzufuhr vermindert ist oder widrige Umstände die Tumorzellen unter Stress setzen, hilft Autophagie. Man spricht sogar vom „programmierten Überleben“ oder „programed survival“ durch Autophagie. Geschädigte Organellen werden aus dem Zytoplasma entfernt, Basiskomponenten für neue Moleküle stehen dann wieder bereit. Dies unterstützt die Krebszellen dabei, selbst aggressiven Behandlungen zu widerstehen. Autophagie gilt inzwischen als einer der wichtigsten Mechanismen, die es oft wenigen Tumorzellen erlauben, sich nach langwierigen Chemotherapien oder Bestrahlungen wieder zu erholen. Diese sind es, die das Reservoir für Rückfälle bilden. So gibt es Hinweise, dass es autophagozytotische Prozesse sind, die die Resistenz gegen Imatinib Mesylat bei der Therapie der chronisch myeloischen Leukämie (CML) fördern. Die Resistenz von HER2 positiven Mammakarzinomzellen gegen Trastuzumab soll in Teilen ebenfalls der Autophagozytose geschuldet sein. Und offenbar geht auch die nachlassende Wirkung von Cisplatin beim Ovarialkarzinom auf das Konto von Autophagie-Effekten.
Autophagie-Hemmung als vielversprechender Therapieansatz
Wenn aber Autophagie die Tumorzelle vor Stress schützt, dann könnten Substanzen, die die Autophagie hemmen oder unterbinden, zu wertvollen Verbündeten in der Krebstherapie werden. Tatsächlich sind in jüngster Zeit eine Vielzahl von Studien auf den Weg gebracht worden, in denen Anti-Phagozytose-Substanzen als Ergänzung zu Chemotherapien getestet werden. Zu den bekanntesten Autophagie-Inhibitoren zählt Hydroxychloroquin, das das Verschmelzen des Autophagosoms mit dem Lysosom blockiert. Es kommt sonst bei der Malariaprophylaxe, als Antiprotozoenmittel oder auch als Antirheumatikum zum Einsatz. Das Potenzial der Autophagie-Hemmung wird derzeit in zahlreichen klinischen Therapiestudien bei soliden Tumoren wie Dickdarmkrebs, Bronchialzellkarzinom, Melanom und Mammakarzinom überprüft. In-vitro-Untersuchungen haben bereits gezeigt, dass Hydroxychloroquin in Kombination mit Temsirolimus Melanomzellen effektiver absterben lässt. Die Chemotherapie der immer noch schwer angehbaren duktalen Adenokarzinome der Bauchspeicheldrüse erhält ebenfalls Aufwind durch das Autophagieprinzip. Das gilt vermutlich auch auch für Tumore der Mundhöhle.
Weitere Substanzen, die in die Autophagie-Prozesse eingreifen, sind zum Beispiel Inhibitoren der Kinasen Vps34 und ULK1, zwei Enzyme, die entscheidende Autophagie-Schritte katalysieren. Überraschend ist überdies, dass ganz unterschiedliche Therapeutika Potenzial als Autophagie-Inhibitoren erkennen lassen. So zählt man etwa auch das trizyklische Antidepressirum Clomipramin dazu oder Verteporfin, ein Medikament zur Behandlung der Makuladegeneration. Inzwischen gilt die gezielte Entwicklung von neuen Autophagie-Inhibitoren als ein attraktives Gebiet der onkologischen Pharmakologie.
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Autophagie und die Gesundheit des Gehirns
Eine herausragende Rolle spielen die Selbstreinigungsprozesse bei der Gesunderhaltung des Gehirns. Denn Nervenzellen, die nicht in der Lage sind, verklumpte Proteine oder defekte Mitochondrien abzubauen, degenerieren. „Eine wichtige Rolle spielen hierbei zelluläre Stresssituationen, die beispielsweise im Verlauf von Entzündungsprozessen oder während des Alterns auftreten. Dadurch können Proteine entstehen, verändert werden und vermehrt in unlöslicher Form auftreten,“ sagt Prof. Dr. rer. nat. Christiane Richter-Landsberg, Institut für Biologie und Umweltwissenschaften der Universität Oldenburg. Bei einer Reihe von Erkrankungen führten auch genetische Defekte zu einem fehlerhaften und vermehrten Vorkommen von Proteinen, die sich dann ablagern.
Die Folge: Die abbauenden Systeme werden überlastet, sie besitzen keine ausreichende Kapazität mehr. Es kann aber auch sein, dass der autophagische Prozess selbst abgeschwächt oder gestört ist. „Eine fehlerhafte Qualitätskontrolle in Gehirnzellen und eine Beeinträchtigung der proteinabbauenden Systeme können zu den Erkrankungsprozessen beitragen.“ Ähnlich wie in der Krebsforschung untersucht man, ob man positiven Einfluss auf den zellulären Reinigungsprozess nehmen kann, um den Ausbruch neurodegenerativer Erkrankungen zu verhindern. Auch hier gibt es positive Ergebnisse. Diese Untersuchungen wurden überwiegend an Zellkulturmodellsystemen und an transgenen Mäusen durchgeführt, denen fremdes Erbmaterial übertragen wurde oder bei denen Autophagie-relevante Gene ausgeschaltet wurden. „Bei diesen Tieren zeigte sich beispielsweise ein vermehrtes Auftreten dieser typischen Proteinklumpen, die durch Aktivierung der Autophagie mit Hilfe bestimmter Substanzen wieder entfernt werden konnten. Gleichzeitig zeigten diese Tiere verbesserte Lern- und Gedächtnisleistungen“, so Richter-Landsberg.
Autophagie und Morbus Parkinson
Störungen bei der Autophagie scheinen auch mitverantwortlich für den Morbus Parkinson zu sein. Viele Gene, Mutationen und Polymorphismen sind in der Pathogenese der Krankheit beteiligt. So führen Mutationen im PARK2/Parkin- und im PARK6/PINK1-Gen zur autosomal rezessiven respektive sporadisch juvenilen Form der Erkrankung. Die aus ihnen entstehenden Proteine gleichen Namens arbeiten als Team. Gemeinsam kennzeichnen sie geschädigte Mitochondrien, indem sie einen an der Oberfläche der Mitochondrien befindlichen Kanal mit dem kleinen Protein Ubiquitin markieren. Diese Markierung dient der Zelle als Signal zum Abbau der geschädigten Organellen. Fehlen die Proteine PINK1 oder Parkin aufgrund einer Mutation, ist dieser Entsorgungsmechanismus gestört - und der Entstehung von Parkinson Vorschub geleistet.
Von klinischer Relevanz könnte eine Phase-I-Studie mit dem Tyrosinkinasehemmer Nilotinib sein, die 2015 erstmals auf der Jahrestagung der US-amerikanischen Society for Neuroscience in Chicago vorgestellt worden ist. Das Leukämie-Medikament hatte in der Pilotstudie Kognition, Motorik und nicht-motorische Funktionen wie Obstipation von Patienten mit Morbus Parkinson und Demenz mit Lewy-Körperchen verbessert. Am Studienende fanden die Forscher in der Cerebrospinal-Flüssigkeit positive Veränderungen der relevanten Biomarker α-Synuclein, Amyloid-β 40/42 sowie t-τ- und p-τ-Proteine. In hohen Dosen zwingt Nilotinib Krebszellen zur Autophagie und bewirkt so deren Zelltod. In niedrigerer Dosierung scheint der Wirkstoff die Autophagie dagegen lediglich für etwa acht Stunden täglich anzukurbeln, so Dr. med. Charbel Moussa vom Georgetown University Medical Center. Dieser Zeitraum reiche, um die Zellen von Ballast zu befreien, ohne sie zu töten.
Der Zusammenhang zwischen S1P, Autophagie und Demenz
Sehr häufige Hirn-Lipide sind die sogenannten Sphingolipide. Eines ihrer Abbauprodukte, das S1P, spielt möglicherweise eine zentrale Rolle bei der Entstehung von Alzheimer und anderen Demenzerkrankungen. „Wir haben Mäuse gezüchtet, die in weiten Teilen ihres Gehirns S1P nicht weiter abbauen können“, erklärt Dr. Gerhild van Echten-Deckert. „Die Tiere zeigten daraufhin eine stark verringerte Lern- und Gedächtnisleistung.“ Van Echten-Deckert forscht als Privatdozentin am LIMES-Institut der Universität Bonn (das Akronym steht für „Life and Medical Sciences“). Sie war bislang eine der wenigen Expertinnen weltweit, die sich für die Rolle von S1P im Gehirn interessieren. Die neue Studie könnte das fundamental ändern. Denn die Forscher der Universität Bonn, des Universitätsklinikums Jena, des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) sowie aus San Francisco und Madrid konnten zeigen, welch weit reichende Konsequenzen der gestörte S1P-Abbau hat.
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Normalerweise wird das Lipid in verschiedene Teile zerlegt. Eines der Produkte, die dabei entstehen, wird bei einem weiteren Stoffwechselweg dringend benötigt - der so genannten Autophagie. Die intrazelluläre Müllabfuhr arbeitet in zwei Schritten: Zunächst verpackt sie den Abfall in winzigen „Müllsäcken“. Diese verschmelzen dann mit anderen „Beuteln“, die hoch reaktive Enzyme enthalten. Die Enzyme „schreddern“ den Inhalt der Müllsäcke und entsorgen ihn so. Das Abbauprodukt von S1P ist an der Verpackung des Abfalls in den intrazellulären Müllsäcken beteiligt. „Ohne Abbau von S1P bilden sich weniger geschlossene Müllbeutel; die Autophagie funktioniert dann nicht mehr störungsfrei“, erklärt der Erstautor der Studie Daniel Mitroi, der gerade seine Promotion am LIMES-Institut abgeschlossen hat. „Im Gehirn unserer Mäuse häuften sich daher schädliche Substanzen an. Dazu zählte etwa das Protein APP, das bei der Entstehung der Alzheimer-Erkrankung eine Schlüsselrolle spielt.“
Die Ergebnisse der aktuellen Studie rücken einen bislang völlig unbeachteten Entstehungsmechanismus für Demenzerkrankungen in den Blick. „Möglicherweise tragen unsere Arbeiten langfristig dazu bei, dass diese Störungen des Gehirns irgendwann einmal erfolgreich behandelt werden können“, hofft Dr. van Echten-Deckert.
Autophagie und das Immunsystem
Dass die Autophagie nicht nur eine Form der zellulären „Müllverwertung“ darstellt, belegen auch Untersuchungen der Infektionsforscher. Sie erachten den Prozess als wichtigen Bestandteil sowohl der angeborenen als auch der adaptiven Immunabwehr. Die Xenoautophagie, eine Unterart der Autophagie, ist ein sehr effizienter Abwehrmechanismus gegen pathogene Keime, der diese Keime zerstört - im Idealfall. Allerdings wissen viele Krankheitserreger diesen Abwehrmechanismus nicht nur zu umgehen, sondern sogar für sich zu nutzen. „Sie benutzen die von der Membran abgeschnürten Vesikel, um sich eine sichere Umgebung innerhalb der Zelle zu schaffen, in der sie sich ungestört vermehren können“, so Dr. Andrea Scrima, Leiter der Nachwuchsgruppe Strukturbiologie der Autophagie vom Helmholtz Zetrum für Infektionsforschung (HZI). Obwohl derzeit intensiv geforscht wird, bleiben Details zu den grundlegenden Mechanismen der Regulation sowie zu den Strategien zur Ausnutzung von Autophagie durch Krankheitserreger ungeklärt.
Wie kann man Autophagie aktivieren?
Autophagie durch Diät und Fasten aktivieren: Eine einfache Methode ist es, die Zellen etwas hungern zu lassen. Bei gleichbleibend hohem Energiebedarf der Zelle und weniger extern zugeführten Kohlenhydraten, Fetten und Proteinen setzt der Prozess der Autophagie verstärkt ein, um diese Energieträger durch den Abbau zelleigener Organellen zur Verfügung zu stellen. Dies könnte eine Erklärung dafür sein, weswegen z.B. Mäuse, die eine kalorienreduzierte Diät erhalten, länger leben als Mäuse mit normaler Diät. Derselbe Mechanismus könnte auch beim Menschen greifen. Im Heimatland des japanischen Nobelpreisträgers gibt es auch die Insel der Hundertjährigen „Okinawa“. Tatsächlich leben dort ungewöhnlich viele Hundertjährige, die Inselbewohner haben weltweit die höchste Lebenserwartung und auch Demenz ist selten. Bei ihnen gibt es den Brauch des „Hara Hachi Bu" - dabei wird nur so viel gegessen, bis man sich zu 80% satt fühlt. Das kurbelt die Autophagie an und hält die Zellen frisch. Auch das intermittierende Fasten, bei dem etwa 16 Stunden am Stück gefastet wird (z.B. das Abendessen ausgelassen wird), soll die Autophagie anregen.
Sport fördert die Autophagie: Wem das wenige Essen oder Fasten nicht liegt, für den gibt es aber noch andere Strategien die Autophagie anzukurbeln. Zum Beispiel versetzt auch Sport die Zellen durch den erhöhten Energiebedarf in einen Zustand, der die Autophagie fördert. Außerdem sollen schwarzer Kaffee und Spermidin, ein z.B. in Soja enthaltenes Polyamin, Autophagie fördern.
Neuronale Autophagie bei Hunger
Wenn wir nicht genügend Nahrung zu uns nehmen, sendet unser Organismus an verschiedene Organe ein Hungersignal. Im Gehirn wird dieser Warnruf über einen geradezu archaisch anmutenden Mechanismus ausgelöst: Die unterversorgten Neurone verleiben sich Teile ihrer selbst ein und setzen dabei Lipide frei, die anderen Zellen den Versorgungsnotstand signalisieren. Diese besondere Form der zellulären Autophagie beschreiben nun Rajat Singh und seine Kollegen vom Albert Einstein College in New York. Die Forscher haben die neuronale Autophagie zunächst in unterversorgten Zellkulturen und dann auch im Hippocampus von hungernden Mäusen beobachtet. Sie konnten zeigen, dass eine zelluläre Unterversorgung auch Neurone dazu bringt, ihre eigenen Organellen und Proteine abzubauen, der dabei erzielte Energiegewinn erlaubt ihnen, etwas länger zu überleben. Ein bestimmter Typ der sich selbst verdauenden Hirnneurone, die Agouti-verwandte-Peptid-Neurone, setzten zudem bestimmte Fettsäuren frei, so die Forscher weiter; diese Fettsäuren aktivieren dann erst die Freisetzung des eigentlichen Hungersignals, der Agouti-verwandten Peptide (AgRP).
Fasten löst „Recycling“ in den Zellen aus. Durch diese sog. Autophagie kann der menschliche Körper seine Zellen selbstständig reinigen und neue Energie gewinnen. „Bisher ging man davon aus, dass unsere Körperzellen vor allem selbst spüren, wenn sie wenig Energie haben und dann die Autophagie ankurbeln“, erklärt Weiyi Chen, Postdoktorand und Erstautor der Studie. „Aber jetzt haben wir bei Mäusen herausgefunden, dass das Gehirn eine entscheidende Rolle spielt.“ Die Forschenden fütterten die Mäuse vier Stunden lang nicht, genau in der Zeit, in der sie normalerweise viel essen. Das ist vergleichbar mit dem Auslassen des Frühstücks, allerdings nehmen Mäuse etwa 40 % ihrer Nahrung zum Frühstück zu sich. Anschließend untersuchten sie, wie eine Gruppe von 3000 Neuronen im Hungerzentrum des Gehirns, dem Hypothalamus, auf dieses kurze Fasten reagierten. Sie stellten fest, dass das Gehirn während des Fastens nicht nur Signale sendet, die den Organismus zum Essen anregen, sondern auch Signale, die die Autophagie aktivieren. Die Forschenden fanden heraus, wie das Gehirn mit der Leber kommuniziert. Bei niedrigem Energielevel lösen die Nervenzellen die Ausschüttung des Hormons Corticosteron aus, welches dann die Aktivierung der Autophagie in den Leberzellen anregt.