Das Guillain-Barré-Syndrom (GBS) ist eine seltene neurologische Erkrankung, die durch eine Entzündung der peripheren Nerven und Nervenwurzeln gekennzeichnet ist. Dies kann zu fortschreitenden Lähmungen und Taubheitsgefühlen führen. Obwohl die genauen Ursachen des GBS noch nicht vollständig geklärt sind, spielen Infektionen und in sehr seltenen Fällen auch Impfungen eine Rolle bei der Entstehung dieser Erkrankung. Dieser Artikel beleuchtet die möglichen Ursachen von Lähmungen nach Impfungen, insbesondere im Zusammenhang mit dem Guillain-Barré-Syndrom.
Was ist das Guillain-Barré-Syndrom?
Das Guillain-Barré-Syndrom (GBS) ist eine Autoimmunerkrankung, bei der das Immunsystem fälschlicherweise die Nervenwurzeln und peripheren Nerven angreift. Dies führt zu einer Entzündung und Schädigung der Nerven, was wiederum Lähmungen und Sensibilitätsstörungen verursachen kann. Die Erkrankung beginnt meist in den Beinen und breitet sich auf Arme und Gesicht aus. In schweren Fällen kann es zu Atemlähmungen und anderen lebensbedrohlichen Komplikationen kommen.
Symptome des GBS
Die Symptome des Guillain-Barré-Syndroms können vielfältig sein und variieren je nach Schweregrad der Erkrankung. Zu den häufigsten Symptomen gehören:
- Kribbeln und Brennen in Händen und Füßen
- Zunehmende Schwäche, meist beginnend in den Beinen
- Gangunsicherheit oder -unfähigkeit
- Symmetrische Lähmungen, die sich von den Beinen zu den Armen ausbreiten
- Atemnot bei Beteiligung der Atemmuskulatur
- Herzrhythmusstörungen und Blutdruckschwankungen
- Blasenentleerungsstörungen oder Darmverschluss
- Gesichtslähmung, Schluckstörungen oder Doppelbilder bei Beteiligung der Hirnnerven
Ursachen des GBS
Die genaue Ursache des Guillain-Barré-Syndroms ist noch unbekannt. Es wird jedoch vermutet, dass eine Autoimmunreaktion eine entscheidende Rolle spielt. In etwa 60 % der Fälle tritt das GBS nach einer vorangegangenen Infektion auf, beispielsweise einer Atemwegsinfektion oder einem Magen-Darm-Infekt.
Mögliche Auslöser des GBS sind:
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- Campylobacter jejuni (bakterieller Erreger von Magen-Darm-Infekten)
- Mycoplasma pneumoniae (Bakterium, das Lungenentzündungen auslösen kann)
- Epstein-Barr-Virus (Erreger von Mononukleose)
- Coronavirus (SARS-CoV-2)
- Zika-Virus
- Zytomegalievirus
In seltenen Fällen können auch Operationen, bestimmte Medikamente oder eine Schwangerschaft das GBS auslösen. Sehr selten kann das Guillain-Barré-Syndrom durch eine Impfung verursacht werden.
GBS nach Impfung: Ein seltener Zusammenhang
In den Sicherheitsinformationen verschiedener Impfungen wird das Guillain-Barré-Syndrom als mögliche Nebenwirkung erwähnt. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass ein GBS als Folge einer Impfung nach aktuellem Kenntnisstand äußerst selten ist.
COVID-19-Impfung und GBS
Mediziner haben einen möglichen Zusammenhang zwischen GBS und Impfungen gegen SARS-CoV-2 (COVID-19) untersucht. Eine Studie aus Deutschland ergab, dass bis Ende Mai 2021 in über 150 Fällen innerhalb von vier bis sechs Wochen nach der ersten Impfdosis Symptome einer GBS-Erkrankung auftraten. Diese äußerten sich meist durch eine beidseitige Gesichtslähmung und Gefühlsstörungen.
Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass in keinem dieser Fälle eine Infektion mit dem COVID-19-Virus oder anderen Infektionen vorlag. Die Experten haben bislang keinen eindeutigen Zusammenhang zwischen der COVID-19-Impfung und GBS festgestellt und keinen nennenswerten Anstieg von GBS-Erkrankungen über den Impfzeitraum beobachtet. Die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) geht daher davon aus, dass eine Erkrankung am GBS durch die Impfung gegen SARS-CoV-2 sehr unwahrscheinlich ist.
Schweinegrippe-Impfung und GBS
Experten des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) haben bereits für die Schweinegrippe-Impfung einen ähnlichen Zusammenhang untersucht. Demnach hätten Geimpfte in den sechs Wochen nach der Impfung kein bis ein geringfügig erhöhtes Risiko, ein Guillain-Barré-Syndrom zu entwickeln. In diesem Zeitraum würden etwa sechs Menschen von einer Million Geimpfter zusätzlich an GBS erkranken.
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Influenza-Impfung und GBS
Auch nach der Influenza-Impfung (Grippeimpfung) wurde in sehr seltenen Fällen das Auftreten des Guillain-Barré-Syndroms beobachtet. Das Risiko beträgt hier etwa 1 zu 1 Million geimpfter Personen.
Fallbeispiele
Ein Bericht der New York Times erwähnte einen möglichen Zusammenhang von etwa 100 Fällen des Guillain-Barré-Syndroms (GBS) mit der Impfung des Vakzins von Johnson & Johnson. Auch im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung mit dem Vakzin von AstraZeneca wurden GBS-Fälle berichtet.
Ein Fallbericht der AkdÄ beschreibt den Fall einer 66-jährigen Patientin, bei der neun Tage nach einer ersten Impfung mit Shingrix® Kribbelparästhesien und eine Schwäche der Beine auftraten. Die Diagnose lautete Guillain-Barré-Syndrom (GBS).
In einem weiteren Fall entwickelte ein 15-jähriges Mädchen etwa einen Monat nach einer Injektion von Encepur® als Auffrischimpfung distale Gefühlstörungen und Lähmungen. Auch hier wurde die Diagnose GBS gestellt.
Bewertung der Kausalität
Es ist wichtig zu betonen, dass ein zeitlicher Zusammenhang zwischen einer Impfung und dem Auftreten des GBS nicht zwangsläufig einen kausalen Zusammenhang bedeutet. Die Inzidenz des GBS in Deutschland liegt bei etwa 1,6-1,9 pro 100.000 Einwohner. Das bedeutet, dass auch ohne Impfung jährlich eine bestimmte Anzahl von GBS-Fällen auftreten.
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Weitere Ursachen für das Guillain-Barré-Syndrom
Neben Infektionen und Impfungen gibt es noch weitere mögliche Ursachen für das Guillain-Barré-Syndrom. Dazu gehören:
- Infektionen: Wie bereits erwähnt, tritt das GBS häufig nach einer Infektion auf. Besonders auffallend ist, dass die GBS-Krankheit häufig nach einer Infektion wie Herpes Zoster, Mumps oder auch Borreliose auftritt.
- Autoimmunreaktion: Es wird vermutet, dass autoaggressive Immunzellen, die sich gegen den Körper richten und die isolierenden Ummantelungen der Nervenbahnen (Myelinscheiden) angreifen, eine Entzündung der Nerven (Polyneuritis) provozieren.
- Molekulares Mimikry: Campylobacter jejuni besitzt auf seiner Oberfläche Strukturen, die denen der Nervenhülle ähneln. Experten vermuten daher, dass die Antikörper gegen den Krankheitserreger nach überstandenem Infekt weiter im Körper zirkulieren und aufgrund der ähnlichen Oberflächenstrukturen nun die Nerven angreifen.
Diagnose und Therapie des GBS
Die Diagnose des Guillain-Barré-Syndroms wird anhand der Krankengeschichte des Patienten, der Ergebnisse der ärztlichen Untersuchung und verschiedener diagnostischer Tests gestellt. Zu den wichtigsten diagnostischen Maßnahmen gehören:
- Neurologische Untersuchung: Überprüfung des Ausmaßes der Lähmungen, der Muskelreflexe und der Gefühlsstörungen.
- Blutuntersuchung: Antikörperbestimmung im Blut.
- Liquoruntersuchung: Untersuchung der Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit (Liquor).
- Elektrophysiologische Messungen: Messung der Nervenleitgeschwindigkeit.
- EKG: Überprüfung der Herzfunktion.
Die Therapie des GBS zielt darauf ab, die Symptome zu lindern, Komplikationen zu verhindern und die Rückbildung der Lähmungen zu beschleunigen. Zu den wichtigsten Therapieansätzen gehören:
- Intensivmedizinische Behandlung: Bei schwerem Krankheitsverlauf kann eine Beatmung auf Intensivstation oder die Versorgung mit einem Herzschrittmacher erforderlich sein.
- Immuntherapie: Verabreichung von Antikörpern (intravenöse Immunglobuline) oder Durchführung einer Blutwäsche (Plasmapherese).
- Rehabilitation: Beginn einer Rehabilitationsbehandlung, sobald sich der Zustand verbessert.
Prognose des GBS
Die Prognose des Guillain-Barré-Syndroms ist unterschiedlich und hängt von der Schwere der Erkrankung ab. Die meisten Patienten erholen sich jedoch im Laufe der Zeit zumindest teilweise wieder.
- 60-80 % der Betroffenen können nach 6 Monaten wieder frei gehen.
- Etwa die Hälfte ist nach einem Jahr vollständig beschwerdefrei.
- Weitere 40 % haben milde Restsymptome.
- 10 % leiden weiterhin unter mäßig schweren bis schweren Symptomen.
- Die Sterblichkeit beträgt etwa 2-3 %.
- 2-5 % der Betroffenen erleiden einen Rückfall.