Demenzerkrankungen, wie die Alzheimer-Krankheit, führen im Laufe der Zeit zum Ausfall von immer mehr Gehirnfunktionen. Das Gehirn, die Steuerungszentrale des Körpers, ist bei Demenzpatienten in unterschiedlichem Ausmaß betroffen. Ein auffälliges Symptom, das im Zusammenhang mit Demenz beobachtet werden kann, ist ein leerer Blick. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen und Hintergründe dieses Phänomens im Kontext von Demenz.
Demenz: Eine fortschreitende Erkrankung
Demenz ist ein Oberbegriff für über 50 hirnorganische Erkrankungen, von denen die Alzheimer-Krankheit die häufigste ist. Bei einer Demenzerkrankung wie Morbus Alzheimer fallen im Laufe der Zeit immer mehr Gehirnfunktionen aus. Betroffene leiden an chronisch fortschreitenden, degenerativen Veränderungen des Gehirns. Festzustellen sind beispielsweise Verschlechterungen der Gedächtnisleistung, des Denkvermögens und der Urteilsfähigkeit.
Frühphasen der Demenz
In den ersten Phasen einer Demenz leiden Betroffene in der Regel noch nicht unter körperlichen Beeinträchtigungen. Zu diesem Zeitpunkt stehen eher Gedächtnislücken, Wortfindungsstörungen und Orientierungsprobleme im Vordergrund. Desorientierung gehört zu den häufigsten Symptomen bei Demenz. Besonders bei der Alzheimer-Krankheit sind die räumliche Orientierung und das Zeitgefühl schon früh beeinträchtigt. Die genauen Ursachen sind noch nicht abschließend geklärt. Der Hippocampus speichert und ruft Informationen ab - etwa zu Straßen, Gebäude oder anderen Orientierungspunkten. Er hilft zudem bei Entscheidungen, wohin man als Nächstes geht. Ist der Hippocampus geschädigt, leidet auch das Zeitgefühl. Der parietale Kortex (Scheitellappen) verarbeitet Sinneseindrücke, wie Sehen, Hören und Fühlen. Er ermöglicht es uns, Räume und Objekte darin zu erfassen. Schäden in diesem Bereich erschweren die räumliche Orientierung. Wie stark Orientierungsprobleme auftreten, hängt von der Demenzform und dem Krankheitsstadium ab. Menschen mit Demenz verlieren allmählich ihren "inneren Anker", der ihnen hilft, sich in ihrer Umgebung und in der Zeit zurechtzufinden. Auch wenn sich die Symptome ähneln, erleben die Betroffenen das "Nicht-mehr-fassen-Können" ihrer eigenen Realität ganz individuell.
Fortgeschrittene Stadien der Demenz
Patient:innen mit fortgeschrittener Demenz entwickeln häufig Schwierigkeiten beim Gehen oder können bei Demenz plötzlich nicht mehr laufen. Der Gang ist unsicher und mitunter schwankend. Die Gangart ist eher kleinschrittig und instabil, was ein erhöhtes Sturzrisiko zur Folge hat. Dazu kommen grobmotorische Einschränkungen und Schwierigkeiten bei der Koordination - beispielsweise greifen Betroffene häufig ins Leere oder haben Schwierigkeiten, mit beiden Händen zwei verschiedene Bewegungen gleichzeitig auszuführen. Die Körperhaltung bei Demenz im fortgeschrittenen Stadium ist eingesunken, weil Betroffene nicht mehr in der Lage sind, den Kopf aufrecht zu halten. Allmählich kommt es auch zum Verlust der Feinmotorik, das heißt: Solche Tätigkeiten, die etwas Geschick oder Präzision erfordern, sind ohne Unterstützung nicht mehr möglich. Dazu zählen beispielsweise das Essen mit Messer und Gabel, das An- und Ausziehen von Kleidung und das tägliche Waschen und Zähneputzen. Harn- und/oder Stuhlinkontinenz schränken die Selbstständigkeit bei fortgeschrittener Demenz weiter ein. Zum einen verlieren die Betroffenen aufgrund der Veränderungen in ihrem Gehirn die Kontrolle über Blase und Darm, zum anderen sind sie oftmals nicht fähig, den Weg zur Toilette zu finden und urinieren dort, wo sie sich gerade befinden.
Im Endstadium der Demenz sind Betroffene vollständig auf Pflege angewiesen - beim Essen und Trinken ebenso wie beim Anziehen, bei der Körperpflege und beim Toilettengang. In der letzten Phase werden die Erkrankten häufig bettlägerig, was - im Zusammenspiel mit der Verschlechterung des Allgemeinzustands - zu einer erhöhten Infektanfälligkeit führt. Insbesondere Lungenentzündungen treten in dieser Phase der Demenz häufig auf und führen nicht selten zum Tod. Problematisch ist zudem, dass Erkrankte möglicherweise unter Schmerzen leiden, die nicht erkannt werden, weil die betroffene Person sich nicht bemerkbar machen kann.
Lesen Sie auch: Symptome und Behandlung von Magenkrämpfen
Der leere Blick: Ein vielschichtiges Symptom
Die schiefe Körperhaltung geht mit einem teilnahmslosen Gesichtsausdruck bei Demenz einher, die Gesichtszüge wirken wie eingefroren. Der "leere Blick" bei Demenz ist ein Symptom, das verschiedene Ursachen haben kann. Er ist oft Ausdruck der kognitiven Beeinträchtigungen und des Verlusts der Fähigkeit, mit der Umwelt in Interaktion zu treten.
Kognitive Beeinträchtigungen und Realitätsverlust
Da Demenzkranke im Spätstadium oftmals den Sinn für die Realität verlieren, können Verhaltensauffälligkeiten auch eine Folge von Angst oder Überforderung sein - etwa dann, wenn die Körperpflege als Angriff gewertet wird. Die eingeschränkte Fähigkeit der Betroffenen, Situationen und Wahrnehmungen richtig zu deuten, führt häufig zu Erklärungsversuchen, die nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmen. Die Abweichungen zwischen der mit Demenz erlebten Welt und der Realität der Angehörigen führen leicht zu Konflikten im Betreuungsalltag. Mit dem Fortschreiten der Demenz wird die Lebenswelt der Betroffenen weitgehend von den noch vorhandenen Erinnerungen geprägt. Sie leben mit den Vorstellungsbildern einer bestimmten Lebensphase und verhalten sich dementsprechend.
Depression, Teilnahmslosigkeit und sozialer Rückzug
Weitere mögliche Verhaltensauffälligkeiten bei Demenz sind Teilnahmslosigkeit, Blick ins Leere, Weinerlichkeit und Depression. Auch Stimmungsschwankungen und eine Tendenz zum sozialen Rückzug können auftreten.
Neurologische Ursachen
Bei Demenzkranken im fortgeschrittenen Stadium ist oftmals die neurologische Steuerung jener Muskeln einschränkt, die am Schluckvorgang beteiligt sind. Schluckstörungen, sogenannte Dysphagien, treten daher im Zuge einer Demenz sehr oft auf. Die Folge: Betroffene verschlucken sich häufig, was das Risiko für eine Lungenentzündung (Aspirationspneumonie) erhöht. Außerdem kann eine Dysphagie auch zur Nahrungsverweigerung und schlimmstenfalls zu Dehydrierung, Mangelernährung und damit einhergehend zu einer allgemeinen Verschlechterung des Gesundheitszustands führen.
Umgang mit dem leeren Blick
Es ist wichtig, die betroffene Person so anzunehmen, wie sie ist, und das zu akzeptieren, was sie tatsächlich leisten kann. Abstrakte Begriffe werden von Menschen mit Demenz zunehmend schlechter verstanden. Oft erleichtern emotionale Verbindungen das Verständnis. Regelmäßige Tagesabläufe bieten Halt und geben Orientierung. Das Realitätsorientierungstraining ist eine in der aktuellen S3-Leitlinie "Demenzen" empfohlene Methode zur kognitiven Unterstützung von Menschen mit Demenz. Ziel des Trainings ist es, den Betroffenen durch regelmäßige Orientierungshilfen - wie Informationen über Zeit, Ort oder Personen - dabei zu unterstützen, sich in ihrer Umgebung besser zurechtzufinden. Dadurch fühlen sich die Betroffenen sicherer und können ihren Alltag besser bewältigen.
Lesen Sie auch: Schlaganfall und leerer Blick: Was Sie wissen müssen
Vaskuläre Demenz und ihre Besonderheiten
Vaskuläre Demenz ist mit etwa 15 Prozent aller Demenzerkrankungen die zweithäufigste Form nach Alzheimer-Demenz. Vaskuläre Demenz entsteht aufgrund von Durchblutungsstörungen im Gehirn. Ursachen hierfür können Ablagerungen in Blutgefäßen, Blutgerinnsel oder Hirnblutungen auch in kleinerem Umfang sein. Diese können dazu führen, dass Bereiche des Gehirns mit zu wenig Sauerstoff versorgt werden. Hierdurch können Hirnzellen in unterschiedlichen Bereichen des Gehirns geschädigt werden oder absterben. Bei vaskulärer Demenz können zu Beginn vor allem Probleme mit Aufmerksamkeit, verlangsamtem Denken sowie Persönlichkeitsveränderungen auftreten. Auch Gedächtnisstörungen können auftreten, stehen aber zu Beginn nicht immer im Vordergrund. Um diese festzustellen werden zunächst das Herz-Kreislauf-System sowie neurologische Funktionen, zum Beispiel der Gleichgewichtssinn, untersucht. Blutuntersuchungen können Hinweise auf Risikofaktoren für Durchblutungsstörungen geben. Durchblutungsstörungen im Gehirn können mit Medikamenten behandelt werden, ebenso einige Risikofaktoren, wie zum Beispiel Bluthochdruck.
Frontotemporale Demenz (FTD)
Bei der frontotemporalen Demenz (FTD) handelt es sich um eine eher seltene neurodegenerative Erkrankung. Manche Demenzformen - allen voran die frontotemporale Demenz - fangen mit Verhaltensstörungen und Veränderungen der Persönlichkeit an. Zuständig für die Hemmung jeglichen Verhaltens sei im Gehirn das Frontalhirn. Dessen Funktion sei im Alter durch Veränderungen in der Struktur zunehmend eingeschränkt, bei bestimmten Demenzerkrankungen sei dies besonders ausgeprägt.
Fortschritte in Diagnostik und Therapie
Große Fortschritte in Diagnostik und Therapie der Demenzerkrankung Alzheimer sind in nächster Zukunft zu erwarten. Sie werden die bisherige Behandlung der Krankheit auf den Kopf stellen. Seit diesem Jahr stehen zwei Antikörper zur ursächlichen Behandlung der frühen Alzheimer-Demenz zur Verfügung. Ursächlich bedeutet: Sie bauen aktiv Amyloid-Plaques ab. Das sind Eiweißablagerungen im Hirn, die bei der Entstehung der Krankheit eine zentrale Rolle spielen. Im Jahr 2025 wird in die Geschichtsbücher eingehen: Erstmals erhält ein Medikament in Europa eine Zulassung, das an den Ursachen der Alzheimer-Krankheit ansetzt.
Ein vielversprechender Ansatz in der Alzheimer-Therapie sind Antikörper-Wirkstoffe, die gezielt gegen die Ablagerungen des Amyloid-Beta-Proteins im Gehirn wirken. Diese monoklonalen Antikörper greifen direkt in den Krankheitsprozess ein, anstatt nur die Symptome zu lindern. Studien zeigen, dass diese Medikamente die degenerativen Veränderungen im Gehirn verlangsamen können.
Lesen Sie auch: Behandlungsmöglichkeiten für BNS-Epilepsie