Jeder kennt das: Man liegt im Bett, möchte schlafen, aber die Gedanken kreisen unaufhörlich. "Schon 3 Uhr und ich bin immer noch wach? Ich muss doch in zwei Stunden wieder aufstehen." Solche Sätze schwirren wohl jedem schon einmal nachts durch den Kopf, wenn das Gedankenkarussell kein Ende findet. Doch was kann man tun, um diesen Zustand zu überwinden und endlich zur Ruhe zu kommen?
Grübeln - ein normales Phänomen
Zunächst einmal ist es wichtig zu verstehen, dass Grübeln etwas ganz Normales ist. "Jeder Mensch grübelt mal und denkt nach, ohne zum Schluss zu kommen", sagt Prof. Markus B. Specht, Psychologischer Psychotherapeut und Leiter des Zentrums für interdisziplinäre Schlafmedizin der DKD Helios Klinik Wiesbaden. Wichtig ist jedoch, dass man dieses Grübeln nicht mit ins Bett nimmt.
Laut Dieter Riemann bedeutet Grübeln, dass man in Gedankenschleifen festhängt, die nicht zu einem Ziel oder einer Lösung führen. Das Gedankenkarussell dreht sich immer weiter, und während manche Menschen ständig über Negatives grübeln, sehen andere sich selbst und die Zukunft stets in rosigem Licht. Tatsächlich kann solch positives Denken den Faktor Glück im Leben steigern. Zwar warnt die Wissenschaft vor allzu übertriebenem Optimismus, aber ein gewisses Maß an Optimismus kann durchaus hilfreich sein.
Viele Menschen geraten abends und nachts ins Grübeln, weil man sich dann im Übergang zum Schlaf befindet und nicht wie tagsüber abgelenkt ist. Doch das muss nicht automatisch zu Leidensdruck führen. "Ein Patient meinte mal zu mir, dass er es gut finde, seinen Tag im Kopf Revue passieren zu lassen - und über dieses Revue passieren lassen schlafe er wunderbar ein", berichtet Markus B. Specht.
Wenn Grübeln zum Problem wird
Ein Leidensdruck entsteht aber, wenn das Grübeln einen lange und immer wieder beim Einschlafen hindert. Wenn die Gedanken kreisen und das Grübeln kein Ende findet, die Situation einen vielleicht sogar am Einschlafen hindert, dann könnte man fast daran verzweifeln.
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Negative Gedanken bringen uns keinen Schritt weiter. Im Gegenteil: Grübeln zermürbt und lähmt uns, führt im schlimmsten Fall zu Angst und Depressionen. Außerdem hindert es uns daran, Dinge aktiv anzugehen, die uns stören. Was man sich auch klarmachen kann: Es ist nicht schlimm, mal etwas weniger Schlaf zu bekommen als sonst.
Offiziell spricht man von einer Insomnie, wenn die Schlafprobleme drei Monate anhalten, mindestens dreimal pro Woche auftreten und wenn man sich tagsüber dadurch beeinträchtigt fühlt.
Tipps und Tricks gegen das Grübeln
Doch wie lässt sich das Grübeln beim Einschlafen vermeiden? Es mag einfacher klingen, als es ist. Hier sind einige Tipps, die helfen können:
- Bewusste Auseinandersetzung mit Problemen: Man kann sich zum Beispiel eine gewisse Zeit vor dem Schlafengehen hinsetzen und darüber nachdenken, was einen beschäftigt und was einem aktuell Probleme bereitet.
- Kopplung zwischen Grübeln und Bett unterbrechen: Wenn man im Bett liegt und sich das Gedankenkarussell zu drehen beginnt, sollte man besser aufstehen und etwas anderes machen. Es kann schon helfen, sich auf die Couch zu setzen und dort zu grübeln. "Man muss diese Kopplung zwischen Grübeln und Bett unterbrechen, denn das Bett ist nur zum Schlafen da", sagt Markus B. Specht.
- Abendroutine: Eine bewusste Abendroutine sorgt für innere Ruhe und besseren Schlaf. Wichtig ist vor allem, die Hektik aus dem Tag nicht mit in die Nacht zu nehmen. Entspannung steht bei der Abendroutine an erster Stelle.
- Radikale Methode: Eine etwas radikalere Methode ist, mal eine Nacht durchzumachen. Wenn man dann am nächsten Abend ins Bett geht, wird der Körper laut Specht so schläfrig sein, dass das Einschlafen dann leichter fällt.
- Entspannungstechniken: Außerdem kann man sich verschiedener Techniken bedienen, die beim Einschlafen helfen können. So können manche Menschen gut entspannen, wenn sie lesen oder Hörbücher hören. Das kann auch gegen das Grübeln gut funktionieren, weil man dann abgelenkt ist und sich gar nicht auf die Gedanken konzentrieren kann.
- Stress vermeiden: Laut Riemann sollte man sich selbst nicht stressen, denn so verschlimmert man die Lage eventuell.
- Bildschirme vermeiden: Markus B. Specht rät außerdem eher davon ab, zum Einschlafen fernzusehen oder auf andere Bildschirme zu schauen. Das sind zu viele Eindrücke kurz vor dem Schlafengehen. Abstand nehmen darf man auch von dem Gefühl, permanent online sein zu müssen. Tagsüber ist man schon so viel damit beschäftigt, Nachrichten zu beantworten oder zu telefonieren, da sollte man nachts abschalten können.
- Schlafhygiene beachten: Achte auf eine optimale Schlafumgebung. Verdunkle dein Zimmer, vermeide Lärm und senke die Temperatur ein wenig.
- Regelmäßiger Schlafrhythmus: Gewöhne dir an, immer zur gleichen Zeit aufzustehen. Damit unterstützt du deine „innere Uhr“. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Das kannst du dir zu Nutze machen.
- Leichte Mahlzeiten am Abend: Wähle zum Abendessen leichte Speisen und verzichte etwa zwei Stunden vor dem Schlafengehen auf Essen.
- Entspannende Übergangszeit: Schaffe dir eine entspannte Übergangszeit, indem du dir vor dem Schlafengehen bewusst Zeit für Entspannung nimmst. Lies ein Buch, höre beruhigende Musik oder nimm ein heißes Bad.
- Akzeptanz: Anstatt sich stundenlang hin- und herzuwälzen, ist Aufstehen oft die bessere Alternative. "Schauen Sie nicht auf Ihr Handy und gehen Sie in ein schwach beleuchtetes Zimmer, in dem Sie ein Notizbuch aufbewahren", rät Schlaftrainerin Jenni June. In das Büchlein können Sie belastende Gedanken schreiben, die Sie wach halten. "Beenden Sie die Notizen mit den Worten 'Das kann bis morgen warten'", rät June.
- Hilfreiche Tricks: Auch vermeintlich abgedroschene Tricks wie eine heiße Milch mit Honig trinken oder das altbewährte Schäfchenzählen können dabei helfen, unliebsame Gedanken in Zaum zu halten.
- Sich schöne Gedanken machen: "Ein ruhiger Geist ist die absolute Voraussetzung für Schlaf", verrät Schlafexperte Neil Stanley dem Magazin "New York Magazine". "Anstatt über ihre Sorgen zu grübeln, sollten Sie an etwas anderes denken. Das kann etwas sein, für das Sie sich interessieren, das aber keine Wichtigkeit hat." In anderen Worten: Denken Sie an etwas, das Ihnen Freude bereitet, Sie aber nicht aufregt. Den letzten Familienurlaub zum Beispiel, das Gefühl der warmen Sonne auf der Haut oder den zurückliegenden Waldspaziergang. Haben Sie ein bestimmtes Hobby, malen Sie gern oder sind Fan einer bestimmten Band? Stellen Sie sich einen Konzertbesuch vor oder überlegen Sie sich ein Motiv für ihr nächstes Gemälde.
Brain Fog als möglicher Faktor
Es ist auch wichtig, das Phänomen des "Brain Fog" zu berücksichtigen. Brain Fog, auch Gehirnnebel genannt, ist ein weitverbreitetes Phänomen, das dir jegliche Konzentration raubt und deinen Blick aufs Wesentliche „vernebelt". Du kannst nicht mehr klar denken, vergisst die einfachsten Sachen und fühlst dich wie in Watte gepackt.
Die häufigsten Ursachen für den Brain Fog sind:
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- Ernährung: Eine unausgewogene oder gänzlich falsche Ernährung ist eine der Hauptursachen für den Brain Fog.
- Unverträglichkeiten und Allergien: Brain Fog kann aber auch ein Hinweis auf eine Unverträglichkeit oder gar Allergie gegenüber bestimmten Nahrungsmitteln sein.
- Flüssigkeitsmangel: Wassermangel verursacht die typischen Konzentrationsprobleme und kann schon bei einer geringen Unterversorgung große Folgen haben.
- Nährstoffmangel: Selbst bei der gesündesten Ernährung kann ein Nährstoffmangel auftreten, der dieses vernebelte Gefühl im Hirn hervorruft.
- Schlafmangel: Wenn das Gehirn nachts nicht abschalten und sich erholen kann, ist es am nächsten Tag nicht voll leistungsfähig.
- Stress: Bei zu hoher Dauerbelastung laufen sämtliche Körperfunktionen aus dem Ruder, die unter anderem dazu führen, dass dein Gehirn vernebelt wird und du keinen klaren Gedanken mehr fassen kannst.
- Kaffee-Entzug: Du hast dich dazu entschlossen, auf den täglichen Kaffee oder Schwarztee zu verzichten? Dann kann es sein, dass du unter Entzugserscheinungen leidest.
- Bewegungsmangel: Dein Gehirn wird bei zu wenig körperlicher Bewegung nicht ausreichend durchblutet.
- Umweltgifte: Dein Körper kann mit einer Vielzahl an Umweltgiften in Kontakt kommen.
Schlafparalyse - eine beängstigende Erfahrung
Ein weiteres Phänomen, das im Zusammenhang mit Schlafstörungen auftreten kann, ist die Schlafparalyse. Eine Schlafparalyse ist ungefährlich - fühlt sich aber für Betroffene so an, als wären sie lebendig im Albtraum gefangen: Während der Geist wach ist, bleibt der Körper gelähmt.
Symptome einer Schlafparalyse:
- Bewusstseinsklarheit bei gleichzeitiger Unfähigkeit, sich zu bewegen oder zu sprechen.
- Druck auf der Brust oder das Gefühl, nicht richtig atmen zu können.
- Halluzinationen, die visuell, akustisch oder taktil sein können.
- Intensive Angst und Panik.
REM-Schlaf-Verhaltensstörung
Die REM-Schlaf-Verhaltensstörung ist eine relativ seltene Schlafstörung, die schätzungsweise bei 0,5 bis 1 Prozent der Bevölkerung auftritt. Die Häufigkeit nimmt jedoch mit dem Alter zu und betrifft schätzungsweise 5 Prozent der Menschen über 60 Jahre. Die REM-Schlaf-Verhaltensstörung ist durch lebhafte, teils aktionsgeladene Träume und körperliche Aktivität während des Traumschlafs gekennzeichnet. Die Betroffenen schreien, schlagen oder treten im Schlaf um sich.
Wann sollte man einen Arzt aufsuchen?
Laut Riemann sollte man immer daran denken: Hinter dem Grübeln kann auch eine Depression stecken, und die sollte auf jeden Fall schnell behandelt werden. Wer über mehrere Wochen hinweg unter Schlafproblemen leidet und auch am Tag müde und erschöpft ist, sollte mit seinem Arzt über die Beschwerden sprechen. Womöglich steckt ein psychisches Leiden hinter den Schlafstörungen. Treten die Beschwerden nur gelegentlich auf und schlagen nicht auf die Stimmung, ist das zwar unangenehm, aber in der Regel harmlos.
Treten Schlafparalysen gehäuft auf, ist es notwendig, fachärztlich untersuchen zu lassen, ob eine Narkolepsie vorliegt.
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