Meningokokken können schwere invasive Erkrankungen wie bakterielle Hirnhautentzündung (Meningitis) oder Blutvergiftung (Sepsis) verursachen. Zum Schutz werden verschiedene Impfungen empfohlen. Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt bestimmte Impfungen gegen Meningokokken für Säuglinge, Kinder, Jugendliche und Risikogruppen.
Historischer Überblick über Meningokokken-Impfstoffe
Erste Impfstoffe gegen Meningokokken wurden in den 1940er Jahren (Ganzkeimvakzinen) entwickelt, fanden aber wegen der zeitgleichen Verfügbarkeit der ersten Antibiotika (Sulfonamide, Penicillin) wenig Beachtung. Nachdem in den 1960er Jahren erste Sulfonamid-resistente Meningokokken auftraten, fand die Impfstoffentwicklung neues Interesse. Zwischenzeitlich hatte man die Kapselpolysaccharide als einen wesentlichen Virulenzfaktor der Meningokokken identifiziert und konnte Polysaccharidimpfstoffe entwickeln.
Arten von Meningokokken-Impfstoffen
Es gibt unterschiedliche Klassen von Impfstoffen gegen Meningokokken. Die ersten Meningokokken-Impfstoffe, die entwickelt wurden, bestanden im Wesentlichen aus den Zuckerbausteinen der Bakterienhülle - entsprechend werden sie als Polysaccharid-Impfstoffe bezeichnet. Polysaccharid-Impfstoffe haben allerdings den Nachteil, dass sie bei Säuglingen und Kleinkindern nicht gut wirksam sind. Ursache dafür ist, dass das unreife Immunsystem von Kindern in diesem Alter noch nicht effektiv auf die reinen Polysaccharide, aus denen diese Impfstoffe bestehen, reagiert. Daher wurden zum Ende des letzten Jahrtausends so genannte Konjugatimpfstoffe entwickelt. Für diese Impfstoffe werden die Zuckerbausteine der Bakterienhülle chemisch an ein Trägereiweiß gebunden (konjugiert).
Polysaccharid-Impfstoffe
Diese Impfstoffe bestehen aus den Kapselpolysacchariden der Serogruppen A und C, später auch W und Y. Während das Polysaccharid der Gruppe A schon im Säuglingsalter immunogenen Charakter aufweist, findet eine nennenswerte Antikörperbildung gegen Gruppe C erst ab dem Alter von 18 Monaten statt. Polysaccharid-Impfstoffe haben allerdings den Nachteil, dass sie bei Säuglingen und Kleinkindern nicht gut wirksam sind.
Konjugatimpfstoffe
Konjugatimpfstoffe besitzen eine höhere Immunogenität, d.h. nach der Impfung werden mehr Antikörper gegen die Erreger gebildet. (Diese Antikörper sind gegen die jeweiligen Meningokokken-Serogruppen gerichtet, um die Erreger zu neutralisieren und so zum Schutz vor einer Infektion beizutragen.) Höhere Antikörperspiegel im Blut weisen insofern auf eine höhere Schutzwirkung hin. Nach der Impfung mit einem Konjugatimpfstoff bildet das Immunsystem ein Immungedächtnis aus. Denn durch Konjugatimpfstoffe werden andere Arten von Immunzellen angeregt als durch Polysaccharid-Impfstoffe. Bei der Impfung mit einem Konjugat-Impfstoff bilden sich sogenannte T-Gedächtniszellen, die über einen langen Zeitraum im Körper zirkulieren. Dadurch kann das Immunsystem bei einer tatsächlichen Infektion mit Meningokokken eine schnelle und effiziente Immunantwort auslösen und die Erreger abwehren. Bei einer Impfung mit einem Polysaccharid-Impfstoff werden demgegenüber keine T-Gedächtniszellen gebildet. Die Schutzdauer von Konjugatimpfstoffen ist somit gegenüber Polysaccharid-Impfstoffen verlängert.
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Meningokokken-C-Konjugatimpfstoffe
In Deutschland sind Meningokokken-Gruppe-C-Konjugatimpfstoffe unter Verwendung des avirulenten Diphtherietoxoids CRM197 bzw. Tetanustoxoid als Trägerprotein verfügbar. Das Kapselpolysaccharid der Serogruppe B ist nicht ausreichend immunogen, was die Entwicklung einer B-Meningokokken-Konjugatvakzine verhindert hat.
Quadrivalente Meningokokken-Konjugatimpfstoffe (A, C, W und Y)
Seit 2010 steht für Personen ab dem Alter von 11 Jahren (aktuell: ab Alter 2 Jahre) ein quadrivalenter Meningokokken-Konjugatimpfstoff (A, C, W und Y) zur Verfügung, seit 2012 ein weiterer bereits ab dem Alter von 6 Wochen und seit 2022 ein drittes Produkt ab dem Alter von 12 Monaten. Alle drei weisen im Vergleich zur nicht mehr verfügbaren Polysaccharid-Impfung eine bessere Immunogenität auf.
Proteinbasierte Impfstoffe gegen Meningokokken B
Verschiedene neue Impfstoffe, welche auf Proteinen der Zellwand von B-Meningokokken beruhen, haben sich in klinischen Studien als vielversprechend erwiesen, und ein erstes Produkt wurde Ende 2013 in der EU zugelassen. In Deutschland ist der Protein-basierte Vierkomponenten-Impfstoff 4CMenB ab 2 Monaten zugelassen und der Bivalente fHbp Impfstoff ist ab 10 Jahren zugelassen.
Impfempfehlungen in Deutschland
In Deutschland werden folgende Meningokokkenimpfungen allgemein empfohlen:
- Meningokokken-C-Impfung: Seit 2006 ist die Meningokokken-C-Impfung mit einem Meningokokken-C-Konjugatimpfstoff für Patienten ab 12 Monate < 18 Jahre empfohlen.
- Meningokokken-B-Impfung: Seit 2024 empfiehlt die STIKO die Meningokokken-B-Impfung mit dem Protein-basierten Vierkomponenten-Impfstoff für Säuglinge ab 2 Monaten. Die Impfung soll bei Kleinkindern bis zum 5. Geburtstag nachgeholt werden.
Zudem empfiehlt die STIKO ab dem Alter von 6 Wochen bei Vorliegen von Risikofaktoren die Impfung mit quadrivalentem (Serogruppen A, C, W und Y) Konjugatimpfstoff. Diese Indikationsimpfung gilt auch, wenn zuvor schon mit einem monovalenten Gruppe C-Konjugatimpfstoff oder dem quadrivalenten Polysaccharidimpfstoff geimpft wurde.
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Indikationsimpfung bei Risikofaktoren
Eine Indikationsimpfung wird bei Vorliegen von Risikofaktoren empfohlen, wie beispielsweise:
- Personen mit angeborenen oder erworbenen Immundefekten mit T- und/oder B-zellulärer Restfunktion, insbesondere Komplement-/Properdindefekte, Hypogammaglobulinämie, Asplenie oder Eculizumab-Therapie.
- Personen, die einem erhöhten Risiko gegenüber Infektionen mit den in der Vakzine enthaltenen Serogruppen ausgesetzt sind (z.B. Reisende in Endemiegebiete).
- Enge Kontaktpersonen von Indexpatienten mit Meningokokken-Meningitis durch eine der in der Vakzine enthaltenen Serogruppen.
- Bei Ausbrüchen oder regionalen Häufungen auf Empfehlung der Gesundheitsbehörden.
- Schüler und Studenten vor Langzeit-Aufenthalten in Ländern mit allgemein empfohlener Impfung für diese Altersgruppen (z.B. USA, Kanada).
- Gefährdetes Laborpersonal.
Impfschemata
Die Impfschemata variieren je nach verwendetem Impfstoff und Alter des Patienten.
Meningokokken B (4CMenB)
- Alter 2-5 Monate: 2 Dosen im Abstand von 2 Monaten, 3. Dosis im Alter von 12-15 Monaten (frühestens 6 Monate nach der 2. Dosis).
- Alter 6-11 Monate: 2 Dosen im Abstand von 2 Monaten, 3. Dosis im 2. Lebensjahr frühestens 2 Monate nach der 2. Dosis.
- Alter 12-23 Monate: 2 Dosen im Abstand von 2 Monaten, 3. Dosis 12-23 Monate nach der 2. Dosis.
- Alter 2 Jahre und älter: 2 Dosen im Abstand von 1 Monat, Notwendigkeit einer 3. Dosis noch nicht bekannt.
Insbesondere bei Koadministration wird eine gewichtsadaptierte prophylaktische Paracetamol-Gabe in der ersten 24 Std. empfohlen.
Meningokokken B (Bivalenter fHbp Impfstoff)
- > 10 Jahre 2 Dosen (je 0,5 ml i.m.) 0-6 Monate oder 3 Dosen (je 0,5 ml i.m.) 0-1-5 Monate.
Meningokokken Gruppe C Konjugatimpfstoffe
Empfohlen ist die Impfung gegen Meningokokken der Serogruppe C mit 1 Impfstoffdosis für alle Kinder im Alter von 12 Monaten. Eine fehlende Impfung sollte bis zum 18. Geburtstag nachgeholt werden. In Deutschland verfügbare MenC-Konjugatimpfstoffe sind für Säuglinge ab dem Alter von 2 Monaten zugelassen.
Meningokokken Gruppe A,C,W,Y-Konjugatimpfstoffe
Die ACWY-Impfstoffe sind in Deutschland, je nach Hersteller, ab dem Alter von ≥6 Wochen, bzw. ab dem Alter von ≥12 Monaten, bzw. ab dem Alter von ≥2 Jahren zugelassen. Impfschemata je nach Fachinformation.
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Sicherheit und Verträglichkeit
Meningokokken-Gruppe-C-Konjugatimpfstoffe sind in der Regel gut verträglich. Lokale und systemische Nebenwirkungen sind ähnlich häufig wie nach anderen inaktivierten ("Tot-") Impfstoffen und meistens von geringer Schwere und kurzer Dauer. Nach mehr als 50 Millionen verkauften Impfstoffdosen in Großbritannien sind keine schwerwiegenden Nebenwirkungen bekannt geworden. Bei einer Zwischenanalyse von berichteten unerwünschten Ereignissen wurden Fieberkrämpfe mit 1 auf 60.000 und anaphylaktoide Reaktionen mit 1 auf 500.000 Impfdosen errechnet.
Reiseimpfungen
Bei Reisen nach Saudi-Arabien und in einzelne Länder im „Meningitisgürtel“ besteht eine Nachweispflicht über die Impfung gegen Meningokokken. Als Reiseimpfung wird in der Regel der Meningokokken-ACWY-Konjugat-Impfstoff verwendet. Auch die Impfung gegen Meningokokken B kann - nicht nur als Standardimpfung für Säuglinge und Kleinkinder - zusätzlich als Impfung speziell für Reisende erforderlich sein. Wichtig: Wer bei Einreise einen Impfnachweis gegen Meningokokken ACWY benötigt, sollte darauf achten, dass diese Impfung im Impfpass in englischer Sprache vermerkt wird („conjugate vaccine“).
Meningokokken-Erkrankungen
Meningokokken können den Nasen-Rachen-Raum besiedeln. Bei engem Kontakt können sie zum Beispiel über Speichel oder Nasensekret übertragen werden. Da Meningokokken außerhalb des Körpers rasch absterben, kommt es bei Begegnungen ohne engen Kontakt in der Regel nicht zu einer Ansteckung. Meningokokken-Erkrankungen können in jedem Alter auftreten. Am häufigsten sind Kinder im ersten und zweiten Lebensjahr, aber auch Jugendliche zwischen 15 und 19 Jahren betroffen.
Krankheitsverlauf
Von der Ansteckung bis zum Ausbruch einer Erkrankung dauert es in der Regel 3 bis 4 Tage, die Zeitspanne kann jedoch zwischen 2 und 10 Tagen liegen. Zunächst treten kurzzeitig grippeähnliche Symptome auf. In der Folge setzen plötzlich Kopfschmerzen, Fieber, Schüttelfrost und Schwindel mit schwerstem Krankheitsgefühl ein. Bei einem großen Teil der Erkrankten treten zusätzlich Hautveränderungen auf. Bei einer Meningitis kommen unter anderem Erbrechen und Nackensteifigkeit hinzu. Eine Sepsis kann sich durch Blutdruckabfall bemerkbar machen und bis zum Organversagen fortschreiten. Bei Säuglingen und Kleinkindern sind die Symptome häufig schwieriger zu deuten. Anzeichen einer Meningokokken-Erkrankung können bei Kindern Fieber, schrilles Schreien, Reizbarkeit oder auch Schläfrigkeit sein.
Behandlung
Meningokokken-Erkrankungen müssen schnellstmöglich im Krankenhaus behandelt werden, da sie fast immer schwer verlaufen und häufig Komplikationen nach sich ziehen. Meningokokken-Erkrankungen werden mit Antibiotika behandelt.
Spätfolgen
Bis zu 30 Prozent der Betroffenen haben mit gravierenden Spätfolgen zu kämpfen. Dazu zählen z. B. Eine Meningokokken-Meningitis führt bei 10 bis 20 Prozent der Betroffenen zu Komplikationen wie Krampfanfällen oder Taubheit und bei Kindern auch zu Entwicklungsstörungen. Etwa einer von 100 der Erkrankten verstirbt. Bei einer Sepsis kann es zu Gewebeschädigungen bis hin zum Absterben einzelner Gliedmaßen kommen, so dass eine Amputation nötig werden kann. Rund 13 Prozent der Erkrankten mit septischem Verlauf versterben. Bei einer schweren Form des septischen Schocks, dem sogenannten Waterhouse-Friderichsen-Syndrom, verstirbt rund ein Drittel der Betroffenen.
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