Menschen, die nicht merken, dass sie nerven: Ursachen und Erklärungen

Es gibt Menschen, die uns regelrecht zur Weißglut treiben können - und das, ohne dass wir so richtig benennen können, was uns denn an ihnen so nervt. Sie müssen gar nicht viel sagen, und trotzdem können manche Menschen uns nahezu aggressiv machen. Warum regen bestimmte Personen uns so viel schneller und mehr auf als andere - und das scheinbar, ohne dass sie etwas Bestimmtes sagen oder tun? Ist es dieses eine Wort, das sie ständig verwenden? Oder ist es ihre Stimmlage oder eine spezielle Bewegung, die uns nervt? Psycholog:innen sind sich einig, dass die Antwort ganz woanders liegt. Und zwar in uns selbst. Es soll also tatsächlich unsere eigene Schuld sein, dass bestimmte Menschen uns unsäglich auf die Nerven gehen?

Die Rolle der Projektion

Tatsächlich, denn in vielen Fällen projizieren wir unsere eigenen Gefühle, Eigenschaften und inneren Konflikte auf Situationen mit anderen Menschen. Anstatt uns damit auseinanderzusetzen, spiegeln wir unsere Traumata - und laden sie damit auf die Person ab, die uns vermeintlich schon mit ihrer bloßen Existenz furchtbar aufregt. Jodie Cariss ist Therapeutin und erklärt das Phänomen gegenüber der britischen Glamour: "Wenn wir eine sehr starke Reaktion auf eine Person haben, kann das oft eine Projektion sein." Sprich: Auch wenn wir das Gefühl haben, dass unsere Reaktion auf diesen Menschen zumindest teilweise gerechtfertigt ist, weil er sich einfach anstrengend oder nervig verhält, sind unsere Gefühle dazu vermutlich deutlich größer, als rational in dieser Situation angebracht wäre. Die Expertin sagt weiter: "Hier projizieren wir Schattenelemente unserer selbst auf die Situation." Solche Aspekte unserer Persönlichkeit sind meist gänzlich unbewusst, es handelt sich dabei oft um ungelöste Konflikte, innere Verletzungen oder Eigenschaften, die wir lieber verdrängen möchten.

Es ist nun mal so: Die meisten Menschen beschäftigen sich sehr viel mehr mit sich selbst als mit ihrem Umfeld. Deshalb sagt eine so starke Reaktion auf andere meist mehr über uns aus als über die Person, der sie gilt. Diese Verhaltensweise beruht aber in der Regel nicht auf böser Absicht. Vielmehr ist dieses Spiegeln ein Schutzmechanismus, mit dem wir uns unbewusst vor der Auseinandersetzung mit unliebsamen Persönlichkeitsanteilen bewahren möchten. Denn die könnte schließlich unangenehm oder sogar schmerzhaft werden. Aber natürlich bringt uns das Verdrängen langfristig nicht weiter. Wenn Sie also das nächste Mal irrational von einer Kollegin oder einem Bekannten genervt sind, dann hören Sie lieber mal tiefer in sich hinein. Denn es ist sehr wahrscheinlich, dass in diesem Fall ausnahmsweise das viel zitierte Klischee zutrifft: Es liegt nicht an dir, es liegt an mir.

Persönlichkeitsstile und -störungen als Ursache

Neben Projektionen können auch bestimmte Persönlichkeitsstile und -störungen dazu beitragen, dass Menschen als "nervig" wahrgenommen werden. Die Persönlichkeitsstörungen werden in drei Hauptgruppen unterteilt. Die Hauptgruppe A umfasst unter den Stichworten „sonderbar, exzentrisch“ die paranoiden und schizoiden Persönlichkeitsstörungen. Die Hauptgruppe B fasst unter den Stichworten „dramatisch, emotional, launisch“ die histrionische, narzisstische, dissoziale und die Borderline-Persönlichkeitsstörung zusammen. In der Hauptgruppe C finden sich Persönlichkeitsstörungen, die Verhaltensmerkmale aus dem Bereich der Angststörungen aufweisen.

  • Paranoide Persönlichkeitsstörung: Menschen mit paranoider Persönlichkeitsstörung sind misstrauisch, abwartend und immer darauf gefasst, von anderen angegriffen oder verletzt zu werden. Auf Kritik reagieren sie überempfindlich und zeigen übertriebene und unangemessene Reaktionen in Konflikten oder Streitigkeiten. Fühlen sie sich benachteiligt oder angegriffen, gehen paranoide Persönlichkeiten zum Gegenangriff über. Die paranoide Persönlichkeitsstörung ist selten (1% der Bevölkerung).
  • Schizoide Persönlichkeitsstörung: Die schizoide Persönlichkeitsstörung ist selten - sie tritt bei 1% der Allgemeinbevölkerung auf. Schizoide Persönlichkeiten wirken distanziert, gleichgültig, gefühlsarm oder desinteressiert an anderen. Sie leben zurück gezogen und haben wenige Kontakte zu anderen Menschen. Sie sind typische Einzelgänger, die jedoch nicht unter ihrer Kontaktarmut leiden. Auf Umgebungsreize regieren sie wenig emotional. Zur Belastung wird die schizoide Persönlichkeitsstörung für die Betroffenen erst, wenn die Beziehung zu einem Partner unter der Distanziertheit und geringen Emotionalität leidet. Eine Therapie machen die Betroffenen nur dann, wenn die Störung nur relativ leicht ausgeprägt ist. In schwerer Ausprägung besteht kein Wunsch nach einer partnerschaftlichen Beziehung.
  • Histrionische Persönlichkeitsstörung: Die histrionische Persönlichkeitsstörung tritt mit einer Häufigkeit von etwa 2% in der Allgemeinbevölkerung auf. Betroffene Menschen sind stark auf äußere Zuwendung und Aufmerksamkeit angewiesen und suchen ständig die Anerkennung von anderen. Sie sind oft extrovertiert, haben darstellerische Fähigkeiten, sind lebenslustig und können andere mitreißen. Obwohl diese Menschen oft einen großen Freundeskreis haben und in ihrem Leben viel passiert, kennen sie Phasen der Einsamkeit, Unzufriedenheit und inneren Leere mit nagenden Selbstzweifeln.Charmantes Auftreten, theatralisches In-Szene-Setzen, Weinen, Wutausbrüche bis hin zu Suizidandrohungen gehören zu dieser Persönlichkeitsstörung.Nur flüchtige Bekannte werden mit unangemessener Begeisterung umarmt oder es kommt zu „Weinkrämpfen“, wobei das Ausmaß der emotionalen Reaktion in keinem Verhältnis zum Anlass steht. Personen mit dieser Störung sind auch häufig unsicher in ihren Meinungen und Ansichten und übernehmen daher schnell die Meinung anderer. Beziehungen werden von ihnen enger wahrgenommen, als sie tatsächlich sind. Sie glauben, zu fast allen Menschen, die sie treffen, einen schnellen engen Kontakt zu haben. Das kann sich beispielsweise darin äußern, dass der behandelnde Zahnarzt nach zwei Terminen mit seinem Vornamen angesprochen wird.
  • Narzisstische Persönlichkeitsstörung: Narzisstische Persönlichkeiten wirken oft anspruchsvoll, arrogant oder überheblich. Nach außen hin geben sie sich sehr selbstbewusst, sind aber gleichzeitig sehr empfindsam, verletzlich und können nur schwer mit Kritik umgehen. Erste Probleme gibt es oft schon in jungen Jahren im Arbeitsumfeld, da narzisstische Menschen ihrem Anspruch nicht gerecht werden und von Versagensängsten, beispielsweise vor Prüfungen, geplagt werden. Im späteren Leben fallen sie nicht selten durch Arbeitsstörungen auf und bleiben hinter ihrem eigenen Anspruch und auch eigenen Fähigkeiten zurück. Die Menschen können in existenzielle Krisen mit großer innerer Verzweiflung geraten, was bis zum Suizid führen kann.
  • Borderline-Persönlichkeitsstörung: Die "Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme" (ICD-10; "International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems") unterscheidet zwei Erscheinungsformen der emotional instabilen Persönlichkeitsstörung: einen impulsiven Typus, der durch emotionale Instabilität und mangelnde Impulskontrolle gekennzeichnet ist und einen Borderline-Typus. Der Borderline-Typus umfasst die Kriterien des impulsiven Typus und zusätzlich weitere Merkmale. Die Borderline-Persönlichkeitsstörung ist ein schweres psychiatrisches Krankheitsbild. Insgesamt leiden etwa 3% der Allgemeinbevölkerung an der Krankheit. Die Betroffenen erleben sich als Opfer ihrer heftigen Stimmungen und neigen zu selbstschädigendem, manchmal auch fremdaggressivem Verhalten. Sie wirken sehr launisch und reagieren sensibel auf Zurückweisung.
  • Dissoziale Persönlichkeitsstörung: Die dissoziale oder antisoziale Persönlichkeitsstörung ist geprägt von einer Neigung zu aggressivem Verhalten und zu Gewalttätigkeit. Betroffene Menschen geraten daher häufig mit dem Gesetz in Konflikt, weil sie soziale Normen missachten und verantwortungslos handeln. Dissoziale Persönlichkeiten sind schnell reizbar, impulsiv, haben eine geringe Frustrationstoleranz und eine Teilgruppe der Betroffenen hat kein Einfühlungsvermögen. Langfristige Konsequenzen einer Handlung oder mögliche Alternativen werden scheinbar nicht bedacht. Alltägliche Routine im Beruf oder in der Partnerschaft führt bei Betroffenen schnell zur Langeweile und zu einem Gefühl des Unbehagens. Daher suchen sie nach Aufregung, Abenteuer und Abwechslung. Im zwischenmenschlichen Bereich sind dissoziale Persönlichkeiten unzuverlässig und z.T. manipulieren und missbrauchen sie andere Menschen. Ihr eigener Vorteil steht im Vordergrund des Handelns.
  • Selbstunsichere Persönlichkeitsstörung: Die selbstunsichere oder ängstlich-vermeidende Persönlichkeitsstörung ist mit einer Häufigkeit von 3-5% in der Allgemeinbevölkerung verhältnismäßig verbreitet. Die betroffenen Menschen sind schüchtern, fühlen sich gehemmt und unsicher in vielen zwischenmenschlichen Situationen und isolieren sich aus Angst vor negativer Bewertung, Kritik oder Zurückweisung. Sie stehen nicht gerne im Mittelpunkt und haben Schwierigkeiten vor Menschen zu sprechen. Sie erleben sich selbst als minderwertig und meiden daher Kontakt zu anderen Menschen. Von anderen Menschen hingegen werden sie häufig als Freunde und Helfer geschätzt, weil sie oft sensibel, feinfühlig und rücksichtsvoll sind. Diese Persönlichkeitsstörung kann auch als seit der Kindheit bzw. Ängstlich-vermeidende Persönlichkeiten sind anfällig für die Entwicklung anderer psychischer Erkrankungen. Hier sind vor allem Angststörungen (soziale Phobie), Zwangserkrankungen und Depressionen zu nennen.
  • Dependente Persönlichkeitsstörung: Menschen mit dependenter oder abhängiger Persönlichkeitsstörung haben das Gefühl, ihr Leben nicht eigenständig führen zu können. Sie brauchen immer eine Person, die sie unterstützt und ihnen wichtige Entscheidungen abnimmt. Aus Angst, diese Bezugsperson zu verlieren, ordnen sie sich dem Partner unter und äußern eigene Gefühle oder Bedürfnisse nicht. Dieses „Klammerverhalten“ ist jedoch häufig der Auslöser für Beziehungsprobleme. Da Menschen mit dependenter Persönlichkeitsstörung anhänglich, zuverlässig, hilfsbereit und treu sind, werden sie als gute und zuverlässige Freunde geschätzt. In einem stabilen Umfeld kommen betroffene Menschen häufig lange Zeit problemlos zurecht; eine Veränderung der Lebenssituation, z.B.
  • Zwanghafte Persönlichkeitsstörung: Zwanghafte Persönlichkeiten wirken nach außen hin oft ordentlich und korrekt. Sie sind bemüht, keine Fehler zu machen. Ihre Genauigkeit und Zuverlässigkeit wird (besonders im Beruf) sehr geschätzt, doch sie stellen ihre eigenen hohen Erwartungen auch an andere. Das führt zu zwischenmenschlichen Konflikten, da es ihnen an Leichtigkeit und Spontaneität mangelt.

Polyneuropathie als mögliche Ursache für Verhaltensänderungen

Es ist wichtig zu beachten, dass auch körperliche Erkrankungen wie die Polyneuropathie zu Verhaltensänderungen führen können, die von anderen als "nervig" wahrgenommen werden.

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Was ist Polyneuropathie?

Der Begriff „Polyneuropathie“ stammt aus dem Griechischen und bedeutet übersetzt „Erkrankung mehrerer Nerven“. Bei der Polyneuropathie ist die Reizweiterleitung der Nerven gestört. Reize werden nicht, zu stark oder abgeschwächt an das Gehirn geleitet. Kommandos vom Gehirn werden nicht mehr zuverlässig an die Muskeln und die inneren Organe weitergeleitet. Dabei gibt es zwei Möglichkeiten der Schädigung:

  • Bei der demyelinisierenden Polyneuropathie zerfällt die Isolation um die Nervenfasern herum, sodass die elektrischen Impulse in der Nervenfaser nicht mehr richtig weitergeleitet werden.
  • Bei der axonalen Polyneuropathie geht die Nervenfaser selbst kaputt.

Beide Formen können auch in Kombination auftreten.

Ursachen von Polyneuropathie

Insgesamt gibt es mehr als 300 bekannte Ursachen von Polyneuropathie. Ca. 35 % der Polyneuropathien sind in Deutschland auf den Diabetes mellitus (Zuckererkrankung) zurückzuführen und etwa 20 % auf Alkoholkonsum. Die Ursache von etwa 1/4 aller Polyneuropathien bleibt auch nach ausführlicher Abklärung ungeklärt. Die nachfolgende Tabelle gibt eine Übersicht über die häufigsten Ursachen von Polyneuropathie. Sie ist nicht vollständig:

  • Polyneuropathie im Rahmen anderer Erkrankungen: Diabetes mellitus, Schilddrüsenüberfunktion, Schilddrüsenunterfunktion, Schilddrüsenentzündungen, Nierenversagen, Gewisse Lebererkrankungen, Gewisse Krebserkrankungen, Bluteiweißerkrankungen, nach lebensbedrohlicher Erkrankungen mit Intensivbehandlung, HIV/AIDS, Porphyrie, Amyloidose.
  • Polyneuropathie bei entzündlichen Erkrankungen: Borreliose (Zeckenbisserkrankung), Gefäßentzündungen (Vasculitis), HIV/AIDS, als Autoimmunerkrankung nach stattgehabter Entzündung.
  • Polyneuropathie bei Vitaminmangel: Vitaminmangel von B1, B2, B6, B12, E.
  • Polyneuropathie bei Schwermetallvergiftung: Blei, Arsen, Thallium, Quecksilber, Gold.
  • Polyneuropathie als Nebenwirkung von Medikamenten: Gewisse Chemotherapeutika, Interferone, Virustherapeutika bei HIV, viele weitere Einzelsubstanzen.
  • Genetisch bedingte Polyneuropathien: Es sind mehrere genetisch bedingte Polyneuropathien bekannt. Nicht immer sind betroffene Familienmitglieder zu beobachten.

Symptome von Polyneuropathie

Die Symptome der Polyneuropathie können vielfältig sein, abhängig davon, welche Nerven betroffen sind.

  • Sensible Symptome: Bei den meisten Menschen beginnt die Polyneuropathie mit Reizerscheinungen im Sinne von Kribbelgefühlen, brennenden Mißempfindungen bis hin zu heftigen Schmerzen und Taubheitsgefühlen an den Füßen. Häufig beschrieben wird ein Schwellungsgefühl, unangenehmer Druck, Gefühl wie auf Watte zu gehen, ein Elektrisieren oder Stechen. Meistens sind zunächst nur die Zehen und der Fußballen bds. betroffen. Im Verlauf von mehreren Monaten bis Jahren kommt es zur Ausweitung der Symptome auf die Füße und Unterschenkel mit Socken-förmiger oder Kniestrumpf-förmiger Begrenzung. Die Oberschenkel können im Verlauf einer weiteren Verschlechterung oder bei einigen Patienten auch primär betroffen sein. Auch das Temperaturempfinden leidet, so dass beispielsweise die Badewassertemperatur in der Badewanne an den Füßen nicht mehr richtig eingeschätzt werden kann. Zumeist erst im Verlauf der Erkrankung können zusätzlich die Fingerspitzen und Hände mit Handschuh-förmiger Begrenzung der Taubheitsgefühle betroffen sein. Auch das Lageempfinden wird zunehmend gestört, so dass die akkurate Aufrechterhaltung des Standes leidet. Dies führt zu Schwanken, Schwindel und Gangstörungen. Das Schmerzempfinden wird allmählich herabgesetzt, so dass Verletzungen am Fuß nicht oder nur zu spät wahrgenommen werden. Dies kann, z.B. beim Diabetes mellitus, zur Entstehung von Druckgeschwüren führen.
  • Motorische Symptome: Parallel dazu kann es zunehmend zu Lähmungen, beispielsweise der Fußheber oder Zehenheber oder Fußsenker kommen, so dass Muskelschwund und Gangstörungen entstehen. Alle Symptome entstehen zumeist symmetrisch und nur seltener asymmetrisch mit Betonung auf einer Seite. Krämpfe, insbesondere nachts oder bei Belastungen, sind nicht selten. Viele Patienten klagen über kalte Füße.
  • Autonome Symptome: Letztlich können auch die inneren Organe im Sinne einer autonomen Polyneuropathie betroffen sein. Dies führt beispielsweise zur Blasenlähmung, Darmträgheit oder zur mangelnden Regulation des Herzschlages bei Anstrengung.

Diagnose und Behandlung von Polyneuropathie

Diagnostik und Therapie der Polyneuropathie fallen in das Fachgebiet des Neurologen. Am Anfang stehen eine genaue Erhebung der Vorgeschichte (Anamnese) und eine fachärztliche, klinisch-neurologische Untersuchung. Auch eine psychiatrische Untersuchung ist zur Abgrenzung notwendig. Danach erfolgt die Untersuchung der peripheren Nerven mit elektrophysiologischen Methoden. Hierbei werden überwiegend die Nervenleitgeschwindigkeit und die Reizantwortstärke der betroffenen Nerven vermessen. Begleitet wird dies durch ein EMG (Elektromyographie- elektrische Untersuchung der betroffenen Muskeln mit einer Nadel). Danach erfolgt eine laborchemische Abklärung der wichtigsten Ursachen aus dem Blut. Bei Verdacht auf eine entzündliche Erkrankung sollte das Nervenwasser (Liquor) untersucht werden. Eine Kernspintomographie der Lendenwirbelsäule oder Halswirbelsäule ist erforderlich, wenn gleichzeitig dort eine zusätzliche Erkrankung z.B. ein enger Spinalkanal vermutet wird. Die wichtigsten genetischen Ursachen lassen sich durch genetische Untersuchungen aus dem Blut heraus abklären. Eine Untersuchung eines operativ entfernten Teils eines betroffenen Nervens (Biopsie) ist heutzutage nur in Ausnahmen notwendig.

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Das primäre Ziel der Behandlung ist die Ausschaltung der Ursache der Polyneuropathie. Die bedeutet z.B. einen Diabetes mellitus optimal mit Medikamenten einzustellen. Medikamente, die eine Polyneuropathie verursachen, müssen abgesetzt oder ausgetauscht werden, insofern sie nicht aus anderem Grund unabdingbar notwendig sind. Eine toxische Exposition, beispielsweise durch Schwermetalle oder Umweltgifte, muss beendet werden. Ist Alkohol die Ursache der Polyneuropathie, so muss vollständige, lebenslange Abstinenz eingehalten werden. Für die Behandlung der Schmerzen oder unangenehmen Missempfindungen stehen mehrere Medikamente zur Verfügung. Liegt eine entzündliche Ursache der Polyneuropathie vor, so können Cortison-Infusionen, Plasmapherese (umgangssprachlich - Blutwäsche) oder die Gabe von Immunglobulinen zu einer Linderung oder gar Ausheilung führen. Missempfindungen und Schmerzen können überdies mit einer Neural-Akupunktur behandelt werden. Lähmungen und Muskelschwund, Gleichgewichtsstörungen und Gangstörungen können mit einer spezifischen Physiotherapie behandelt werden. Diese kann gegebenenfalls um elektrische oder magneto-elektrische Stimulationverfahren ergänzt werden.

Akute Belastungsreaktionen und ihre Auswirkungen

Auch akute Belastungsreaktionen, oft umgangssprachlich als "Nervenzusammenbruch" bezeichnet, können zu Verhaltensweisen führen, die von anderen als störend empfunden werden.

Was ist eine akute Belastungsreaktion?

Das Wort Nervenzusammenbruch ist ein Begriff aus der Alltagssprache. Der Zusammenbruch, den man darunter versteht, wird in der Fachsprache allerdings als akute Belastungsreaktion bezeichnet. Gemeint ist damit eine vorübergehende, aber extreme Reaktion auf ein ebenso extremes Ereignis. Diese Reaktion tritt meist wenige Minuten nach dem Auslöser ein. Andere Bezeichnungen für diese Reaktion sind zum Beispiel auch psychischer oder seelischer Schock.

Allgemein unterscheidet man zwischen einer akuten und einer längerfristigen Reaktion. Je nach zeitlicher Dauer der Symptome wird der Nervenzusammenbruch unterschiedlich definiert:

  • Treten die Symptome kurz nach dem traumatischen Ereignis bis 48 Stunden danach auf, spricht man von einer akuten Belastungsreaktion.
  • Dauern die Symptome ab 48 Stunden nach dem Erlebnis bis zu vier Wochen, spricht man von einer akuten Belastungsstörung.
  • Überschreiten die Symptome die vier Wochen und treten bis zu drei Monate nach dem schockierenden Erlebnis weiterhin auf, liegt eine akute posttraumatische Belastungsstörung vor.
  • Von einer chronischen posttraumatischen Belastungsstörung spricht man dann, wenn die Symptome drei Monate nach dem Ereignis weiterhin auftreten.

Es gibt auch einen stillen Zusammenbruch, der mit einer langsamen, schleichenden Verschlechterung des psychischen Zustands einhergeht. Im Gegensatz zum akuten Nervenzusammenbruch, entwickelt sich ein "stiller Nervenzusammenbruch" im Zuge eines kontinuierlichen Stresslevels oder anderer psychisch belastenden Situationen.

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Ursachen und Symptome einer Belastungsreaktion

Die Ursachen, die eine Belastungsreaktion auslösen können, sind sehr vielfältig. Jedes Ereignis, das ein Trauma auslösen kann, kann auch einen Nervenzusammenbruch zur Folge haben. Ein schwerer Unfall oder Körperverletzung, Krieg oder kriegsähnliche Ereignisse wie ein Terroranschlag, Flucht, Vertreibung, Gewalt oder eine Naturkatastrophe - all diese Dinge können sich auf die Psyche eines Menschen auswirken. Das Alter spielt dabei keine Rolle. Ob Kinder oder Erwachsene, jeder Mensch kann davon betroffen sein.

Wie sich eine Belastungsreaktion äußert, ist genauso vielfältig, wie ihre möglichen Ursachen und von Mensch zu Mensch verschieden. Die typischen Anzeichen sind:

  • Sprachlosigkeit
  • Veränderte Wahrnehmung, bei der Betroffene sich selbst oder ihr Umfeld als fremd empfinden
  • Einengung des Bewusstseins, Gedanken kreisen unaufhörlich um die auslösende Situation
  • Nacherleben der Situation in Form von Alpträumen und Flashbacks, das heißt, die Erinnerung ist so intensiv, als würden Betroffene das Erlebnis noch einmal durchleben
  • Lücken in der Erinnerung
  • Überreizung, die sich in Schlaf- und Konzentrationsstörungen oder auch Schreckhaftigkeit zeigt
  • Stimmungsschwankungen zwischen Aggression, Wut, Angst, Panik, Trauer, Weinen und Lachen
  • Körperliche Reaktionen wie Schweißausbrüche, Herzrasen, Blässe und Übelkeit

Hilfe bei einer Belastungsreaktion

Traumatische Erlebnisse kommen unvorhergesehen und man kann ihnen nicht vorbeugen. Umso wichtiger ist schnelle, professionelle Unterstützung im Falle ihres Eintretens. Anlaufstellen dafür sind zum Beispiel eine psychiatrische Praxis oder Klinik, der bundesweite Bereitschaftsdienst, die Telefonseelsorge oder die Nummer gegen Kummer für Jugendliche und Kinder.

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