Joachim Meyerhoff, der gefeierte Schauspieler und Autor, hat mit seinem Werk Leser und Publikum gleichermaßen in seinen Bann gezogen. Bekannt für seine autobiografischen Erzählungen, die von Humor, Tragik und tiefer Ehrlichkeit geprägt sind, hat Meyerhoff sich einen Namen gemacht. Seine Romane sind komisch, tragisch und traurig zugleich. In seinem neuesten Buch, "Hamster im hinteren Stromgebiet", setzt er sich mit einem einschneidenden Ereignis auseinander: einem Schlaganfall, der ihn unerwartet aus seinem dynamischen Leben riss.
Ein unerwarteter Einschnitt
Wenige Tage nach seinem 51. Geburtstag erlitt Joachim Meyerhoff einen Schlaganfall und fand sich auf der Intensivstation wieder. Dieser gesundheitliche Einbruch warf ihn aus der Bahn und stellte ihn vor die Frage, wie man mit einem solchen Schicksalsschlag umgeht. Was passiert, wenn man durch einen gesundheitlichen Einbruch auf einen Schlag aus dem prallen Leben gerissen wird? Kann das Erzählen von Geschichten zur Rettung beitragen? Und kann Komik heilen? Meyerhoff, der zuvor in seinen Büchern auf die Vergangenheit zurückblickte, sah sich nun gezwungen, über seine Gegenwart zu schreiben. Durch den Schlaganfall habe sich das aber geändert. Das Erzählen wurde plötzlich zu einer "Selbstbehauptungsstrategie".
Die Angst als Antrieb
Aus Angst, im Schlaf einen erneuten Schlaganfall zu erleiden, begann Meyerhoff, sich nachts Geschichten zu erzählen, um wach zu bleiben. Er habe regelrecht Angst gehabt einzuschlafen, denn er hatte gehört, dass auf einen ersten, leichteren Schlaganfall ein schwererer folgen könne. "Ich wollte diesem Gehirn Aufgaben stellen", sagt er. "Denn man denkt weiter. Gleichzeitig ist das der versehrte Ort. Der Ort der Beschädigung und der Ort, der sich mit der Beschädigung beschäftigt, sind eins. In dem Roman wehrt er sich in seinem Krankenbett gegen das Einschlafen und erzählt sich Geschichten.
"Hamster im hinteren Stromgebiet": Titel und Bedeutung
Der Titel "Hamster im hinteren Stromgebiet" bezieht sich auf eine nächtliche Begegnung auf dem Krankenhausgelände in Wien, wo Meyerhoff eine Hamsterkolonie entdeckte. Von einer Neurologin erfuhr er, dass ein Areal im Gehirn als "hinteres Stromgebiet" bezeichnet wird. Da habe der Titel für ihn festgestanden. Die Lokalisation im hinteren Stromgebiet des Gehirns gab dem Buch seinen Titel und führte zu linksseitigen Lähmungserscheinungen.
Meyerhoffs Kampf zurück ins Leben
Mit Humor und Demut schildert Meyerhoff den mühsamen Weg zurück. Meyerhoff musste nach dem Schlaganfall lernen, das Tempo aus seinem Leben zu nehmen. Zuvor hatte er ein dynamisches Leben mit langen, intensiven Abenden am Theater. In dem Roman wehrt er sich in seinem Krankenbett gegen das Einschlafen und erzählt sich Geschichten. Es geht um die ersten 9 Tage im Krankenhaus. Meyerhoff beschreibt den Beginn seines Kampfes zurück ins Leben und sein Ringen, sich selbst und die gelöschten Hirninhalte wiederzufinden. Auch ist es eine Suche nach Worten, die ihm verlorenzugehen drohen. Das ist für einen Schauspieler existentiell. Er schreibt „Ich musste irgendwie sehr viele Worte finden, um diesem Schlaganfall zu begegnen”. Manchmal übt er seine Artistik mit Worten an kitschigen Schlagertexten, die ihm im Gedächtnis sind. Genau diese Mischung aus Drama, Komik und Spannung macht das Buch äußerst lebenswert.
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Kritik und Kontroversen
Nicht alle Leser und Kritiker waren von "Hamster im hinteren Stromgebiet" gleichermaßen begeistert. Einige bemängelten eine mangelnde Diskretion und eine zu große Nähe zu den Ereignissen. In Hamster im hinteren Stromgebiet geht aber so mancher Witz von Joachim Meyerhoff doch sehr auf Kosten anderer. Wenn das ebenfalls auf der Intensivstation liegende Mitpatient:innen sind, finde ich persönlich das gar nicht mehr so lustig. Diskretion ist nun einmal nicht Joachim Meyerhoffs Sache. Auch so manche Indiskretion gegenüber Lebenspartnerin, Ex-Frau und Töchtern möchte man eigentlich so nicht lesen. Das ist alles zu ungefiltert, zu ausgestellt. Andere wiederum lobten Meyerhoffs schonungslose Ehrlichkeit und seinen Mut, sich mit seinen Schwächen und Ängsten auseinanderzusetzen.
Die heilende Kraft des Erzählens
Das Niederschreiben dieses Buchs diente ganz sicher der Aufarbeitung des Schocks, völlig unvorbereitet einen Schlaganfall erlitten zu haben. Von jetzt auf gleich dem prallen Leben entrissen zu sein. Und hat damit natürlich seine Berechtigung. Meyerhoff fand im Erzählen eine Möglichkeit, den Schock zu verarbeiten und sich mit den Folgen des Schlaganfalls auseinanderzusetzen. Die Erinnerung, die willentliche, an eine mal mehr, mal weniger lang zurückliegende Vergangenheit, sie spielt zwar in diesem Band abermals eine Rolle. Nur bildet sie nicht wie in den vorherigen Teilen das poetologische Grundgerüst, sondern hat therapeutischen Charakter. Sie ist ein Anxiolytikum, um es medizinisch zu sagen, und dient dem Erzähler dazu, einige Nächte im Krankenhaus zu überstehen.
Meyerhoffs Blick auf den Krankenhausalltag
Meyerhoff schildert die Zustände im österreichischen Gesundheitssystem als suboptimal. Gut, ein Charakteristikum eigentlich aller Meyerhoff-Bücher ist die Zuspitzung, die hemmungslose Übertreibung zugunsten der Pointendichte. Das ist in den ersten drei Bänden aber nicht so unangenehm aufgefallen. Besonders eindrücklich sind seine Beschreibungen des Krankenhausalltags, der Mitpatienten und der medizinischen Abläufe. Trotzdem fallen diese Stücke aus der Krankenhauserzählung arg raus. Bei ihrer Lektüre sehnt man sich förmlich nach dem Neurologie-Setting, das wie geschaffen zu sein scheint für einen tragikomisch bewanderten Erzähler wie Meyerhoff: die Mitpatienten auf der Intensivstation, die Visiten des Arzttrosses, die Koordinationsübungen, die er machen muss, insbesondere den Finger-Nase-Versuch, die Besuche bei Logopädin und Ergotherapeutin, das erste Essen mit anderen, viel älteren Leidengenossen im Gemeinschaftssaal. Das ist mitunter schreckliche Krankenhausalltagsrealität. Joachim Meyerhoff macht sie mit seiner Prosa zum Teil erträglich, weil er das Abseitige, das Absurde daran genauso erkennt wie er stets in sich selbst hineinschaut.
Sprachliche Brillanz und Situationskomik
Der Roman lebt von der Situationskomik, von der Sprachkunst des Autors Witzig ist es, wenn Meyerhoff die Mediziner-Poesie „ohne Stress und Kinkerlitzchen“ („Pat stabil“) auch in seinen Text einfließen lässt und sich fragt, „ob Pat wirklich so stabil war, wie es in unumstößlicher Kürze verkündet wurde“. Oder er über das titelgebende „hintere Stromgebiet“ sinniert, wie eins seiner Hirnareale bezeichnet wird. Oder er gewissermaßen Erscheinungen hat, veritable Geruchshalluzinationen beispielsweise. Meyerhoffs Witz, der immer mit einer existentiellen Melancholie unterfüttert ist und so oft nach dem Lachen einen leicht bitteren Nachgeschmack hinterlässt und der die Absurditäten des Lebens, und hier eines lebensbedrohenden Ereignisses und des darauf folgenden Krankenhaussaufenthalts, in den Blick nimmt, zündet noch immer.
Ein Roman mit allgemeingültigen Zügen
Andererseits gehören Passagen ohne schlagende poetische Funken natürlich mit in einen Krankenbericht, in dem geradezu naturgemäß Rückschau gehalten wird. So ein Lebensabschnittsroman lebt nun einmal von seiner Authentizität und trägt allgemeingültige Züge: Mit dem Schlaganfallpatienten Meyerhoff dürfte sich so mancher Patient, manche Patientin identifizieren.
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Meyerhoffs Glück im Unglück
Joachim Meyerhoff hat ein gewisses Glück im Schlaganfallunglück gehabt. Deshalb verzeiht man ihm den dezent ein Leben, ein Buch rundenden Kitsch am Ende. Unter keinen Umständen wollte der Autor zulassen, „dass der Schlaganfall mich sprachlos machte“, dieser ihm seine Gedanken raubt. Das hätte in Anbetracht des gerade Erlittenen ein frommer Wunsch sein können: Schlaganfallpatienten passiert genau das leider reihenweise, es kommt halt auf das beschädigte Areal im Hirn an.
Rückkehr zur Mutter und Neuanfang auf dem Land
Nach einem Schlaganfall und dem gescheiterten Neuanfang in Berlin kehrt der Erzähler in Man kann auch in die Höhe fallen zu seiner Mutter aufs Land zurück - auf ein Grundstück unweit des Meeres, wo Ruhe, Klarheit und überraschende Nähe warten. Inmitten von Natur, Alltagsritualen und liebevoller Konfrontation mit der Vergangenheit entsteht nicht nur ein Theaterroman, sondern auch eine zutiefst persönliche Rückkehr zu sich selbst. Mit Mitte fünfzig zieht der Erzähler zu seiner Mitte achtzigjährigen Mutter aufs Land, um dort an einem Roman über das Theater mit dem Titel »Scham und Bühne« zu schreiben. Es werden unvergleichliche, ereignisreiche Wochen, in denen er durch die Hilfe seiner Mutter aus einer tiefen Lebenskrise findet. Der Sohn klinkt sich ein in den Tagesablauf der Mutter, beginnt seinen Theaterroman und andere Geschichten zu schreiben und findet allmählich heraus aus Zorn und Nervosität, die ihn sein ganzes Leben begleitet haben.
Meyerhoffs frühere Werke und autobiografischer Hintergrund
Joachim Meyerhoff ist bekannt für seine autobiografischen Romane, in denen er эпизоды aus seinem Leben auf humorvolle und ehrliche Weise verarbeitet. Bereits in seinen früheren Büchern blickte er auf die Vergangenheit zurück. Der zweite Band, „Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“ über seine Kindheit in der Psychiatrie, hat Sonja Heiss erfolgreich verfilmt. Bei dem bildstarken Stoff lag das nahe. Seine Kindheit und Jugend in der psychiatrischen Klinik in Schleswig, wo sein Vater Direktor war, sowie seine Zeit bei den Großeltern in München, wo er die Schauspielschule besuchte, sind zentrale Themen seiner Werke.
Ein Schlaganfall als Wendepunkt
Ein Schlaganfall kommt plötzlich und unerwartet. Er stellt nicht nur das Leben des Betroffenen auf den Kopf, sondern auch das von Angehörigen und Freunden. Doch es gibt auch Lichtblicke und Wege, mit dem Unglück umzugehen - mitunter sogar zurück in das gewohnte Leben. Der Roman des Schauspielers und Schriftstellers Joachim Meyerhoff stellt den Schlaganfall in den Mittelpunkt, den der Autor im Alter von 51 Jahren erleidet.
Die Bedeutung von Unterstützung und Liebe
Im Buch wird auch klar, wie wichtig es ist, dass sich Gabriele von Arnim Hilfe holt: eine Pflegekraft und unterstützende Freunde sorgen für Unterstützung. Aber es gab auch die Abbrüche von Beziehungen. Dieses eindrucksvoll und reflektiert geschriebene Buch stellt und beantwortet Fragen, die allen begegnen, die von so einem Schicksalsschlag getroffen werden: Wie viel Zuwendung schulden wir geliebten, schwer erkrankten Menschen, ohne uns selbst und unsere innere Freiheit zu verlieren? Meyerhoff erzählt mit Witz, Tiefe und feinem Gespür für das Absurde vom Zusammenleben zweier Generationen, von Überforderung, Altwerden und der heilenden Kraft familiärer Bindung.
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Meyerhoffs Blick auf das Theater
Und natürlich ist Meyerhoffs Zeit beim Theater für ihn "der verlässlichste Anekdotenlieferant", den man sich denken kann. Wenn Meyerhoff erzählt, hat man das Gefühl, als würde man einem Menschen beim Leben zuschauen. Beim Lieben und Leiden, beim Hinfallen und Wiederaufstehen. Das Zitat des Schriftstellers Thomas Bernhard hat Meyerhoff seinem Roman vorangestellt. In jede dieser Geschichten taucht man beim Lesen mit großer Freude ein. Tragik und Komik verbinden sich aufs Schönste miteinander, wenn Meyerhoff von den Mutter-und Sohn-Wochen an der Ostsee erzählt.
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