Morbus Crohn und das Nervensystem: Ein komplexer Zusammenhang

Morbus Crohn ist eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung (CED), die oft mit einer Achterbahnfahrt verglichen wird. Betroffene erleben Phasen von Vitalität und Wohlbefinden, die abrupt von Phasen extremer Erschöpfung, Schmerzen und quälenden Symptomen wie Durchfall und Erbrechen abgelöst werden. In Deutschland leiden schätzungsweise 300.000 Menschen an CED, und die Tendenz ist steigend. Die Forschung der letzten Jahre hat gezeigt, dass die Wechselwirkung zwischen dem Nervensystem und dem Immunsystem eine wichtige Rolle bei der Entstehung und dem Verlauf von Morbus Crohn spielt. Dieser Artikel beleuchtet den Zusammenhang zwischen Morbus Crohn und dem Nervensystem, wobei besonderes Augenmerk auf die Hirn-Darm-Achse und die Auswirkungen von Stress gelegt wird.

Die Hirn-Darm-Achse: Eine bidirektionale Verbindung

Die Hirn-Darm-Achse beschreibt die komplexe Kommunikation zwischen dem Gehirn und dem Darm. Dieses Netzwerk umfasst das autonome und zentrale Nervensystem, verschiedene Metaboliten, das neuroendokrine System, das Immunsystem und die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse. Über diese Systeme beeinflussen sich Darm und Gehirn gegenseitig in beide Richtungen.

Vor rund 2.500 Jahren schrieb Hippokrates: "Der Darm ist der Vater aller Trübsal." Heute wissen wir, dass es auch umgekehrt sein kann: Stress kann einen immensen Einfluss auf die Darmgesundheit haben, insbesondere bei Menschen mit entzündlichen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa.

Stress und Morbus Crohn: Ein Teufelskreis

Stressige Lebensumstände, wie Trennungen oder Todesfälle in der Familie, können bei Patientinnen und Patienten mit Morbus Crohn zu deutlich stärkeren Entzündungsparametern im Darm führen. Dies hat Forscher dazu veranlasst, die Auswirkungen des mentalen Status und des Faktors Stress auf Darmerkrankungen genauer zu untersuchen.

In Tierversuchen mit Mäusen wurde festgestellt, dass das Gehirn nach einer Stresswelle Signale an die Nebennieren sendet. Diese schütten daraufhin körpereigenes Glukokortikoid (Kortison) aus, das zunächst schmerzstillend und entzündungshemmend wirkt. Bei chronischem Stress kehrt sich dieser Effekt jedoch um: Die Entzündung im Darm verstärkt sich, insbesondere wenn zusätzlich Kortison als Medikament gegeben wird, während der Körper bereits eigenes Kortison produziert.

Lesen Sie auch: Morbus Parkinson: Richtige Ernährung

Die Forschung hat gezeigt, dass Glukokortikoide nicht direkt auf die Immunzellen einwirken, sondern über eine Art Schnittstelle die Stresshormone an die Immunantwort weiterleiten: die enterischen Gliazellen. Der Darm besitzt ein eigenes Nervensystem, das einzige Organ außerhalb des Gehirns, das über ein solches verfügt. In der Darmwand sitzen Neuronen und Gliazellen, die normalerweise für die Bewegungsfähigkeit des Darms verantwortlich sind.

Die Forscher fanden heraus, dass diese Gliazellen und Neuronen im Darm die Stressmoleküle wahrnehmen, darauf reagieren und die Immunantwort im Darm verändern können. Wenn die Zellen über längere Zeit Stress, also Glukokortikoid-Hormone, wahrnehmen, beginnen sie, entzündliche Moleküle zu produzieren, die Immunzellen im Darm aktivieren. Dadurch wird die Darmentzündung verschlimmert. Gleichzeitig verlieren die Neuronen im Darm ihre Fähigkeit zur Muskelregulation, was dazu führt, dass die Nahrung länger im Darm verbleibt.

Depressionen, Angststörungen und Morbus Crohn

Menschen mit CED haben ein höheres Risiko für Depressionen und Angststörungen als die Allgemeinbevölkerung. Depressionen können den Verlauf von CED negativ beeinflussen. Es gibt Hinweise darauf, dass Depressionen nicht nur durch CED ausgelöst werden können, sondern auch das Risiko für die Entwicklung von Morbus Crohn und Colitis ulcerosa erhöhen können. Eine Analyse von Daten von 9 Millionen Menschen ergab ein erhöhtes Risiko für beide Erkrankungen bei Personen mit Depressionen in der Krankengeschichte.

Auswirkungen auf die Lebensqualität und extraintestinale Manifestationen

Morbus Crohn kann die Lebensqualität der Betroffenen erheblich beeinträchtigen. Die ständigen Durchfälle und Schmerzen können sehr belastend sein. Es gibt Hinweise darauf, dass die Hirn-Darm-Achse für die Entstehung extraintestinaler Symptome bei Morbus Crohn eine Rolle spielt, insbesondere für Fatigue im Remissionsstadium. Eine Studie der Uniklinik Mannheim zeigte ein verringertes Volumen der grauen Substanz in bestimmten Hirnarealen bei Crohn-Patienten, insbesondere bei Patienten in Remission mit Fatigue.

Therapieansätze: Stressreduktion und mehr

Angesichts der komplexen Zusammenhänge zwischen Nervensystem und Morbus Crohn rücken ganzheitliche Therapieansätze in den Fokus. Stressreduktionsstrategien können eine Verschlimmerung der Entzündung verhindern. Experten empfehlen ausreichend Schlaf, regelmäßigen Sport (z.B. dreimal wöchentlich 30 Minuten Walken) und Entspannungsübungen wie Yoga, Meditation oder autogenes Training.

Lesen Sie auch: Die Rolle neurologischer Symptome bei Morbus Wilson

Weitere Therapieansätze umfassen:

  • Medikamentöse Behandlung: Glukokortikoide (Kortison) und Biologika werden eingesetzt, um akute Entzündungen zu mildern.
  • Ernährung: Eine angepasste Ernährung kann helfen, Schüben vorzubeugen und das Immunsystem im Darm zu stärken. In der Akutphase sollte auf Ballaststoffe verzichtet werden, während in der beschwerdefreien Phase eine leichte Vollkost mit entzündungshemmenden Lebensmitteln empfehlenswert ist.
  • Nahrungsergänzungsmittel: Die Einnahme von hochwertigen Nahrungsergänzungsmitteln kann helfen, einem Nährstoffmangel entgegenzuwirken. Curcumin und Omega-3-Fettsäuren können zur gezielten Bekämpfung von Entzündungen eingesetzt werden. Probiotika können die Darmflora unterstützen.
  • Psychologische Betreuung: Eine psychologische Betreuung kann Patienten helfen, positive Strategien im Umgang mit der Erkrankung zu entwickeln.
  • Chirurgische Eingriffe: In schweren Fällen können chirurgische Eingriffe notwendig sein, um Komplikationen wie Fisteln, Stenosen oder einen Darmverschluss zu beheben.

Die Rolle des Enterischen Nervensystems (ENS)

Das Enterische Nervensystem (ENS), auch bekannt als "Bauchhirn", spielt eine zentrale Rolle bei der Verbindung von Stress und Darmentzündung. Unter dem Einfluss von Glucocorticoiden kommt es zu Veränderungen im ENS, die sowohl die Gliazellen als auch die enterischen Nervenzellen betreffen. Die enterischen Nervenzellen können in einen Zustand der Unreife versetzt werden, was zu einem Mangel des Botenstoffes Acetylcholin und einer Störung der Darmmotilität führen kann.

Ernährungsempfehlungen für Morbus Crohn

Eine angepasste Ernährung spielt eine wichtige Rolle bei der Behandlung von Morbus Crohn. Folgende Empfehlungen können helfen, Beschwerden zu lindern und Schüben vorzubeugen:

  • Entzündungsfördernde Lebensmittel vermeiden: Zusatzstoffe, stark blähendes Gemüse (z.B. Kohl), rohes Gemüse und kohlensäurehaltige Getränke können die Beschwerden im Magen-Darm-Trakt verstärken.
  • Entzündungshemmende Lebensmittel bevorzugen: Omega-3-Fettsäuren (z.B. in Fisch oder über Nahrungsergänzung), bestimmte Gewürze und Kräuter (z.B. Kurkuma) und Probiotika können entzündungshemmend wirken.
  • Auf ausreichende Nährstoffversorgung achten: Durch Durchfälle, Erbrechen und Schädigungen der Darmschleimhaut kann es zu einem Mangel an Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen kommen. Eine gezielte Zusammensetzung der Nahrung und die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln können helfen, diesem Mangel entgegenzuwirken. Besonders wichtig sind Eisen, Calcium, Zink, Vitamin B12 und Vitamin D.
  • Individuelle Unverträglichkeiten berücksichtigen: Eventuelle Unverträglichkeiten gegen Gluten, Fruktose oder Laktose sollten beachtet werden.

Schmerzmanagement bei Morbus Crohn

Schmerzen sind ein häufiges Symptom bei Morbus Crohn und können die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen. Die Schmerzen können unterschiedlich sein: dumpf, stechend, krampfartig, episodenhaft oder dauerhaft. Sie treten oft im rechten Unterbauch und einige Zeit nach dem Essen auf, können aber auch in Gelenken oder Muskeln auftreten.

Die Behandlung von Schmerzen bei Morbus Crohn hängt von ihrer Ursache ab. In manchen Fällen können Schmerzmittel helfen, bis ein Schub nachlässt. Es ist wichtig, die Einnahme von Schmerzmitteln mit dem Arzt zu besprechen, da einige Schmerzmittel den entzündeten Darm zusätzlich belasten können.

Lesen Sie auch: Was ist idiopathischer Morbus Parkinson?

tags: #Morbus #Crohn #Nervensystem #Zusammenhang