Multifokale motorische Neuropathie: Leitlinien, Diagnose und Therapie

Die multifokale motorische Neuropathie (MMN) ist eine seltene, erworbene neurologische Erkrankung, die durch eine langsam fortschreitende, asymmetrische Muskelschwäche ohne sensible Störungen gekennzeichnet ist. Sie wird von der chronisch-inflammatorischen demyelinisierenden Polyneuropathie (CIDP) und ihren Varianten abgegrenzt. Die Prävalenz der MMN liegt bei 1-2/100.000, wobei Männer häufiger betroffen sind als Frauen. Die Erkrankung manifestiert sich meist zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr.

Überblick über die multifokale motorische Neuropathie

Die multifokale motorische Neuropathie ist eine erworbene Erkrankung mit langsamer Progredienz, die asymmetrisch ohne sensible Störungen auftritt. Sie stellt eine eigenständige Erkrankung dar, die sich von der CIDP und ihrer asymmetrischen Variante unterscheidet. Die Prävalenz liegt bei 1 - 2/100 000, Männer sind häufiger betroffen als Frauen. Die Erkrankung tritt meist zwischen dem 30. - 50. Lebensjahr auf. Zur Diagnosesicherung tragen spezifische elektrophysiologische Befunde und häufig der Nachweis von Gangliosid-GM1-Antikörpern bei.

Autoimmunologische Grundlagen der CIDP

Die chronisch inflammatorisch demyelinisierende Polyneuropathie (CIDP) gilt als autoimmunologisch bedingte Erkrankung des peripheren Nervensystems. Sie ist eine sehr seltene Erkrankung und tritt bei ca. 4 - 8 von 100 000 Menschen auf. Sie kann in jedem Alter auftreten, gehäuft allerdings im 6. und 7. Lebensjahrzehnt und betrifft häufiger Männer.

CIDP ist eine Autoimmunkrankheit, d. h. das körpereigene Abwehrsystem greift die Nerven an. Dabei ist das periphere Nervensystem betroffen. Ein wichtiger Teil der Nerven, die Myelinscheiden, sind entzündet und werden zerstört.

Ursächlich für die Entstehung einer Autoimmunerkrankung ist wahrscheinlich eine Kreuzreaktion (Molekulare Mimikry). Hierbei entsteht auf dem Boden einer Infektion eine Immunantwort aufgrund von gemeinsamen, kreuzreagierenden Epitopen, die ihrerseits mit Komponenten des peripheren Nervensystems reagieren. Diese können zum Beispiel gegen die Hüllschicht, also das Myelin, gerichtet sein. Es kommt zu einer Schädigung des Myelins, also zu einer sogenannten Demyelinisierung. Höchstwahrscheinlich trägt aber auch eine Vorschädigung der Nerven, durch die bestimmte Epitope freigesetzt werden können, entscheidend dazu bei.

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Symptome der CIDP

Folgende Beschwerden können u. a. Probleme, Bewegungen zu steuern und aufeinander abzustimmen. Der Gang ist dann breitbeinig, schwankend und unsicher. Diese Gangataxie kann auch das einzige Symptom sein. Manchmal beginnt CIDP so plötzlich wie GBS. Statt einer Besserung, wie beim GBS, wird es unbehandelt aber schlechter.

Die Symptome von CIDP können sich schnell oder langsam verstärken. Dabei sind die Auswirkungen sehr unterschiedlich. Es gibt sehr viele unterschiedliche Verläufe von CIDP. Einige Betroffene erleben die Erkrankung als schleichenden Prozess. Andere erfahren schubweise Verschlechterungen.

In der klassischen Ausprägung, die ca. 50 % aller Patienten mit der Diagnose einer CIDP umfasst, klagen die Patientinnen und Patienten typischerweise über eine sich im Verlaufe von Wochen bis Monaten entwickelnde Schwäche der Beine sowie der Arme, die sowohl körperstammnah (proximal) als auch körperfern (distal) auftritt. Die Fußhebung und das Treppensteigen können erschwert sein. Es können Schwierigkeiten in der Feinmotorik der Hände aber auch bei Überkopfarbeiten auftreten. Darüber hinaus treten sensible Störungen in Form von Taubheitsgefühlen, Kribbelgefühlen oder auch in Form von Gangunsicherheit auf. Selten treten auch Brennschmerzen auf. Bei der klassischen CIDP stehen die motorischen Ausfälle im Vordergrund.

Neben der klassischen Ausprägung kann sich eine CIDP aber auch in „atypischen“ Varianten ausprägen. Im Gegensatz zu der am ehesten altersbedingten idiopathischen Polyneuropathie, die sehr langsam über Jahre fortschreitet, entwickelt sich die Symptomatik bei allen Erscheinungsformen (klassisch und atypische Varianten) jedoch in der Regel rascher, d.h. innerhalb von Wochen und Monaten. Der Verlauf kann sowohl kontinuierlich fortschreitend, aber auch schubförmig sein. Die CIDP gilt als Autoimmunerkrankung, die eher im späteren Erwachsenenalter auftritt.

Es kommt zu Kribbeln, Taubheitsgefühlen, Erschöpfung oder Schwäche. Dies beginnt in der Regel in Zehen und Fingern. Der Zustand verschlechtert sich im Laufe von mehreren Wochen. Ohne Therapie nimmt der Grad der Schwäche immer weiter zu.

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Diagnose der CIDP

Die Diagnose von CIDP ist schwierig und kann dauern. Die Symptome sind sehr verschieden und können für den Patienten und für den Arzt verwirrend sein. Die Diagnose wird gestellt auf dem Boden der typischen klinischen Präsentation, dem Ausschluss aller anderen in Fragen kommenden Ursachen für eine demyelinisierende Polyneuropathie sowie Nachweis einer Demyelinisierung in der elektrophysiologischen Untersuchung.

Einschlusskriterien:

  • Typische CIDP und erloschener oder generell abgeschwächter Reflexstatus
  • Atypische CIDP (rein sensibel, MADSAM, DADS, rein motorisch, fokal) sowie abgeschwächte/erloschenen Reflexe in betroffenen Regionen

Ausschlusskriterien:

  • Borrelieninfektion, Diphtherie, Drogen (Alkohol) oder Gifte
  • Vererbte Neuropathie (Hereditäre sensomotorische demyelinisierende Neuropathie)
  • Im Vordergrund stehende Blasen- und Mastdarmstörungen
  • Diagnose anderweitiger Immunneuropathie
  • IgM monoklonale Gammopathie mit anti-MAG-Antikörpern
  • Andere Gründe für demyelinisierende Polyneuropathie demyel.

Elektrophysiologische Kriterien:

I. CIDP definitiv diagnostiziert

a. um ≥ 50 % verlängerte distal-motorische Latenzen in mindestens zwei Nerven über obere Normgrenze (ULN, upper limit of normal)

b. motorische Leitgeschwindigkeit ≥ 30 % unter untere Normgrenze (LLN, lower limit of normal) in mindestens zwei Nerven

c. ≥ 20 % Verlängerung über ULN der F-Wellen-Latenzen in mindestens zwei Nerven (≥ 50 %, falls distales CMAP < 80 % LLN)

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d. Abwesenheit von F-Wellen in mindestens zwei Nerven, falls distales CMAP ≥ 20 % und zusätzlich ein demyelinisierender Parameter in einem weiteren Nerven

e. partieller motorischer Leitungsblock: ≥ 50 % Amplitudenreduktion im CMAP proximal versus distal, falls distaler MAP ≥ 20 % LLN in zwei Nerven oder in einem Nerv und zusätzlich ein demyelinisierender Parameter in einem weiteren Nerven

f. abnormale zeitliche Dispersion (> 30 % Anstieg der Dauer zwischen proximalem und distalem negativen Ausschlag des CMAP)

g. Distale Dauer des CMAP (Muskelsummenpotenzial, negativer Ausschlag, compound muscle action potential) ≥ 9 ms in mindestens einem Nerv und zusätzlich ein demyelinisierender Parameter in einem weiteren Nerven

Unterstützend für die Diagnose ist die Untersuchung des Nervenwassers, die bei 70 - 90 % aller Patienten mit CIDP eine typische Eiweißerhöhung ohne sonstige entzündliche Veränderungen zeigt. Zudem zeigen ca. 50 % aller CIDP-Patienten in der MR-tomographischen Darstellung entzündliche Veränderungen im Nervenplexus bzw. den -wurzeln. Auch in der ultrasonographischen Darstellung können multiple Nervenschwellungen als typischer Hinweis dargestellt werden.

Neben der klassischen Form kann die CIDP auch in Zusammenhang mit anderen, meist entzündlichen Erkrankungen auftreten. Hierzu zählen neben Infektionen auch chronisch entzündliche Darmerkrankungen, entzündlich rheumatische Erkrankungen, Sarkoidose sowie metabolische Erkrankungen, wie z.B. Diabetes mellitus. Auch eine Assoziation mit malignen Erkrankungen wurde vereinzelt beobachtet. Eine Assoziation mit einer monoklonalen Gammopathie unbestimmter Signifikanz (MGUS) liegt häufiger vor.

Differentialdiagnose

Die Differenzierung zwischen einer chronischen inflammatorischen demyelinisierenden Polyneuropathie (CIDP) und einem Guillain-Barré-Syndrom (GBS) bereitet bei manchen Patienten erhebliche Schwierigkeiten. Bei diesen Patienten beginnt eine chronische inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie ähnlich wie ein Guillain-Barré-Syndrom („GBS-like CIDP“, Abb. 1). Sie sind meist nicht sehr schwer erkrankt, der Nervus facialis kann mitbetroffen sein. Auffällig sind für ein Guillain-Barré-Syndrom untypische frühe Eiweiß-Erhöhungen im Liquor. Wenn sich der Zustand eines Patienten mit Verdacht auf ein Guillain-Barré-Syndrom nach acht Wochen wieder verschlechtert oder wenn der Patient drei oder mehr Rückfälle erleidet, sollte an eine CIDP gedacht werden, so die Empfehlung einer niederländischen Arbeitsgruppe [1]. Eine Therapie mit intravenösen Immunglobulinen (IVIG) ist bei ihnen von Vorteil, da diese sowohl bei einem Guillain-Barré-Syndrom als auch bei einer CIDP wirksam sind.

Therapie der CIDP

Behandelt wird CIDP, abhängig vom Einzelfall, mit Immunglobulinen, Plasmapherese, Cortison und/oder Immunsuppressiva. Physiotherapie und Ergotherapie oder Logopädie sind wichtig bei der Bewältigung von CIDP. Bei der gesicherten CIDP sind wirksame Therapien die immunmodulatorische Therapie mit intravenösen Immunglobulinen (IVIG), Glukokortikosteroiden (GS) und Plasmaaustauschverfahren, die in prospektiven und kontrollierten Studien Ansprechraten von ca. 50 - 75 % aufweisen konnten. Die Wahl der geeigneten Therapie hängt in erster Linie von der Gesamtsituation des Patienten ab. Bei Versagen dieser Therapien kommen auch immunsuppressive Medikamente wie Azathioprin, Methotrexat, Mycophenolat Mofetil, Ciclosporin A in Betracht. Unter Umständen kommen auch therapeutische Antikörper, wie z.B.

Bei der Akuttherapie der CIDP sind Glucocorticoide, intravenöse Immunglobuline und Plasmapherese gleichwertige Mittel der ersten Wahl. Die Wirksamkeit intravenöser Immunglobuline (Gamunex®) wurde in der bislang größten und längsten Plazebo-kontrollierten Studie zur Therapie der CIDP untersucht [2]. Inzwischen liegen auch die Ergebnisse der Follow-up-Phase dieser Studie vor: sie zeigen, dass die physische und mentale Leistungsfähigkeit sowie die Lebensqualität der Patienten durch intravenöse Immunglobuline verbessert werden können [3]. In einem aktuellen evidenzbasierten Konsensus zum Einsatz intravenöser Immunglobuline wird die Anwendung dieser Präparate in der Erhaltungstherapie der CIDP mit einer Evidenzklasse und dem Empfehlungsgrad A bewertet [4].

Im November 2010 wurde eine neue Studie zur Langzeittherapie der CIDP mit dem intravenösen Immunglobulin Privigen® begonnen, in die 30 Patienten eingeschlossen werden sollen. Primärer Endpunkt ist die Ansprechrate nach 25 Wochen, ermittelt mit der Inflammatory Neuropathy Cause and Treatment Scale (INCAT).

Erste Untersuchungen zeigen, dass die Wirksamkeit subkutan applizierter Immunglobuline (SCIG) bei Patienten mit CIDP mit derjenigen intravenös applizierter Immunglobuline vergleichbar ist.

Therapieansätze im Überblick:

  • Kortikosteroide: Kortikosteroide (umgangssprachlich auch Kortison genannt) werden schon seit langer Zeit erfolgreich in vielen verschiedenen Therapiegebieten eingesetzt und haben auch bei CIDP ihre Wirksamkeit bewiesen. Sie wirken stark entzündungshemmend und unterdrücken die überschießende Reaktion des Immunsystems. Kortikosteroide werden oft in der akuten Phase (Akuttherapie) in hohen Dosierungen verabreicht, um eine möglichst rasche Reduktion der Symptome zu erzielen. Ist eine dauerhafte Erhaltungstherapie notwendig, erfolgt in der Regel eine niedrigere Dosierung. Bei längerfristiger Einnahme (Erhaltungstherapie) von Kortikosteroiden ist das Osteoporose-Risiko deutlich erhöht, daher muss vor Therapiebeginn eine Osteoporose-Prophylaxe gestartet werden.

  • Immunglobuline: Immunglobuline (Ig) haben eine gute Wirksamkeit bei entzündlichen Polyneuropathien bewiesen und werden in den Therapieleitlinien für CIDP, GBS und MMN empfohlen. Sie können intravenös (IVIG) oder subkutan (SCIG) verabreicht werden. Bei beiden Zubereitungen sind die Ig die gleichen, sie unterscheiden sich nur durch ihre Zusatzstoffe und die Art, wie sie verabreicht werden. Immunglobuline, auch Antikörper genannt, sind Teil des Immunsystems zur Abwehr körperfremder Stoffe wie Viren und Bakterien. Therapeutische Immunglobuline werden aus Blut- oder Blutplasmaspenden gewonnen und in einem technisch aufwendigen Verfahren aufgereinigt. Immunglobuline wirken bei CIDP, GBS und MMN als Immunmodulatoren, das heißt, sie wirken regulierend und korrigierend auf das aus den Bahnen geratene Immunsystem ein. IVIG werden erfolgreich sowohl in der Akut- als auch der Erhaltungstherapie von Polyneuropathien eingesetzt. In der Akutphase wird eine höhere Dosis als Infusion über 2-4 Tage verabreicht, in der Erhaltung kann die Dosis erniedrigt werden und eine Infusion ist dann nur noch etwa alle 3 Wochen notwendig. Subkutane Immunglobuline haben bei CIDP und MMN eine vergleichbar gute Wirksamkeit wie IVIG in der Erhaltungstherapie gezeigt. Dazu werden die Immunglobuline über eine Kanüle mit Hilfe einer Pumpe in das subkutane (Unterhaut-)Fettgewebe (in der Regel im Bereich des Bauches oder der Oberschenkel) infundiert, von wo sie allmählich in das Blut aufgenommen werden.

  • Plasmapherese: Die Plasmapherese wird umgangssprachlich auch Blutwäsche genannt. Sie wird zumeist bei einer akuten Verschlechterung eingesetzt oder wenn Kortikosteroide und Immunglobuline keine Wirkung zeigen. Bei der Plasmapherese wird das Blut abgeleitet und aufgereinigt. Dabei werden die Autoantikörper gegen die Myelinscheiden größtenteils herausgefiltert, aber auch andere Komponenten des Immunsystems. Danach wird die Blutaufbereitung wieder zurückgeführt zusammen mit Blutplasma von menschlichen Spendern. Dieser Prozess dauert mehrere Stunden, ist für den Körper sehr anstrengend und kann nur in einer spezialisierten Klinik durchgeführt werden. Allerdings ist die Wirkung der Plasmapherese nur von kurzer Dauer und muss regelmäßig wiederholt werden.

Therapie der multifokalen motorischen Neuropathie

Patienten mit multifokaler motorischer Neuropathie (MMN) sprechen, anders als Patienten mit CIDP, nicht auf Glucocorticoide an; in einigen Fällen tritt nach Applikation von Glucocorticoiden sogar eine Verschlechterung des Krankheitsbilds ein. Auch die Plasmapherese wirkt bestenfalls schwach und birgt das Risiko einer Verschlechterung, möglicherweise weil bei diesem Verfahren antiidiotypische Antikörper entfernt werden.

Studien und Fallberichte zur Anwendung intravenöser Immunglobuline bei Patienten mit multifokaler motorischer Neuropathie belegen eine bis zu mehreren Monaten anhaltende Verbesserung der Muskelkraft. Die Besserung tritt nach 3 bis 10 Tagen ein, die maximale Wirkung wird nach einigen Wochen erreicht. In Studien sprachen bis zu 70% der Patienten auf eine Therapie mit intravenösen Immunglobulinen an, in Fallserien sogar bis zu 90% der Patienten. Die meisten Patienten benötigen Auffrischinfusionen in einem Abstand von zwei bis sechs Wochen. In Einzelfällen kam es nach einem bis mehreren Zyklen intravenöser Immunglobuline zu Remissionen, sodass bei diesen Patienten keine weitere Therapie erforderlich war. Prädiktoren für ein gutes Ansprechen sind hohe Titer der gegen das Gangliosid GM1 gerichteten Antikörper (anti-GM1-AK). Ein schlechtes Ansprechen ist bei ausgeprägten Atrophien und langer Krankheitsdauer zu erwarten. Trotz der insgesamt günstigen Bilanz müssen die Patienten darauf vorbereitet werden, dass die Neuropathie langsam fortschreitet. Auch ein sekundäres Therapieversagen wurde beschrieben.

Zum Einsatz immunmodulierender und immunsuppressiver Wirkstoffe gibt es einer aktuellen Analyse der Cochrane-Collaboration zufolge keine kontrollierten Studien [5]. Die besten Daten liegen nach dieser Analyse für Cyclophosphamid vor, das als Reservemedikament zum Einsparen von Immunglobulinen und bei Therapieversagen von intravenösen Immunglobulinen empfohlen wird [6]. In offenen Studien und Fallberichten wurden bei multifokaler motorischer Neuropathie überwiegend positive Wirkungen einer Anwendung von Cyclophosphamid beschrieben. Zur Anwendung von Azathioprin, Interferon beta und Rituximab liegen sowohl positive als auch negative Fallberichte vor.

Weitere immunvermittelte Polyneuropathien

Neben CIDP und MMN gibt es weitere immunvermittelte Polyneuropathien, die in spezialisierten Sprechstunden behandelt werden. Dazu gehören:

  • Vaskulitische Neuropathien: Erkrankungen des peripheren Nervensystems (PNS), bei denen es durch entzündliche Veränderungen der Blutgefäße zu einer Nervenschädigung kommt. Man unterscheidet isolierte Vaskulitiden des PNS (nichtsystemische vaskulitische Neuropathien, NSVN) und Neuropathien bei systemischen Vaskulitiden oder Kollagenosen. Vaskulitische Neuropathien können auch infektiös, parainfektiös oder paraneoplastisch auftreten. Eine eindeutige Diagnose gelingt letztlich nur durch eine Nervenbiopsie.
  • Polyneuropathien aus dem rheumatischen Formenkreis (zum Beispiel: Lupus-assoziierte Polyneuropathien) oder chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen
  • Polyneuropathien im Rahmen von monoklonalen Gammopathien unklarer Signifikanz (MGUS)
  • Guillain-Barré-Syndrom

Diesen Erkrankungen gemein sind schubförmig oder chronisch voranschreitende Lähmungserscheinungen sowie sensible Ausfall- (Taubheit) oder Reizphänomene (Kribbeln, Kälte/Hitzegefühl), die grundsätzlich durch entsprechende immunmodulierende bzw. immunsuppressive Therapien behandelbar sein können.

Hereditäre Neuropathien

Hereditäre Neuropathien sind eine Gruppe klinisch und genetisch heterogener Erkrankungen des peripheren Nerven. Die Charcot-Marie-Tooth-Erkrankung (CMT), auch hereditäre motorische und sensorische Neuropathie (HMSN) genannt, ist die häufigste Form der hereditären Neuropathien mit einer Prävalenz von ca. 1:2.500. In Abgrenzung zur CMT sind die rein motorischen und rein sensiblen Neuropathien zu sehen, u.a. die hereditären distal motorischen Neuropathien (dHMN) und hereditären sensiblen Neuropathien (HSN) oder mit (autonomer Beteiligung) HSAN. Eine Sonderform ist die HNPP (hereditäre Neuropathie mit Neigung zu Druckparesen).

Klinisch und elektroneurografisch lassen sich hereditäre und erworbene Neuropathien nicht voneinander unterscheiden.

Diagnostik:

Die Familienanamnese bei hereditären Neuropathien kann leer sein, u.a. bei Spontanmutationen (de-novo-Mutationen) oder bei autosomal-rezessivem Vererbungsmodus. Die ersten Symptome müssen nicht in der Kindheit und in der Jugend auftreten. Neuropathien mit „late onset“, d.h. Symptombeginn im mittleren bis späteren Lebensalter sind bekannt.

Seit Beschreibung des ersten Neuropathie-Gens 1991 für die am häufigsten vorkommende CMT1A (PMP22-Gen) sind mittlerweile mehr als 130 Gene bekannt, die mit einer Neuropathie assoziiert sein können. Heutzutage stehen Multi-Gen-Panel und Exom-Sequenzierung zur Verfügung, sehr hilfreich für die endgültige Diagnosestellung. Nur Personen mit molekulargenetisch gesicherter Neuropathie werden an künftigen Therapie-Studien teilnehmen können.

Nervenbiopsien (in der Regel N. suralis) kommen durch die Molekulargenetik weit seltener zur Anwendung als noch vor einigen Jahren. Sie spielen noch eine Rolle bei akuten, inflammatorischen und rasch progredienten Neuropathien.

Therapie:

Bis dato sind für die hereditären Neuropathien noch keine medikamentösen Therapien bekannt. Eine Ausnahme ist die Neuropathie bei der hereditären ATTR-Amyloidose. Seit 2011 steht ein Molekülstabilisator (Tafamidis) zur Verfügung und seit 2018 Gene-Silencing-Therapien.

Bei schmerzhafter Neuropathie kommen verschiedene Substanzen zum Einsatz: u.a. Pregabalin, Gabapentin, Amitryptilin, Duloxetin, Tramadol…

Supportiv stehen für die CMT-Neuropathien Physio- und Ergotherapie zur Verfügung, die regelmäßig und fortlaufend erfolgen sollten. Dies dient der Vermeidung sekundärer Komplikationen wie Muskel- und/oder Sehnenverkürzungen und daraus folgender Gelenkkontrakturen und Schmerzen. Bei klinisch häufig im Vordergrund stehender sensibler Gang- und Standataxie sowie diffuser Schwindelsymptomatik ist Physiotherapie mit integrierter Gangschulung und Gleichgewichtstraining einsetzbar.

Hilfsmittelversorgung und -optimierung sind fester Bestandteil in der Versorgung von Patienten mit Neuropathien, um die Mobilität, Selbstständigkeit in Alltag und Beruf zu unterstützen und zu erhalten.

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