Die multifokale motorische Neuropathie (MMN) ist eine seltene, langsam fortschreitende Erkrankung des peripheren Nervensystems. Sie zeichnet sich durch eine asymmetrische Muskelschwäche ohne sensible Störungen aus. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen, Symptome, Diagnose und Therapie dieser speziellen Form der Immunneuropathie.
Was ist MMN?
MMN ist eine erworbene Erkrankung, die sich von der chronisch-inflammatorischen demyelinisierenden Polyneuropathie (CIDP) und ihrer asymmetrischen Variante unterscheidet. MMN ist eine seltene Erkrankung und wird bei etwa < 1 pro 100.000 Personen diagnostiziert. Die Erkrankung tritt meist zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr auf, wobei Männer häufiger betroffen sind als Frauen.
Ursachen der MMN
Die Ursachen und Entstehung der MMN sind noch nicht vollständig bekannt. Es wird angenommen, dass es sich um eine Autoimmunerkrankung handelt, bei der das Immunsystem fälschlicherweise Bestandteile des peripheren Nervensystems angreift.
Symptome der MMN
Die für die MMN charakteristische Muskelschwäche entwickelt sich langsam im Laufe der Zeit und betrifft vor allem die Arme, meist beginnend in einer der Hände. Die Erkrankung manifestiert sich typischerweise durch eine langsam-progrediente, asymmetrische, distal- und armbetonte, rein motorische Polyneuropathie (PNP).
Diagnosestellung
Die Diagnose der MMN stützt sich auf verschiedene Säulen:
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- Klinische Untersuchung: Neurologisch ausgebildete Ärzte können die typischen Symptome feststellen.
- Elektrophysiologische Untersuchungen: Spezifische elektrophysiologische Befunde tragen zur Diagnosesicherung bei. Hierzu gehören Elektroneurographie und Elektromyographie zur Messung der Nervenleitgeschwindigkeit und Muskelaktivität. Ein wichtiges Kennzeichen ist der Nachweis von multifokalen Leitungsblöcken.
- Laboruntersuchungen: Häufig findet sich im Serum der Nachweis von Gangliosid-GM1-Antikörpern. Allerdings sind diese Antikörper nicht immer vorhanden und können auch bei anderen neurologischen Erkrankungen vorkommen.
Es ist wichtig, andere Erkrankungen mit ähnlichen Symptomen auszuschließen. Dazu gehören:
- Amyotrophe Lateralsklerose (ALS)
- Chronisch-inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie (CIDP)
- Vaskulitische Neuropathien
- Andere immunvermittelte Polyneuropathien (z.B. Lupus-assoziierte Polyneuropathien)
Therapie der MMN
Die Therapie der Wahl bei MMN sind hoch dosierte Immunglobuline (IVIG). Bei Rezidiven kann eine regelmäßige Gabe von Immunglobulinen alle 4-6 Wochen erforderlich sein. In einigen Fällen kann auch Cyclophosphamid in Betracht gezogen werden, jedoch nur als Zweitlinien-Therapie aufgrund erheblicher Nebenwirkungen.
Differenzialdiagnostische Zuordnung und Therapie anderer Immunneuropathien
Die Sprechstunde für Immunneuropathien bietet eine umfassende Diagnostik und Therapie an, einschließlich:
- Sicherung der Verdachtsdiagnose CIDP nach den derzeit geltenden EFNS-Kriterien mittels klinischer Untersuchung und elektrophysiologischer Tests (Neurographie, Elektromyographie).
- Differentialdiagnostische Zuordnung und Therapie anderer Immunneuropathien (z.B. multifokale motorische Neuropathie-MMN, vaskulitische Neuropathien, anti-MAG Polyneuropathie).
- Zweitmeinung bei unklarer Diagnose oder Behandlungsmöglichkeiten, auch im Verlauf der Erkrankung.
- Festlegung eines Therapieplans (intravenöse Immunglobuline, intravenös Glukokortikosteroide).
- Einsatz neuer Therapieansätze bei Versagen der Standardtherapeutika, z.B. mittels therapeutischer Antikörper (Rituximab).
- Therapie auf der neurologischen Normalstation zur Bahnung einer Therapieeskalation bei mittels Gabe Plasmapherese / Immunadsorption.
- Interdisziplinäre Zusammenarbeit mit der Abteilung für Neuropathologie, der Rheumatologie sowie mit der Abteilung für Hämatoonkologie.
- Langjährige Betreuung von Patienten zur Verlaufsbeurteilung und Therapieoptimierung.
- Beratung von Patienten zu besonderen Fragen im Kontext der Erkrankung, wie z.B. Familienplanung.
Polyneuropathien im Allgemeinen
Polyneuropathien (PNP) sind Erkrankungen des peripheren Nervensystems, denen eine Vielzahl von Ursachen zugrunde liegen können. Neben Diabetes mellitus und Alkoholabusus haben autoimmune Neuropathien zunehmendes Interesse erlangt.
Diagnostik von Polyneuropathien
Neben anamnestischen Angaben, klinischer Manifestation und neurologischem Befund sichert die elektrophysiologische Diagnostik (Neurographie, EMG) die Diagnose, kann aber nichts über die Ätiologie aussagen. Hier kann das Labor eine wesentliche Hilfestellung geben.
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Autoimmune Polyneuropathien
Von besonderem Interesse sind PNP, bei denen immunologische Mechanismen bzw. eine Fehlfunktion des Immunsystems eine Rolle spielen. Hierzu gehören die eigentlichen autoimmunen Neuropathien, die paraneoplastischen Erkrankungen des peripheren Nervensystems sowie die vaskulitischen PNP. Die genaue Zuordnung ist für die therapeutische Entscheidung außerordentlich wichtig.
Grundsätzlich werden autoimmune PNP zwischen akuten und chronisch entzündlichen Neuropathien unterschieden. Zugrunde liegt den beiden Erkrankungen eine entzündliche Autoimmunreaktion gegen spezifische Bestandteile des peripheren Myelins. Die Kenntnis über die autoimmunen PNP hat in den letzten Jahren erheblich zugenommen. Entsprechend ist die Klassifikation differenzierter geworden.
Die wichtigsten akuten Verlaufsformen sind das Guillain-Barré-Syndrom (GBS) mit einer Inzidenz von 1,3-2/100.000 sowie verschiedene Subtypen, z. B. das Miller-Fisher-Syndrom.
Die chronischen, immunvermittelten Polyneuropathien (CIP) stellen eine heterogene Gruppe dar mit schwerpunktmäßig motorischen, sensorischen oder sensomotorischen Ausfällen, die sich symmetrisch oder auch asymmetrisch manifestieren können. Die häufigste Form ist die chronisch-inflammatorisch-demyelinisierende Polyneuropathie (CIDP) mit einer Prävalenz von ca. 7,7 pro 100.000 Einwohnern. Sie tritt überwiegend im Erwachsenenalter auf, meist mit subakutem Beginn und motorischen Defiziten, häufig fortschreitend bis zur Gehunfähigkeit, typischerweise mit einem schubförmig-remittierenden Verlauf. Die CIDP macht den größten Anteil der zuvor nicht diagnostizierten Polyneuropathien aus.
Verschiedene Varianten der CIDP werden beschrieben: ataktische Form, multifokale CIDP (multifocal acquired demyelinating sensory and motor neuropathy = MADSAM), fokale CIDP (distal acquired demyelinating symmetric neuropathy = DADS), axonale Form (CIAP) sowie die CIDP mit monoklonaler Gammopathie unbestimmter Signifikanz.
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Labordiagnostik bei Polyneuropathien
Neben der notwendigen Basis- und Liquordiagnostik (Eiweißerhöhung) kann die Labordiagnostik speziell durch den Nachweis von Autoantikörpern (AAk) gegen Ganglioside oder das Myelin-assoziierte Glykoprotein (MAG) wichtige differentialdiagnostische Hinweise geben.
- AAk gegen Ganglioside: Ganglioside sind komplexe Sphingolipide, die als Bestandteil der Zellmembran deren Eigenschaften mitbestimmen. Sie kommen sowohl im Zentralnervensystem (ZNS) als auch in peripheren Nerven (PNS) vor. Ähnliche Strukturen finden sich auch oberflächlich in Mikroorganismen. Gehäuftes Auftreten von PNP nach bestimmten Infektionen (z. B. Campylobacter jejuni, Cytomegalie-Virus, Mycoplasma pneumoniae oder Epstein-Barr-Virus) legen daher einen Zusammenhang über eine Kreuzreaktion nahe. Zu beachten ist, dass Gangliosid-AAk in geringer Frequenz (bis zu 8 %) auch bei gesunden Personen auftreten können.
- AAk gegen MAG: AAk gegen ein Glykoprotein der Zellmembran der Myelinscheiden (Myelin-assoziiertes Glykoprotein = MAG) treten bei Patienten mit PNP fast nur in Verbindung mit einer monoklonalen IgM-Gammopathie auf und sind bei ca. 50 % aller Fälle nachweisbar. Die mit MAG-AAk assoziierte PNP verläuft in der Regel langsam progressiv, symmetrisch, distal ausgeprägt und häufig überwiegend sensibel. Zuweilen finden sich MAG-AAk auch bei dem Guillain-Barré-Syndrom.
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