Das menschliche Gehirn ist eines der faszinierendsten und komplexesten Organe des menschlichen Körpers. Es steuert unser Denken, Verhalten und Empfinden. Trotz jahrhundertelanger Forschung bleiben viele Aspekte des Gehirns ein Rätsel. Dieser Artikel beleuchtet den Aufbau, die Funktionen und die verschiedenen Regionen des Gehirns. Darüber hinaus werden einige Erkrankungen und Störungen des Gehirns sowie Möglichkeiten zur Erhaltung der Gehirnfitness erläutert.
Überblick über das menschliche Gehirn
Das menschliche Gehirn ist ein komplexes Organ, das aus Milliarden von Neuronen und Gliazellen besteht. Es wiegt durchschnittlich 1,5 Kilogramm und ist etwa so groß wie zwei Fäuste. Seine Form erinnert an das Innere einer Walnuss. Das Gehirn wird in vier Hauptbereiche unterteilt:
- Großhirn (Cerebrum)
- Kleinhirn (Cerebellum)
- Zwischenhirn (Diencephalon)
- Hirnstamm
Das Großhirn (Cerebrum)
Das Großhirn ist der größte Teil des Gehirns und macht etwa 85 % des Gesamtvolumens aus. Es besteht aus zwei Hälften, den sogenannten Hemisphären, die durch eine tiefe Fissur getrennt sind. Die beiden Hälften sind durch den Balken (Corpus callosum), einem dicken Strang Nervenfasern, verbunden. Jede Hemisphäre besteht aus vier Lappen:
- Frontallappen (Stirnlappen)
- Parietallappen (Scheitellappen)
- Temporallappen (Schläfenlappen)
- Okzipitallappen (Hinterhauptlappen)
Die Großhirnrinde, die äußere Schicht des Großhirns, besteht aus grauer Substanz und ist stark gefaltet, um die Oberfläche zu vergrößern. Diese Falten bilden Windungen (Gyri) und Furchen (Sulci). Beinahe alle Furchen und Windungen sind mittlerweile benannt. Die graue Substanz liegt außen und bildet die Großhirnrinde, die weiße Substanz liegt innen und bildet das Marklager. Die Großhirnrinde wird in 52 Rindenfelder (Brodmann-Areale) eingeteilt, die die Endstätten der aufsteigenden Nervenbahnen aus Rückenmark, Hirnstamm, Zwischenhirn und Kleinhirn darstellen.
Die Motorische Rinde wird z.B. von zwei Rindenfeldern (Areal 4 und 6) gebildet; ebenfalls zwei Rindenfelder (Areal 44 und 45) bilden das motorische Sprachzentrum (Brocasches Feld); das Sehzentrum wird von Areal 17 gebildet.
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Das Marklager besteht aus Nervenfasermassen, die entweder von Nervenzellen der Großhirnrinde abgehen oder zu ihr hinziehen. Die Projektionsfasern stellen auf- und absteigende Verbindungen zwischen der Hirnrinde und allen unter ihr gelegenen (subkortikalen) Zentren her. Die von der Rinde absteigende Bahnen laufen fächerförmig zusammen und bilden tief im Inneren des Großhirns eine Region, die innere Kapsel (Capsula interna) genannt wird. Diese wiederum enthält die verschiedenen Bahnen zum Thalamus, zur Brücke (im Hirnstamm) und zum Rückenmark. Die Kommissurenfasern verknüpfen die Rindenbereiche der beiden Großhirnhälften miteinander.
An die Großhirnrinde ist unter anderem das Bewusstsein geknüpft. Nur diejenigen Sinnesreize werden bewusst, welche bis zur Großhirnrinde weitergeleitet werden.
Die dichte Vernetzung elektrischer Signalwege im Großhirn ermöglicht komplexe Hirnfunktionen wie Bewegung, Sinneswahrnehmung, Sprache und Gedächtnis.
Das Kleinhirn (Cerebellum)
Das Kleinhirn befindet sich unterhalb des Großhirns und ist für die Koordination von Bewegungen und die Aufrechterhaltung des Gleichgewichts zuständig. Es hat eine feine Oberflächenstruktur mit vielen kleinen Furchen und Windungen. Neue Studien zeigen, dass es auch an Lernprozessen und kognitiven Prozessen beteiligt ist.
Das Zwischenhirn (Diencephalon)
Das Zwischenhirn liegt zwischen dem Großhirn und dem Hirnstamm. Seine Hauptstruktur, der Thalamus, filtert eingehende Signale von unseren Sinnesorganen und leitet sie an das Großhirn weiter. Der Hypothalamus, der sich darunter befindet, steuert durch Hormone primitive Funktionen wie Körpertemperatur, Sexualverhalten, Hunger, Durst und Schlaf.
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Der Hirnstamm
Der Hirnstamm befindet sich unterhalb des Zwischenhirns und verbindet das Gehirn mit dem Rückenmark. Er umfasst eine Vielzahl von Kerngebieten, die für lebenswichtige Funktionen wie Atmung, Herzfrequenz und Blutdruckregulation verantwortlich sind.
Die Gehirnwindungen und Furchen (Gyri und Sulci)
Die Oberfläche des Großhirns ist durch zahlreiche Windungen (Gyri) und Furchen (Sulci) gekennzeichnet. Diese komplexe Struktur vergrößert die Oberfläche des Gehirns erheblich und ermöglicht es, eine große Anzahl von Neuronen auf kleinem Raum unterzubringen, was die Leistungsfähigkeit des Gehirns erhöht. Die größten Furchen, die als Längs-, Quer- und Seitenfurchen bezeichnet werden, dienen als Trennlinien zur anatomischen Unterscheidung der vier Hirnlappen. Die Anzahl und das Muster von Windungen und Furchen können auch durch Umweltfaktoren beeinflusst werden.
Rechte und linke Hemisphäre
Das Gehirn ist in eine rechte und eine linke Hemisphäre unterteilt, die über den Corpus callosum miteinander verbunden sind und zusammenarbeiten. Jede Hemisphäre besteht aus einer Großhirn-, einer Zwischenhirn- und einer Kleinhirnhälfte, die auf bestimmte Funktionen spezialisiert sind, aber gleichzeitig kontinuierlich miteinander kommunizieren.
Die rechte Gehirnhälfte steuert die linke Körperseite, während die linke Gehirnhälfte die rechte Körperseite steuert.
Im Großhirn ist die Hirnrinde der linken Gehirnhälfte für die Sprache verantwortlich. Die Hirnrinde der rechten Gehirnhälfte vermittelt dem Gehirn die räumliche Stellung des Körpers.
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Aufbau des Nervensystems
Das Nervensystem besteht aus Neuronen, Gliazellen und Synapsen. Neuronen sind spezialisierte Zellen, die Signale in Form von elektrischen Impulsen empfangen, verarbeiten und weiterleiten. Gliazellen umgeben und unterstützen das Gehirn und das Rückenmark, indem sie Neuronen mit Nährstoffen und Sauerstoff versorgen, Abfallprodukte entfernen und Neuronen schützen. Synapsen sind die Verbindungen zwischen Neuronen, die die Signalübertragung ermöglichen.
Dimensionen des Gehirns
Das Gehirn macht nur zwei bis drei Prozent der Gesamtmasse unseres Körpers aus, verbraucht aber 20 % seiner Energie. Es enthält etwa 86 Milliarden Neuronen und die gleiche Anzahl an Gliazellen. Der Speicherplatz des Gehirns wird auf ein Petabyte geschätzt.
Steuerung des Körpers durch das Gehirn
Das Gehirn steuert alle unsere Bewegungen, von einfachen Handgriffen bis zu komplexen Tanzschritten. Dabei arbeiten die verschiedenen Bereiche des Gehirns nahtlos zusammen. Das Rückenmark fungiert als Schnittstelle zwischen dem Gehirn und unserem Körper, leitet Signale an die Muskeln und ist für einfache Reflexe verantwortlich.
Das Gehirn kommuniziert mit den Sinnesorganen, den Skelettmuskeln, den Drüsen und der glatten Muskulatur. Diese Kommunikation läuft fast ausschließlich über die Nervenbahnen im Rückenmark.
Kognitive Funktionen und Plastizität des Gehirns
Das Gehirn ist nicht nur für die Steuerung des Körpers verantwortlich, sondern auch für kognitive Funktionen wie Lernen, Gedächtnis, Sprache und Entscheidungsfindung. Diese Funktionen beruhen auf komplexen neuronalen Netzwerken, die sich im Laufe des Lebens entwickeln und verändern.
Die Plastizität des Gehirns ermöglicht es, sich an neue Herausforderungen, Veränderungen und Erfahrungen anzupassen. Das Gehirn kann seine Funktionen verändern und verbessern, indem es neue Verbindungen zwischen Neuronen bildet und bestehende Verbindungen modifiziert. Dieser Prozess der Anpassungsfähigkeit findet während der gesamten Lebensspanne statt und wird durch Faktoren wie Lernen, Erfahrung, körperliche Aktivität und Umgebung beeinflusst.
Das Gedächtnis
Das Gehirn speichert und ruft Erinnerungen ab, indem es verschiedene Formen von Gedächtnissen verwendet: Arbeitsgedächtnis, Kurzzeitgedächtnis und Langzeitgedächtnis. Der Hippocampus spielt eine wichtige Rolle bei der Bildung des Langzeitgedächtnisses.
Die Sprache
Das Gehirn ist entscheidend für die Sprachfunktionen des Menschen. Die Sprachfunktionen sind hauptsächlich in der linken Hemisphäre lokalisiert und umfassen das Broca-Areal (Sprachproduktion) und das Wernicke-Areal (Sprachverständnis).
Störungen und Krankheiten des Gehirns
Das Gehirn ist anfällig für verschiedene Störungen und Krankheiten, darunter:
- Schlaganfall: Unterbrechung der Blutversorgung des Gehirns
- Epilepsie: Störung des Gehirns, die zu wiederholten Anfällen führt
- Demenz: Erkrankung, die das Gedächtnis und die kognitiven Fähigkeiten beeinträchtigt
- Hirntumor: Gutartige oder bösartige Geschwulst im Gehirn
- Parkinson: Absterben von Nervenzellen im Gehirn, was zu Dopaminmangel führt
Die Gehirn-Funktionsbereiche
Die Gehirn-Funktionsbereiche sind vielfältig. Der Hirnstamm ist für die grundlegenden Lebensfunktionen zuständig. Er steuert die Herzfrequenz, den Blutdruck und die Atmung sowie Reflexe wie den Lidschluss-, Schluck- oder Hustenreflex.
Das Zwischenhirn weist mehrere Abschnitte auf, darunter den Thalamus und den Hypothalamus: Im Thalamus werden Sinneseindrücke verarbeitet; über den Hypothalamus werden der Schlaf-Wach-Rhythmus, Hunger und Durst, das Schmerz- und Temperaturempfinden und der Sexualtrieb gesteuert.
Das Kleinhirn koordiniert unsere Bewegungen und das Gleichgewicht und speichert erlernte Bewegungen.
Im Großhirn sitzen auf der einen Seite Sprache und Logik, auf der anderen Seite Kreativität und Orientierungssinn.
In der Hirnrinde - dem äußeren Bereich des Großhirns - sind die Lern-, Sprech- und Denkfähigkeit sowie das Bewusstsein und das Gedächtnis verankert. Hier laufen die Informationen aus den Sinnesorganen zusammen, werden verarbeitet und schließlich im Gedächtnis gespeichert.
Hirnregionen und ihre Funktionen
Die verschiedenen Anteile der Großhirnrinde übernehmen ganz unterschiedliche Funktionen
Großhirn (Telencephalon)
Das Großhirn ist der größte und schwerste Teil des Gehirns und ähnelt mit seinen Falten und Furchen einem Walnusskern. Lesen Sie mehr über seine Anatomie und Funktion im Beitrag Großhirn. Zwischenhirn (Diencephalon)
Das Zwischenhirn besteht unter anderem aus dem Thalamus und dem Hypothalamus. Mehr Informationen über den Aufbau und die Funktion des Diencephalons lesen Sie im Beitrag Zwischenhirn.
Im unteren Schädelbereich befindet sich die Hirnbasis, die - entsprechend der knöchernen Schädelbasis - stärker modelliert ist. Hier liegt der Hirnstamm.
Hirnstamm
Der Hirnstamm ist der stammesgeschichtlich älteste Teil des Gehirns und besteht aus Mittelhirn, Medulla oblongata und Brücke (Pons). Lesen Sie mehr im Beitrag Hirnstamm.
Mittelhirn (Mesencephalon)
Das Mesencephalon ist der kleinste Abschnitt des Gehirns. Alles Wichtige über seinen Aufbau und seine Funktion erfahren Sie im Beitrag Mittelhirn.
Medulla oblongata (Myelencephalon)
Das auch als Nachhirn bezeichnete Meyelencephalon stellt den Übergang zwischen Gehirn und Rückenmark dar. Mehr über diesen Hirnabschnitt lesen Sie im Beitrag Medulla oblongata.
Kleinhirn (Cerebellum)
Oberhalb des Hirnstamms und unterhalb der beiden Großhirnhemisphären sitzt das Kleinhirn. Mehr über seine Aufgaben und seine Anatomie lesen Sie im Beitrag Kleinhirn.
Die Blutversorgung des Gehirns
Das Gehirn benötigt ständig Sauerstoff, Glukose und weitere Nährstoffe. Die Blutversorgung des Gehirns erfolgt über die rechte und linke innere Halsschlagader (Arteria carotis interna) und über die Arteria vertebralis. Durch weitere Arterien werden diese zu einem Gefäßring (Circulus arteriosus cerebri) geschlossen, der die Basis des Zwischenhirns umfasst.
Die feinsten Aufzweigungen (Kapillaren) der Hirnarterien geben Sauerstoff und Nährstoffe aus dem Blut an die Gehirnzellen ab - für andere Stoffe sind sie jedoch weniger durchlässig als vergleichbare Blutgefäße im übrigen Körper. Fachleute nennen diese Eigenschaft „Blut-Hirn-Schranke“.
Die Blut-Hirn-Schranke
Das empfindliche Gewebe im Gehirn ist durch die Blut-Hirn-Schranke gegen schädigende Substanzen im Blut (wie Gifte, Krankheitserreger, bestimmte Medikamente etc.) abgeschirmt.
Wie funktioniert das Gehirn?
Ein reibungsloses Funktionieren aller Organe und Gewebe im Körper sowie ein sinnvolles Verhalten sind nur möglich, wenn alle Organfunktionen von einer übergeordneten Kontrollinstanz koordiniert und kontrolliert werden und alle Informationen, die uns die Umwelt liefert, aufgenommen, verarbeitet und beantwortet werden. Diese Aufgabe leistet unser Gehirn, das Netzwerk aus Milliarden von Nervenzellen (Neuronen).
Die Gehirnzellen sind durch Synapsen, Kontaktstellen zwischen den Zellen, miteinander verbunden. Diese Kontaktstellen spielen eine wichtige Rolle bei der Verarbeitung der Nachrichten. Informationen aus dem Körper oder der Umwelt gelangen etwa in Form von Hormonen über das Blut oder als elektrische Impulse aus den Sinneszellen über Nervenbahnen bis ins Gehirn. Dort werden sie bewertet und verarbeitet. Als Reaktion werden entsprechende Signale vom Gehirn wieder ausgesendet - zum Beispiel an Muskeln, um sich zu bewegen, an Drüsen, um Sekrete zu produzieren und abzugeben, oder an Sinnesorgane, um Reize aus der Umwelt zu beantworten.