Das Multiple Myelom ist eine in der Regel unheilbare, maligne hämatologische Systemerkrankung, die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu den lymphoproliferativen B-Zellerkrankungen gezählt wird. Charakteristisch ist die unkontrollierte Vermehrung monoklonaler Plasmazellen im Knochenmark, die zu einer Produktion funktionsloser, intakter Immunglobuline oder Immunglobulinleichtketten führt.
Was ist Multiples Myelom?
Das Multiple Myelom (MM), auch bekannt als Kahler-Krankheit oder Morbus Kahler, ist eine bösartige Erkrankung des Knochenmarks, bei der sich Plasmazellen unkontrolliert vermehren. Plasmazellen sind Teil der weißen Blutkörperchen und produzieren Antikörper zur Bekämpfung von Infektionen. Beim Multiplen Myelom produzieren die entarteten Plasmazellen jedoch dysfunktionale Antikörper oder nur Bruchstücke davon, was zu einer Vielzahl von Problemen führen kann.
Innerhalb der Plasmazellerkrankungen wird nach der WHO-Klassifikation das Multiple Myelom abgegrenzt von:
- der monoklonalen Gammopathie unbestimmter Signifikanz
- dem solitären Plasmozytom des Knochens
- der systemischen Leichtketten-Amyloidose
- dem POEMS-Syndrom (Polyneuropathie, Organomegalie, Endokrinopathie, monoklonalen Plasmazellerkrankung und Hautveränderungen)
Epidemiologie und Ursachen
Das Multiple Myelom macht weltweit etwa 1 % aller Krebserkrankungen und 10-15 % aller hämatologischen Neoplasien aus. In Deutschland ist es mit etwa 6.500 Neuerkrankungen die dritthäufigste hämatologische Erkrankung nach Leukämien und Non-Hodgkin-Lymphomen. Das mediane Erkrankungsalter liegt bei 71 Jahren für Männer und bei 74 Jahren für Frauen. Das Erkrankungsrisiko steigt in höherem Alter deutlich an, Erkrankungen vor dem 45. Lebensjahr sind äußerst selten (etwa 2 % aller Fälle). Die relative 5-Jahres-Überlebensrate betrug im Zeitraum 2009-2010 etwa 45 %.
Die Ätiologie des Multiplen Myeloms ist noch weitgehend unverstanden. Neben ionisierender Strahlung, Pestiziden und Benzol werden auch Adipositas und chronische Infektionen als begünstigende Faktoren diskutiert. Starke ionisierende Strahlung (radioaktiv), angeborene Immundefekte und bestimmte Autoimmunerkrankungen können offenbar das Risiko, an einem multiplen Myelom zu erkranken, erhöhen. Sehr selten kommt es zu einer familiären Häufung der Erkrankung, die Erkrankung gilt aber nicht als Erbkrankheit. Anders als bei anderen Krebserkrankungen (z.B. Lungenkrebs durch Rauchen) gibt es kein heute bekanntes Risikoverhalten, durch welches eine Myelomerkrankung begünstigt wird. Somit gibt es für bösartige Plasmazellerkrankungen auch keine vorbeugenden Maßnahmen, durch deren Einhaltung die Erkrankung zu vermeiden wäre.
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Definition und prognostische Faktoren
Bei den meisten Patienten entwickelt sich das Multiple Myelom auf der Grundlage einer monoklonalen Gammopathie unbestimmter Signifikanz, die bei 3-5 % aller Menschen über 50 Jahre meist als Zufallsbefund diagnostiziert wird. Das durchschnittliche Risiko der Progression in ein Multiples Myelom beträgt etwa 1 % pro Jahr. Ein weiteres Zwischenstadium zum symptomatischen Multiplen Myelom stellt das „smoldering“-(asymptomatische) Myelom (SMM) dar, das sich wie die monoklonale Gammopathie unbestimmter Signifikanz durch das Fehlen von Organschäden (CRAB-Kriterien) auszeichnet. Das „smoldering“-Myelom unterscheidet sich von der monoklonalen Gammopathie unbestimmter Signifikanz durch ein höheres Risiko der Progression in ein Multiples Myelom. In den ersten fünf Jahren nach Diagnosestellung beträgt das Risiko etwa 10 % pro Jahr.
Das „smoldering“-Myelom bedarf noch keiner Therapie, jedoch sollte bei bestimmten Risikofaktoren eine Therapie in Erwägung gezogen werden.
Symptome des Multiplen Myeloms
Ein Multiples Myelom kann mehrere Jahre ohne Krankheitsanzeichen bestehen. Beschwerden treten häufig erst im fortgeschrittenen Stadium auf. Beim überwiegenden Teil der Patienten macht sich das MM durch Knochenschmerzen bemerkbar, vor allem im Sinne von Rückenschmerzen. Obwohl sehr viele Menschen Rückenbeschwerden beklagen, sind diese nur äußerst selten durch eine bösartige Erkrankung mit Beteiligung des Knochens verursacht, weshalb häufig zunächst „Verschleisserscheinungen“ (degenerative Veränderungen) des Bewegungsapparates für die Schmerzen des Patienten verantwortlich gemacht werden. Aus diesem Grund vergehen zwischen dem Auftreten von Knochenbeschwerden und der Diagnose einer Myelomerkrankung häufig Wochen bis Monate. Bei vielen Patienten wird zunächst eine Schmerztherapie (Tablettentherapie, „Spritzenbehandlung“) eingeleitet oder versucht, durch physikalische Maßnahmen (Massagen, „Einrenkung“) Linderung zu verschaffen. Oft wird die Erkrankung erst bei Auftreten weiterer Symptome der Erkrankung (Beschwerden durch eine Blutarmut, eine Nierenfunktionsbeeinträchtigung, eine Lähmungserscheinung im Rahmen von Wirbelkörperbrüchen, eine Kalziumerhöhung im Blut) oder bei Nachweis auffälliger Laborparameter erkannt.
Die Symptome, mit denen sich Patienten mit einem Multiplen Myelom vorstellen, sind häufig unspezifisch und können anamnestisch bereits über einen längeren Zeitraum bestehen. Eine unklare Anämie findet sich bei 73 % aller Patienten gefolgt von Knochenschmerzen 58 % und Fatigue 32 %. Etwa 25 % der Patienten berichten über einen unklaren Gewichtsverlust und oft findet man eine eingeschränkte Nierenfunktion.
Neben Knochenschmerzen sind mögliche Symptome einer Myelomerkrankung:
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- Zeichen einer Blutarmut, wie Abgeschlagenheit, Antriebsarmut, Luftnot bei Belastung oder Kopfschmerzen
- Infektanfälligkeit mit häufig wiederkehrenden, hartnäckigen Infektionen
- Zeichen einer Nierenfunktionsbeeinträchtigung, wie Gewichtszunahme durch Einlagerung von Flüssigkeit in Körpergewebe (Ödeme)
- Zeichen einer Kalziumerhöhung im Blut (Hyperkalziämie)
Immer wieder gibt es auch Patienten, bei denen die Erkrankung zufällig diagnostiziert wird, z.B. nachdem im Rahmen einer Routine-Blutentnahme auffällige Laborwerte festgestellt wurden.
Neurologische Symptome
Das Multiple Myelom kann auch neurologische Symptome verursachen, die durch verschiedene Mechanismen bedingt sein können:
- Direkte Infiltration des Gehirns oder der Hirnhäute: In seltenen Fällen können sich Myelomzellen direkt im Gehirn oder den Hirnhäuten ansiedeln und dort zu neurologischen Ausfällen führen.
- Komplikationen aufgrund der Grunderkrankung:
- Hyperviskositätssyndrom: Die übermäßige Produktion von Paraproteinen kann das Blut verdicken und zu Durchblutungsstörungen im Gehirn führen, was Verwirrtheit, Schwindel, Kopfschmerzen, Krampfanfälle oder sogar Schlaganfälle verursachen kann.
- Hyperkalzämie: Erhöhte Kalziumspiegel im Blut können ebenfalls neurologische Symptome wie Verwirrung, Muskelschwäche und Bewusstseinsstörungen verursachen.
- Niereninsuffizienz: Eine Niereninsuffizienz, die häufig bei Multiplen Myelom auftritt, kann zu einer Ansammlung von Giftstoffen im Körper führen, die das Gehirn beeinträchtigen und neurologische Symptome verursachen können.
- Komplikationen der Behandlung:
- Chemotherapie-induzierte periphere Neuropathie (CIPN): Einige Chemotherapeutika, die zur Behandlung des Multiplen Myeloms eingesetzt werden, können Nervenschäden verursachen, die sich in Form von Taubheitsgefühl, Kribbeln, Schmerzen oder Schwäche in Händen und Füßen äußern können.
- Rückenmarkskompression: Das Multiple Myelom kann auch das Rückenmark beeinträchtigen und Symptome einer Rückenmarkskompression oder Radikulopathie hervorrufen.
Probleme mit dem Gedächtnis und der Konzentration sowie ein allgemeines Gefühl, geistig nicht mehr so wie früher zu funktionieren, können für Patienten und ihre Angehörigen sehr belastend sein. In der Fachsprache wird von „kognitiven Defiziten“ gesprochen. Viele Patienten nehmen diese Symptome während der Chemotherapie wahr. Nach einem Jahr lassen sie nach oder verschwinden sogar ganz. Bei einigen Patienten können diese Störungen allerdings auch jahrelang bestehen bleiben. Die beschriebenen Symptome können auch in Zusammenhang mit belastenden Lebensereignissen auftreten, ohne dass eine Chemotherapie durchgeführt wurde.
Symptome im Überblick:
- Verwirrung
- Schwindel
- Kopfschmerzen
- Krampfanfälle
- Schlaganfälle
- Muskelschwäche
- Bewusstseinsstörungen
- Taubheitsgefühl, Kribbeln, Schmerzen oder Schwäche in Händen und Füßen
- Gedächtnis- und Konzentrationsprobleme
Es ist wichtig zu beachten, dass diese Symptome auch andere Ursachen haben können. Wenn Sie jedoch an einem Multiplen Myelom leiden und eines oder mehrere dieser Symptome bemerken, sollten Sie dies umgehend Ihrem Arzt mitteilen.
Diagnose
Die Diagnostik des Multiplen Myeloms umfasst neben der Anamnese und körperlichen Untersuchung verschiedene Laboruntersuchungen, eine Knochenmarksuntersuchung mit zytogenetischer Analyse sowie eine radiologische Diagnostik zur Erfassung von Knochenveränderungen.
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Falls bei Ihnen der Verdacht auf ein multiples Myelom besteht, sind verschiedene Untersuchungen notwendig: körperliche Untersuchung, Laboruntersuchungen (Blut und Urin), Bildgebung der Knochen (z.B. Computertomographie), Knochenmarkpunktion. Unter Umständen können weitere apparative Untersuchungen (z.B. Kernspintomographie) notwendig sein.
Dabei wurde aufgrund der besseren Sensitivität das konventionelle Ganzkörperröntgen „Pariser Schema“ durch die „low-dose“-Ganzkörper-Computertomographie-Untersuchung weitgehend abgelöst. Die Magentresonanztomographie und die FDG-Positronenemmissionstomographie stellen unterstützende Verfahren dar.
Die wichtigsten diagnostischen Maßnahmen sind:
- Anamnese und körperliche Untersuchung: Der Arzt erfragt die Krankengeschichte und führt eine gründliche körperliche Untersuchung durch.
- Laboruntersuchungen:
- Blutbild: Hierbei werden die Anzahl der verschiedenen Blutzellen (rote Blutkörperchen, weiße Blutkörperchen, Blutplättchen) bestimmt.
- Nierenwerte: Die Nierenfunktion wird überprüft.
- Kalziumspiegel: Der Kalziumspiegel im Blut wird gemessen.
- Bluteiweißuntersuchungen: Es werden spezielle Untersuchungen der Bluteiweiße durchgeführt, um das Vorhandensein von Paraproteinen nachzuweisen.
- Urinuntersuchung: Der Urin wird auf Bence-Jones-Proteine untersucht.
- Knochenmarkpunktion: Eine Knochenmarkprobe wird entnommen und unter dem Mikroskop untersucht, um den Anteil der Plasmazellen zu bestimmen und zytogenetische Analysen durchzuführen.
- Bildgebung:
- Computertomographie (CT): Zur Darstellung von Knochenveränderungen wie Osteolysen oder Frakturen.
- Magnetresonanztomographie (MRT): Kann zusätzliche Informationen liefern, insbesondere bei der Beurteilung von Rückenmarkskompressionen.
- Positronenemissionstomographie (PET-CT): Kann Orte mit erhöhter Stoffwechselaktivität im Körper sichtbar machen und bei der Unterscheidung zwischen aktiven und inaktiven Myelomherden helfen.
Um eine verlässliche Diagnose für das Multiple Myelom stellen zu können, ist eine Knochenmarkpunktion notwendig. Dafür wird die betroffene Person lokal betäubt - meist im Bereich des Beckens, und mithilfe einer Nadel wird Gewebe aus dem Knochenmark entnommen. Sie liegt dafür in der Regel auf dem Bauch oder auf der Seite, und nach etwa 15 Minuten ist die Punktion geschafft. Das Knochenmark wird danach unter dem Mikroskop begutachtet, und die Plasmazellen werden genetisch untersucht. So kann festgestellt werden, ob ein Multiples Myelom vorliegt und in welcher Menge Plasmazellen im Knochenmark vorhanden sind. Weitere Diagnoseverfahren sind die Computertomografie (CT), die Kernspintomografie (MRT) und das PET-CT. Mithilfe eines CTs kann genauer beurteilt werden, an welchen Stellen die Knochen „löchrig“ und instabil sind. Außerdem werden Veränderungen zuverlässig gezeigt. Besteht bei Ihnen der Verdacht auf ein Multiples Myelom, sollten Sie sich für die genaue Diagnose an eine Fachklinik wenden. Bei einem PET-CT werden die Positronen-Emissions-Tomografie (PET) und die Computertomografie (CT) miteinander kombiniert. Das PET kann Orte mit erhöhter Stoffwechselaktivität im Körper sichtbar machen. Da Krebszellen schnell wachsen, brauchen sie auch viel Energie. Mithilfe eines Kontrastmittels können diese Zellen sichtbar gemacht werden, und es wird deutlich, in welchen Bereichen ein bösartiger Tumor lokalisiert sein könnte. Da jedoch nicht alle Tumoren eine erhöhte Stoffwechselaktivität aufweisen, reicht ein PET allein nicht aus, um eine Krebserkrankung festzustellen.
Therapie
Patienten mit einer klonalen Plasmazellerkrankung und Zeichen einer manifesten oder drohenden Organschädigung bedürfen, einer adäquaten Systemtherapie. Auch wenn diese in der Regel nicht kurativ ist, hat sich durch moderne Behandlungskonzepte die 5-Jahres-Überlebensrate für Myelom-Patienten im Alter bis zu 75 Jahren auf zuletzt über 50 % erhöht. Bei 3-20 % der Patienten kann eine komplette Remission der Erkrankung über viele Jahre anhalten.
Die Standardverfahren zur Behandlung des multiplen Myeloms umfassen die systemische medikamentöse Therapie inkl. Chemotherapie, Stammzelltransplantation und neuen Substanzen, die Strahlentherapie sowie die Kombination dieser Verfahren.
Ein wesentlicher Baustein der Therapie des Multiplen Myeloms ist die sogenannte systemische Therapie, die im ganzen Körper wirkt und als Tablette oder als Infusion verabreicht werden kann. Häufig wird eine Kombinationstherapie durchgeführt bestehend aus klassischen Chemotherapeutika, therapeutische Antikörper, Immunmodulatoren und anderen modernen Substanzen. Je nach individueller Konstellation (Allgemeinzustand, Alter, Dringlichkeit) werden die Therapien angepasst. Bei Patientinnen und Patienten in gutem Allgemeinzustand wird zusätzlich eine sogenannte Hochdosistherapie mit dem Medikament Melphalan durchgeführt und anschließend die zuvor gesammelten eigenen Stammzellen verabreicht (sog. autologe Stammzelltransplantation); diese intensive Therapie führt zu einer weitreichenden Zurückdrängung der Erkrankung. Die Stammzelltransplantation wird unter stationären Bedingungen in spezialisierten Krankenhäusern durchgeführt, wie z.B im Klinikum Darmstadt. Mitunter ist es sinnvoll dieses Verfahren zu wiederholen.
Die wichtigsten Therapieoptionen sind:
- Chemotherapie:
- Konventionelle Chemotherapie: Eine konventionelle Chemotherapie, meist in Form einer ambulanten Tablettentherapie, ist bei Patienten indiziert, die für intensivere Therapieformen aufgrund ihres Alters oder aufgrund von Begleiterkrankungen nicht in Frage kommen, oder die nach vollständiger Information die Belastungen und Risiken eine Hochdosistherapie ablehnen.
- Hochdosis-Chemotherapie mit autologer Stammzelltransplantation: Die Hochdosis-Chemotherapie mit Transplantation eigener Stammzellen ist heute die Standardtherapie für die meisten Patienten bis zu einem Alter von etwa 70 Jahren. Oftmals wird dieses Verfahren zweimal im Abstand von rund 3 Monaten durchgeführt (sogenannte "Tandem-Transplantation"). Die Hochdosisbehandlung ist im Vergleich zur Chemotherapie in konventioneller Dosierung (dann ohne Stammzellersatz) belastender, aber auch hinsichtlich der Effektivität überlegen.
- Neue Substanzen: Die Behandlungsmöglichkeiten des MM haben sich in den vergangenen Jahren bedeutend weiterentwickelt. Insbesondere der Einsatz der immunmodulierenden Substanzen Thalidomid, Lenalidomid und Pomalidomid, der Proteasomeninhibitoren Bortezomib, Carfilzomib und Ixazomib sowie der monoklonalen Antikörper (Daratumumab, Isatuximab und Elotuzumab) haben die Ansprechraten, aber auch das Überleben gegenüber den vormaligen Standardtherapien signifikant verbessert. Sowohl in der Erstlinientherapie für Patienten, die sich nicht für eine Hochdosistherapie qualifizieren, als auch in der „Induktionstherapie“ vor eine Hochdosistherapie werden Kombinationen dieser Medikamente mittlerweile als Standardtherapie eingesetzt. Durch Kombination mehrerer dieser Substanzen zu Beginn der Behandlung konnten die Ansprechraten erheblich gesteigert werden. Darüber hinaus können bei vorbehandelten Patienten neue Formen der Immuntherapie wie das Antikörper-Wirkstoff-Konjugat Belantamab Mafodotin oder Car-T-Zellen (patienteneigene, genetisch veränderte Immunzellen) eingesetzt werden. Auch mehrere bispezifische Antikörper befinden sich in klinischer Prüfung.
- Strahlentherapie: Die Strahlentherapie wird zur Linderung von Knochenschmerzen und zur Stabilisierung bruchgefährdeter Knochen angewandt. Die Therapie erfolgt meist ambulant in mehreren Sitzungen.
- Knochenstabilisierende Therapie: Bisphosphonate und Denosumab werden zur Linderung von Knochenschmerzen, Stabilisierung der Knochen und Vermeidung von Knochenbrüchen eingesetzt. Bisphosphonate werden in der Regel in Form monatlicher Infusionen verabreicht, Denosumab wird subkutan (unter die Haut) gespritzt.
- Behandlung neurologischer Komplikationen: Neurologische Symptome werden in der Regel symptomatisch behandelt. Bei Rückenmarkskompression kann eine Notfallbehandlung mit Kortikosteroiden und/oder Strahlentherapie erforderlich sein.
Zusätzliche Behandlungen:
- Schmerztherapie: Eine konsequente, intensive Schmerztherapie kann helfen, Knochenschmerzen zu lindern.
- Behandlung von Infektionen: Infektionen werden mit Antibiotika oder antiviralen Medikamenten behandelt.
- Nierenschutz: Maßnahmen zur Unterstützung der Nierenfunktion können erforderlich sein.
- Psychologische Unterstützung: Eine psychologische Betreuung kann Patienten und ihren Familien helfen, mit der Erkrankung und ihren Folgen umzugehen.
Polyneuropathie
Polyneuropathie bedeutet, dass es an mehreren Bereichen im Körper zu Problemen kommt, weil die Nerven geschädigt sind. Hier in diesem Film, spricht Karin Strube von der Strube Stiftung mit Frau Dr. Katrin Benzler vom Universitätsklinikum Tübingen, über das Thema Polyneuropathie im Rahmen einer Krebserkrankung. Im Verlauf einer Tumortherapie kann es zu Missempfindungen, meist beginnend an Händen und Füßen, kommen. Diese als „Polyneuropathie“ bezeichnete Störung kann durch bestimmte Krebsarzneimittel, wie beispielsweise Thalidomid, Bortezomib, Brentuximab Vedotin oder Vincristin, ausgelöst werden. Bei Erkrankungen, wie dem Multiplem Myelom oder Morbus Waldenström, kann auch die Erkrankung selber zu Polyneuropathie führen. Leider gibt es bisher nur wenige Behandlungsmöglichkeiten für dieses Beschwerdebild. Schmerzen können mit entsprechenden Medikamenten symptomatisch behandelt werden. Zu denken ist auch an ein Training der Beweglichkeit, Geschicklichkeit und des Tastens. Ob dies die Nervenschädigung vermindert oder ob die Betroffenen eher lernen, die Defizite auszugleichen, ist unklar. Vor diesem Hintergrund haben Betroffene aus der Selbsthilfe die Professur für Integrative Onkologie am Universitätsklinikum Jena auf die Durchführung eines Forschungsprojekts zur Polyneuropathie aus Sicht von Krebspatienten angesprochen.
Nachsorge und Rehabilitation
Die Häufigkeit von Verlaufsuntersuchungen hängt von der Art der vorausgegangenen Behandlung und der Aktivität der Erkrankung ab. In der Regel sollten sie im Abstand von etwa 3-6 Monaten erfolgen. Eine ambulante oder stationäre Rehabilitationsmaßnahme ist speziell nach intensiven Therapiemaßnahmen (z.B. Hochdosis-Chemotherapie) sinnvoll.
Leben mit Krebs
Es ist sinnvoll, dass Arzt und Patient die Ziele einer Behandlung gemeinsam besprechen und festlegen. Im Sinne einer offenen Arzt-Patienten-Beziehung muss eine realistische Zielsetzung erfolgen. So ist vor allem bei älteren Patienten kein realistisches Ziel, die Erkrankung vollständig zu heilen. Gerade zu Beginn der Erkrankung stehen bei den meisten Patienten ohnehin ganz andere Ziele im Vordergrund, z.B. das Erreichen von Schmerzfreiheit, der Erhalt der Nierenfunktion oder das Überwinden einer bedrohlichen Infektion. Einige dieser Ziele können zunächst relativ rasch auch ohne Chemotherapie erreicht werden (z.B. Schmerzfreiheit durch eine konsequente, intensive Schmerztherapie oder die Behandlung einer Infektion mit Hilfe von Antibiotika), bei einem „symptomatischen“ Myelom ist jedoch eine zytostatische (die Tumorzellen abtötende) Therapie regelhaft notwendig. Durch die vielfältigen Behandlungsmöglichkeiten, die heute zur Verfügung stehen, kann die Erkrankung bei den meisten Patienten über viele Jahre hinweg gut kontrolliert werden.
Prognose
Der Verlauf der Erkrankung ist sehr variabel. Die Prognose von Patienten mit MM hat sich in den letzten Jahren erheblich verbessert. Eine Heilung des multiplen Myeloms ist jedoch nach wie vor allenfalls bei einer Minderheit der Patienten möglich.
Generell ist zu betonen, dass die Behandlung des Multiplen Myeloms interdisziplinär erfolgt. Neben den Spezialistinnen und Spezialisten für Hämatologie und Onkologie benötigt es Strahlentherapeutinnen/en, Nephrologinnen/Nephrologen und weiterhin Expertinnen und Experten für Orthopädie und Neurochirurgie. Zentrale Austauschstellen sind hierbei die interdisziplinären Tumorkonferenzen, die für jeden Fall ein maßgeschneidertes Konzept ermöglichen.