Multitasking: Schlecht fürs Gehirn – Studien enthüllen die Wahrheit

Jeder versucht wohl ab und zu, mehrere Dinge auf einmal zu tun - in der Hoffnung, Zeit zu sparen. Doch stimmt das tatsächlich? Neurowissenschaftler und Arbeitspsychologen haben das Phänomen über Jahre untersucht und sind zu dem Schluss gekommen, dass Multitasking dem Gehirn schadet.

Was ist Multitasking?

Das Wort Multitasking stammt ursprünglich aus der Informatik. Er beschreibt die Fähigkeit eines Betriebssystems, mehrere Aufgaben, sogenannte Tasks, parallel auszuführen. Doch eigentlich tut auch das Betriebssystem nichts anderes, als permanent zwischen den einzelnen Tasks hin und her zu wechseln - allerdings so schnell, dass der Eindruck entsteht, der Computer erledige alle anfallenden Aufgaben gleichzeitig.

Immer öfter wird der Begriff auch auf den Menschen angewandt. Man unterscheidet zwischen guten und schlechten Multitaskern und die Fähigkeit zum Multitasking gilt, gerade in der Arbeitswelt, zuweilen als fast unentbehrlich. Wer in der Lage ist, eine Vielzahl von Aufgaben gleichzeitig zu erledigen, gilt in einer schnelllebigen Zeit meist als besonders effektiv und leistungsstark. Wer hingegen lieber eine Sache konzentriert nach der anderen abarbeitet, wird oft als ein bisschen gemächlich und langsam im Denken abgetan.

Sind Menschen multitaskingfähig?

Grundsätzlich ist jeder Mensch in gewissem Maße fähig, mehrere Dinge gleichzeitig zu tun. Das betrifft besonders Prozesse, die am Rande stattfinden und die wir über verschiedene Sinne wahrnehmen. Menschen können duschen und dabei laut singen oder eine Hose bügeln und gleichzeitig den Nachrichten lauschen. Auch ein rascher Blick nach draußen, um das Wetter zu checken, ist in der Regel noch parallel dazu möglich.

Auch wenn die Dinge, die jemand tut, alle das gleiche Ziel verfolgen, fällt es mit etwas Übung meist nicht schwer, sie mehr oder weniger gleichzeitig zu erledigen. Ein Beispiel: Sie sitzen im Auto am Steuer und sehen, wie die Ampel an der Kreuzung vor Ihnen auf Rot umspringt. Ziel ist es somit, das Auto zum Stehen zu bringen. Also bremsen Sie und schalten gleichzeitig einen Gang hinunter oder kuppeln aus - dazu müssen sogar der linke Fuß und die rechte Hand zeitgleich mit Informationen aus dem Gehirn versorgt werden. Als problematisch empfinden sie das in aller Regel trotzdem nicht.

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Schwierig wird es allerdings immer dann, wenn das Gehirn komplexe Aufgaben zu erledigen hat, bei denen womöglich sogar Entscheidungen gefragt sind. Wer zum Beispiel gerade am Telefon sagen soll, welcher der drei vorgeschlagenen Termine besser passt, während gleichzeitig der Partner fragt, ob und, wenn ja, was man heute Abend zusammen kochen wolle, können die beiden Entscheidungsprozesse nur nacheinander ablaufen. Sich der einen Sache zuzuwenden bedeutet, die andere kurz zu unterbrechen.

Studien belegen negative Auswirkungen

Mehrere Studien haben die negativen Auswirkungen von Multitasking auf das Gehirn belegt.

Leistungsfähigkeit sinkt

Ein Beispiel: Telefonieren und Auto fahren. Soll man ohnehin nicht tun, jedenfalls nicht ohne Freisprechanlage. in einem Test überprüft. Die Versuchspersonen saßen am Steuer eines Fahrsimulators und sollten während des Fahrens telefonieren, in einem weiteren Versuch sollten sie auch noch eine SMS verfassen. Das Ergebnis: Ihre Leistungsfähigkeit sank um mindestens 40 Prozent. Gleichzeitig erhöhten sich die Stress-Werte der Probanden erheblich.

Gedächtnisleistung leidet

Auch hier waren die Ergebnisse schlecht: Obwohl ausschließlich begabte und sogar einige hochbegabte Studierende unter den Probanden waren, fiel ihre Gedächtnisleistung teilweise auf die von achtjährigen Kindern ab. Manche Forscher nehmen sogar an, dass Multitasking den IQ senkt. Es macht zumindest nicht effizienter, produktiver oder leistungsfähiger.

Das Gehirn wechselt hin und her

Musik hören und dabei den Gedanken freien Lauf lassen - das mag noch funktionieren. Wer aber ein Telefonat führt und gleichzeitig mitschreibt, tut nicht wirklich beides zur selben Zeit. Vielmehr wechselt das Hirn rasant zwischen beiden Tätigkeiten hin und her. Wissenschaftler haben herausgefunden, dass das Gehirn insgesamt mehr Zeit benötigt, wenn es zwischen mehreren Tasks hin und her wechseln muss.

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Multitasking macht nicht zu "Supertaskern"

Forscher der Universität Stanford ließen zwei Gruppen gegeneinander antreten: Die einen waren es ohnehin gewohnt, viele Tätigkeiten gleichzeitig in ihrem Job auszuführen. Die andere hatten weniger Erfahrungen im Multitasking. Beide Gruppen bekamen verschiedene Aufgaben, die sie gleichzeitig ausführen mussten. Man könnte meinen, dass eine ständige Aussetzung mit einer Anzahl von Dingen zur gleichen Zeit eine Person zum Profi im Wechsel zwischen Aufgaben machen sollte. Das würde nur logisch sein, oder? Nun, logisch oder nicht, dies wird nicht passieren. Es gibt einige wenige Beispiele von „Supertaskern“, die dazu in der Lage sind die Arbeitsbelastung zu meistern. Solche "Superhirne" sind allerdings sehr selten und die wenigstens unter uns gehören zu ihnen.

Die "graue Substanz" schrumpft

Erst kürzlich hat ein Forscher herausgefunden, dass es Multitasking überhaupt nicht gibt, denn das menschliche Gehin könne Aufgaben immer nur nacheinander, aber nicht parallel abarbeiten, und jetzt wollen Wissenschaftler des Instituts für kognitive Neurowissenschaften des University College London nachgewiesen haben, dass bei Menschen, die häufig Multitasking betreiben, die graue Substanz in einer Region des Gehirns signifikant schrumpft. Die "graue Substanz" von der die Forscher sprechen, wird auch als "Vorderer Gyrus cinguli" bezeichnet. Darunter sind die Schichten des Gehirns, in denen die Nervenzellkörper liegen, zu verstehen. Also die, die für die Verschaltung und Verrechnung der Informationen zuständig sind. Im Gegensatz dazu findet in der “weißen Substanz” nur die Weiterleitung der Informationen statt. Der Gyrus cinguli ist ein Bereich des Großhirns, der unter anderem für viele kognitive Funktionen, Aggressions- und Sozialverhalten wichtig ist.

Die Neurowissenschaftler befragten in Ihrer Studie 75 gesunde Erwachsene zwischen 18 und 30 Jahren, wie oft sie ihre Aufmerksamkeit gleichzeitig zwischen zwei oder mehr verschiedenen Medientechnologien teilten. Wie häufig sie also gleichzeitig fernsehen und im Web surfen oder Nachrichten verschicken. Dann wurden an den Probanden ein Gehirnscan mit einem bildgebenden Verfahren durchgeführt. Hierbei stellte man fest, dass nur eine Region des Gehirns signifikante Änderungen zeigte, die mit dem Multitasking-Score korrelierten. Je mehr die Probanden Media-Multitasking betrieben, desto geringer war das Volumen an grauer Substanz im vorderen Gyrus cinguli. Alle anderen Gehirnregionen zeigten keine Auffälligkeiten und der Volumenunterschied war auch unabhängig von anderen Eigenschaften der Probanden (wie Alter, Geschlecht etc.).

Was Ursache und Wirkung ist, konnte die Studie allerdings nicht klären. Es ist durchaus möglich, dass nicht das Multitasking ein Schrumpfen der grauen Substanz im Gyrus cinguli bewirkt, sondern dass vielmehr eine geringere Menge an grauer Substanz in diesem Gebiet dazu führt, dass die betroffenen Personen eher fürs Multitasking “anfällig” werden.

Medien-Multitasking beeinträchtigt Aufmerksamkeit und Gedächtnis

Medien-Multitasking könnte möglicherweise mit Aufmerksamkeitsstörungen und Vergessenheit einhergehen, wie kürzlich veröffentlichte Studienergebnisse vermuten lassen. Die Arbeitsgruppe um Professor Dr. Anthony D. Wagner von der Stanford University in Kalifornien untersuchte an 80 jungen Erwachsenen im Alter von 18 bis 26 Jahren, ob Medien-Multitasking zu Aufmerksamkeitsstörungen führt und ob diese sich negativ auf das Erinnerungsvermögen auswirken. Dazu präsentierten die Wissenschaftler den Probanden Bilder auf einem Computerbildschirm. Zehn Minuten später wurde ihnen eine zweite Runde mit teilweise neuen Bilder präsentiert. Während dieser Gedächtnisaufgabe wurde die Hirnaktivität mittels eines Elektroenzephalogramms (EEG) aufgezeichnet und der Pupillendurchmesser beobachtet.

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»Eine erhöhte α-Wellen-Aktivität im hinteren Schädelbereich wurde mit Aufmerksamkeitsstörungen, gedanklichem Abschweifen, und Unaufmerksamkeit in Verbindung gebracht«, erklärte der Erstautor und Postdoktorand an der Stanford University Kevin P. Madore in einer Pressmitteilung der Universität . In einem Fragebogen machten die Teilnehmer unter anderem Angaben zu ihrem Medien-Multitasking-Verhalten, zur Nutzung von Videospielen sowie zur persönlichen Neigung für gedankliches Abschweifen. Die Arbeitsgruppe glich dann die Ergebnisse des Gedächtnisexperiments mit den Angaben im Fragebogen ab. Sie stellten fest, dass Probanden mit geringerer Fähigkeit zur Aufmerksamkeit und intensiverem Medien-Multitasking auch schlechter bei den Gedächtnisübungen abschnitten.

Wagner und Madore betonen, dass ihre Arbeit eine Korrelation, aber keine Kausalität aufzeigt. »Wir können nicht sagen, dass intensives Medien-Multitasking langanhaltende Aufmerksamkeits- und Gedächtnisfehler verursacht«, sagte Madore.

Multitasking löst Stressreaktionen aus

Multitasking, erst recht digitales Multitasking, ist ein Zeichen unserer Zeit. Doch eine in Deutschland durchgeführte Studie zeigte nun, dass es im Körper Stressreaktionen auslöst, indem es das sympathische Nervensystem aktiviert. Andere Stresssysteme des Körpers wurden zwar nicht „angeschaltet“, allerdings erlaubte die Versuchsanordnung auch nur die Messung des Effekts von Kurzzeiteffekts durch Multitasking.

Das menschliche Gehirn kann nur eine geringe Anzahl an Aufgaben parallel erledigen. Erst recht, wenn die Aufgaben ähnliche Hirnregionen fordern. Die Versuchsanordnung analysierte auch nur die Wirkung von kurzzeitigem Stress durch Multitasking. Nur ein Stresssystem wurde in Alarmbereitschaft gesetzt, sehr wahrscheinlich wird aber auch mittelfristig die HPA-Achse und das Immunsystem aktiviert, wenn ‚Multitasking-Stress‘ über eine längere Zeit das Leben bestimmt“, erklärt Prof. Dr. Frank Erbguth, Präsident der Deutschen Hirnstiftung.

Mythos Multitasking

Das Gerücht, mit Multitasking produktiver zu sein, stimmt nicht. Das gilt übrigens auch für ein anderes, sich noch immer hartnäckig haltendes Vorurteil: Frauen sind im Multitasking keinesfalls besser als Männer. Zwar gibt es bei dieser Fähigkeit durchaus individuelle Unterschiede - aber eben nur zwischen einzelnen Menschen, nicht jedoch zwischen den Geschlechtern.

Ist Multitasking gesund?

Bei den meisten Menschen senken Multitasking und ständige Unterbrechungen nicht nur die Produktivität und die Kreativität, sondern führen darüber hinaus auch zu Erschöpfung und Stress. Ebenfalls als wissenschaftlich erwiesen gilt die Tatsache, dass Multitasking das Gedächtnis schwächt. So haben Jugendliche, die oft gleichzeitig am Tablet, Smartphone und vor dem Fernseher zugange sind, größere Schwierigkeiten, sich auf eine bestimmte Aufgabe zu konzentrieren und sich Dinge zu merken, als Gleichaltrige, die nur selten Medien-Multitasking betreiben. Bei Erwachsenen dürfte das vermutlich nicht viel anders sein.

Was tun gegen Multitasking?

„Das Ergebnis der Studie ist ein klares Warnsignal. Wir sollten versuchen, digitales und nicht-digitales Multitasking zu reduzieren, stattdessen besser eine Aufgabe nach der anderen erledigen. Erbguth fügt hinzu: „Zumal es am Ende auch auf die Qualität der Leistung geht. Eine ältere Untersuchung konnte zeigen, dass maximal zwei Aufgaben nebeneinander für das Gehirn noch zu bewältigen sind [2]. Zudem räumt Prof. Erbguth abschließend mit einem gängigen Vorurteil auf. „Frauen beherrschen Multitasking nicht besser als Männer, das haben mittlerweile zahlreiche Studien gezeigt. Vielleicht ist dieses Rollenklischee auch eine Ursache für die höhere Burnoutrate von Frauen.

Tipps für mehr Konzentration

Um sich auf die wesentlichen Aufgaben des Tages zu fokussieren, ist es seit jeher ein probates Mittel, To-do-Listen zu führen. Schreiben Sie auf, was an dem jeweiligen Tag wirklich wichtig ist, und notieren Sie die Reihenfolge, in der die anstehenden Arbeiten erledigt werden sollten. Natürlich wird es manchmal erforderlich sein, diese Abfolge zu ändern, aber im Wesentlichen sollten Sie Ihrem einmal aufgestellten Plan treu bleiben.

Manchen Menschen kann es auch helfen, Not-to-do-Listen zu erstellen: Überlegen Sie sich, welche Dinge heute besser unterbleiben und an einem anderen Tag - oder vielleicht auch gar nicht - erledigt werden sollen. Auch das kann die Konzentration steigern.

Um wirklich aufmerksam an einer Sache arbeiten zu können, hilft es, mögliche Störfaktoren auszuschalten. Hier gilt es, kreativ zu werden, bewährt haben sich beispielsweise die folgenden Tipps: Machen Sie, wenn möglich, die Tür hinter sich zu. Ein Schild mit der Aufschrift „Bitte nicht stören!“ oder „Bitte nur in wirklich dringenden Fällen stören!“ ist kein Zeichen von Unfreundlichkeit. Schalten Sie außerdem das Radio, den Fernseher oder vergleichbare Unterhaltungsgeräte aus.

Bleiben Sie selbstkritisch: Versuchen Sie, sich selbst dabei zu ertappen, wenn Sie mal wieder versuchen, mehrere Dinge gleichzeitig zu tun - egal ob im Job oder in Ihrer Freizeit. Und machen Sie sich bewusst, dass Multitasking sich wirklich nur in den allerseltensten Fällen auszahlt.

Weitere Tipps zur Vermeidung von Ablenkungen

  1. Planen Sie Ihren Arbeitstag: Dies sind die Aufgaben, die Ihren Arbeitstag strukturieren.
  2. Pomodoro-Technik: Dabei teilen Sie Ihren Arbeitstag in 25-minütige Perioden intensiver, fokussierter Arbeit auf, die von 5-minütigen Pausen gefolgt sind.
  3. Seien Sie sich bewusst, dass Multitasking nicht effizient ist: Die Wahrheit ist jedoch genau das Gegenteil. Es ist wirklich schwer das Multitasking aufzugeben, ich genieße es jedoch fokussierter in meinem Tag zu gehen.

Was können Arbeitgeber tun?

In vielen Fällen können die Arbeitgeber jedoch viel tun, um die Situation zu entschärfen. "Zum Beispiel können Führungskräfte zusammen mit den Angestellten ermitteln, wie oft und woher Unterbrechungen und Störungen herkommen", erklärt Andrea Hufnagel. Dann könne man gemeinsam Ideen entwickeln, wie sich diese vermeiden lassen. "Man kann Servicezeiten festlegen, oder Räume einrichten, in die man sich zurückziehen kann, um in Ruhe zu arbeiten," sagt Andrea Hufnagel. Wichtig sei vor allem, auf die Belange der Mitarbeiter zu achten und konkrete Ziele formulieren. Was wollen wir erreichen? Was ist realistisch?

Weitere Tipps für den Umgang mit Multitasking im Arbeitsalltag

  • Prüft, ob sich die eigene Arbeit besser organisieren lässt.
  • Teilt euch die Aufgaben in einzelne, kleinere Arbeitsschritte auf.
  • Schraubt das Arbeitstempo herunter.
  • Richtet euch störungsfreie Zeiten ein, indem ihr zum Beispiel euer Telefon umleitet und die Benachrichtigungsfunktion ausschaltet.
  • Schafft euch Ruhezeiten, zum Beispiel durch ein Schild an der Tür: "Bitte nicht stören!"
  • Geht zwischendurch mal raus, bewegt euch, geht zum Beispiel um den Block spazieren.
  • Findet Hobbys bzw. Tätigkeiten, die ihr gerne macht und in die ihr euch vertiefen könnt, wie beispielsweise Malen, Musikmachen, Sporttreiben.
  • Lernt eure eigenen Bedürfnisse kennen, etwa durch einen Achtsamkeitskurs.
  • Schraubt die Anforderungen an euch selbst herunter, nehmt den Druck heraus.
  • Schafft Ordnung in eurem Arbeitsumfeld.

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