Epilepsie ist eine neurologische Erkrankung, die durch wiederholte epileptische Anfälle gekennzeichnet ist. Diese Anfälle entstehen durch plötzliche, unkontrollierte elektrische Entladungen im Gehirn. Die Art und Weise, wie sich diese Entladungen manifestieren, bestimmt, ob es sich um einen fokalen oder generalisierten Anfall handelt. Dieser Artikel bietet einen detaillierten Überblick über die Unterschiede zwischen fokalen und generalisierten Anfällen, ihre Ursachen, Symptome, Diagnose und Behandlung.
Was ist ein epileptischer Anfall?
Ein epileptischer Anfall ist eine vorübergehende Störung der Gehirnfunktion, die durch eine plötzliche, übermäßige elektrische Entladung von Nervenzellen verursacht wird. Die Symptome eines Anfalls können je nach betroffenem Hirnbereich und Ausmaß der Entladung stark variieren. Einige Anfälle sind kaum wahrnehmbar, während andere zu Bewusstseinsverlust, Krämpfen und anderen schwerwiegenden Symptomen führen können.
Fokale Anfälle
Fokale Anfälle, auch partielle oder lokalisationsbezogene Anfälle genannt, beginnen in einem bestimmten Bereich des Gehirns, dem sogenannten Fokus. Sie betreffen in der Regel nur eine Gehirnhälfte. Die Symptome eines fokalen Anfalls hängen davon ab, welcher Bereich des Gehirns betroffen ist.
Arten von fokalen Anfällen
Es gibt zwei Haupttypen von fokalen Anfällen:
Fokale Anfälle ohne Bewusstseinsstörung (früher einfach-fokal): Bei diesen Anfällen bleibt der Patient bei Bewusstsein und kann sich an den Anfall erinnern. Die Symptome können vielfältig sein und umfassen:
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- Motorische Symptome: Zuckungen, Krämpfe oder Schwäche in einem Körperteil.
- Sensorische Symptome: Kribbeln, Taubheit, Schmerzen oder Veränderungen der Sinneswahrnehmung (z. B. Blitze sehen, Geräusche hören, komische Gerüche riechen).
- Psychische Symptome: Angst, Wut, Halluzinationen oder Déjà-vu-Erlebnisse.
- Vegetative Symptome: Schweißausbrüche, Herzrasen, Übelkeit oder Bauchbeschwerden.
Fokale Anfälle mit Bewusstseinsstörung (früher komplex-fokal): Bei diesen Anfällen ist das Bewusstsein des Patienten beeinträchtigt. Er kann verwirrt sein, nicht auf Ansprache reagieren oder unkontrollierte Bewegungen ausführen (Automatismen). Nach dem Anfall kann er sich nicht mehr daran erinnern.
Aura als Vorbote
Einige fokale Anfälle werden von einer Aura angekündigt. Eine Aura ist ein subjektives Gefühl oder eine Wahrnehmung, die dem Anfall vorausgeht. Sie kann sich als sensorische, psychische oder vegetative Erfahrung äußern. Auren sind eigentlich selbst fokale Anfälle, die vom Betroffenen bewusst erlebt werden.
Sekundäre Generalisierung
Fokale Anfälle können sich auf beide Gehirnhälften ausbreiten und zu einem sekundär generalisierten Anfall führen. Dieser Anfall beginnt fokal, entwickelt sich aber dann zu einem tonisch-klonischen Anfall, der den ganzen Körper betrifft.
Generalisierte Anfälle
Generalisierte Anfälle betreffen von Anfang an beide Gehirnhälften gleichzeitig. Es gibt keinen erkennbaren Fokus im Gehirn. Die Symptome eines generalisierten Anfalls sind in der Regel symmetrisch und betreffen den ganzen Körper.
Arten von generalisierten Anfällen
Es gibt verschiedene Arten von generalisierten Anfällen:
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- Absencen (früher Petit mal): Absencen sind kurze Bewusstseinsaussetzer, die meist nur wenige Sekunden dauern. Der Betroffene unterbricht seine Tätigkeit, starrt ins Leere und ist nicht ansprechbar. Absencen treten häufig bei Kindern und Jugendlichen auf und werden oft als Träumerei oder Unaufmerksamkeit fehlinterpretiert.
- Myoklonische Anfälle: Myoklonische Anfälle sind kurze, plötzliche Muskelzuckungen, die einen einzelnen Muskel oder eine Muskelgruppe betreffen können. Sie verursachen keine Bewusstseinsstörung.
- Klonische Anfälle: Klonische Anfälle sind durch rhythmische Zuckungen der Muskeln gekennzeichnet.
- Tonische Anfälle: Tonische Anfälle verursachen eine plötzliche Anspannung der Muskeln, die zu einem Sturz führen kann.
- Atonische Anfälle: Atonische Anfälle führen zu einem plötzlichen Verlust der Muskelspannung, wodurch der Betroffene zusammenbricht.
- Tonisch-klonische Anfälle (früher Grand mal): Tonisch-klonische Anfälle sind die bekannteste und dramatischste Form von generalisierten Anfällen. Sie beginnen mit einer tonischen Phase, in der sich der Körper versteift und der Betroffene bewusstlos wird. Darauf folgt die klonische Phase, in der es zu rhythmischen Zuckungen der Muskeln kommt. Weitere Symptome können Zungenbiss, Einnässen und Blaufärbung der Haut sein. Nach dem Anfall ist der Betroffene oft erschöpft und verwirrt.
Ursachen von Epilepsie
Die Ursachen von Epilepsie sind vielfältig und oft nicht vollständig geklärt. Einige mögliche Ursachen sind:
- Genetische Faktoren: Einige Epilepsieformen sind erblich bedingt.
- Strukturelle Veränderungen im Gehirn: Hirnschäden durch Schlaganfall, Schädel-Hirn-Trauma, Tumore oder Infektionen können Epilepsie verursachen.
- Stoffwechselstörungen: Stoffwechselerkrankungen können die Gehirnfunktion beeinträchtigen und zu Anfällen führen.
- Entwicklungsstörungen des Gehirns: Angeborene Fehlbildungen des Gehirns können Epilepsie verursachen.
- Unbekannte Ursache: Bei vielen Menschen mit Epilepsie kann keine eindeutige Ursache gefunden werden (kryptogene Epilepsie).
Diagnose von Epilepsie
Die Diagnose von Epilepsie basiert auf einer sorgfältigen Anamnese, einer neurologischen Untersuchung und verschiedenen diagnostischen Tests.
- Anamnese: Der Arzt wird den Patienten oder seine Angehörigen nach der Art der Anfälle, ihrer Häufigkeit, Dauer und Begleitumständen befragen. Augenzeugenberichte sind besonders wichtig, da sich der Patient oft nicht an den Anfall erinnern kann.
- Neurologische Untersuchung: Bei der neurologischen Untersuchung werden die Hirnfunktionen des Patienten überprüft.
- Elektroenzephalographie (EEG): Das EEG ist eine Untersuchung, bei der die elektrische Aktivität des Gehirns gemessen wird. Es kann helfen, epileptiforme Entladungen zu identifizieren und die Art der Epilepsie zu bestimmen.
- Magnetresonanztomographie (MRT): Das MRT ist eine bildgebende Untersuchung, mit der strukturelle Veränderungen im Gehirn dargestellt werden können. Sie kann helfen, Ursachen für die Epilepsie zu finden, wie z. B. Tumore oder Narben.
- Video-EEG-Monitoring: Bei dieser Untersuchung wird das EEG über einen längeren Zeitraum (mehrere Stunden oder Tage) aufgezeichnet, während der Patient gefilmt wird. Dies ermöglicht es, Anfälle aufzuzeichnen und mit den EEG-Veränderungen in Verbindung zu bringen.
Behandlung von Epilepsie
Das Ziel der Epilepsiebehandlung ist es, die Anfälle zu kontrollieren und die Lebensqualität des Patienten zu verbessern. Die Behandlungsmöglichkeiten umfassen:
- Medikamentöse Therapie (Antiepileptika): Antiepileptika sind Medikamente, die die Erregbarkeit der Nervenzellen im Gehirn reduzieren und so Anfälle verhindern. Es gibt viele verschiedene Antiepileptika, und die Wahl des Medikaments hängt von der Art der Epilepsie, dem Alter des Patienten, anderen Erkrankungen und möglichen Nebenwirkungen ab. In der Regel wird mit einem einzigen Medikament begonnen (Monotherapie). Wenn dies nicht ausreicht, können weitere Medikamente hinzugefügt werden (Kombinationstherapie).
- Chirurgische Therapie (Epilepsiechirurgie): Bei einigen Patienten, bei denen die Anfälle nicht durch Medikamente kontrolliert werden können, kann eine Operation in Erwägung gezogen werden. Bei der Epilepsiechirurgie wird der Bereich des Gehirns entfernt, der die Anfälle verursacht (Fokusresektion). Eine andere Möglichkeit ist die Vagusnervstimulation (VNS), bei der ein Gerät implantiert wird, das den Vagusnerv stimuliert und so die Anfallshäufigkeit reduzieren kann.
- Neurostimulation: Bei der Neurostimulation werden bestimmte Hirnstrukturen mit schwachen elektrischen Impulsen stimuliert, um die Anfallshäufigkeit zu reduzieren. Es gibt verschiedene Formen der Neurostimulation, wie z. B. die tiefe Hirnstimulation (THS) und die transkranielle Magnetstimulation (TMS).
- Ketogene Diät: Die ketogene Diät ist eine spezielle Diät, die reich an Fett und arm an Kohlenhydraten ist. Sie kann bei einigen Kindern mit Epilepsie helfen, die Anfallshäufigkeit zu reduzieren.
Erste Hilfe bei einem epileptischen Anfall
Es ist wichtig zu wissen, wie man bei einem epileptischen Anfall Erste Hilfe leistet:
- Ruhe bewahren: Bleiben Sie ruhig und beruhigen Sie die Menschen in der Umgebung.
- Patienten schützen: Sorgen Sie dafür, dass der Patient sich nicht verletzen kann. Entfernen Sie Gegenstände in der Umgebung, die eine Gefahr darstellen könnten. Legen Sie dem Patienten eventuell etwas Weiches unter den Kopf.
- Nicht festhalten: Versuchen Sie nicht, den Patienten festzuhalten oder seine Bewegungen zu unterdrücken.
- Nichts in den Mund stecken: Stecken Sie dem Patienten nichts in den Mund, da dies zu Verletzungen oder Erstickungsgefahr führen kann.
- Beobachten: Achten Sie auf die Dauer und Art des Anfalls.
- Notruf rufen: Rufen Sie den Notruf (112), wenn der Anfall länger als fünf Minuten dauert, der Patient sich verletzt hat oder es sich um den ersten Anfall handelt.
- Nach dem Anfall: Bleiben Sie beim Patienten, bis er wieder vollständig orientiert ist. Sprechen Sie ihn beruhigend an und helfen Sie ihm, sich zu erholen.
Leben mit Epilepsie
Epilepsie kann das Leben der Betroffenen und ihrer Angehörigen stark beeinflussen. Es ist wichtig, sich umfassend über die Erkrankung zu informieren und sich Unterstützung zu suchen. Es gibt viele Selbsthilfegruppen und Beratungsstellen, die Menschen mit Epilepsie und ihren Familien helfen können, mit der Erkrankung umzugehen.
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