Myasthenia Gravis und Inkontinenz: Ein umfassender Überblick

Myasthenia gravis ist eine seltene Autoimmunerkrankung, die durch Muskelschwäche gekennzeichnet ist. Der Zusammenhang zwischen Myasthenia gravis und Inkontinenz ist komplex und nicht vollständig geklärt, obwohl Studien zeigen, dass Blasenfunktionsstörungen bei Patienten mit Myasthenia gravis häufiger auftreten können. Dieser Artikel beleuchtet die verschiedenen Aspekte der Myasthenia gravis, die möglichen Zusammenhänge zur Inkontinenz und die verfügbaren Diagnose- und Behandlungsansätze.

Was ist Myasthenia Gravis?

Myasthenia gravis, was übersetzt "schwere Muskelschwäche" bedeutet, ist eine Autoimmunerkrankung, die die Kommunikation zwischen Nerven und Muskeln stört. Bei gesunden Menschen überträgt der Botenstoff Acetylcholin Impulse von den Nerven zu den Muskeln. Bei Myasthenia gravis blockieren Autoantikörper diese Übertragung, was zu Muskelschwäche und schneller Ermüdung führt.

Symptome der Myasthenia Gravis

Die Symptome der Myasthenia gravis können variieren, verstärken sich jedoch typischerweise im Laufe des Tages oder bei körperlicher Anstrengung. Häufige Symptome sind:

  • Hängende Augenlider (Ptosis) oder Doppeltsehen (Diplopie)
  • Schwierigkeiten beim Sprechen, Schlucken oder Kauen
  • Schwäche in Armen und Beinen
  • Atembeschwerden aufgrund von Schwäche der Atemmuskulatur

In schweren Fällen kann es zu einer myasthenen Krise kommen, die lebensbedrohlich sein kann, wenn die Atemmuskulatur stark beeinträchtigt ist.

Ursachen und Risikofaktoren

Die genauen Ursachen der Myasthenia gravis sind nicht vollständig geklärt. Es wird angenommen, dass eine Kombination aus genetischen Faktoren und Umweltfaktoren eine Rolle spielt. Bei den meisten Patienten werden Autoantikörper gegen Acetylcholinrezeptoren oder andere Proteine an der motorischen Endplatte gefunden. Eine krankhaft veränderte Thymusdrüse, die eine wichtige Rolle im Immunsystem spielt, wird ebenfalls als möglicher Faktor diskutiert.

Lesen Sie auch: Medikamentenliste für Myasthenia Gravis – Achtung!

Diagnose der Myasthenia Gravis

Die Diagnose der Myasthenia gravis umfasst verschiedene Verfahren, um andere Erkrankungen mit ähnlichen Symptomen auszuschließen. Zu den gängigen Diagnosemethoden gehören:

  • Körperliche Untersuchung: Simpson-Test, Pyridostigmin-Test, Tensilon-Test
  • Elektrophysiologische Untersuchung: Serienstimulation zur Beurteilung der neuromuskulären Übertragung
  • Labortests: Nachweis spezifischer Antikörper im Blut
  • Bildgebende Verfahren: Computertomographie (CT) zur Beurteilung der Thymusdrüse
  • Muskelbiopsie: Zum Ausschluss anderer Muskelerkrankungen
  • Quantitative Myasthenia Gravis Test (QMG): Bestimmung des Schweregrades
  • Myasthenia Gravis Activities of Daily Living Test (MG-ADL): Beurteilung der Auswirkungen auf den Alltag

Myasthenia Gravis und Blasenfunktionsstörungen

Studien deuten darauf hin, dass Patienten mit Myasthenia gravis häufiger an Blasenfunktionsstörungen leiden. Eine Umfrage unter Mitgliedern der Deutschen Myasthenie Gesellschaft (DMG e.V.) im Jahr 2023 ergab, dass bei Frauen mit Myasthenia gravis nächtliches Wasserlassen (Nykturie) am häufigsten auftrat, gefolgt von Harndrang, häufigem Wasserlassen (Pollakisurie) und Inkontinenz.

Mögliche Zusammenhänge

Es gibt mehrere mögliche Erklärungen für den Zusammenhang zwischen Myasthenia gravis und Blasenfunktionsstörungen:

  1. Schwäche der Beckenbodenmuskulatur: Myasthenia gravis kann die Beckenbodenmuskulatur schwächen, was zu Belastungsinkontinenz führen kann. Die Beckenbodenmuskulatur spielt eine wichtige Rolle bei der Unterstützung der Blase und der Kontrolle des Harnröhrenschließmuskels.
  2. Detrusorüberaktivität: Einige Patienten mit Myasthenia gravis können eine überaktive Blase entwickeln, die durch unwillkürliche Kontraktionen des Detrusormuskels (Blasenmuskulatur) gekennzeichnet ist. Dies kann zu imperativem Harndrang und Dranginkontinenz führen.
  3. Autonome Dysfunktion: Myasthenia gravis kann auch das autonome Nervensystem beeinträchtigen, das die Blasenfunktion steuert. Dies kann zu Blasenentleerungsstörungen und Inkontinenz führen.
  4. Medikamentöse Therapie: Einige Medikamente, die zur Behandlung von Myasthenia gravis eingesetzt werden, wie z.B. Kortikosteroide, können Blasenfunktionsstörungen als Nebenwirkung haben.

Formen der Inkontinenz

Es gibt verschiedene Arten von Harninkontinenz, die bei Patienten mit Myasthenia gravis auftreten können:

  • Belastungsinkontinenz: Unfreiwilliger Urinverlust bei körperlicher Anstrengung, Husten, Niesen oder Lachen.
  • Dranginkontinenz: Plötzlicher, unkontrollierbarer Harndrang, gefolgt von unfreiwilligem Urinverlust.
  • Mischinkontinenz: Kombination aus Belastungs- und Dranginkontinenz.
  • Überlaufinkontinenz: Unfreiwilliger Urinverlust aufgrund einer übervollen Blase, oft aufgrund einer Blasenentleerungsstörung.

Stuhlinkontinenz

Stuhlinkontinenz kann auch bei jungen Frauen nach einer schweren geburtstraumatischen Verletzung des Beckenbodens auftreten. Aber auch in der älteren Bevölkerung sind diese Symptome sowohl bei Männern als auch Frauen anzutreffen.

Lesen Sie auch: Alles über Myasthenia Gravis

Diagnose von Blasenfunktionsstörungen

Die Diagnose von Blasenfunktionsstörungen bei Patienten mit Myasthenia gravis umfasst eine umfassende Anamnese, körperliche Untersuchung und spezielle Tests. Zu den wichtigen Diagnoseinstrumenten gehören:

  • Anamnese: Erfassung der Symptome, Miktionsfrequenz, Trinkgewohnheiten und Medikamenteneinnahme.
  • Körperliche Untersuchung: Untersuchung des Urogenitaltrakts und neurologische Untersuchung zur Beurteilung der Beckenbodenmuskulatur und der Reflexe.
  • Urinanalyse: Zum Ausschluss von Harnwegsinfektionen und anderen Begleiterkrankungen.
  • Ultraschalluntersuchung: Beurteilung des Harntrakts und Messung des Restharns.
  • Miktionstagebuch: Dokumentation der Miktionsfrequenz, -volumina und Inkontinenzepisoden über mehrere Tage.
  • Urodynamische Untersuchung: Beurteilung der Blasenfunktion und des Harnröhrenschließmuskels.
  • Zystoskopie: Untersuchung der Blase mit einem Endoskop zum Ausschluss von morphologischen Ursachen.

Therapieansätze bei Myasthenia Gravis und Inkontinenz

Die Behandlung von Myasthenia gravis und Inkontinenz erfordert einen individuellen Therapieplan, der auf die spezifischen Bedürfnisse des Patienten zugeschnitten ist.

Behandlung der Myasthenia Gravis

Die Behandlung der Myasthenia gravis zielt darauf ab, die Symptome zu lindern und die Lebensqualität zu verbessern. Zu den gängigen Therapieansätzen gehören:

  • Acetylcholinesterasehemmer: Medikamente wie Pyridostigmin, die die Wirkung von Acetylcholin an der motorischen Endplatte verstärken.
  • Immunsuppressiva: Medikamente wie Kortikosteroide, Azathioprin oder Mycophenolatmofetil, die das Immunsystem unterdrücken und die Autoantikörperproduktion reduzieren.
  • Thymektomie: Chirurgische Entfernung der Thymusdrüse, insbesondere bei Patienten mit Thymom oder generalisierter Myasthenie.
  • Plasmapherese oder Immunadsorption: Verfahren zur Entfernung von Autoantikörpern aus dem Blut bei akuten Krisen oder zur kurzfristigen Verbesserung der Symptome.
  • Intravenöse Immunglobuline (IVIG): Infusion von Antikörpern, die das Immunsystem modulieren und die Symptome lindern können.

Behandlung der Inkontinenz

Die Behandlung der Inkontinenz hängt von der Art und Schwere der Inkontinenz ab. Zu den gängigen Therapieansätzen gehören:

  • Allgemeine Maßnahmen: Gewichtsreduktion, Anpassung des Trinkverhaltens, Reduktion des Kaffeekonsums, Vermeidung von Obstipation.
  • Beckenbodentraining: Stärkung der Beckenbodenmuskulatur zur Verbesserung der Blasenkontrolle.
  • Blasentraining: Vergrößerung des Harnvolumens und der Zeitabstände zwischen den Toilettengängen.
  • Medikamentöse Therapie:
    • Anticholinergika: Medikamente wie Oxybutynin, Tolterodin oder Solifenacin zur Reduktion der Detrusorüberaktivität bei Dranginkontinenz.
    • Beta-3-Agonisten: Medikamente wie Mirabegron zur Entspannung der Blasenmuskulatur und Erhöhung der Blasenkapazität.
    • Duloxetin: Serotonin- und Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer zur Stärkung des Harnröhrenschließmuskels bei Belastungsinkontinenz (hauptsächlich bei Frauen).
    • Lokale Östrogenanwendung: Bei Frauen nach der Menopause zur Verbesserung der urethralen Funktion.
  • Minimalinvasive Verfahren:
    • Botulinumtoxin A Injektion: Injektion von Botulinumtoxin A in den Detrusormuskel zur Reduktion der Detrusorüberaktivität.
    • Neuromodulation: Stimulation der Sakralnerven zur Modulation der Blasenfunktion.
  • Chirurgische Eingriffe: In schweren Fällen, wenn andere Behandlungen versagen, können chirurgische Eingriffe wie die Einlage eines suburethralen Bandes (TVT) bei Belastungsinkontinenz in Betracht gezogen werden.

Spezifische Empfehlungen für Patienten mit Myasthenia Gravis und Inkontinenz

Bei der Behandlung von Inkontinenz bei Patienten mit Myasthenia gravis ist es wichtig, die folgenden Aspekte zu berücksichtigen:

Lesen Sie auch: Myasthenie und Sauna: Infos

  • Vorsicht bei Anticholinergika: Anticholinergika können die Symptome der Myasthenia gravis verschlimmern, da sie die Wirkung von Acetylcholin blockieren. Daher sollten diese Medikamente nur mit Vorsicht und unter enger ärztlicher Überwachung eingesetzt werden.
  • Beckenbodentraining: Beckenbodentraining kann eine wirksame Methode zur Verbesserung der Blasenkontrolle sein, insbesondere bei Belastungsinkontinenz. Es ist jedoch wichtig, dass die Übungen korrekt durchgeführt werden, um eine Überlastung der Muskulatur zu vermeiden.
  • Individuelle Anpassung: Die Therapie sollte individuell an die Bedürfnisse und Symptome des Patienten angepasst werden. Eine enge Zusammenarbeit zwischen Neurologen, Urologen und Physiotherapeuten ist wichtig, um den bestmöglichen Therapieplan zu entwickeln.

Harnwegsinfektionen

Harnwegsinfektionen sind im Rahmen der Therapie von Blasenfunktionsstörungen zu berücksichtigen und ausreichend zu behandeln. Das Vorliegen eines Harnwegsinfektes verschlechtert meist die Symptome, wenn eine Harninkontinenz vorliegt.

Produkte bei Inkontinenz

Inkontinenzprodukte werden begleitend eingesetzt, um den Betroffenen Sicherheit vor unangenehmen Zwischenfällen zu geben.

tags: #Myasthenia #gravis #inkontinenz #zusammenhang