Neuritis vestibularis: Ursachen, Symptome, Diagnose und Therapie

Schwindel ist ein weit verbreitetes Symptom, das viele verschiedene Ursachen haben kann. Eine davon ist die Neuritis vestibularis, eine Entzündung des Gleichgewichtsnervs. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen, Symptome, Diagnose und Therapie dieser Erkrankung und gibt einen Überblick über aktuelle Erkenntnisse und Behandlungsmethoden.

Einführung

Schwindel ist ein Leitsymptom verschiedener Erkrankungen, die ihren Ursprung im Innenohr, Hirnstamm oder Kleinhirn haben können. Psychische Ursachen können ebenfalls eine Rolle spielen. Die Lebenszeitprävalenz von Dreh- und Schwankschwindel liegt bei etwa 30 %. Trotz der hohen klinischen Relevanz besteht für das Leitsymptom Schwindel weiterhin eine Unter- und Fehlversorgung, sowohl in Bezug auf die Diagnose als auch auf die Therapie.

Was ist Neuritis vestibularis? Definition

Neuritis vestibularis, auch Neuropathia vestibularis genannt, ist eine Entzündung des Nervus vestibularis, des Nervs, der Informationen vom Gleichgewichtsorgan im Innenohr zum Gehirn überträgt. Die Entzündung führt zu einer Störung der Nervensignale, was das Gehirn daran hindert, Informationen korrekt zu verarbeiten. Dies führt zu einem plötzlichen Drehschwindel und Gleichgewichtsstörungen. Die Beschwerden sind unter der Bezeichnung „Entzündung des Gleichgewichtsnervs“ bekannt und werden aufgrund des plötzlich auftretenden, intensiven Drehschwindels als sehr unangenehm empfunden.

Ursachen der Neuritis vestibularis

Die genaue Ursache der Neuritis vestibularis ist noch nicht vollständig geklärt. Es wird jedoch vermutet, dass die Reaktivierung einer latenten Virusinfektion, insbesondere des Herpes-simplex-Virus Typ 1 (HSV-1), eine Rolle spielt. Dieses Virus kann im Vestibularganglion, einer Ansammlung von Nervenzellen in der Nähe des Innenohrs, schlummern und bei Reaktivierung eine Entzündung auslösen. Andere diskutierte Ursachen sind Durchblutungsstörungen und Autoimmunerkrankungen. Infolge der Entzündung gelangen die normalen Informationen des Organs nicht mehr zum Gehirn - es fällt quasi aus. So dominieren die Informationen von der gesunden Seite mit der Folge eines Ungleichgewichtes.

Symptome der Neuritis vestibularis

Die Hauptsymptome der Neuritis vestibularis sind:

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  • Akut einsetzender, heftiger Drehschwindel: Dieser Schwindel tritt plötzlich auf und kann über mehrere Tage anhalten. Die Umgebung scheint sich zu drehen (Oszillopsien).
  • Übelkeit und Erbrechen: Begleiten den Schwindel oft.
  • Spontannystagmus: Unwillkürliche, rhythmische Augenbewegungen, meist horizontal-rotierend zur nicht betroffenen Seite. Die Augen gleiten dabei zur gesunden Seite hin und springen dann wieder zurück.
  • Gangabweichung und Fallneigung: Tendenz, zur betroffenen Seite zu fallen.
  • Oszillopsien: Scheinbewegungen der Umgebung.

Es ist wichtig zu betonen, dass das Gehör bei einer Neuritis vestibularis in der Regel nicht beeinträchtigt ist. Die akute Symptomatik dauert selten länger als ein paar Tage, manchmal bis zu ein paar Wochen.

Diagnose der Neuritis vestibularis

Die Diagnose der Neuritis vestibularis basiert auf der Anamnese, der neurologischen Untersuchung und speziellen Tests zur Überprüfung der Gleichgewichtsfunktion.

Anamnese

Die Anamnese umfasst die Erfassung der Art des Schwindels (drehend, schwankend), der Zeitdauer, der modulierenden Faktoren (z. B. Kopfbewegungen) und zusätzlicher Symptome wie Übelkeit, Erbrechen oder Hörstörungen.

Klinische Untersuchung

Die klinische Untersuchung umfasst eine allgemeine körperliche Untersuchung, eine Beurteilung der Kreislaufsituation und eine neurologische Untersuchung. Ein wichtiger Bestandteil ist die HNO-ärztliche Untersuchung, die eine Spiegeluntersuchung, eine Untersuchung auf Nystagmus und einen horizontalen Kopfimpulstest beinhaltet.

  • Kopfimpulstest: Dieser Test überprüft den vestibulo-okulären Reflex (VOR). Bei einer Neuritis vestibularis ist der Test pathologisch, d.h. der Patient kann die Blickrichtung während schneller Kopfbewegungen zur betroffenen Seite nicht halten und macht eine Korrekturbewegung (Sakkade).
  • Frenzelbrille: Mit Hilfe einer Frenzelbrille kann der Arzt unwillkürliche Augenbewegungen (Nystagmus) besser erkennen. Bei einer Neuritis vestibularis zeigt sich meist ein horizontaler oder rotatorischer Spontannystagmus zur gesunden Seite.

Apparative Diagnostik

  • Elektronystagmographie (ENG) mit kalorischer Prüfung: Diese Untersuchung misst die Augenbewegungen als Reaktion auf thermische Reize (warmes oder kaltes Wasser) im Gehörgang. Bei einer Neuritis vestibularis zeigt sich eine Unter- oder Unerregbarkeit des horizontalen Bogengangs auf der betroffenen Seite.
  • Bildgebung (MRT): Bei Verdacht auf eine zentrale Ursache des Schwindels, wie z.B. einen Schlaganfall oder Multiple Sklerose, kann eine MRT-Untersuchung des Schädels durchgeführt werden.

Differentialdiagnosen

Es ist wichtig, andere Ursachen für Schwindel auszuschließen, insbesondere:

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  • Benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel (BPPV): Kurze Drehschwindelattacken, die durch bestimmte Kopfbewegungen ausgelöst werden.
  • Morbus Menière: Erkrankung des Innenohrs mit Schwindel, Hörverlust und Tinnitus.
  • Labyrinthitis: Entzündung des Innenohrs.
  • Akustikusneurinom: Gutartiger Tumor des Hörnervs.
  • Schlaganfall: Hirninfarkt oder Hirnblutung.
  • Multiple Sklerose (MS): Autoimmunerkrankung des zentralen Nervensystems.
  • Vestibuläre Migräne: Migräne mit Schwindelattacken.

Therapie der Neuritis vestibularis

Die Therapie der Neuritis vestibularis zielt darauf ab, die Symptome zu lindern, den Krankheitsverlauf zu verkürzen und bleibende Folgen zu verhindern.

Akuttherapie

  • Antivertiginosa und Antiemetika: Medikamente gegen Schwindel und Übelkeit, insbesondere in den ersten Tagen der Erkrankung. Allerdings sollten diese Medikamente nicht zu lange eingenommen werden, da sie die zentrale Kompensation des Vestibularisausfalls verzögern können.
  • Kortikosteroide: Studien haben gezeigt, dass eine Behandlung mit Kortikosteroiden, wie z.B. Methylprednisolon, die Erholung der peripheren vestibulären Funktion verbessern kann.

Rehabilitation

  • Vestibuläre Rehabilitation: Ein wichtiger Bestandteil der Therapie ist ein individuelles Trainingsprogramm zur Verbesserung der Gleichgewichtsfunktion und Blickstabilisation. Die Übungen umfassen beispielsweise willkürliche Augenbewegungen, Fixationsübungen, aktive Kopfbewegungen und Gleichgewichtsübungen im Stehen und Gehen.

Weitere Maßnahmen

  • Krankenhauseinweisung: Bei starker Übelkeit, Erbrechen, Sturzneigung und fehlender häuslicher Versorgungsmöglichkeit kann eine Krankenhauseinweisung erforderlich sein.

Verlauf und Prognose

Die Prognose der Neuritis vestibularis ist im Allgemeinen gut. Die Mehrzahl der Patienten erholt sich innerhalb von Wochen bis Monaten vollständig von den Beschwerden. In 40-50% der Fälle tritt eine vollständige Restitution der Gleichgewichtsfunktion ein. Bei 20-30% der Betroffenen kommt es nur zu einer partiellen Restitution. Rückfälle sind selten. Eine wichtige Komplikation ist die Entwicklung eines benignen paroxysmalen Lagerungsschwindels (BPPV) auf dem betroffenen Ohr.

Bilaterale Vestibulopathie (BVP)

Eine Sonderform der vestibulären Erkrankungen ist die bilaterale Vestibulopathie (BVP), bei der beide Gleichgewichtsorgane betroffen sind. Leitsymptome der BVP sind bewegungsabhängiger Schwankschwindel mit Gang- und Standunsicherheit, verstärkt in Dunkelheit und auf unebenem Grund, sowie Wackeln der Umwelt (Oszillopsien) und unscharfes Sehen beim Gehen sowie bei Kopfbewegungen. Die Ursachen der BVP sind vielfältig und können ototoxische Medikamente, Infektionen oder Autoimmunerkrankungen umfassen.

Vestibularisparoxysmie

Die Vestibularisparoxysmie ist eine weitere Ursache für Schwindel, die durch kurze, wiederkehrende Schwindelanfälle gekennzeichnet ist. Ursächlich ist eine Kompression des Nervus vestibulocochlearis (VIII. Hirnnerv) im Bereich des Hirnstamms. Die Kompression wird meist durch ein Blutgefäß verursacht.

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