Die Halswirbelsäule (HWS) ist ein komplexes und filigranes System, das eine entscheidende Rolle für die Beweglichkeit und Stabilität des Kopfes spielt. Sie beherbergt und schützt das Rückenmark und ermöglicht die vielfältigen Kopfbewegungen, die wir im Alltag ausführen. Dieser Artikel bietet einen detaillierten Einblick in die Anatomie der HWS, ihre Funktionen, mögliche Beschwerden und Behandlungsansätze.
Was ist die Halswirbelsäule?
Die Halswirbelsäule (HWS) des Menschen besteht aus sieben Halswirbeln (Zervikalwirbel, C1-C7), die zwischen Kopf und Brustwirbelsäule positioniert sind. Sie besitzt eine physiologische Krümmung nach vorne (Lordose), ähnlich der Lendenwirbelsäule. Die Wirbelkörper der HWS werden mit einem "C" für zervikal abgekürzt, dem eine Zahl zwischen 1 und 7 angefügt wird.
Die HWS gilt als der beweglichste Teil der gesamten Wirbelsäule. Sie ermöglicht eine breite Palette von Kopfbewegungen, darunter Neigen, Drehen und Beugen. Die Halswirbelsäule ermöglicht Bewegungen in drei Ebenen. Diese Bewegung gibt der Orthopäde einem Schema folgend in Winkelgraden an. An der HWS ist Vorneigung und Rückneigung, Flexion und Extension genannt, in der ersten Ebene möglich. Der Bewegungsumfang in dieser Ebene der HWS beträgt 35°-45° in Flexion und 35°-45° in Rückneigung. Die zweite Bewegungsebene der HWS ist die Seitneigung. Die dritte Ebene der HWS Bewegung stellt die Rotation dar. Der normale Bewegungsumfang der HWS in Rotation liegt bei 60°-80° Drehbarkeit nach links und 60°-80° Drehbarkeit nach rechts.
Oberes und unteres Kopfgelenk
Der erste Halswirbel wird Atlas genannt, der zweite ist der Axis-Wirbel. Zusammen mit der Schädelbasis bilden sie die beiden Kopfgelenke - das obere und das untere Kopfgelenk.
Das obere Kopfgelenk ist die Verbindung des Hinterhauptbeins mit dem ersten Halswirbel (Articulatio atlantooccipitalis), genauer gesagt mit der oben Gelenkfläche des Atlas. Diese Verbindung ist von einer schlaffen Gelenkkapsel umgeben und wird durch Bänder zwischen dem Hinterhauptloch und dem vorderen und hinteren Atlasbogen gesichert. Das hintere Band hemmt die Nickbewegung des Kopfes. Der Bewegungsumfang (Vor- und Rückbewegung) dieses Gelenkes der Halswirbelsäule beträgt etwa 20 Grad, eine leichte Seitneigung des Kopfes ist ebenfalls möglich.
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Im unteren Kopfgelenk dreht sich der erste Halswirbel (Atlas) zusammen mit dem Kopf um den Zahn (Dens) des Axis-Wirbels. Dieses Gelenk besteht aus drei getrennten Gelenken:
- das erste zwischen dem Zahn des Axis-Wirbels, dem vorderen Bogen des ersten Halswirbels und einem Band im Atlas
- das zweite und dritte rechts und links zwischen den Gelenkflächen des ersten Halswirbels und dem Axis-Wirbel.
Zusammen mit einer dünnen Gelenkkapsel erlauben diese drei Gelenke der Halswirbelsäule einen Bewegungsumfang des Kopfes von 30 Grad nach rechts und links.
Aufbau der Halswirbel
Alle Wirbel der Wirbelsäule sind prinzipiell nach einem einheitlichen Grundschema aufgebaut. Die Grundform aller Wirbel ist die Form eines Ringes oder Hohlzylinders, dessen vorderer Teil - außer beim ersten und zweiten Halswirbel - ein massiver, zylindrisch geformter Knochen mit einer Grund- und einer Deckplatte ist. Dieser sogenannte Wirbelkörper (Corpus vertebrae) ist bei den Wirbeln der Halswirbelsäule kleiner als in der übrigen Wirbelsäule, da die Halswirbelsäule ja nur den Kopf zu tragen hat.
Der erste Halswirbel (Atlas), der den Kopf trägt, hat eine Sonderform - er besitzt keinen wie oben beschriebenen Wirbelkörper, sondern hat eine Ringform mit einem kurzen vorderen und einem langen hinteren Bogen. Dicke Seitenteile werden zu stark ausladenden Querfortsätzen, welche die Wirksamkeit von daran ansetzenden Muskeln, die den Kopf drehen, erhöhen.
Der Atlas ist mit dem zweiten Halswirbel (Axis) über ein Gelenk (Articulatio atlantoaxialis) verbunden. Der Axis-Wirbel hat auf seiner oberen Fläche einen zapfenförmigen Fortsatz, den Zahn (Dens), der an seiner Vorderfläche mit Knorpel überzogen ist. Dieser Zahn greift in den vorderen Bogen des ersten Halswirbels (Atlas) und dient hinten als Gleitfläche für ein starkes Band (Ligamentum transversum), das zusammen mit anderen Bändern den Zahn (Dens) in seiner Lage fixiert und damit auch das Rückenmark schützt.
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Das Wirbelloch - also das Loch im knöchernen Ring der Wirbel, das bei allen Wirbeln zusammen den Wirbelkanal (Canalis vertebralis) bildet, in dem das Rückenmark (Medulla spinalis) und die umgebenden Rückenmarkshäute vom Gehirn ausgehend bis hinunter in den Sakralbereich verlaufen - ist bei der Halswirbelsäule weiter und hat die Form eines Dreiecks mit runden Ecken.
Die Dornfortsätze, die von den Wirbeln nach hinten abgehen, sind in der Halswirbelsäule kurz und mit Ausnahme des siebten Halswirbels gegabelt. Der Dornfortsatz des siebten Halswirbels ist länger als die der anderen (Vertebra prominens) und steht etwas hervor.
Rückenmarksnerven im Bereich der Halswirbelsäule
Die Querfortsätze im Bereich der Halswirbelsäule sind an ihrem Ende in zwei Höcker geteilt, die im oberen Bereich eine Rinne haben, in der auf jeder Seite acht Rückenmarksnerven (Nervi spinales) verlaufen. Die oberen vier Nerven (C1-C4 - Plexus cervicalis) versorgen den Hals und seine Muskulatur sowie das Zwerchfell.
Aus den Halswirbeln C5-C7 treten weitere vier Halsnerven aus (es gibt sieben Halswirbel, aber acht Halsnerven!). Sie versorgen zusammen mit den Nerven des ersten Brustwirbelkörpers (Th1) das Armgeflecht (Plexus brachialis), das die Brust- und Armmuskulatur sowie die Haut dieses Bereichs innerviert.
Bandscheiben, Bänder & Muskeln
Wie bei allen anderen Wirbeln der Wirbelsäule befinden sich zwischen den Halswirbeln Bandscheiben. Aus dem Rückenmark entspringen im Bereich der HWS mehrere Spinalnerven, die Hals-, Brust- und Armmuskulatur sowie das Zwerchfell innervieren. Die Nacken- und Rückenmuskulatur stützen die Halswirbelsäule.
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Funktionen der Halswirbelsäule
Die Halswirbelsäule erfüllt eine Reihe wichtiger Funktionen:
- Beweglichkeit: Die HWS ermöglicht eine breite Palette von Kopfbewegungen, darunter Neigen, Drehen und Beugen.
- Stützfunktion: Die Halswirbelsäule trägt das Gewicht des Kopfes, der durchschnittlich etwa 4,5 bis 5,5 Kilogramm wiegt.
- Schutz der Nervenstrukturen: Die Wirbel in der Halswirbelsäule umgeben und schützen das Rückenmark, das durch den Wirbelkanal verläuft.
- Übertragung von Kräften: Die Halswirbelsäule überträgt Kräfte zwischen dem Kopf und dem Rest des Körpers.
Beschwerden und Erkrankungen der Halswirbelsäule
Die HWS ist anfällig für eine Vielzahl von Beschwerden und Erkrankungen, die oft mit Schmerzen, Bewegungseinschränkungen und neurologischen Symptomen einhergehen.
Häufige Beschwerden
- Nackenschmerzen: Nackenschmerzen sind weit verbreitet. Vor allem Menschen, die am Computer arbeiten, leiden häufig an einer verspannten Nackenmuskulatur. Akute Nackenschmerzen gehören zu den häufigsten Schmerzen überhaupt - jeder Dritte leidet mindestens einmal im Jahr daran. In den meisten Fällen handelt es sich dabei um harmlose Muskelverspannungen, z. B. durch ungünstiges Liegen im Schlaf oder zu langes Sitzen am PC.
- HWS-Syndrom (Zervikalsyndrom): Das Halswirbelsäulensyndrom (HWS-Syndrom oder Zervikalsyndrom genannt) ist ein Sammelbegriff für Schmerzen im Bereich der Halswirbelsäule. Sie können beispielsweise durch Verspannungen entstehen und dabei bis in Schultern, Arme und Kopf ausstrahlen. Viele Betroffene berichten von Nackenschmerzen, einer verspannten Muskulatur und eingeschränkter Beweglichkeit. Begleitend können auch Schwindel, Kopfschmerzen oder Kribbeln in den Armen auftreten.
- Eingeklemmter Nerv: Unter einem eingeklemmten Nerv im Nacken versteht man einen, meist durch eine Kompression durch einen Muskel, gereizten Nerven, der im Bereich des Nackens entspringt. Damit verbunden sind meist bewegungsabhängige Schmerzen und manchmal auch neurologischen Beschwerden. Der Nerven im Nacken entspringen der Halswirbelsäule (HWS).
Ursachen für Beschwerden
- Muskelverspannungen: Übermäßige Muskelanspannung im Nacken- und Schulterbereich, z.B. durch Stress, Fehlhaltungen oder Überlastung.
- Degenerative Veränderungen: Verschleißerscheinungen an den Wirbelkörpern, Bandscheiben und Gelenken der HWS, wie z.B. Arthrose (Spondylose).
- Bandscheibenvorfall (HWS): Bei einem Bandscheibenvorfall der Halswirbelsäule (HWS) tritt Material aus dem inneren Gallertkern einer Bandscheibe im Halsbereich durch den umhüllenden Faserring nach außen. Es drückt auf das Rückenmark oder die Rückenmarksnerven (Spinalnerven) in einem bestimmten Abschnitt der Halswirbelsäule. Die Quetschung der Nerven löst die für einen HWS-Bandscheibenvorfall typischen Symptome aus: starke Nackenschmerzen, Arm- und Schulterbeschwerden.
- Verletzungen: Traumata wie Schleudertraumata bei Autounfällen können zu Verletzungen der HWS, Muskelverspannungen und Nervenreizungen führen.
- Fehlhaltungen und Fehlbelastungen: Eine schlechte Haltung, wie z. B. ein Rundrücken oder das Vorstrecken des Kopfes (z. B. bei der Arbeit am Computer), kann zu einer Überlastung der Nackenmuskulatur und zu Nervenreizungen führen.
- Osteoporose: Ist das Knochengewebe im Wirbelkörper durch Osteoporose instabil, können harmlose Alltagssituationen zu einem Wirbelkörperbruch führen. Dabei kollabiert der Knochen und die Höhe des Wirbels vermindert sich.
Symptome
- Schmerzen: Nackenschmerzen, die in Schultern, Arme, Kopf oder zwischen die Schulterblätter ausstrahlen können.
- Bewegungseinschränkungen: Steifheit und eingeschränkte Beweglichkeit des Nackens.
- Neurologische Symptome: Kribbeln, Taubheitsgefühle, Muskelschwäche oder Lähmungen in Armen und Händen.
- Kopfschmerzen: Spannungskopfschmerzen, die vom Nacken aus in den Kopf ausstrahlen.
- Schwindel: Schwindelgefühle, insbesondere bei Kopfbewegungen.
Diagnose
Um die Ursache von HWS-Beschwerden zu ermitteln, sind verschiedene diagnostische Maßnahmen erforderlich:
- Anamnese: Der Arzt erfragt die Krankengeschichte des Patienten, einschließlich Art, Dauer und Lokalisation der Beschwerden.
- Körperliche Untersuchung: Der Arzt untersucht die Beweglichkeit der HWS, tastet die Nackenmuskulatur ab und prüft die neurologische Funktion.
- Bildgebende Verfahren:
- Röntgen: Zur Beurteilung der Knochenstruktur und zum Ausschluss von Verletzungen oder degenerativen Veränderungen. Eine zentrale Rolle in der Diagnostik hat ein Röntgenbild der Halswirbelsäule nach einem Unfall. Das Röntgenbild der Halswirbelsäule wird aus zwei Perspektiven aufgenommen.
- MRT (Magnetresonanztomographie): Zur Darstellung von Weichteilgewebe wie Bandscheiben, Nerven und Muskeln. Eine MRT Untersuchung kommt immer dann zum Einsatz, wenn man sich nicht genau sicher ist, was die Schmerzen der Halswirbelsäule auslöst oder wenn die Beschwerden auch nach einer längeren Zeit und einer entsprechenden Behandlung nicht abklingen. Im MRT kann man Nerven, Muskeln, Knochen, Bandscheiben und Blutgefäße sehen. Die MRT Untersuchung der Halswirbelsäule gibt somit einen sehr guten Einblick und stellt die beste Diagnostik dar.
- CT (Computertomographie): In manchen Fällen zur detaillierteren Beurteilung der Knochenstruktur.
- Neurologische Tests: Bei Verdacht auf Nervenreizungen oder -schädigungen.
Behandlung
Die Behandlung von HWS-Beschwerden richtet sich nach der Ursache und dem Schweregrad der Symptome.
Konservative Behandlung
- Schmerzlinderung: Schmerzmittel (z.B. Ibuprofen, Diclofenac), Muskelrelaxantien.
- Physiotherapie: Gezielte Übungen zur Stärkung der Nackenmuskulatur, Verbesserung der Beweglichkeit und Haltungsschulung. Bei akuten Nackenschmerzen und anderen Beschwerden, die auf ein HWS-Syndrom zurückgeführt werden können, ist es ratsam, die Halswirbelsäule wieder zu mobilisieren und die Schmerzen zu reduzieren, sodass Sie schnell aus einer Schonhaltung herauskommen. Dabei helfen Dehnübungen, Übungen aus der Rückenschule und ein gezieltes Training der Nackenmuskulatur unter ärztlicher oder physiotherapeutischer Aufsicht. Achten Sie darauf, stets mit kontrollierten, langsamen Bewegungen zu trainieren und abrupte Drehungen des Kopfes zu vermeiden. Geeignete Übungen sind hier z. B. isometrische und kräftigende Übungen für den Nackenbereich, bei der die Halswirbelsäule sanft gedehnt, gekräftigt und mobilisiert wird oder Halteübungen wie der Unterarmstütz. Spazierengehen, Rückenschwimmen und Rudern am Kabelzug tragen ebenfalls dazu bei, die Nackenmuskulatur zu trainieren und zu lockern.
- Manuelle Therapie: Zur Lösung von Blockaden und Verspannungen in der HWS.
- Wärme- und Kälteanwendungen: Zur Schmerzlinderung und Muskelentspannung. Obwohl Kälte- und Wärmeanwendung bei verklemmten Nerven individuell unterschiedlich von den Patienten bewertet werden, scheint eine wärmende Behandlung, z.B. durch wärmende Salben, heißem Bad oder Rotlicht einen besseren, heilenden Effekt bei einem eingeklemmten Nerv zu haben. Der Grund liegt wohl darin, dass Wärme die Gefäße weitet und so mehr Blut in die Muskeln strömen lässt, was dann zu einer Lockerung der Muskeln führt. Man vermutet, dass die Hauptursache für eingeklemmte Nerven tatsächlich Muskelverhärtungen im Bereich der Nackenmuskulatur sind, die dann auf einen Nerv in diesem Bereich drücken.
- Ergonomische Anpassung: Anpassung des Arbeitsplatzes und der Körperhaltung, um Fehlbelastungen zu vermeiden.
- Entspannungstechniken: Stressbewältigung durch Entspannungsübungen wie Yoga, Meditation oder progressive Muskelentspannung.
Invasive Behandlung
- Injektionen: Injektion von Schmerzmitteln oder Kortikosteroiden in die betroffenen Bereiche zur Schmerzlinderung und Entzündungshemmung. Vor allem in der Orthopädie werden noch oft Spritzen appliziert, um lokal eine Entzündungshemmung und Schmerzlinderung zu erzielen. Zuvor werden die Einstichstellen sorgfältig desinfiziert und meistens ein Schmerzmittel-Kortisongemisch aufgezogen. Eine Besserung gegeben viele Patienten schon nach einigen Stunden nach der Spritze an. Es kann allerdings sein, dass nach einiger Zeit die Schmerzen wieder zurückkehren.
- Operation: In seltenen Fällen, z.B. bei schwerem Bandscheibenvorfall mit neurologischen Ausfällen, kann eine Operation erforderlich sein, um das Rückenmark oder die Nerven zu entlasten. Die Operation ist in der Regel ein vergleichsweiser kurzer mikrochirurgischer Eingriff. Dabei wird der betroffene Nerv und das Rückenmark von dem Druck befreit, indem der Bandscheibenanteil entfernt wird. Diese Maßnahme zielt darauf ab, die Symptome zu lindern und die Funktion der Nervenstrukturen wiederherzustellen.
Was tut der Halswirbelsäule gut?
- Regelmäßige Übungen zur Kräftigung der Nacken- und Schultermuskulatur.
- Dehnübungen zur Lösung von Verspannungen.
- Wärmeanwendungen zur Linderung von Schmerzen.
- Manuelle Therapien zur Verbesserung der Beweglichkeit.
- Eine rückenfreundliche Lebensweise.
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