Das menschliche Nervensystem: Aufbau, Funktion und Bedeutung

Das Nervensystem ist ein komplexes Netzwerk, das die Grundlage für unsere Wahrnehmung, unser Verhalten und unsere Körperfunktionen bildet. Es ermöglicht uns, mit der Umwelt zu interagieren, Informationen zu verarbeiten und lebenswichtige Prozesse zu steuern. Dieser Artikel beleuchtet den Aufbau, die Funktion und die Bedeutung des menschlichen Nervensystems, insbesondere des Gehirns, und bietet einen umfassenden Überblick über dieses faszinierende System.

Das Nervensystem im Alltag

Unser Nervensystem ist ständig aktiv, selbst wenn wir uns dessen nicht bewusst sind. Es steuert bewusste und unbewusste Prozesse, von der einfachen Handlung des Kaffeetrinkens bis hin zu komplexen Denkprozessen.

Ein Beispiel: Der Kaffee am Morgen

Betrachten wir eine alltägliche Szene an der Kaffeemaschine:

  1. Sensorisches Nervensystem: Augen, Ohren, Nase, Zunge und Hautsensoren nehmen Informationen auf: Wie sieht der Kaffee aus? Riecht er gut? Wie schwer ist die Tasse? Habe ich Durst? Ist der Kaffee zu heiß? Schmeckt er? Diese Informationen werden über Nervenbahnen an das Gehirn gesendet.
  2. Motorisches Nervensystem: Das Gehirn berechnet, wie man die Tasse greifen muss. Über das Rückenmark und die Nervenzellen, die an den Muskeln andocken, wird der Befehl zum Ausstrecken der Hand gegeben. Die Bewegung wird fortlaufend mit den Reizen abgeglichen, die das sensorische Nervensystem an das Gehirn zurücksendet, damit wir nicht danebengreifen, kleckern oder uns am heißen Kaffee verbrennen.
  3. Vegetatives Nervensystem: Unbewusst steuert das vegetative Nervensystem, was im Magen und Darm mit dem Kaffee geschieht. Es reguliert die Verdauung, die Herztätigkeit, die Atmung, den Kreislauf, die Schweißbildung, die Körpertemperatur und viele weitere Abläufe autonom.

Allgemeine Fakten zum Nervensystem

  • Gewicht: Das Nervensystem wiegt etwa 2 kg, wovon rund 1,3 kg auf das Gehirn entfallen. Das sind nur etwa drei Prozent des durchschnittlichen Körpergewichts.
  • Koffeinwirkung: Koffein ist eine psychoaktive Substanz, die die Blut-Hirn-Schranke überwindet und direkt auf das zentrale Nervensystem wirkt, indem sie die Adenosinrezeptoren der Nervenzellen blockiert. Adenosin signalisiert dem Körper Müdigkeit, daher die belebende Wirkung.
  • Nervenbahnen: Alle Nervenbahnen eines erwachsenen Gehirns sind circa 5,8 Millionen Kilometer lang, was 145 Erdumrundungen entspricht.
  • Lernen: Je öfter wir eine Handlung wiederholen, desto stärker werden die Verbindungen zwischen den daran beteiligten Nervenzellen. Lernen ist wie das Anlegen von Trampelpfaden im Gehirn: Je häufiger wir darauf gehen, desto leichter finden wir uns zurecht.

Signalübertragung: Nervenbahnen, Nervenzellen und Synapsen

  • Nervenbahnen: Nervenbahnen durchziehen wie Stromkabel den gesamten Körper und leiten Reize zum Gehirn und Befehle aus der Zentrale wieder zurück zu der Körperstelle. Eine Nervenbahn besteht aus gebündelten Nervenzellen und ist mit einer Schutzhülle umgeben.
  • Nervenzellen (Neuronen): Jeder Mensch hat Abermilliarden Nervenzellen. Mit ihren „Zweigen“ (Dendriten) empfangen sie Signale aus den Nachbarzellen und schicken sie über den Stamm (Axon) zu den Synapsen, den Kontaktstellen zur nächsten Zelle. Nervenzellen sind im Durchmesser nur bis 0,1 Millimeter groß, das Axon kann aber bis zu einem Meter lang sein.
  • Synapsen: Eine Nervenzelle kann bis zu 100.000 Synapsen haben. Wenn ein Reiz von einer Zelle zur nächsten weitergeleitet werden soll, arbeiten die meisten Synapsen mit chemischen Botenstoffen, andere mit elektrischen Signalen.

Das Gehirn: Die Steuerzentrale des Körpers

Das Gehirn ist die Steuerzentrale für lebenswichtige Abläufe im Körper. Es besteht aus verschiedenen Teilen und Milliarden von vernetzten Nervenzellen. Das Gehirn steuert alle wichtigen Fähigkeiten des Menschen: was wir wahrnehmen und empfinden, was wir wissen und denken oder wie wir uns verhalten. Es stellt aber auch sicher, dass unsere Organe richtig arbeiten und steuert all unsere Bewegungen. Es nimmt Sinneseindrücke auf und verarbeitet sie. Außerdem speichert es Informationen im Gedächtnis und ruft sie bei Bedarf wieder ab.

Aufbau des Gehirns

Das Gehirn lässt sich grob in fünf Abschnitte gliedern:

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  1. Großhirn (Telencephalon): Ermöglicht höhere Hirnfunktionen wie Motivation, Lernen, Denken oder Verstehen. Die Großhirnrinde bedeckt die gesamte Oberfläche des Großhirns und enthält fast drei Viertel aller Nervenzellen des Gehirns. Hier gehen wichtige Sinneseindrücke ein, werden sortiert, bewusst gemacht, gespeichert und sinnvoll miteinander verknüpft.
  2. Zwischenhirn (Diencephalon): Verantwortlich für überlebenswichtige Empfindungen und Instinkte wie Durst, Hunger oder Schlaf. Der Thalamus ist die wichtigste Schaltstation für Informationen aus den Sinnesorganen. Der Hypothalamus regelt zahlreiche automatische Vorgänge im Körper wie Körpertemperatur, Wasser- und Salzhaushalt oder auch die Magen-Darm-Funktion.
  3. Mittelhirn (Mesencephalon): Kleinster Abschnitt des Gehirns, der eine wichtige Rolle bei der Steuerung von Augenbewegungen, der Verarbeitung akustischer Signale und der Regulation von Muskeltonus und Körperhaltung spielt.
  4. Kleinhirn (Cerebellum): Wichtig für das Gleichgewicht und die Koordination. Gemeinsam mit dem Großhirn steuert es die Muskeln und somit die Bewegungen. Außerdem sorgt es ganz wesentlich mit dafür, dass die Muskelspannung des Körpers erhalten bleibt.
  5. Hirnstamm: Der älteste Gehirn-Teil in der Entwicklungsgeschichte des Menschen. Er verbindet das Gehirn mit dem Rückenmark. Zum Hirnstamm werden drei Hirn-Abschnitte gerechnet: verlängertes Mark, Mittelhirn und Brücke. Der Hirnstamm ist u. a. für die Regulation lebenswichtiger Systeme wie Herzschlag, Atmung und Blutdruck zuständig.

Die Großhirnrinde: Sitz der höheren Funktionen

Die Großhirnrinde ist in verschiedene Unterbereiche, sogenannte Gehirn-Lappen, gegliedert:

  • Stirnlappen (Frontallappen): Verantwortlich für Planung, Entscheidungsfindung, Problemlösung und willkürliche Bewegungen.
  • Schläfenlappen (Temporallappen): Zuständig für das Hören, das Gedächtnis, die Sprache und die Verarbeitung von Emotionen.
  • Scheitellappen (Parietallappen): Verarbeitet sensorische Informationen wie Berührung, Schmerz, Temperatur und räumliche Wahrnehmung.
  • Hinterhauptlappen (Okzipitallappen): Verantwortlich für das Sehen und die Verarbeitung visueller Informationen.

Vernetzung: Was macht unser Gehirn leistungsfähig?

Intelligenz hängt nicht so sehr von der Größe des Gehirns ab, sondern vielmehr davon, wie gut die einzelnen Nervenzellen und Gehirnbereiche miteinander vernetzt sind. Die Hauptverbindungen im Gehirn entwickeln sich schon vor der Geburt. Aus der Gehirnforschung weiß man aber, dass sich neue Kontakte zwischen Nervenzellen über das gesamte Leben ausbilden. Auch alte Verknüpfungen können sich verändern.

Zentrales und peripheres Nervensystem

Das Nervensystem des Menschen wird in das zentrale (ZNS) und das periphere Nervensystem (PNS) unterteilt.

Zentrales Nervensystem (ZNS)

Das ZNS besteht aus dem Gehirn und dem Rückenmark. Es ist die Kontroll- und Schaltzentrale, die für die bewusste Koordination der Bewegung (Motorik) zuständig ist, Nachrichten aus der Umwelt oder unserem Körperinneren vermittelt und das Zusammenspiel aller Körpersysteme reguliert. Darüber hinaus ermöglicht uns das zentrale Nervensystem komplexe Funktionen wie Gedächtnis (Lernen, Erinnerung), Bewusstsein, Gefühle, Verstand und Vernunft.

Peripheres Nervensystem (PNS)

Das PNS umfasst alle Nerven, die außerhalb des Gehirns und des Rückenmarks liegen. Es besteht aus den Hirnnerven und den Spinalnerven. Die Hirnnerven verknüpfen unsere Sinnesorgane mit dem Gehirn und der Muskulatur im Kopf- und Rumpfbereich. Die Spinalnerven bilden sich aus den Nervenwurzeln im Rückenmark und verzweigen sich nach ihrem Austritt aus dem Wirbelkanal, um verschiedene Körperbereiche zu versorgen.

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Um sensorische Informationen zu übertragen und Körperfunktionen sowie Reaktionen zu koordinieren, arbeiten unser peripheres und zentrales Nervensystem als perfektes Team zusammen. Nicht immer wird dabei das Gehirn involviert. Bei Reflexen wie z. B. dem Kniesehnenreflex erfolgt die Reizverarbeitung direkt im Rückenmark, ohne Beteiligung des Gehirns.

Somatisches und vegetatives Nervensystem

Neben der anatomischen Einteilung in ZNS und PNS wird das Nervensystem auch funktionell in das somatische und das vegetative Nervensystem unterteilt.

Somatisches Nervensystem

Das somatische (willkürliche) Nervensystem steuert die Motorik der Skelettmuskulatur und damit alle bewussten, willentlichen Körperreaktionen und Reflexe, die als Reaktion auf unsere Umwelt erfolgen.

Vegetatives Nervensystem

Im Gegensatz zum somatischen Nervensystem haben wir über das vegetative (unwillkürliche) Nervensystem keinerlei Kontrolle. Es innerviert unser Herz, die Gefäße sowie Drüsen und die glatte Muskulatur der Eingeweide und steuert so sämtliche „Vitalfunktionen“ (u. a. Atmung, Verdauung, Stoffwechsel, Kreislauf, Fortpflanzung).

Das vegetative Nervensystem besteht aus drei Teilen:

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  1. Sympathikus: Wirkt erregend bzw. leistungssteigernd (ergotrop) auf die Organfunktionen und versetzt unseren gesamten Körper in eine „Stresssituation“, den sogenannten „fight-or-flight“ Modus.
  2. Parasympathikus: Verantwortlich für die Ruhe- und Regenerationsphasen („rest-and-digest“) und stellt das innere Gleichgewicht wiederher.
  3. Enterisches Nervensystem: Durchzieht als Geflecht von Nervenzellen den Verdauungstrakt und steuert nicht nur Verdauungsprozesse, sondern hat auch einen Einfluss auf unsere Gefühlswelt und unser Wohlbefinden.

Neurologische Erkrankungen

Neurologische Erkrankungen sind Erkrankungen des Nervensystems. Sie können angeboren sein oder im Laufe des Lebens entstehen, beispielsweise durch Infektionen, Traumata oder Degeneration.

Einige Beispiele für neurologische Erkrankungen sind:

  • Amyotrophe Lateralsklerose (ALS): Eine neurodegenerative Erkrankung der ersten und zweiten Motoneurone, die zu Muskelschwäche, Lähmungen und Schwierigkeiten beim Sprechen, Schlucken und Atmen führt.
  • Demenz: Eine Schädigung des Gehirns, die weitreichende Folgen für das gesamte Denken und Handeln haben kann.
  • Läsionen des ersten oder zweiten Motoneurons: Können zu Lähmungen, Muskelatrophie, Areflexie und Fibrillationen führen.

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