Nervenzellen, auch Neuronen genannt, sind die fundamentalen Bausteine des Nervensystems und spielen eine entscheidende Rolle bei der Reizweiterleitung und Informationsverarbeitung im Körper. Sie ermöglichen es uns, Sinneseindrücke wahrzunehmen, zu denken, zu fühlen und uns zu bewegen. Dieser Artikel beleuchtet detailliert den Aufbau, die Funktionen und die Klassifizierung von Nervenzellen und geht dabei auf die neuesten Erkenntnisse und Forschungsergebnisse ein.
Einführung in die Nervenzelle
Nervenzellen sind hochspezialisierte Zellen, die für die Aufnahme, Weiterleitung und Verarbeitung von Nervenimpulsen zuständig sind. Sie bilden ein komplexes Netzwerk, das Nervensystem, welches die Kommunikation zwischen den verschiedenen Körperteilen ermöglicht. Allein im menschlichen Gehirn sind schätzungsweise 86 bis 100 Milliarden Nervenzellen im Einsatz. Diese Zellen ähneln in ihrem Aufbau Quallen, mit einem großen Zellkörper, aus dem Tentakel hervorkommen.
PD Dr. med. betont, dass Nervenzellen im reifen Zustand sich nicht mehr teilen oder vermehren können. Dies ist besonders in der Kinderkrebsheilkunde von Bedeutung, da Bestrahlungen von ZNS-Tumoren irreversible Schäden verursachen können.
Aufbau einer Nervenzelle
Ein Neuron besteht aus verschiedenen Abschnitten, die jeweils spezifische Aufgaben erfüllen:
Der Zellkörper (Soma)
Der Zellkörper, auch Soma genannt, ist das zentrale Element der Nervenzelle. Er enthält den Zellkern mit dem genetischen Material sowie verschiedene Zellorganellen wie Nissl-Schollen, Golgi-Apparat und Mitochondrien. Besonders die Mitochondrien sind aufgrund des hohen Energiebedarfs der Nervenzelle in großer Anzahl vorhanden. Das Soma dient als Schaltzentrale und beherbergt die notwendige Infrastruktur und Organellen für die Zelle.
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Die Dendriten
Die Dendriten sind feine, stark verzweigte Fortsätze des Zellkörpers. Sie bilden die Antennenregion der Nervenzelle und empfangen Signale von anderen Nervenzellen oder Sinneszellen. Diese Signale werden über Synapsen aufgenommen und zum Zellkörper weitergeleitet. Die Dendriten stellen die primären Kontaktstellen für andere Neuronen dar.
Der Axonhügel
Der Axonhügel bildet den Übergang vom Soma zum Axon. Hier werden die einkommenden elektrischen Impulse gesammelt und verrechnet. Erst wenn ein bestimmter Schwellenwert, das Schwellenpotential, überschritten wird, wird ein Aktionspotential ausgelöst und das Signal an das Axon weitergeleitet. Der Axonhügel verhindert, dass unser Körper jedes kleinste Signal weiterleitet, und fungiert somit als Filter.
Das Axon (Neurit)
Das Axon, auch Neurit oder Nervenfaser genannt, ist ein langer, unverzweigter Fortsatz, der aus dem Axonhügel hervorgeht. Seine Hauptaufgabe ist die Weiterleitung der Aktionspotentiale zu anderen Nervenzellen, Muskelzellen oder Drüsenzellen. Die Länge des Axons kann je nach Funktion und Lokalisation der Nervenzelle variieren und bis zu einem Meter oder mehr betragen. Der Ischiasnerv, der vom unteren Rücken bis zum Fuß verläuft, ist ein Beispiel für ein sehr langes Axon.
Die Myelinscheide
Um eine schnelle und effiziente Weiterleitung der elektrischen Signale zu gewährleisten, ist das Axon von einer isolierenden Schicht, der Myelinscheide, umgeben. Diese wird von speziellen Stütz- und Hüllzellen gebildet:
- Schwannsche Zellen: Im peripheren Nervensystem (außerhalb von Gehirn und Rückenmark) bilden die Schwannschen Zellen die Myelinscheide. Sie umhüllen das Axon mehrfach und bilden so eine isolierende Schicht.
- Oligodendrozyten: Im zentralen Nervensystem (Gehirn und Rückenmark) übernehmen die Oligodendrozyten diese Aufgabe.
Die Myelinscheide ist nicht durchgängig, sondern wird in regelmäßigen Abständen von freien Axonbereichen unterbrochen, den Ranvierschen Schnürringen.
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Die Ranvierschen Schnürringe
Die Ranvierschen Schnürringe sind die nicht-umhüllten Bereiche des Axons zwischen den Myelinscheiden. Sie spielen eine entscheidende Rolle bei der Beschleunigung der Erregungsleitung. Durch die saltatorische Erregungsleitung "springt" das Aktionspotential von Schnürring zu Schnürring, wodurch die Geschwindigkeit der Reizweiterleitung deutlich erhöht wird.
Die Synaptischen Endknöpfchen
Die synaptischen Endknöpfchen bilden das Ende des Neurons. Hier wird das elektrische Signal auf die nächste Zelle übertragen. Dies geschieht in den meisten Fällen durch chemische Synapsen. Das elektrische Signal wird in ein chemisches Signal umgewandelt, indem Neurotransmitter in den synaptischen Spalt freigesetzt werden.
Die Funktion der Nervenzelle: Reizweiterleitung
Die Hauptfunktion der Nervenzelle ist die Reizweiterleitung. Dieser Prozess lässt sich am besten anhand eines Beispiels veranschaulichen:
- Reizaufnahme: Ein Reiz, z.B. eine Berührung der Schulter, wird von den Dendriten der Nervenzelle aufgenommen.
- Weiterleitung zum Soma: Die Dendriten leiten den Reiz zum Zellkörper (Soma) weiter.
- Aktionspotential am Axonhügel: Wenn die Erregung durch den Reiz stark genug ist, entsteht am Axonhügel ein Aktionspotential. Dies bedeutet, dass die Nervenzellwand depolarisiert wird und ein elektrisches Signal entsteht.
- Weiterleitung über das Axon: Das Aktionspotential wird entlang des Axons weitergeleitet. Dank der Myelinscheide und der Ranvierschen Schnürringe erfolgt die Weiterleitung sprunghaft und schnell.
- Synaptische Übertragung: An den synaptischen Endknöpfchen wird das elektrische Signal in ein chemisches Signal umgewandelt. Die Endknöpfchen setzen Neurotransmitter in den synaptischen Spalt frei.
- Rezeptorbindung: Die Neurotransmitter binden an Rezeptoren auf der Membran der nächsten Zelle (z.B. einer anderen Nervenzelle oder einer Muskelzelle).
- Neues elektrisches Signal: Die Bindung der Neurotransmitter an die Rezeptoren löst in der Zielzelle ein neues elektrisches Signal aus.
- Weiterleitung zum Gehirn: Das Signal wird so über eine Kette von Nervenzellen bis ins Gehirn geleitet, wo es verarbeitet und interpretiert wird.
Neurotransmitter und Synapsen
Die Synapse ist die Verbindungsstelle zwischen zwei Nervenzellen oder zwischen einer Nervenzelle und einer anderen Zelle (z.B. einer Muskelzelle). Die meisten Synapsen sind chemische Synapsen, bei denen die Signalübertragung durch Neurotransmitter erfolgt.
Neurotransmitter sind chemische Botenstoffe, die in den synaptischen Endknöpfchen in kleinen Bläschen, den synaptischen Vesikeln, gespeichert werden. Zu den wichtigsten Neurotransmittern gehören:
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- Acetylcholin
- Noradrenalin
- Dopamin
- Glutamat
Wenn ein Aktionspotential an den synaptischen Endknöpfchen ankommt, erhöht sich die elektrische Spannung an der präsynaptischen Membran. Dies führt dazu, dass die synaptischen Vesikel mit der Membran verschmelzen und die Neurotransmitter in den synaptischen Spalt freisetzen. Die Neurotransmitter diffundieren durch den Spalt und binden an Rezeptoren auf der postsynaptischen Membran der Zielzelle. Die Bindung löst eine Veränderung des Membranpotentials in der Zielzelle aus, wodurch ein neues elektrisches Signal entsteht.
Alles-oder-Nichts-Gesetz und Frequenz
Die Erregungsleitung in Nervenzellen folgt dem Alles-oder-Nichts-Gesetz. Das bedeutet, dass ein Aktionspotential immer in gleicher Form, Größe und Dauer entsteht, sobald das Schwellenpotential überschritten wird. Die Stärke des Reizes wird nicht durch die Größe des Aktionspotentials, sondern durch die Frequenz der Impulse (Anzahl der Impulse pro Zeiteinheit) codiert.
Nach jeder Depolarisation muss das Ruhepotential wiederhergestellt werden. Dies geschieht mithilfe der Natrium-Kalium-Pumpe, die Natrium-Ionen aus der Zelle und Kalium-Ionen in die Zelle transportiert.
Die Rolle der Gliazellen
Gliazellen sind Stütz- und Hüllzellen im Nervensystem. Sie sind nicht direkt an der Reizweiterleitung beteiligt, erfüllen aber dennoch wichtige Funktionen:
- Schutz und Isolation der Neuronen: Gliazellen schützen die Neuronen, indem sie sie elektrisch abschirmen und den Zugang von schädlichen Stoffen zum Gehirn verhindern.
- Versorgung der Neuronen mit Nährstoffen: Gliazellen versorgen die Neuronen mit Nährstoffen und Sauerstoff.
- Steuerung des Liquorflusses: Gliazellen steuern den Fluss der zerebrospinalen Flüssigkeit (Liquor), die Gehirn und Rückenmark vor Erschütterungen schützt.
Klassifizierung von Nervenzellen
Nervenzellen können anhand verschiedener Kriterien in Gruppen eingeteilt werden:
Nach Morphologie (Form und Struktur)
- Unipolare Nervenzelle: Neuron mit einem Fortsatz (Axon).
- Bipolare Nervenzelle: Neuron mit zwei separaten Fortsätzen (Axon und Dendrit), dient der Vermittlung bestimmter Sinne (z. B. Sehen, Riechen).
- Pseudounipolare Nervenzelle: Neuron, bei dem Dendrit und Axon aus einem gemeinsamen Fortsatz in der Nähe des Zellkörpers entspringen (z. B. sensible Nervenzellen).
- Multipolare Nervenzelle: Neuron mit vielen Dendriten und einem Axon; die am häufigsten vorkommende Nervenzellart (z. B. motorische Nervenzellen, Interneurone).
- Apolare Nervenzellen: Weisen weder Axon noch Dendriten auf.
Nach Funktion
- Sensorische Nervenzellen (afferente Neuronen): Leiten Informationen von den Sinnesorganen zum zentralen Nervensystem.
- Motorische Nervenzellen (efferente Neuronen): Leiten Informationen vom zentralen Nervensystem zu den Muskeln oder Drüsen.
- Interneurone (Schaltneurone): Vermitteln Informationen zwischen sensorischen und motorischen Neuronen innerhalb des zentralen Nervensystems.
Plastizität der Nervenzellen
Ein bemerkenswerter Aspekt der Nervenzellen ist ihre Plastizität. Dies bezeichnet die Fähigkeit der Neuronen, sich an Veränderungen anzupassen, Verbindungen zu verstärken oder abzuschwächen und neue Verbindungen auszubilden. Die Plastizität ermöglicht es dem Nervensystem, sich an neue Erfahrungen anzupassen und zu lernen.
Klinische Bedeutung
Das Verständnis des Aufbaus und der Funktion von Nervenzellen ist von großer Bedeutung für die Diagnose und Behandlung von neurologischen Erkrankungen. Schädigungen von Nervenzellen, z.B. durch Verletzungen, Entzündungen oder degenerative Prozesse, können zu einer Vielzahl von Symptomen führen, wie z.B. Lähmungen, Sensibilitätsstörungen, Gedächtnisverlust oder Sprachstörungen.
Ein Beispiel ist die Multiple Sklerose, eine Autoimmunerkrankung, bei der die Myelinscheide der Nervenzellen im Gehirn und Rückenmark angegriffen wird. Dies führt zu einerVerlangsamung der Reizweiterleitung und zu neurologischen Ausfällen.
Auch Medikamente und bestimmte Tumoren können den Aufbau, Abbau und die Speicherung von Neurotransmittern beeinflussen und so zu einem Überschuss oder Mangel an Transmittern führen. Dies kann sich auf die Stimmung, das Verhalten und andere Körperfunktionen auswirken.
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