Nervenzellen, auch Neuronen genannt, sind die grundlegenden Bausteine des Nervensystems. Sie spielen eine entscheidende Rolle bei der Aufnahme, Weiterleitung und Verarbeitung von Reizen und Informationen im Körper. Dieser Artikel beleuchtet die vielfältigen Aufgaben einer Nervenzelle, ihren Aufbau und ihre Funktionsweise, um ein umfassendes Verständnis dieser spezialisierten Zellen zu vermitteln.
Einführung in die Nervenzelle
Nervenzellen sind hochspezialisierte Zellen, die für die Reizweiterleitung im Körper verantwortlich sind. Sie bilden ein komplexes Netzwerk, das es uns ermöglicht, Sinneseindrücke wahrzunehmen, zu denken, zu fühlen und uns zu bewegen. Im menschlichen Körper gibt es etwa einhundert Milliarden Nervenzellen, die miteinander verschaltet sind und so ein komplexes Kommunikationsnetzwerk bilden.
Aufbau einer Nervenzelle
Eine Nervenzelle besteht typischerweise aus drei Hauptabschnitten:
Zellkörper (Soma): Der Zellkörper enthält den Zellkern und die meisten Zellorganellen. Hier werden die von den Dendriten aufgenommenen Informationen gesammelt und verarbeitet. Am Axonhügel, dem Übergang vom Zellkörper zum Axon, werden die Signale summiert und entschieden, ob ein Aktionspotential weitergeleitet wird.
Dendriten: Dendriten sind kurze, verzweigte Fortsätze des Zellkörpers, die Signale von anderen Nervenzellen oder Sinneszellen empfangen und zum Zellkörper weiterleiten. An ihrer Oberfläche befinden sich Rezeptoren, die Neurotransmitter binden und so elektrische Signale auslösen können.
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Axon: Das Axon ist ein langer, schlanker Fortsatz, der vom Axonhügel ausgeht und Aktionspotentiale über weite Strecken weiterleitet. Um eine schnelle und verlustfreie Weiterleitung zu gewährleisten, ist das Axon von einer Myelinscheide umgeben, die von Gliazellen gebildet wird.
Die Rolle der Gliazellen
Gliazellen sind Stützzellen im Nervensystem, die die Neuronen schützen und unterstützen. Sie sind nicht direkt an der Reizweiterleitung beteiligt, erfüllen aber dennoch wichtige Funktionen:
- Elektrische Abschirmung: Gliazellen isolieren die Neuronen elektrisch, was eine schnelle Erregungsleitung ermöglicht.
- Blut-Hirn-Schranke: Sie bilden die Blut-Hirn-Schranke, die das Gehirn vor schädlichen Stoffen im Blut schützt.
- Nährstoffversorgung: Gliazellen versorgen die Neuronen mit Nährstoffen und entsorgen Stoffwechselprodukte.
- Abfederung: Sie steuern den Fluss der zerebrospinalen Flüssigkeit, die Gehirn und Rückenmark bei Erschütterungen abfedert.
Reizweiterleitung: Vom Reiz zum Aktionspotential
Die Reizweiterleitung in einer Nervenzelle erfolgt in mehreren Schritten:
Reizaufnahme: Dendriten nehmen einen Reiz auf, beispielsweise eine Berührung, Temperaturänderung oder ein chemisches Signal.
Erregungsleitung: Der Reiz wird in ein elektrisches Signal umgewandelt und zum Zellkörper weitergeleitet.
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Aktionspotentialauslösung: Am Axonhügel werden die eingehenden Signale summiert. Überschreitet die Summe einen bestimmten Schwellenwert, wird ein Aktionspotential ausgelöst.
Aktionspotentialweiterleitung: Das Aktionspotential wandert entlang des Axons zu den synaptischen Endknöpfchen.
Synaptische Übertragung: An den synaptischen Endknöpfchen wird das elektrische Signal in ein chemisches Signal umgewandelt. Neurotransmitter werden in den synaptischen Spalt freigesetzt und binden an Rezeptoren der nachgeschalteten Zelle.
Die Bedeutung des Membranpotentials
Das Membranpotential ist die elektrische Spannung, die zwischen der Innen- und Außenseite der Zellmembran einer Nervenzelle besteht. Es ist entscheidend für die Erregbarkeit der Zelle und die Auslösung von Aktionspotentialen.
Im Ruhezustand ist das Innere der Nervenzelle negativ geladen, während das Äußere positiv geladen ist. Diese Ladungsdifferenz wird durch die unterschiedliche Verteilung von Ionen (Natrium, Kalium, Chlorid) und organischen Anionen auf beiden Seiten der Membran aufrechterhalten.
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Eine elektrische Reizung am Axonhügel verändert die Ionenkonzentration an der Membran. Wenn der Reiz stark genug ist, öffnen sich spannungsabhängige Natriumkanäle, und Natrium-Ionen strömen in die Zelle. Dies führt zu einer Depolarisation, bei der das Membranpotential positiver wird.
Erreicht die Depolarisation einen bestimmten Schwellenwert, werden weitere Natriumkanäle geöffnet, was zu einem rapiden Einstrom von Natrium-Ionen führt. Dies löst ein Aktionspotential aus, eine kurze, aber starke Veränderung des Membranpotentials, die sich entlang des Axons ausbreitet.
Nach dem Aktionspotential schließen sich die Natriumkanäle, und Kaliumkanäle öffnen sich. Kalium-Ionen strömen aus der Zelle, wodurch das Membranpotential wieder negativer wird (Repolarisation). Schließlich wird das ursprüngliche Ionenverhältnis durch die Natrium-Kalium-Pumpe wiederhergestellt.
Myelinscheide und saltatorische Erregungsleitung
Bei Wirbeltieren sind die Axone vieler Nervenzellen von einer Myelinscheide umgeben. Diese besteht aus mehreren Schichten von Gliazellen, die sich um das Axon wickeln und es elektrisch isolieren. Die Myelinscheide ist jedoch nicht durchgängig, sondern wird in regelmäßigen Abständen von Ranvierschen Schnürringen unterbrochen.
Die Myelinscheide ermöglicht eine schnellere Erregungsleitung, da das Aktionspotential nicht kontinuierlich entlang des Axons wandern muss, sondern von Schnürring zu Schnürring "springt" (saltatorische Erregungsleitung). Dies spart Zeit und Energie.
Synaptische Übertragung: Die Kommunikation zwischen Nervenzellen
Die synaptischen Endknöpfchen am Ende des Axons bilden die Verbindungsstellen zu anderen Nervenzellen, Muskelzellen oder Drüsenzellen. Die Übertragung von Signalen an der Synapse erfolgt in der Regel chemisch durch Neurotransmitter.
Wenn ein Aktionspotential die synaptischen Endknöpfchen erreicht, öffnen sich spannungsabhängige Calciumkanäle, und Calcium-Ionen strömen in die Zelle. Dies löst die Freisetzung von Neurotransmittern aus Vesikeln in den synaptischen Spalt aus.
Die Neurotransmitter diffundieren durch den synaptischen Spalt und binden an Rezeptoren auf der postsynaptischen Membran der Zielzelle. Die Bindung der Neurotransmitter an die Rezeptoren löst eine Veränderung des Membranpotentials in der Zielzelle aus, entweder eine Depolarisation (erregendes postsynaptisches Potential, EPSP) oder eine Hyperpolarisation (hemmendes postsynaptisches Potential, IPSP).
Ob ein Neurotransmitter eine erregende oder hemmende Wirkung hat, hängt von der Art des Neurotransmitters und des Rezeptors ab. Einige Neurotransmitter, wie Acetylcholin, können sowohl erregende als auch hemmende Wirkungen haben, je nachdem, an welchen Rezeptor sie binden.
Neurotransmitter: Die Botenstoffe des Nervensystems
Neurotransmitter sind chemische Substanzen, die die Erregungsleitung zwischen den Neuronen vermitteln. Es gibt mindestens 50 verschiedene Neurotransmitter, die unterschiedliche Funktionen im Nervensystem erfüllen. Zu den bekanntesten Neurotransmittern gehören:
- Acetylcholin: Spielt eine Rolle bei der Muskelkontraktion, der Gedächtnisbildung und derRegulation des Schlaf-Wach-Rhythmus.
- Noradrenalin: Wirkt aktivierend auf den Körper, erhöht den Herzschlag und den Blutdruck und spielt eine Rolle bei der Stressreaktion.
- Dopamin: Ist wichtig für die Steuerung von Bewegungen, die Motivation und das Belohnungssystem.
- Serotonin: Beeinflusst die Stimmung, den Schlaf, den Appetit und das Schmerzempfinden.
- Endorphine: Wirken schmerzlindernd und erzeugen Glücksgefühle.
Der Aufbau, Abbau und die Speicherung von Neurotransmittern können durch Medikamente und auch durch bestimmte Tumoren beeinflusst werden, so dass entweder ein Überschuss oder ein Mangel von Transmittern erzeugt wird. Drogen sind Wirkstoffe, die den Neurotransmittern im Aufbau sehr ähnlich sind und daher auf dieselben Synapsen wirken.
Summation von Potentialen
Elektrische Potentiale, die von einer Nervenzelle über die Dendriten aufgenommen werden, sammeln sich am Axonhügel. Hier werden alle ankommenden Potentiale miteinander verrechnet. Man unterscheidet zwischen zeitlicher und räumlicher Summation:
- Zeitliche Summation: Mehrere, schnell aufeinander folgende Potentiale von einer Synapse lösen auch an der Synapse eine größere Reaktion aus.
- Räumliche Summation: Die von einer Nervenzelle erhaltenen Informationen sind zum Teil erregende postsynaptische Potentiale (EPSP) und zum Teil hemmende postsynaptische Potentiale (IPSP). Die Summe dieser Potentiale entscheidet darüber, ob ein Aktionspotential ausgelöst wird oder nicht.
Einteilung der Nervenzellen
Nervenzellen können anhand verschiedener Kriterien in Gruppen eingeteilt werden:
- Funktion: Sensorische Neuronen (leiten Informationen von Sinnesorganen zum Gehirn), motorische Neuronen (leiten Informationen vom Gehirn zu Muskeln oder Drüsen), Interneuronen (verbinden Neuronen innerhalb des Nervensystems).
- Morphologie: Unipolare, bipolare, multipolare Neuronen (je nach Anzahl der Fortsätze, die vom Zellkörper ausgehen).
- Neurotransmitter: Cholinerge, adrenerge, dopaminerge, serotonerge Neuronen (je nachdem, welchen Neurotransmitter sie hauptsächlich verwenden).
Die Bedeutung der Nervenzellen für das Nervensystem
Alle Nervenzellen zusammen bilden in deinem Körper das Nervensystem. Nervenzellen dienen der Informationsweiterleitung von Reizen durch unseren ganzen Körper. Die längste Nervenzelle im menschlichen Körper ist der Nervus ischiadicus.
Die Steuerung der Reizübertragung bedarf einer exakten Kontrolle und Koordination - übernommen von spezialisierten Nervenzellen. Diese lagern sich in den zwei Schaltzentralen des Körpers zusammen: Gehirn und Rückenmark. Ausgeklügelte Schutzmechanismen wie der Schädel und die Wirbelsäule sollen Neurone vor gefährlichen, äußeren Einflüssen (zum Beispiel Verletzungen durch einen Unfall) schützen.
Nervenzellen und Krebs
Nervenzellen im reifen Zustand können sich nicht mehr teilen beziehungsweise vermehren. Aus diesem Grund ist es in der Kinderkrebsheilkunde so entscheidend, ob und in welchen Fällen beispielsweise mit einer Bestrahlung eines ZNS-Tumors begonnen wird.
Forschung an Nervenzellen
Die Forschung an Nervenzellen ist von großer Bedeutung, um die komplexen Funktionen des Gehirns besser zu verstehen und neue Behandlungsmethoden für neurologische und psychische Erkrankungen zu entwickeln.
Die Forschung konzentriert sich auf verschiedene Aspekte:
- Entwicklung von Nervenzellen: Wie entwickeln sich Nervenzellen aus Vorläuferzellen? Welche Gene und Signale beeinflussen die Entwicklung und Spezialisierung von Nervenzellen?
- Funktionen von Nervenzellen: Wie verarbeiten Nervenzellen Signale? Welche Rolle spielen verschiedene Neurotransmitter und Rezeptoren? Wie kommunizieren Nervenzellen miteinander?
- Neuronale Netzwerke: Wie sind Nervenzellen zu Netzwerken verschaltet? Wie entstehen komplexe Funktionen wie Gedächtnis, Lernen und Entscheidungsfindung?
- Erkrankungen des Nervensystems: Wie entstehen neurologische und psychische Erkrankungen? Welche Veränderungen finden in den Nervenzellen statt? Wie können neue Therapien entwickelt werden?
Für die Erforschung der Funktionen von Nervenzellen werden verschiedene Methoden eingesetzt, wie zum Beispiel Computer-Simulationen, Optogenetik, Elektrophysiologie oder Mikroskopie.
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