Neurologe: Zuständigkeiten, Krankheitsbilder und Untersuchungsmethoden

Die Neurologie ist ein medizinisches Fachgebiet, das sich mit der Diagnose und Behandlung von Erkrankungen des Nervensystems befasst. Umgangssprachlich wird der Facharzt für Neurologie oft auch als Nervenarzt bezeichnet. Doch was genau macht ein Neurologe und für welche Krankheiten ist er zuständig? Dieser Artikel gibt einen umfassenden Überblick über das Tätigkeitsfeld der Neurologie, die häufigsten neurologischen Erkrankungen und die verschiedenen Diagnose- und Behandlungsmethoden.

Was ist ein Neurologe?

Ein Neurologe ist ein Facharzt, der sich auf die Diagnose und Behandlung von Erkrankungen des Nervensystems spezialisiert hat. Das Nervensystem ist ein komplexes Netzwerk, das aus dem Gehirn, dem Rückenmark und den peripheren Nerven besteht. Es steuert lebenswichtige Funktionen wie Bewegung, Sinneswahrnehmung, Denken, Fühlen und das Bewusstsein.

Der Begriff Neurologie stammt aus dem Griechischen und setzt sich aus den Wörtern "neuron" (Nerv) und "logie" (Lehre) zusammen. Die Neurologie ist somit die Lehre vom Nervensystem.

Aufgaben und Zuständigkeiten eines Neurologen

Die Aufgaben eines Neurologen sind vielfältig und umfassen die Diagnose, Behandlung und Rehabilitation von Patienten mit neurologischen Erkrankungen. Dazu gehören:

  • Anamnese: Erhebung der Krankengeschichte des Patienten, um die Art und den Verlauf der Beschwerden zu erfassen.
  • Neurologische Untersuchung: Durchführung einer umfassenden körperlichen und neurologischen Untersuchung, um Funktionsstörungen des Nervensystems zu erkennen.
  • Diagnosestellung: Auswertung der Untersuchungsergebnisse und Festlegung einer Diagnose.
  • Behandlungsplanung: Entwicklung eines individuellen Behandlungsplans, der auf die spezifischen Bedürfnisse des Patienten zugeschnitten ist.
  • Medikamentöse Therapie: Verordnung von Medikamenten zur Linderung von Symptomen und zur Behandlung der zugrunde liegenden Erkrankung.
  • Nicht-medikamentöse Therapie: Empfehlung von physiotherapeutischen, ergotherapeutischen oder logopädischen Maßnahmen zur Verbesserung derFunktion und Lebensqualität des Patienten.
  • Überweisung zu anderen Fachärzten: Bei Bedarf Überweisung des Patienten an andere Fachärzte, wie z.B. Neurochirurgen, Psychiater oder Schmerztherapeuten.
  • Rehabilitation: Betreuung des Patienten während der Rehabilitationsphase, um dieFunktionsfähigkeit wiederherzustellen und die Wiedereingliederung in den Alltag zu ermöglichen.

Der Neurologe fungiert als wichtige Schaltstelle zwischen Patient, Hausarzt, anderen Fachärzten, Krankenhäusern, Therapeuten, Versorgungsämtern, Rentenversicherungsträgern, Krankenkassen, dem Medizinischen Dienst und Apotheken.

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Einteilung des Nervensystems

Das Nervensystem lässt sich in verschiedene Bereiche unterteilen:

  • Zentrales Nervensystem (ZNS): Umfasst das Gehirn und das Rückenmark.
  • Peripheres Nervensystem (PNS): Besteht aus allen Nerven außerhalb des Gehirns und des Rückenmarks, einschließlich der Nerven, die Organe, Muskeln und Drüsen steuern.
  • Vegetatives Nervensystem (VNS): Reguliert unwillkürliche Körperfunktionen wie Herzschlag, Atmung, Verdauung und Stoffwechsel.

Häufige neurologische Erkrankungen

Die Neurologie befasst sich mit einer Vielzahl von Erkrankungen des Nervensystems. Zu den häufigsten neurologischen Erkrankungen gehören:

  • Kopfschmerzen und Migräne: Kopfschmerzen sind ein weit verbreitetesProblem, von dem viele Menschen regelmäßig betroffen sind. Migräne ist eine spezielle Form von Kopfschmerzen, die von Übelkeit, Lichtempfindlichkeit und anderen Symptomen begleitet sein kann. Bis zu 70 % der Bevölkerung leiden unter immer wieder auftretenden Spannungskopfschmerzen, 10-12 % unter Migräne und 4 % unter chronischen Kopfschmerzen.
  • Schlaganfall: Ein Schlaganfall ist eine plötzliche Durchblutungsstörung des Gehirns, die zu Schädigungen von Nervenzellen führen kann. Er ist eine der häufigsten Todesursachen und kann zu bleibenden Behinderungen führen. Jährlich erleiden 1,6 bis 2,4 % der Deutschen einen Schlaganfall.
  • Epilepsie: Epilepsie ist eine chronische Erkrankung des Nervensystems, die durch wiederholte Krampfanfälle gekennzeichnet ist. Diese Anfälle werden durch unkontrollierte Entladungen von Nervenzellen im Gehirn verursacht. Etwa 0,5 bis 1 % der Bevölkerung leidet an Epilepsie.
  • Demenzerkrankungen: Demenz ist ein Sammelbegriff für Erkrankungen, die mit einem fortschreitenden Verlust der geistigen Fähigkeiten einhergehen. Die Alzheimer-Krankheit ist die häufigste Form der Demenz. Demenzen treten bei 2 bis 3 % der über 65-jährigen und 24 bis 50 % der über 85-jährigen auf.
  • Parkinson-Krankheit: Die Parkinson-Krankheit ist eine neurodegenerative Erkrankung, die durch den Verlust von Dopamin-produzierenden Nervenzellen im Gehirn verursacht wird. Sie führt zu Bewegungsstörungen wie Zittern, Muskelsteifigkeit undVerlangsamung der Bewegungen. Hierzulande gibt es 0,1 bis 0,2 % Erkrankte, bei den über 65-jährigen steigt die Häufigkeit auf bis zu 1,8 % an.
  • Multiple Sklerose (MS): MS ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems, bei der die Schutzschicht der Nervenfasern (Myelin) angegriffen wird. Dies kann zu vielfältigen neurologischen Symptomen führen, wie z.B. Lähmungen,Sensibilitätsstörungen und Sehstörungen. In Deutschland gibt es etwa 120.000 MS-Erkrankte.
  • Hirntumore: Hirntumore sind Wucherungen von Zellen im Gehirn oder in den Hirnhäuten. Sie können gutartig oder bösartig sein und verschiedene neurologische Symptome verursachen.
  • Polyneuropathien: Polyneuropathien sind Erkrankungen des peripheren Nervensystems, die zuSensibilitätsstörungen, Schmerzen und Muskelschwäche führen können.
  • Chronische Rückenschmerzen: Rückenschmerzen, die länger als zwölf Wochen andauern, können neurologische Ursachen haben und bedürfen einer Abklärung. Betroffen sind 22 % der Frauen und 15 % der Männer.
  • Schlafstörungen: Neurologische Erkrankungen können auch zu Schlafstörungen führen, wie z.B. dem Restless-Legs-Syndrom (RLS).

Symptome neurologischer Erkrankungen

Die Symptome neurologischer Erkrankungen können vielfältig sein und hängen von der Art und dem Ort der Schädigung im Nervensystem ab. Zu den häufigsten Symptomen gehören:

  • Kopfschmerzen
  • Schwindel
  • Sehstörungen
  • Sprachstörungen
  • Schluckstörungen
  • Gedächtnisprobleme
  • Konzentrationsstörungen
  • Bewegungsstörungen (z.B. Zittern,Steifigkeit,Verlangsamung)
  • Lähmungen
  • Sensibilitätsstörungen (z.B. Taubheitsgefühl,Kribbeln,Schmerzen)
  • Krampfanfälle
  • Schlafstörungen
  • Bewusstseinsstörungen
  • Verhaltensänderungen

Diagnose neurologischer Erkrankungen

Die Diagnose neurologischer Erkrankungen erfordert eine sorgfältige Anamnese, eine umfassende neurologische Untersuchung und gegebenenfalls den Einsatz von technischen Untersuchungsverfahren.

Anamnese

Die Anamnese ist ein ausführliches Gespräch mit dem Patienten, in dem der Neurologe die Krankengeschichte des Patienten erfragt. Dabei werden die aktuellen Beschwerden,Vorerkrankungen, Medikamente,Allergien und familiäreVorbelastungen erfasst. Die Anamnese ist die Grundlage für die weitere Diagnostik.

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Neurologische Untersuchung

Die neurologische Untersuchung umfasst eine systematische Überprüfung derFunktionen des Nervensystems. Dazu gehören:

  • Prüfung der Hirnnerven: Überprüfung derFunktion der zwölf Hirnnerven, die für Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Gesichtsmimik, Augenbewegung, Schlucken und Sprechen zuständig sind.
  • Untersuchung der Motorik: Beurteilung der Muskelkraft, der Koordination und der Beweglichkeit.
  • Untersuchung der Sensibilität: Überprüfung des Tast-, Schmerz-, Temperatur- und Vibrationsempfindens.
  • Prüfung der Reflexe: Auslösung von Reflexen mit einem Reflexhammer, um dieFunktion des Nervensystems zu überprüfen.
  • Untersuchung der Koordination: Überprüfung der Fähigkeit, Bewegungen gezielt und flüssig auszuführen.
  • Untersuchung des vegetativen Nervensystems: Beurteilung derFunktion des vegetativen Nervensystems, das unwillkürliche Körperfunktionen wie Herzschlag, Atmung, Verdauung und Schwitzen steuert.
  • Untersuchung der kognitivenFunktionen: Überprüfung der geistigen Leistungsfähigkeit, wie z.B. Gedächtnis, Aufmerksamkeit, Sprache undDenkvermögen.

Technische Untersuchungsverfahren

Zur weiteren Abklärung neurologischer Erkrankungen können verschiedene technische Untersuchungsverfahren eingesetzt werden:

  • Elektroenzephalographie (EEG): Messung der Hirnströme, umAnomalien der Hirnaktivität festzustellen, z.B. bei Epilepsie.
  • Elektromyographie (EMG): Messung der elektrischen Aktivität der Muskeln, umMuskelerkrankungen oder Nervenschädigungen zu diagnostizieren.
  • Elektroneurographie (ENG): Messung der Nervenleitgeschwindigkeit, umNervenschädigungen festzustellen.
  • Evozierte Potentiale (VEP, AEP, SSEP, MEP): Messung der elektrischen Aktivität des Gehirns als Reaktion auf bestimmte Reize (z.B. visuelle, akustische oder sensible Reize), um dieFunktion der Nervenbahnen zu überprüfen.
  • Dopplersonographie und Duplexsonographie: Ultraschalluntersuchung der hirnversorgenden Gefäße, um Durchblutungsstörungen festzustellen.
  • Computertomographie (CT): Röntgenuntersuchung, die detaillierte Bilder des Gehirns und des Rückenmarks liefert.
  • Magnetresonanztomographie (MRT): Bildgebendes Verfahren, das mit Magnetfeldern arbeitet und noch detailliertere Bilder des Gehirns und des Rückenmarks liefert als die CT.
  • Lumbalpunktion: Entnahme von Nervenwasser (Liquor) aus dem Rückenmarkskanal zur Untersuchung aufEntzündungen, Infektionen oder andere Erkrankungen des Nervensystems.

Behandlung neurologischer Erkrankungen

Die Behandlung neurologischer Erkrankungen richtet sich nach der Art und dem Schweregrad der Erkrankung. Sie kann medikamentöse, nicht-medikamentöse und operative Maßnahmen umfassen.

Medikamentöse Therapie

Viele neurologische Erkrankungen können mit Medikamenten behandelt werden. Dazu gehören z.B. Schmerzmittel,Antiepileptika, Parkinson-Medikamente, MS-Medikamente undAntidepressiva.

Nicht-medikamentöse Therapie

Nicht-medikamentöse Therapien spielen eine wichtige Rolle bei der Behandlung neurologischer Erkrankungen. Dazu gehören:

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  • Physiotherapie: Verbesserung der Beweglichkeit, Kraft und Koordination.
  • Ergotherapie: Verbesserung derAlltagsfähigkeiten und derHandlungsfähigkeit.
  • Logopädie: Behandlung von Sprach-, Sprech- und Schluckstörungen.
  • Neuropsychologie: Behandlung von kognitiven Störungen, wie z.B. Gedächtnisproblemen und Konzentrationsstörungen.
  • Psychotherapie: Behandlung von psychischen Problemen, die im Zusammenhang mit der neurologischen Erkrankung auftreten können.

Operative Therapie

In einigen Fällen ist eine Operation erforderlich, um neurologische Erkrankungen zu behandeln. Dies kann z.B. bei Hirntumoren, Bandscheibenvorfällen oder Nervenkompressionen der Fall sein.

Prävention neurologischer Erkrankungen

Einige neurologische Erkrankungen lassen sich durch einen gesunden Lebensstil verhindern oder zumindest das Risiko einer Erkrankung reduzieren. Dazu gehören:

  • Gesunde Ernährung: Eine ausgewogene Ernährung mit viel Obst, Gemüse und Vollkornprodukten kann das Risiko von Schlaganfällen undDemenz reduzieren.
  • Regelmäßige Bewegung: Körperliche Aktivität kann die Durchblutung des Gehirns verbessern und das Risiko vonDemenz und Parkinson-Krankheit senken.
  • Nichtrauchen: Rauchen erhöht das Risiko für Schlaganfälle und andere neurologische Erkrankungen.
  • Mäßiger Alkoholkonsum: Übermäßiger Alkoholkonsum kann das Nervensystem schädigen und das Risiko für neurologische Erkrankungen erhöhen.
  • Vermeidung von Übergewicht: Übergewicht erhöht das Risiko fürDiabetes und Bluthochdruck, die wiederum das Risiko für Schlaganfälle undDemenz erhöhen.
  • Stressbewältigung: Chronischer Stress kann das Nervensystem schädigen und das Risiko für neurologische Erkrankungen erhöhen. Entspannungstechniken wie Yoga oder Meditation können helfen, Stress abzubauen.
  • Regelmäßige Kontrolluntersuchungen: Regelmäßige ärztliche Kontrolluntersuchungen können helfen, Risikofaktoren für neurologische Erkrankungen frühzeitig zu erkennen und zu behandeln.

Neurologische Notfälle

In einigen Fällen ist eine sofortige neurologische Behandlung erforderlich. Zu den neurologischen Notfällen gehören:

  • Schlaganfall: Symptome sind plötzliche Lähmungen, Sprachstörungen, Sehstörungen oderSchwindel.
  • Krampfanfall: Ein Krampfanfall, der länger als fünf Minuten dauert oder sich wiederholt, ist ein Notfall.
  • Bewusstseinsverlust: Ein plötzlicher Bewusstseinsverlust kann auf eine schwere neurologische Erkrankung hindeuten.
  • Schädel-Hirn-Trauma: Nach einem Schädel-Hirn-Trauma solltenBetroffene umgehend ärztlich untersucht werden.
  • Akute Rückenschmerzen mit neurologischen Ausfällen: Plötzliche, starke Rückenschmerzen in Verbindung mit Lähmungen oder Sensibilitätsstörungen in den Beinen können auf einen Bandscheibenvorfall oder eine andere Erkrankung des Rückenmarks hindeuten.

Bei Verdacht auf einen neurologischen Notfall sollte umgehend der Notruf (112) gewählt werden.

Demenz-Risikofaktoren

Neben den bereits genannten allgemeinen Präventionsmaßnahmen gibt es spezifische Risikofaktoren für Demenz, die beeinflussbar sind:

  • Hörverlust: Schwerhörigkeit sollte frühzeitig behandelt werden, da sie die geistigen Fähigkeiten beeinträchtigen kann.
  • Bestimmte Medikamente: Anticholinerge Medikamente (gegen Inkontinenz, Schlafstörungen oder Depressionen) und Säureblocker sollten nur beiNotwendigkeit und in der niedrigstmöglichen Dosis eingenommen werden.
  • Vitamin-D-Mangel: Ein Mangel an Vitamin D sollte ausgeglichen werden, da er das Demenzrisiko erhöhen kann.
  • Stress: Große seelische Belastungen können das Demenzrisiko erhöhen.
  • Unstabile Persönlichkeit: Menschen mit einer weniger stabilen Persönlichkeit (Neurotizismus) haben ein höheres Risiko für Alzheimer.
  • Einsamkeit: Einsamkeit kann das Demenzrisiko erhöhen.
  • Diabetes und Bluthochdruck: Diabetes und Bluthochdruck sollten gut eingestellt sein, da sie die Gefäße schädigen und das Demenzrisiko erhöhen.
  • Luftverschmutzung: Leben in Gebieten mit hoher Luftverschmutzung kann das Demenzrisiko erhöhen.
  • Depression: Depressionen sollten behandelt werden, da sie das Risiko für Demenz erhöhen.

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