Medikamente als mögliche Auslöser von Polyneuropathie

Polyneuropathien, Erkrankungen des peripheren Nervensystems, betreffen schätzungsweise 5-8 % der Erwachsenen, wobei die Häufigkeit mit dem Alter zunimmt. Diabetes mellitus ist in Europa und Nordamerika die Hauptursache. Schätzungen zufolge liegt die Prävalenz der diabetischen Neuropathie bei 8-54 % bei Typ-1- und 13-46 % bei Typ-2-Diabetes. Auch Alkoholmissbrauch ist ein wichtiger Faktor, mit einer Prävalenz von 22-66 % bei chronisch Alkoholkranken. Neuropathische Schmerzen betreffen weltweit etwa 7-10 % der Bevölkerung.

Neben diesen Hauptursachen können Polyneuropathien auch durch genetische Faktoren, Vitaminmangel oder -überdosierung, Toxine, Immunreaktionen und unerwünschte Arzneimittelwirkungen entstehen. Dieser Artikel beleuchtet Medikamente, die bekanntermaßen Polyneuropathien auslösen können. Arzneimittelbedingte Neuropathien sind oft dosis- und zeitabhängig und verbessern sich meist nach Absetzen des Medikaments. Der genaue Mechanismus ist jedoch oft unklar.

Pathophysiologisch unterscheidet man zwischen Substanzen, die direkt Nervenzellen (Motoneurone oder Spinalganglienzellen) schädigen, und solchen, die Prozesse in den Nervenfasern (Axone und Schwann-Zellen) beeinträchtigen.

Medikamentengruppen und ihre Auswirkungen auf das Nervensystem

Im Folgenden werden einige Medikamentengruppen und spezifische Wirkstoffe vorgestellt, die mit dem Auftreten von Polyneuropathien in Verbindung gebracht werden:

Statine

Statine, auch HMG-CoA-Reduktase-Inhibitoren genannt, werden häufig zur Senkung des Cholesterinspiegels eingesetzt. Eine Polyneuropathie im Zusammenhang mit Statinen scheint ein Klasseneffekt zu sein und ist in der Regel nach Absetzen des Medikaments reversibel. Eine italienische Studie mit 2.040 Polyneuropathie-Patienten und einer Kontrollgruppe von 36.041 Patienten ergab ein um 19 % erhöhtes Polyneuropathie-Risiko unter Statinen wie Simvastatin, Pravastatin oder Fluvastatin. Eine andere Studie aus den Niederlanden deutete jedoch darauf hin, dass Patienten mit Polyneuropathie seltener Statine einnahmen.

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Amiodaron

Amiodaron, ein Antiarrhythmikum zur Behandlung von Herzrhythmusstörungen, ist ein Benzofuran-Derivat, das Kalium-, α-, β- und Muskarinrezeptoren hemmt. Obwohl neurologische Störungen weniger häufig auftreten als früher angenommen, können periphere sensorische Neuropathien als gelegentliche Nebenwirkung auftreten. Eine Analyse von 707 Amiodaron-Patienten ergab nur in seltenen Fällen eine eindeutige Polyneuropathie im Zusammenhang mit Amiodaron. Die Therapiedauer gilt als Risikofaktor, und Dosisreduktionen können Linderung verschaffen. Wie bei Statinen ist die Polyneuropathie in der Regel reversibel.

Metformin

Obwohl in Internetforen über Polyneuropathien im Zusammenhang mit Metformin berichtet wird, gibt es keine validen Studien, die dies bestätigen. Die Fachinformationen erwähnen keine Polyneuropathie als Nebenwirkung. Die beobachteten Polyneuropathien sind wahrscheinlich eher auf die Grunderkrankung Diabetes mellitus zurückzuführen.

Zytostatika (Vinca-Alkaloide, Taxane, Platinverbindungen, Bortezomib, Thalidomid)

Verschiedene Zytostatika, die in der Krebstherapie eingesetzt werden, können periphere Neuropathien verursachen:

  • Vinca-Alkaloide: Vincristin verursacht in 30-40 % der Fälle periphere Neuropathien, die stärker ausgeprägt sind als bei Vinorelbin oder Vinblastin. Parästhesien treten bei etwa 50 % der Vinorelbin-Patienten auf.
  • Taxane: Docetaxel verursacht bei bis zu 50 % der Patienten eine Chemotherapie-induzierte periphere Neuropathie (CIPN), während Paclitaxel bei bis zu 95 % der Patienten Nervenschäden verursacht. Die Kombination mit Platinverbindungen verstärkt diesen Effekt.
  • Platinverbindungen: Oxaliplatin verursacht bei bis zu 98 % der Patienten eine akute und bei bis zu 60 % eine chronische Neuropathie. Carboplatin-induzierte Neuropathien sind weniger häufig und milder.
  • Bortezomib und Thalidomid: Diese Medikamente werden zur Behandlung des multiplen Melanoms eingesetzt. Bortezomib verursacht bei bis zu 75 % der Patienten eine CIPN, wobei bis zu 30 % über schwere Symptome klagen. Bei Thalidomid variieren die Inzidenzzahlen zwischen 14 und 70 %. Die Kombination beider Medikamente verstärkt den Effekt.

Chemotherapie-induzierte, akute und chronische Neuropathien verursachen erhebliche Beschwerden und haben aufgrund neuer Substanzen in der Tumorbehandlung und der Zunahme maligner Erkrankungen an Bedeutung gewonnen.

Antibiotika

Bestimmte Antibiotika können ebenfalls Polyneuropathien auslösen:

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  • Isoniazid: Dieses Medikament zur Behandlung von Tuberkulose greift in den Vitamin-B6-Stoffwechsel ein. Periphere Polyneuropathien mit Parästhesien und Sensibilitätsstörungen sind häufige Nebenwirkungen. Daher wird Isoniazid standardmäßig mit Pyridoxin (Vitamin B6) kombiniert, um Neuropathien vorzubeugen. Es ist jedoch zu beachten, dass auch Pyridoxin in sehr hohen Dosen Neuropathien verursachen kann.
  • Weitere Antibiotika: Ethambutol, Linezolid, Nitrofurantoin und Metronidazol können ebenfalls periphere Neuropathien auslösen. Während die Inzidenz bei Ethambutol und Linezolid maximal 5 % beträgt, können unter Metronidazol bis zu 85 % der Patienten neurologische Symptome entwickeln. Linezolid-induzierte Neuropathien können irreversibel sein.

Weitere Medikamente und Ursachen

Neben den oben genannten Medikamenten können auch andere Faktoren Polyneuropathien verursachen oder verstärken. Brennende Augen, die nicht durch Erreger verursacht werden, können auf eine verminderte Tränenflüssigkeit zurückzuführen sein, die durch Überanstrengung, Bildschirmarbeit, Kontaktlinsen, Müdigkeit oder Medikamente wie Anticholinergika, Antihypertonika oder Antiallergika verursacht wird. Das Sicca-Syndrom kann auch ein Begleitsymptom von Diabetes oder Autoimmunerkrankungen sein. Metoprolol kann als Nebenwirkung trockene Augen verursachen.

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