Die Funktion des Kleinhirns: Koordination, Gleichgewicht und mehr

Das Gehirn, die Steuerzentrale des Körpers, besteht aus verschiedenen Teilen und Milliarden von vernetzten Nervenzellen. Es steuert lebenswichtige Abläufe und alle wichtigen Fähigkeiten des Menschen: Wahrnehmung, Empfindung, Wissen, Denken und Verhalten. Es sorgt dafür, dass Organe richtig arbeiten und steuert Bewegungen. Das Gehirn nimmt Sinneseindrücke auf, verarbeitet sie, speichert Informationen im Gedächtnis und ruft sie bei Bedarf wieder ab. Es ist ein gigantisches Netzwerk von Nervenzellen, wobei jeder Bereich auf bestimmte Aufgaben spezialisiert ist.

Einer dieser spezialisierten Bereiche ist das Kleinhirn (Cerebellum), das sich im hinteren Teil des Schädels unterhalb des Großhirns befindet. Obwohl es nur etwa ein Sechstel des Volumens des Großhirns besitzt, enthält es mit ungefähr hundert Milliarden Nervenzellen fünfmal so viele Neurone wie das Großhirn.

Anatomie des Kleinhirns

Das Kleinhirn liegt in der hinteren Schädelgrube, unterhalb des Hinterhauptlappens des Großhirns und hinter dem Hirnstamm. Seine obere Fläche wird vom Großhirn überdeckt, von dem es durch das Kleinhirnzelt (Tentorium cerebelli) getrennt ist. Es besteht aus zwei Kleinhirnhemisphären, die durch den Kleinhirnwurm (Vermis cerebelli) miteinander verbunden sind. Im Längsschnitt erinnern die Kleinhirnstrukturen an die Verästelungen eines Laubbaums und werden deshalb auch Lebensbaum genannt. Die graue Substanz bildet die Kleinhirnrinde, die aus drei Nervenzellkernschichten besteht: Körnerschicht, Purkinje-Schicht und Molekularschicht. Tief im Mark liegen die Kleinhirnkerne, die als selbstständige Schaltzentren Impulse erhalten und weitergeben.

Funktionelle Unterteilung

Funktionell unterteilen Anatomen das Kleinhirn in drei Bereiche, die unterschiedliche Aufgaben erfüllen:

  • Vestibulocerebellum: Es beeinflusst die Körperhaltung und die Feinabstimmung von Augenbewegungen. Es erhält Informationen vom Gleichgewichtsorgan im Innenohr und leitet diese über Nervenbahnen zu den Kernen des Gehör- und Gleichgewichtsnervs beziehungsweise zu den Augenmuskelnervenkernen im Hirnstamm weiter.
  • Spinocerebellum: Es wird hauptsächlich durch den Kleinhirnwurm gebildet und erhält Nachrichten aus dem Rückenmark über die Stellung von Armen, Beinen, Rumpf sowie über die Muskelspannung.
  • Pontocerebellum: Die beiden Kleinhirnhemisphären bilden das Pontocerebellum. Es ist eng mit dem Großhirn verbunden und ist beteiligt, wenn willentlich etwas bewegt wird.

Die Rolle der Kleinhirnrinde

Um so viel Nervenmasse auf so kleinem Raum unterzubringen, ist die Kleinhirnrinde stark gefaltet. Die horizontalen Fältchen werden als Blätter (Foliae) bezeichnet. Die Kleinhirnrinde besteht aus drei Schichten:

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  • Molekularschicht: Die äußere Schicht, die hauptsächlich aus Zellfortsätzen besteht.
  • Purkinjezellschicht: Die mittlere Schicht, die die großen Purkinjezellen enthält.
  • Körnerzellschicht: Die innere Schicht, die dicht mit Körnerzellen gefüllt ist.

Die Purkinjezellen sind die zentralen Schaltstellen der Kleinhirnrinde. Sie empfangen erregende und hemmende Informationen und leiten ihre Signale zu den Kleinhirnkernen.

Die Kleinhirnstiele

Die Kleinhirnstiele verbinden das Kleinhirn mit dem Hirnstamm und ermöglichen den Informationsaustausch. Über diese Fasern empfängt und sendet das Kleinhirn Informationen.

Funktionen des Kleinhirns

Das Kleinhirn ist vorwiegend dafür bekannt, Bewegungen zu steuern. Es ist das Kontrollorgan für das Zusammenwirken von Muskelbewegungen (Koordination), für die Feinabstimmung von Bewegungsabläufen und für die Regulierung der Muskelspannung. Es empfängt Informationen von den Sinnesorganen und anderen Teilen des Gehirns und nutzt diese Informationen, um motorische Bewegungen und Handlungen zu steuern und zu koordinieren. Das Kleinhirn hilft dabei, die Kraft, Geschwindigkeit und Genauigkeit von Bewegungen zu kontrollieren.

Zu den Hauptfunktionen des Kleinhirns gehören:

  • Bewegungskoordination: Das Kleinhirn koordiniert zielgerichtete Bewegungen, wie zum Beispiel beim Sport oder beim Musizieren.
  • Gleichgewichtskontrolle: Es unterstützt uns dabei, aufrecht zu stehen und uns bei Bewegungen zu stabilisieren.
  • Muskeltonus: Das Kleinhirn sorgt dafür, dass die Muskeln in einem bestimmten Zustand bleiben, auch wenn keine Bewegung stattfindet.
  • Augenbewegungen: Es hilft dabei, dass unsere Augen sich schnell und präzise bewegen können, um auf visuelle Reize zu reagieren.
  • Sprachkoordination: Das Kleinhirn wirkt mit bei der Kontrolle motorischer Bewegungen, die erforderlich sind, um Sprache zu produzieren und zu verstehen.
  • Langzeitgedächtnis: Es ist an der Bildung des Langzeitgedächtnisses beteiligt, insbesondere bei motorischen Fähigkeiten und Verhaltensweisen.

Das Kleinhirn als "Dirigent" von Bewegungen

Das Pontocerebellum kann man mit einem Dirigenten vergleichen, der Bewegungen einstudiert, sie auf die Muskeln abstimmt und deren Zusammenspiel koordiniert. Der Bewegungsplan wird vom Großhirn geliefert. Das Kleinhirn greift ein, wenn etwas schief läuft und ermöglicht so Korrekturschleifen, die wichtig sind, um Bewegungen zu erlernen.

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Weitere Aufgaben des Kleinhirns

Neuere Studien lassen vermuten, dass das Kleinhirn nicht nur für Motorik zuständig ist. Es spielt auch eine Rolle bei kognitiven Prozessen wie der Kommunikation, sozialem Verhalten und der visuellen Wahrnehmung. Zudem zeigen bildgebende Verfahren, dass bei einer Vielzahl von Tätigkeiten Aktivität im Kleinhirn aufleuchtet, zum Beispiel bei Kurzzeitgedächtnisaufgaben, der Kontrolle impulsiven Verhaltens, beim Hören und Riechen, Schmerz, Hunger und Atemnot. Eine Hypothese ist, dass das Kleinhirn für zeitliche Koordination zuständig ist.

Emotionale Erlebnisse bleiben besonders gut im Gedächtnis abgespeichert. Eine Hirnstruktur namens Amygdala spielt dabei eine zentrale Rolle. Forschende haben herausgefunden, dass das Kleinhirn beim Abspeichern emotionaler Erlebnisse ebenfalls eine wichtige Rolle spielt.

Erkrankungen und Störungen des Kleinhirns

Erkrankungen oder Verletzungen des Kleinhirns können zu Störungen der Bewegungskoordination (Ataxie) führen. Betroffene haben Probleme beim Gleichgewicht und der Koordination, ihr Gang ist schwankend. Auch können Sprachstörungen und Augenbewegungsstörungen auftreten.

Einige Beispiele für Erkrankungen und Störungen des Kleinhirns sind:

  • Kleinhirn-Ataxie: Eine Störung der Kleinhirnfunktionen, die zu einer Störung von Bewegungsabläufen und des Gleichgewichts führt.
  • Kleinhirninfarkt: Eine Blockierung einer Arterie, die das Kleinhirn versorgt, was zu Schädigungen des Kleinhirns führt.
  • Kleinhirntumore: Tumore im Kleinhirn, die zu einer Kompression des Gewebes und einer Schädigung des Kleinhirns führen können.
  • Multiple Sklerose: Eine Autoimmunerkrankung, die das zentrale Nervensystem betrifft und Schäden an den Myelinscheiden der Nerven verursacht.
  • Alkoholische Zerebelläre Degeneration: Eine Folge von chronischem Alkoholismus, die zu Schäden an den Kleinhirnzellen führen kann.
  • Friedreich-Ataxie: Tritt aufgrund der Expansion des GAA-Repeats im FXN-Gen auf.

Vitalparameter und das Kleinhirn

Das Kleinhirn steht in ständiger Wechselwirkung mit anderen Bereichen des Gehirns und des Körpers, um Vitalparameter aufrechtzuerhalten. Störungen des Kleinhirns können folgende Folgen haben:

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  • Gleichgewicht: Gleichgewichtsstörungen und Körperhaltungsprobleme
  • Koordination von Bewegungen: Störungen von Muskeltonus und Muskelkraft, Schwierigkeiten bei der Feinmotorik und der Koordination von Bewegungen bis hin zu Lähmungserscheinungen
  • Herzfrequenz und Blutdruck: Beeinträchtigungen des autonomen Nervensystems können Herzfrequenz und Blutdruck entweder über oder unter die regulären Werte steuern und zu Bewusstlosigkeit oder Herzinfarkten führen
  • Atmung: Verlust der Kontrolle der Atmung, Atemfrequenz und -tiefe können zu Ohnmacht führen
  • Sprache: Sprachstörungen und Sprachverlust

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