Kraftfahrzeuge sind eine bequeme und praktische Möglichkeit zur Fortbewegung, bergen jedoch auch ein Unfallrisiko. Um die Verkehrssicherheit zu gewährleisten, existieren in Deutschland zahlreiche Regeln und Bestimmungen, die vorrangig der Unfallprävention dienen. Ein wichtiger Aspekt ist die Beurteilung der Fahreignung und Fahrtauglichkeit von Kraftfahrern. Die Verkehrsmedizin spielt hierbei eine entscheidende Rolle, indem sie prüft, ob Führerscheinbewerber oder -inhaber die notwendigen körperlichen und psychischen Voraussetzungen erfüllen, um ein Fahrzeug sicher zu führen.
Was ist Verkehrsmedizin?
Die Verkehrsmedizin ist ein medizinisches Teilgebiet, das sich mit der Einschätzung der körperlichen und psychischen Fahrtüchtigkeit von Personen befasst. Sie vereint ärztliche Kompetenzen aus nahezu allen Disziplinen, um die Verkehrssicherheit zu erhöhen und den individuellen Nutzen der Verkehrsteilnehmer zu gewährleisten. Dabei stehen sowohl die Fahrsicherheit (die momentane Fähigkeit zum Führen eines Fahrzeugs) als auch die Fahreignung (die generelle Fähigkeit zum Führen eines Fahrzeugs) im Fokus. Krankheiten und/oder medikamentöse Therapien können diese Fähigkeiten beeinträchtigen.
Wann ist ein verkehrsmedizinisches Gutachten erforderlich?
Ein verkehrsmedizinisches Gutachten ist in verschiedenen Situationen erforderlich:
- Bei Beantragung oder Verlängerung bestimmter Führerscheinklassen: Dies betrifft die Klassen C, CE, C1, C1E, D, DE, D1 oder D1E, also Lkw- und Busfahrer. Auch Taxifahrer müssen ihre Fahrtauglichkeit prüfen lassen.
- Bei Zweifeln an der Fahrtauglichkeit: Die Fahrerlaubnisbehörde kann ein Gutachten anordnen, wenn Zweifel an der körperlichen oder geistigen Eignung eines Kraftfahrers bestehen. Dies kann beispielsweise nach einem Herzinfarkt, Schlaganfall oder bei Medikamenteneinnahme der Fall sein.
- Nach Auffälligkeiten im Straßenverkehr: Wenn ein Autofahrer durch wiederholtes oder erhebliches Fehlverhalten den Straßenverkehr gefährdet, kann eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) angeordnet werden, die ebenfalls in den Bereich der Verkehrsmedizin fällt.
Die Fahrerlaubnisverordnung (FeV) bestimmt, dass bei Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung des Fahrerlaubnisinhabers die Behörde das Beibringen eines Gutachtens anordnen kann. In § 11 Abs. 2 der FeV ist geregelt, dass die zuständige Behörde bei Anordnung eines solchen Gutachtens auch bestimmt, von welchem Arzt das Gutachten erstellt werden soll.
Voraussetzungen für die verkehrsmedizinische Qualifikation
Ärzte müssen eine spezielle verkehrsmedizinische Qualifikation erwerben, bevor sie in diesem Bereich tätig werden dürfen. Hierzu ist eine entsprechende Fortbildung erforderlich, die das Curriculum der Bundesärztekammer (BÄK) umsetzt. Diese Fortbildung vermittelt das notwendige Wissen für die verkehrsmedizinische Begutachtung, beispielsweise in den Bereichen Verkehrstoxikologie sowie über bestimmte Erkrankungen und Funktionsstörungen.
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Wichtig: Die Belegung der Fortbildungsmodule in der vorgesehenen Reihenfolge ist für den Erwerb der Qualifikation verbindlich!
Jeder Allgemein- und Facharzt kann mit der entsprechenden Qualifikation auch Verkehrsmedizin praktizieren. Fachärzte erhalten die verkehrsmedizinische Qualifikation im Sinne des § 11 der FeV von der zuständigen Ärztekammer bescheinigt, wenn sie die Module I-IV des vorliegenden Curriculums absolviert haben.
Module der Fortbildung
Die Fortbildung zur verkehrsmedizinischen Qualifikation umfasst in der Regel mehrere Module:
- Modul I: Basiswissen Verkehrsmedizin - Patientenaufklärung und Beratung (4 UE):
- Grundlagen der Verkehrsmedizin (Fahrsicherheit, Fahreignung)
- Rechtlicher Hintergrund (Fahrerlaubnisverordnung, Leitlinien, Anlage 4 FeV (Erkrankungen, Mängel))
- Orientierende ärztliche Untersuchung nach Anlage 5 FeV (Screening)
- Grundlagen von Screening
- Relevante Krankheitsbilder, Medikamente, Alkohol, Drogen, Multimorbidität, Besonderheiten bei der Probenentnahme im forensischen Bereich (CTU)
- Arztrechtlicher Hintergrund (Schweigepflicht, § 34 Strafgesetzbuch (StGB), berufsrechtliche Aspekte, Arzthaftung)
- Einführung in die Problematik der verkehrsmedizinischen Begutachtung
- Modul II: Regelwerke für die verkehrsmedizinische Begutachtung (2 UE/eLearning):
- FeV (§ 11 - 14, Anlage 4, 5, 6)
- Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung
- Fachspezifische Grundlagen (z. B. Beurteilungskriterien, Positionspapiere)
- Modul III: Verkehrsmedizinische Begutachtung (6 UE):
- Grundlagen der gutachterlichen Tätigkeit
- Allgemeine sowie spezielle rechtliche Grundlagen
- Modul IV: Spezielle Erkrankungen und Mängel / Kompensationsmöglichkeiten (12 UE):
- Herz-Kreislauferkrankungen
- Psychiatrische Erkrankungen
- Erkrankungen des Nervensystems einschl. neurologischer Gutachten
Hinweis: Die Module I und II sind Eingangsvoraussetzung für die weiteren Module.
Modul V: Forensische Aspekte (fakultativ)
Unabhängig von dieser gutachterlichen Tätigkeit übernehmen entsprechend qualifizierte Ärzte die Aufgaben der Entnahme von Urin- oder Haarproben, die im Rahmen von Abstinenzkontrollprogrammen erforderlich sind. Nur Proben, die unter Beachtung aller Vorgaben für Terminierung, Entnahme, Lagerung und Versand entnommen wurden, sind forensisch verwertbar und können bei der Begutachtung der Fahreignung als Abstinenzbeleg Verwendung finden. In Modul V werden die Inhalte vermittelt, die über das in den Modulen I-IV hierzu erworbene Wissen hinaus erforderlich sind.
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Aufgaben und Verantwortlichkeiten des verkehrsmedizinisch qualifizierten Arztes
Im Rahmen des Behandlungsvertrags sind Ärzte verpflichtet, ihre Patienten zu beraten und aufzuklären, wenn Fahrsicherheit oder Fahreignung gefährdet sind. Die gutachterliche Tätigkeit in diesem Bereich hat dagegen die Aufgabe, der Fahrerlaubnisbehörde im Gutachten die Informationen zur Verfügung zu stellen, die sie braucht, um über die Fahreignung eines Fahrerlaubnisinhabenden oder -antragstellenden zu entscheiden.
Ein ärztliches Gutachten muss von Fachärzten oder Fachärztinnen mit verkehrsmedizinischer Qualifikation oder für Rechtmedizin, Ärzten oder Ärztinnen des Gesundheitsamts, Betriebsmediziner oder -medizinerinnen oder einer Begutachtungsstelle für Fahreignung (BfF) durchgeführt werden.
Typische Erkrankungen und Beeinträchtigungen, die die Fahreignung beeinflussen können:
- Mangelndes Seh- oder Hörvermögen
- Bewegungsbehinderungen
- Herzinfarkt, Schlaganfall
- Diabetes (Zuckerkrankheit)
- Schwere Lungen- und Bronchialerkrankungen
- Ausgeprägte Tagesschläfrigkeit
- Psychische Störungen, Suchterkrankungen
- Einnahme von bestimmten Medikamenten oder Betäubungsmitteln
Die Rolle der Deutschen Gesellschaft für Verkehrsmedizin (DGVM)
Das verkehrsmedizinische Aufgabenfeld und die Untersuchungsmethoden werden kontinuierlich von der Deutschen Gesellschaft für Verkehrsmedizin (DGVM) weiterentwickelt. Die Verkehrsmedizin ist einem ständigen Wandel unterworfen, weshalb Ärzte auch nach Erwerb der verkehrsmedizinischen Qualifikation regelmäßig an Fortbildungen teilnehmen sollten. Die DGVM arbeitet auch an der Verbesserung der Ausbildung für Fachärzte mit einer Zusatzqualifikation in der Verkehrsmedizin.
Wie findet man einen verkehrsmedizinischen Gutachter?
Neben der Mundpropaganda kann man sich auch im Internet auf die Suche nach einem Gutachter machen. Viele Suchportale bieten die Möglichkeit, nach Gutachtern in einem bestimmten Umkreis zu suchen. Sofern Sie als Gutachter tätig werden möchten, wenden Sie sich bitte an die regional zuständige Führerscheinbehörde.
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