Die neurologische Untersuchung ist eine ärztliche Kernkompetenz und stellt die Grundlage für Diagnose, individuelle Therapieplanung und die Beurteilung der Notwendigkeit von Behandlungsmaßnahmen dar. Sie ist nicht nur eine humane, sondern auch eine kindgerechte Methode, die sicherstellt, dass Medizin für Kinder stets von Menschlichkeit geprägt ist.
Die Bedeutung der neurologischen Untersuchung
Die neurologische Untersuchung ist von entscheidender Bedeutung, da sie es Ärzten ermöglicht, Diagnosen zu stellen und eine auf das jeweilige Kind, seine Erkrankung, Prognose und Entwicklung abgestimmte medizinische Versorgung zu gewährleisten. Durch die systematische Vorgehensweise können sowohl zentrale als auch periphere Nervensysteme beurteilt werden, um die Frage zu beantworten: „Wo ist die Läsion?“.
Entwicklungsstufen der neurologischen Untersuchung
Die neurologische Untersuchung wird an das Alter des Kindes angepasst und lässt sich in drei wesentliche Bereiche unterteilen:
- Entwicklungsneurologische Basisuntersuchungen: Diese Untersuchungen orientieren sich an der Zeitschiene der U-Untersuchungen und konzentrieren sich auf Kinder bis zum zweiten Lebensjahr. Sie bilden die Grundlage, um die Entwicklung des Kindes zu beurteilen.
- Klassische neurologische Untersuchung: Diese Untersuchungsmethode gewinnt ab dem vierten bis sechsten Lebensjahr an Bedeutung.
- Flexible Untersuchung: Zwischen dem zweiten und vierten (bis sechsten) Lebensjahr kommt eine situativ gestaltete „flexible Untersuchung“ zum Einsatz. Hierbei werden Elemente aus den entwicklungsneurologischen Basisuntersuchungen und der klassischen Neurologie kombiniert. Instrumente wie die „Grenzsteine der Entwicklung“ von Michaelis et al. unterstützen diese flexible Vorgehensweise.
Dimensionen der klassischen neurologischen Untersuchung
Die klassische neurologische Untersuchung umfasst verschiedene Dimensionen, die wichtige Informationen liefern:
- Haltung: Beobachtung der Körperhaltung und eventueller Auffälligkeiten.
- Tonus: Beurteilung des Muskeltonus.
- Unwillkürliche Bewegungen: Feststellung und Einordnung von unwillkürlichen Bewegungen.
- Balance: Überprüfung des Gleichgewichts.
- Feinmotorik: Untersuchung der feinmotorischen Fähigkeiten.
- Assoziierte und spiegelbildliche Mitbewegungen: Beobachtung von Begleitbewegungen.
Diese Domänen ermöglichen es, valide Informationen über den Zustand des Nervensystems zu erhalten.
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Untersuchung auf milde neurologische Dysfunktion (MND)
Die Untersuchung auf milde neurologische Dysfunktion (MND) ist ein wissenschaftlich fundiertes Verfahren, um Entwicklungsauffälligkeiten zu erkennen. Sie ist jedoch zeitaufwendig und kann redundant sein. Trotz dieser Nachteile bleibt die MND-Untersuchung eine wertvolle Methode, um die Entwicklung umfassend abzubilden, sofern man sich ihrer Grenzen bewusst ist. Die Terminologie der MND steht im Kontext des sich wandelnden Verständnisses von Entwicklung in der Medizin.
Erweiterte Untersuchung im Vorschul- und Schulalter
Für Kinder im Vorschul- und Schulalter (4-18 Jahre) existiert ein systematisch erweitertes und validiertes Untersuchungsschema, das von Bert C.L. entwickelt wurde. Eine aktuelle Gruppierung dieser Untersuchungsschritte stammt von Mijna Hadders-Algra (2010, deutsch 2014).
EBM-Anpassungen im Überblick
Der Bewertungsausschuss hat im Laufe der Zeit verschiedene Beschlüsse zur Anpassung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) gefasst, die auch neurologische Leistungen betreffen. Einige wichtige Änderungen sind:
- Überführung von Kontrolluntersuchungen in Grundpauschalen: Die Gebührenordnungspositionen für psychiatrische (16223) und neurologische (21235) Kontrolluntersuchungen wurden in die Grundpauschalen der jeweiligen Kapitel überführt (Beschluss vom 14. Dezember 2022, wirksam zum 1. April 2023). Dies bedeutet, dass diese Leistungen nun im Rahmen der regulären Grundversorgung abgerechnet werden.
- Infektionsdialyse bei SARS-CoV-2: Der EBM wurde angepasst, um die Infektionsdialyse bei Vorliegen einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 zu ermöglichen (Beschluss vom 14. Dezember 2022, wirksam zum 1. Januar 2023).
- Anpassung der Bewertungen nichtärztlicher Dialyseleistungen: Die Bewertungen der nichtärztlichen Dialyseleistungen wurden ebenfalls angepasst (Beschluss vom 14. Dezember 2022, wirksam zum 1. Januar 2023).
- Matrixassoziierte autologe Chondrozytenimplantation (M-ACI): Das Operationsverfahren der matrixassoziierten autologen Chondrozytenimplantation (M-ACI) wurde in den EBM aufgenommen (Beschluss vom 14. Dezember 2022, wirksam zum 1. Januar 2023).
- Nukleinsäurenachweis von Orthopoxviren: Der Nukleinsäurenachweis von Orthopoxviren wurde als Gebührenordnungsposition 32810 in den Abschnitt 32.3.12 EBM aufgenommen (Beschluss vom 14. Dezember 2022, wirksam zum 1. Januar 2023 sowie zum 1. April 2023).
- HIV-Präexpositionsprophylaxe: Die Leistungen der HIV-Präexpositionsprophylaxe werden für ein weiteres Jahr extrabudgetär vergütet (Empfehlung gemäß § 87a Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 SGB V bzw. § 87a Abs. 5 Satz 7 i. V. m. § 87a Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 SGB V).
- Telemedizinische Anwendungen: Der Bewertungsausschuss hat die Verwendung von Finanzmitteln für telemedizinische Anwendungen beschlossen (Beschluss vom 14. Dezember 2022, wirksam zum 1. Januar 2023).
- Long-COVID-Versorgung: Es wurden neue Gebührenordnungspositionen (EBM Nrn. 37800 ff.) für die Versorgung von Patienten mit Long-COVID in den EBM aufgenommen, die ab dem 1. Januar 2025 gelten und extrabudgetär vergütet werden. Diese umfassen unter anderem ein Basis-Assessment, Zuschläge für schwere Fälle und die Teilnahme an Fallbesprechungen.
Detaillierte Änderungen im EBM (Auswahl)
Einige der detaillierten Änderungen im EBM umfassen:
- Streichung und Aufnahme von Spiegelstrichen: Im Abschnitt 16.3 und 21.3 EBM wurden die Gebührenordnungspositionen 16223 und 21235 gestrichen. Im Gegenzug wurden in den Abschnitten 16.2 und 21.2 EBM zusätzliche Spiegelstriche in den fakultativen Leistungsinhalt der Gebührenordnungspositionen 16210 bis 16212 bzw. 21210 bis 21212 aufgenommen, um psychiatrische und neurologische Kontrolluntersuchungen einschließlich Anamnese zu berücksichtigen.
- Änderung der Leistungslegende: Die Leistungslegende der Gebührenordnungspositionen 40835 und 40836 im Abschnitt 40.14 EBM wurde geändert, um Zuschläge für die Infektionsdialyse bei Patienten mit Infektionen mit Problemkeimen, SARS-CoV-2 oder Absonderungspflicht gemäß Coronavirus-Einreiseverordnung zu berücksichtigen.
- Anpassungen im Zusammenhang mit Gonarthrose: Die Bestimmungen zu den Abschnitten 31.2.5 und 36.2.5 EBM wurden geändert, um therapeutische arthroskopische Eingriffe, die primär aufgrund der Diagnose Gonarthrose durchgeführt wurden, auszuschließen, sofern keine Begleiterkrankungen oder spezielle Indikationen vorliegen.
- Nukleinsäurenachweis von Orthopoxvirus spp.: Im Abschnitt 32.3.12 EBM wurde die Gebührenordnungsposition 32810 für den Nukleinsäurenachweis von Orthopoxvirus spp. aufgenommen, die von Fachärzten für Laboratoriumsmedizin oder Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie berechnet werden kann.
Bedeutung des EBM
Der Einheitliche Bewertungsmaßstab (EBM) ist die verbindliche Abrechnungsgrundlage für Vertragsärzte und -psychotherapeuten. Er wird von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und dem GKV-Spitzenverband im Bewertungsausschuss auf Bundesebene vereinbart. Der EBM legt sowohl den Inhalt der Leistungen als auch die Höhe der Punktzahl und damit die Bewertung fest. Der Orientierungspunktwert dient als Ausgangswert für die Festsetzung der regionalen Punktwerte.
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Long-COVID-Richtlinie und EBM-Leistungen
Nach der vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) beschlossenen Long-COVID-Richtlinie (LongCOV-RL) hat der Bewertungsausschuss festgelegt, welche EBM-Leistungen die behandelnden Ärzte zusätzlich abrechnen dürfen. Zum 1. Januar 2025 wird der neu in den EBM aufgenommene Abschnitt 37.8 fünf neue Gebührenpositionen enthalten, die extrabudgetär vergütet werden.
Diese umfassen:
- EBM Nr. 37800 - Basis-Assessment: Für die ausführliche, strukturierte Anamnese und körperliche Untersuchung mit Erfassung des neurologischen, funktionellen und Ernährungsstatus.
- EBM Nr. 37801 - Zuschlag zur Nr. 37800: Für schwere Fälle, z.B. Patienten mit Post-COVID und schwerer Funktionseinschränkung oder Verdacht auf Chronisches Fatigue-Syndrom.
- EBM Nr. 37802 - Zuschlag zur Versicherten- oder Grundpauschale: Wenn der Patient im Quartal von einem weiteren Facharzt einer anderen Fachrichtung behandelt wird.
- EBM Nr. 37804 - Teilnahme fallbezogene Fallbesprechungen: Für die Teilnahme an Fallbesprechungen.
- EBM Nr. 37806 - spezialisierte ambulante Versorgung: Für die Überweisung an eine Hochschulambulanz oder spezialisierte vertragsärztliche Praxis zur differentialdiagnostischen Abklärung.
Der G-BA hat bei der Erstellung der Richtlinie den Spielraum genutzt, um die Versorgungspfade auch bei Erkrankungen mit ähnlicher Ursache oder Krankheitsausprägung zu ermöglichen.
Fazit
Die neurologische Basisuntersuchung ist ein unverzichtbarer Bestandteil der pädiatrischen Versorgung. Die EBM-Leitlinie und die kontinuierlichen Anpassungen des EBM tragen dazu bei, die Qualität und Abrechnungssicherheit dieser wichtigen Leistung zu gewährleisten. Die Integration neuer Erkenntnisse und Behandlungsmethoden, wie im Falle von Long-COVID, zeigt die Dynamik und Anpassungsfähigkeit des Systems.
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