Eine Polyneuropathie ist eine Erkrankung, die mehrere periphere Nerven betrifft und zu einer Vielzahl von Symptomen führen kann. Dazu gehören Gefühlsstörungen, Schmerzen, Muskelschwäche und autonome Dysfunktion. Eine rechtzeitige und umfassende Behandlung ist entscheidend, um das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen, Symptome zu lindern und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Bei der Behandlung von Polyneuropathie können Medikamente mit anderen Behandlungsmethoden gekoppelt werden.
Ursachen und Symptome der Polyneuropathie
Polyneuropathien können verschiedene Ursachen haben, darunter:
- Diabetes mellitus: Dies ist die häufigste Ursache in Europa und Nordamerika. Ein dauerhaft erhöhter Blutzuckerspiegel kann die Nerven schädigen.
- Alkoholmissbrauch: Chronischer Alkoholkonsum kann ebenfalls zu Nervenschäden führen. Die Prävalenz der alkoholbedingten Polyneuropathie liegt bei chronisch Alkoholkranken zwischen 22 und 66 %.
- Genetische Ursachen: Einige Polyneuropathien sind erblich bedingt.
- Vitaminmangel oder -überdosierung: Ein Mangel an bestimmten Vitaminen (z. B. B12) oder eine Überdosierung anderer Vitamine können Nervenschäden verursachen.
- Toxine: Der Kontakt mit giftigen Substanzen wie Schwermetallen kann eine Polyneuropathie auslösen.
- Autoimmunerkrankungen: Erkrankungen wie das Guillain-Barré-Syndrom oder rheumatoide Arthritis können zu Entzündungen führen, die die Nerven schädigen.
- Infektionen: Bestimmte Infektionen wie Borreliose, Diphtherie oder Gürtelrose können ebenfalls eine Polyneuropathie verursachen.
- Medikamente: Einige Medikamente können als Nebenwirkung eine Polyneuropathie verursachen.
- Krebserkrankungen: Krebserkrankungen wie Brustkrebs oder Blutkrebs können ebenfalls mit einer Polyneuropathie einhergehen.
Die Symptome einer Polyneuropathie können je nach Art der betroffenen Nerven variieren:
- Sensible Polyneuropathie: Dies führt zu Empfindungsstörungen wie Kribbeln, Taubheit, Brennen oder Schmerzen in den Füßen und Händen. Auch ein vermindertes Temperatur- oder Schmerzempfinden ist möglich.
- Motorische Polyneuropathie: Dies führt zu Muskelschwäche, Muskelschmerzen, Muskelzucken oder Muskelkrämpfen.
- Vegetative Polyneuropathie: Dies betrifft die Organfunktionen und kann zu Beschwerden wie Schwindel, Blasenschwäche, Durchfall oder verstärktem Schwitzen führen.
Medikamentöse Behandlung der Polyneuropathie
Die medikamentöse Behandlung der Polyneuropathie zielt darauf ab, die Symptome zu lindern, insbesondere Schmerzen, und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Es ist wichtig zu beachten, dass Schmerzmittel oft nur bedingt geeignet sind, da sie nicht direkt an den Nerven angreifen. Stattdessen werden Medikamente eingesetzt, die die Nervenaktivität stabilisieren oder die Schmerzweiterleitung im Rückenmark beeinflussen.
Antikonvulsiva
Antikonvulsiva wie Gabapentin und Pregabalin werden häufig zur Behandlung von Polyneuropathie eingesetzt. Sie stabilisieren die Nervenaktivität und können so neuropathische Schmerzen reduzieren.
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- Gabapentin: Die Behandlung mit Gabapentin beginnt in der Regel mit einer niedrigen Dosis, die im Laufe der Zeit langsam gesteigert wird, um starke Nebenwirkungen zu vermeiden. Eine regelmäßige Kontrolle der Blutwerte ist erforderlich, da es zu Veränderungen kommen kann.
- Pregabalin: Pregabalin hat eine ähnliche Wirkung wie Gabapentin und kann ebenfalls zur Behandlung von Polyneuropathie eingesetzt werden. Auch hier ist eine regelmäßige Kontrolle der Blutwerte wichtig.
Antidepressiva
Antidepressiva wie Amitriptylin und Nortriptylin können ebenfalls bei Polyneuropathie eingesetzt werden, da die Botenstoffe, die zur Behandlung von Depressionen eingesetzt werden, auch bei neuropathischen Schmerzen wirken.
- Amitriptylin: Amitriptylin sollte abends eingenommen werden, da es schläfrig machen kann. Die Dosis muss nach und nach erhöht werden, um eine ausreichende Schmerzreduktion zu erzielen.
- Nortriptylin: Nortriptylin hat ähnliche Effekte wie Amitriptylin und kann ebenfalls zur Behandlung von Polyneuropathie eingesetzt werden.
Die in diesen Medikamenten enthaltenen Wirkstoffe unterdrücken eine Weiterleitung von Schmerzsignalen im Rückenmark.
Analgetika (Schmerzmittel)
Analgetika wie Paracetamol, Diclofenac, Ibuprofen oder Acetylsalicylsäure (ASS) können bei gelegentlich auftretenden Beschwerden eingesetzt werden. Allerdings sind sie bei einer weiter fortgeschrittenen Polyneuropathie oft nicht mehr wirksam. Viele Patienten sprechen bei Paracetamol an, doch Diclofenac, Ibuprofen oder Acetylsalicylsäure sind bei einer Polyneuropathie kaum wirksam.
Opioide
Opioide wie Tilidin oder Tramadol können zur Behandlung von Polyneuropathie eingesetzt werden, insbesondere bei Dauerschmerzen. Es handelt sich um Schmerzmittel, gegen die der Patient bei regelmäßiger Einnahme eine Toleranz ausbildet. Aufgrund der Gefahr einer psychischen Gewöhnung, die zur Abhängigkeit führt, ist eine strenge Überwachung der Einnahme durch den Arzt erforderlich. Da die Wirkung mit der Zeit nachlässt, ist eine Erhöhung der Dosis erforderlich.
Topische Behandlungen
Einige Formen von Nervenschmerzen können mit örtlicher und oberflächlicher Behandlung am Schmerzort therapiert werden. Die Medikamente werden dann in Form eines Pflasters oder als Creme auf die Haut aufgebracht, um bestimmte Bestandteile der Nervenzelloberfläche zu beeinflussen und die Schmerzentstehung oder -weiterleitung zu verhindern.
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- Lidocainpflaster: Lidocain ist ein örtliches Betäubungsmittel, das die Natriumkanäle blockiert und so die Schmerzweiterleitung reduziert.
- Capsaicinpflaster: Capsaicin wird aus der Chilischote gewonnen und kann nach Pflasterbehandlung auf der Haut dazu führen, dass sich geschädigte Nervenfasern aus der betroffenen Haut zurückziehen und damit die Nervenschmerzen in diesem Bereich für 2-3 Monate verschwinden. Bei Wiederauftreten der Schmerzen kann dann erneut ein Capsaicin-Pflaster geklebt werden.
Weitere Medikamente und Behandlungen
- Benfotiamin und Alpha-Liponsäure: Einige Patienten sprechen auf Benfotiamin oder Alpha-Liponsäure an. Diese Medikamente werden nicht von den Krankenkassen bezahlt. Benfotiamin ist ein Vorstufe von Vitamin B1 und kann den Stoffwechsel der Nerven beeinflussen.
- Thioctsäure bzw. Alphaliponsäure: Durch die anfänglich hochdosierte Gabe von Thioctsäure können sich die Schmerzen und das Wahrnehmungsvermögen bessern, die Wirkung ist aber unsicher und die Behandlung wird von den Krankenkassen nicht bezahlt.
- Transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS): Gegen die Nervenschmerzen helfen manchmal auch Nervenstimulationen. Dabei trägt der Patient ein kleines elektrisches Gerät, das über eine Elektrode mit der schmerzhaften Hautregion verbunden ist. Bei Bedarf werden elektrische Impulse abgegeben, welche die Hautnerven reizen.
Medikamente, die Polyneuropathie verursachen können
Einige Medikamente können als Nebenwirkung eine Polyneuropathie verursachen. Dazu gehören unter anderem:
- Statine: Diese Medikamente werden zur Senkung des Cholesterinspiegels eingesetzt.
- Amiodaron: Dieses Medikament wird zur Behandlung von Herzrhythmusstörungen eingesetzt.
- Vincaalkaloide: Diese Medikamente werden in der Krebstherapie eingesetzt.
- Taxane: Diese Medikamente werden ebenfalls in der Krebstherapie eingesetzt.
- Platinverbindungen: Auch diese Medikamente werden in der Krebstherapie eingesetzt.
- Bortezomib und Thalidomid: Diese Medikamente werden zur Behandlung des multiplen Melanoms eingesetzt.
- Antibiotika: Einige Antibiotika wie Isoniazid, Ethambutol, Linezolid, Nitrofurantoin und Metronidazol können ebenfalls eine Polyneuropathie auslösen.
Bei Patienten, die unter Polyneuropathien leiden oder durch Diabetes mellitus beziehungsweise eine Alkoholsucht ein erhöhtes Risiko für die Entstehung einer Polyneuropathie haben, sollte die Therapie mit oben genannten Medikamenten (außer Metformin) vermieden werden.
Bei zwingender Indikation ist auf Symptome zu achten, um frühzeitig reagieren zu können und unnötige Leiden zu vermeiden.
Weitere Behandlungsansätze
Neben der medikamentösen Behandlung gibt es weitere Ansätze, die bei der Behandlung von Polyneuropathie hilfreich sein können:
- Behandlung der Grunderkrankung: Eine konsequente Behandlung der Grunderkrankung, wie z. B. Diabetes, ist entscheidend, um das Fortschreiten der Nervenschäden zu verhindern. Eine effektive Einstellung des Blutzuckers wird durch die Kombination diätetischer Maßnahmen, körperlicher Aktivität und optimierter Medikamenten- bzw. Insulingabe erreicht.
- Physikalische Therapie: Die physikalische Therapie hilft bei der Schmerzbekämpfung, vor allem gegen die sensiblen und motorischen Störungen einer Polyneuropathie. Mit Hilfe verschiedener Anwendungen soll die Durchblutung verbessert, die geschwächten Muskeln gestärkt und die Mobilität längstmöglich aufrechterhalten werden.
- Ergotherapie: Zur Verbesserung der Feinmotorik können ergotherapeutische Maßnahmen eingesetzt werden.
- Fußpflege: Eine gute Fußpflege ist besonders wichtig, um Verletzungen und Infektionen vorzubeugen. Die Patienten sollten täglich ihre Füße nach Blasen, Rötungen, Schwielen etc. zu untersuchen. Die Füße sollten täglich mit warmem, aber nicht heißem Wasser und einer milden Seife gereinigt werden. Zusätzlich sollten immer gut passende Schuhe getragen werden, in denen die Zehen genügend Bewegungsfreiheit haben und keine Druckstellen entstehen können.
Leben mit Polyneuropathie: Tipps für mehr Lebensqualität
Eine Polyneuropathie kann die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen. Hier sind einige Tipps, die Betroffenen helfen können, ihr Wohlbefinden zu steigern und Risiken zu minimieren:
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- Blutzucker kontrollieren: Menschen mit Diabetes sollten regelmäßig ihren Blutzucker kontrollieren und ärztlich verordnete Medikamente einnehmen.
- Füße kontrollieren: Eine Polyneuropathie an Beinen oder Füßen erhöht das Risiko für Fußgeschwüre - eine regelmäßige Kontrolle auf Wunden ist also wichtig.
- Bewegen: Menschen mit Polyneuropathie können bei Schmerzen und Missempfindungen von verschiedenen Angeboten wie Aquagymnastik oder Gehtraining profitieren.
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