Pipamperon bei Demenz: Wirkung, Anwendung und Risiken

Einleitung

In Deutschland leben etwa 1,8 Millionen Menschen mit Demenz, meist mit Morbus Alzheimer (AD). Neben kognitiven Beeinträchtigungen entwickeln viele Betroffene Verhaltensstörungen, die die Pflege erschweren. Agitiertheit in Kombination mit aggressivem Verhalten ist ein häufiges Symptom. Medikamente, insbesondere Antipsychotika, werden oft eingesetzt, um diese Symptome zu kontrollieren, doch ihre Anwendung ist mit Risiken verbunden. Dieser Artikel beleuchtet die Wirkung, Anwendung und Risiken von Pipamperon bei Demenz.

Was ist Pipamperon?

Pipamperon ist ein Wirkstoff aus der Gruppe der Antipsychotika der ersten Generation (sogenannte "typische" Neuroleptika). Chemisch gesehen ist es ein Butyrophenon, ähnlich wie Haloperidol. Im Gegensatz zu Haloperidol wirkt Pipamperon jedoch nur schwach antipsychotisch, dafür stärker beruhigend (sedierend) und dämpfend. Es greift in den Stoffwechsel der Nervenbotenstoffe im Gehirn ein und beeinflusst das Zusammenspiel verschiedener Botenstoffe wie Dopamin, um ein Gleichgewicht wiederherzustellen.

Wirkungsweise von Pipamperon

Pipamperon blockiert bestimmte Andockstellen (Rezeptoren) von Dopamin im Gehirn und Rückenmark (Zentrales Nervensystem). Dadurch wird die Wirkung von Dopamin reduziert, was zu einer Beruhigung und Dämpfung führt. Dies kann bei Schlafstörungen und psychomotorischen Erregungszuständen hilfreich sein. Das günstige Nebenwirkungsprofil (u.a. keine Mundtrockenheit, Verstopfung, Sehprobleme) macht Pipamperon zu einem vorteilhaften Arzneistoff für ältere Menschen.

Nach der Einnahme wird Pipamperon schnell aus dem Darm ins Blut aufgenommen. Die maximale Wirkung wird nach etwa zwei Stunden erreicht. Der Abbau erfolgt in der Leber, und die Abbauprodukte werden über die Nieren mit dem Urin ausgeschieden.

Anwendungsgebiete von Pipamperon

Pipamperon wird hauptsächlich bei folgenden Beschwerden eingesetzt:

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  • Schlafstörungen, insbesondere bei geriatrischen Patienten
  • Psychomotorische Erregungszustände
  • Unruhezustände
  • Verhaltensauffälligkeiten, Agitation und Halluzinationen im Rahmen von Demenzerkrankungen

Anwendung von Pipamperon bei Demenz

Obwohl es keine evidenzbasierte Empfehlung zur medikamentösen Behandlung von Schlafstörungen oder der Tag-Nacht-Umkehr bei an Demenz erkrankten Menschen gibt, werden in der klinischen Praxis häufig Pipamperon und Melperon eingesetzt. Dies liegt an ihrer fehlenden anticholinergen und delirogenen Wirkung im Vergleich zu anderen Medikamenten wie trizyklischen Antidepressiva und Antihistaminika.

Bei Demenz-assoziierten Schlafstörungen wird in der FORTA-Liste Mirtazapin empfohlen, jedoch nur in Kategorie C (ungünstige Nutzen-Risiko-Relation für ältere Patienten) und nur bei Depression, Schlafstörung oder Appetitlosigkeit. Trazodon und retardiertes Melatonin sind in der gleichen Kategorie. Bei paranoiden Symptomen und Halluzinationen im Rahmen der Demenz werden Risperidon, Melperon, Quetiapin retard und Olanzapin mit Kategorie C klassifiziert, Aripiprazol, Haloperidol, Clozapin (Ausnahme Parkinson) mit Kategorie D.

Die erforderliche Dosis von Pipamperon muss individuell für jeden Patienten bestimmt werden. In der Regel liegt sie zwischen 40 und 120 Milligramm pro Tag. Die Dosierung wird in regelmäßigen Abständen vom Arzt überprüft und gegebenenfalls angepasst. Zu empfehlen sind eine niedrige Startdosis und langsames Aufdosieren.

Risiken und Nebenwirkungen von Pipamperon

Die Einnahme von Pipamperon ist mit verschiedenen Risiken und Nebenwirkungen verbunden, insbesondere bei älteren Menschen mit Demenz.

Häufige Nebenwirkungen:

  • Sehr häufig: Schläfrigkeit, Zahnradphänomen (ruckartige Bewegungen)
  • Häufig: Depression, Bluthochdruck, Unruhe, Augenverdrehen (okulogyrische Krise), unwillkürliche Saug- und Schmatzbewegungen, vermehrter Speichelfluss, Zittern, erhöhter Puls, Magen-Darm-Beschwerden, Hautausschläge, Ausbleiben der Regelblutung, Brustwachstum beim Mann

Seltene Nebenwirkungen:

  • Krämpfe, Kopfschmerzen, Sekretion der Brustdrüsen

Sehr seltene Nebenwirkungen:

  • Malignes neuroleptisches Syndrom (Zittern, hohes Fieber, Muskelzerfall; in etwa 20 Prozent der Fälle tödlich)

Weitere Risiken:

  • Erhöhte Mortalität: Studien haben gezeigt, dass Pipamperon und Melperon die Mortalität bei Demenzpatienten erhöhen können. Daher sollte der Einsatz einer strengen Nutzen-Risiko-Abwägung unterliegen.
  • Extrapyramidale Symptome (EPS): Pipamperon kann zu EPS führen, was das Sturzrisiko erhöht.
  • Orthostaseprobleme: Zu Behandlungsbeginn sind Orthostaseprobleme möglich, daher ist ein Blutdruckmonitoring ratsam.
  • QTc-Intervall-Verlängerung: Pipamperon kann das QTc-Intervall des Herzens verlängern.
  • Erhöhtes Risiko für unerwünschte Ereignisse: Eine Studie zeigte ein erhöhtes Risiko für venöse Thromboembolien, Lungenentzündung, akute Nierenschäden und Schlaganfälle bei Patienten, die Antipsychotika wie Pipamperon einnahmen.

Gegenanzeigen und Wechselwirkungen

Pipamperon darf nicht angewendet werden bei:

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  • Morbus Parkinson
  • Zuständen mit einer Dämpfung des Zentralen Nervensystems

Bei gleichzeitiger Einnahme können sich Pipamperon und die folgenden Stoffe in ihrer Wirkung gegenseitig verstärken:

  • Mittel gegen Depressionen
  • Schmerzmittel
  • Zentral dämpfende Wirkstoffe (z.B. Hypnotika, Psychopharmaka, Antihistaminika)
  • Alkohol (kann zu Blutdruckabfall und/oder Sedierung führen und das Reaktionsvermögen einschränken)

Pipamperon vermindert die Wirkung von Levodopa und Bromocriptin (werden bei Parkinson verabreicht). Es kann die Wirkung von Blutdrucksenkern vermindern. Die Kombination mit anderen Arzneimitteln, die ebenfalls das QT-Intervall verlängern oder zu Kaliummangel führen können, ist zu vermeiden.

Alternativen zu Pipamperon

Es gibt verschiedene Alternativen zu Pipamperon, sowohl medikamentöse als auch nicht-medikamentöse.

Nicht-medikamentöse Maßnahmen:

  • Körperliche Aktivierung und Bewegung
  • Beschäftigungstherapie
  • Entspannungsverfahren
  • Strukturierter Tagesablauf mit regelmäßigen Aktivitäten
  • Schaffung einer ruhigen und sicheren Umgebung
  • Validationstherapie (Eingehen auf die Gefühle und Bedürfnisse des Patienten)
  • Musiktherapie
  • Lichttherapie

Medikamentöse Alternativen:

  • Atypische Antipsychotika: Risperidon, Quetiapin, Olanzapin, Aripiprazol (haben jedoch auch Risiken und Nebenwirkungen)
  • Acetylcholinesterase-Hemmer: Galantamin, Rivastigmin, Donepezil (bei leichter bis mittelschwerer Alzheimer-Demenz)
  • Memantin: (bei mittelschwerer bis schwerer Alzheimer-Demenz)
  • Mirtazapin, Trazodon, retardiertes Melatonin: (bei Schlafstörungen, jedoch mit ungünstiger Nutzen-Risiko-Relation für ältere Patienten)
  • Promethazin, Amitriptylin, Diphenhydramin: (als besser erprobte Alternativen in Schwangerschaft und Stillzeit)

Wichtig: Die Wahl der geeigneten Alternative sollte immer in Absprache mit dem behandelnden Arzt erfolgen, unter Berücksichtigung der individuellen Situation und Bedürfnisse des Patienten.

Verantwortungsbewusster Umgang mit Pipamperon

Angesichts der Risiken und Nebenwirkungen von Pipamperon ist ein verantwortungsbewusster Umgang mit diesem Medikament bei Demenzpatienten unerlässlich.

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Folgende Punkte sollten beachtet werden:

  • Strenge Nutzen-Risiko-Abwägung: Vor der Verordnung von Pipamperon sollte eine sorgfältige Abwägung des potenziellen Nutzens gegenüber den möglichen Risiken erfolgen.
  • Nicht-medikamentöse Maßnahmen ausschöpfen: Vor dem Einsatz von Medikamenten sollten nicht-medikamentöse Maßnahmen zur Behandlung von Verhaltensstörungen ausgeschöpft werden.
  • Geringstmögliche Dosis: Die Behandlung sollte mit der geringstmöglichen Dosis und über einen möglichst kurzen Zeitraum erfolgen.
  • Regelmäßige Überprüfung: Die Notwendigkeit der Medikation sollte regelmäßig überprüft und gegebenenfalls reduziert oder abgesetzt werden.
  • Aufklärung von Patienten und Angehörigen: Patienten und ihre Angehörigen müssen über die Risiken und Nebenwirkungen von Pipamperon aufgeklärt werden.
  • Gespräch mit dem Arzt suchen: Angehörige sollten das Gespräch mit dem behandelnden Arzt suchen, um die Gründe für die Medikation, die Behandlungsziele, mögliche Nebenwirkungen und Alternativen zu besprechen.
  • Medikationsplan überprüfen: Angehörige sollten den Medikationsplan des Patienten überprüfen, um zu erkennen, ob Antipsychotika verordnet wurden.
  • Auf mögliche körperliche Ursachen achten: Hinter Verhaltenssymptomen wie Unruhe und Aggression können auch körperliche Beschwerden stecken, die abgeklärt werden sollten.

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