Meditation erfreut sich als Entspannungstechnik wachsender Beliebtheit. Selbst rationale Manager nutzen sie, um beruflichen Stress abzubauen. Doch Meditation ist mehr als nur Entspannung. Sie ist ein komplexer, langfristiger Prozess, der Gehirnstrukturen und Gefühle verändert. Regelmäßige Praxis ist entscheidend, um diese Veränderungen zu bewirken. Schätzungen zufolge praktizieren weltweit über 300 Millionen Menschen verschiedene Yoga-Varianten. Westliche Intellektuelle interessierten sich bereits vor über 100 Jahren auf ihren Reisen nach Indien für Yoga. Heute gibt es vielfältige Arten, Yoga auszuüben - auf dem Wasser, auf Wiesen mit Alpakas oder sogar in der Luft.
Viele Yoga- und Meditationspraktizierende sind überzeugt, dass diese Praktiken Geist und Gehirn beeinflussen. Doch lassen sich diese Auswirkungen wissenschaftlich nachweisen? Mittlerweile setzen auch Kliniken auf die heilende Wirkung von Yoga. Meditation wird eingesetzt, um gelassener zu werden, den Geist zu beruhigen und im gegenwärtigen Moment zu leben - mit nachhaltiger Wirkung.
Wie Meditation das Gehirn verändert
Regelmäßiges Meditieren verändert das Gehirn, wie die Psychologin und Hirnforscherin Dr. Britta Hölzel herausgefunden hat. Dadurch lassen sich Stress, Depressionen, Angststörungen und sogar Schmerzen besser bewältigen. Zudem entwickeln Menschen mehr Empathie.
Wissenschaftler nutzen bildgebende Verfahren wie die Magnetresonanztomographie (MRT), um die Veränderungen im Gehirn während der Meditation zu untersuchen. Hirnscans zeigen eine erhöhte Aktivität in Regionen, die mit verminderter Angst und Depression sowie erhöhter Schmerztoleranz in Verbindung stehen. Meditation verändert die Gehirnströme und erhöht die Alpha-Wellen, die negative Stimmungen, Anspannung, Traurigkeit und Wut reduzieren können.
Meditation wirkt sich vor allem im Bereich des Hippocampus aus, so Dr. Hölzel. Das Nervengewebe erholt sich durch Meditation von Stress. Regelmäßiges Meditieren führt zu Veränderungen in der Dichte der grauen Substanz der Amygdala, wodurch diese weniger anfällig für Stress wird.
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Auswirkungen auf Körper und Gesundheit
Meditation wirkt sich nachweislich auf die körperliche Gesundheit aus. Sie kann den Blutdruck senken und die Variabilität der Herzfrequenz erhöhen. Auf zellulärer Ebene beeinflusst Meditation die Telomere, schützende Proteinkomplexe an den Enden menschlicher Chromosomen. Verkürzte Telomere werden mit Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Alzheimer und Krebs in Verbindung gebracht. Es wird vermutet, dass Stressreduktion durch Meditation einen positiven Einfluss auf das Enzym Telomerase hat, das für die Telomerlänge verantwortlich ist.
Es ist wichtig zu betonen, dass Meditation kein Ersatz für medizinische Beratung oder einen gesunden Lebensstil ist. Sie ist keine Therapie zur Heilung von Krebs oder chronischen Erkrankungen.
Achtsamkeitstraining (MBSR)
Das Achtsamkeitstraining MBSR (Mindfulness-Based Stress Reduction) wurde von Jon Kabat-Zinn entwickelt, um Schmerzpatienten ihren Dauerschmerz zu erleichtern. MBSR lehrt Patienten, ihre Aufmerksamkeit auf den aktuellen Moment zu lenken und ihre Gedanken, Körperempfindungen und Sinneseindrücke wertfrei zu beobachten.
Die Psychologin Anja Koch erklärt die Wirkung so: MBSR hilft, negative Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen, die den Schmerz verstärken, zu reduzieren. Patienten lernen, ihre Empfindungen zu akzeptieren, ohne sich emotional zu verstricken.
Studien haben gezeigt, dass regelmäßiges achtsames Meditieren bestimmte Gehirnbereiche verändert. Der Mandelkern (Angstzentrum) schrumpft, der Hippocampus (Gedächtnisfunktionen) wächst, und die Gehirnsubstanz, die die Aufmerksamkeit steuert, kann zunehmen. Auch im orbitofrontalen Kortex von Meditierenden wurden mehr graue Zellen entdeckt.
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MBSR stärkt das Immunsystem und wird von vielen Krankenkassen anerkannt. Es wird bei Rückenschmerzen, Migräne und zur Unterstützung von Tumorpatienten eingesetzt. In den Kliniken Essen-Mitte wird Krebspatienten Achtsamkeitsmeditation vor und nach Operationen sowie während der Chemotherapie angeboten.
Eine Studie der Universität Chicago zeigte, dass MBSR das Immunsystem von Brustkrebspatientinnen stärkt. Eine weitere Studie der Universität von Massachusetts ergab, dass Achtsamkeitstraining bei Patienten mit Schuppenflechte (Psoriasis) zu einer deutlichen Verbesserung des Hautbildes führte.
Achtsamkeitstraining wird auch eingesetzt, um Rauchern das Rauchen abzugewöhnen oder Alkoholabhängige vor Rückfällen zu bewahren. Auch gesunde Menschen können von Achtsamkeitsmeditation profitieren, indem sie wacher, aufmerksamer, stressresistenter und wohlwollender werden.
Metta-Meditation
Die Metta-Meditation, eine buddhistische Meditationsform, konzentriert sich auf Freundlichkeit, Liebe und Mitgefühl. Der Psychologe und Psychotherapeut Prof. Ulrich Stangier erforscht diese Meditationsform an der Goethe-Universität in Frankfurt. In einer Therapiestudie untersuchte er, wie Metta-Meditation bei Menschen mit chronischer Depression wirkt, die oft schwere Traumata aus ihrer Kindheit mitbrachten.
Die Studienteilnehmer konzentrierten sich über ein Jahr lang auf Sätze wie „Möge ich mich friedvoll und glücklich fühlen“ oder „Möge ich frei sein von Kummer und Sorgen“. Die Frankfurter Studie zeigte im Vergleich zu anderen Therapiestudien mit chronisch-depressiven Kranken deutliche Erfolge. Der Fokus auf Wohlwollen und die Konzentration auf positive Aspekte erwiesen sich als besonders wirksam.
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Meditation und Gehirnalterung
Eine US-amerikanische Studie aus dem Jahr 2016 zeigte, dass Meditieren den Gehirnalterungsprozess verlangsamen kann. Das Gehirnalter von Meditierenden im Alter von 50 Jahren wurde aufgrund von anatomischen Bildern auf 42,5 Jahre geschätzt.
Risiken und Herausforderungen
Der Weg zu mehr Gleichmut und Achtsamkeit kann manchmal schmerzhaft sein oder zu Stress führen. Eine Studie von Ulrich Ott von der Uni Gießen befragte buddhistisch Meditierende in Deutschland nach ihren Erfahrungen. Sie berichteten von positiven, aber auch von negativen Emotionen. Meditation kann alte Gefühle zum Vorschein bringen oder neue Ängste auslösen. Daher ist eine erfahrene Anleitung wichtig, und in manchen Fällen ist eine Therapie ratsam.
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