Planet Wissen: Das faszinierende Gehirn – Eine Reise in die Tiefen der Neurowissenschaften

Das menschliche Gehirn, ein Organ von unglaublicher Komplexität, birgt noch immer viele Geheimnisse. Die Neurowissenschaften sind bestrebt, diese Geheimnisse zu entschlüsseln und ein umfassendes Verständnis der Funktionsweise des Gehirns zu erlangen. Dieser Artikel beleuchtet einige der Methoden, die in der Hirnforschung eingesetzt werden, und wirft einen Blick auf die Erkenntnisse, die bereits gewonnen wurden.

Methoden der Hirnforschung: Ein Blick in die Blackbox

Um die Geheimnisse des Gehirns zu lüften, setzen Hirnforscher verschiedene bildgebende Verfahren ein, die es ermöglichen, die Aktivität des Gehirns unter verschiedenen Bedingungen zu messen.

Funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT)

Ein wichtiges Verfahren ist die funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT), eine spezielle Form der Magnetresonanztomographie (MRT). Bei der fMRT liegt der Proband in einer langen Röhre, in der ein Magnetfeld erzeugt wird. Die Forscher messen zusätzlich den Sauerstoffgehalt des Bluts im Gehirn. Dies ermöglicht es ihnen, sichtbar zu machen, wie und wo das Gehirn gerade arbeitet. Wenn der Proband beispielsweise eine Hand hebt, wird eine bestimmte Hirnregion aktiv. Mithilfe der fMRT-Bilder können die Wissenschaftler erkennen, welche Hirnareale bei Krankheiten wie Parkinson, Alzheimer oder nach einem Schlaganfall betroffen sind.

Magnetoenzephalographie (MEG)

Ein weiteres Verfahren ist die Magnetoenzephalographie (MEG). Hierbei messen Forscher über Sensoren die feinen elektrischen Aktivitäten der Nervenzellen im Gehirn. Die entstehenden Bilder zeigen, wie stark bestimmte Teile des Gehirns beansprucht werden.

Diese Messverfahren sind technisch hochkompliziert, aber sie ermöglichen es, durch einfache Experimente festzustellen, welche Bereiche des Gehirns für bestimmte Aufgaben verwendet werden. So lässt sich schnell feststellen, ob ein Proband bei einem Experiment starke Gefühle entwickelt, ob er sich Bilder vorstellt oder viel nachdenken muss.

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Anwendungen der Hirnforschung: Von der Steuerung per Gedanke bis zur Behandlung von Krankheiten

Die Erkenntnisse der Hirnforschung finden bereits in verschiedenen Bereichen Anwendung.

Brain-Computer-Interfaces: Gedanken als Befehle

Eine faszinierende Anwendung ist die Entwicklung von Brain-Computer-Interfaces (BCI). Diese ermöglichen es, einen Computer über gedachte Befehle zu steuern. Sensoren messen zum Beispiel die Hirntätigkeit, die sich einstellt, sobald der Proband sich eine bestimmte Bewegung vorstellt, und setzen diesen Impuls um - beispielsweise um einen Cursor auf dem Monitor zu bewegen oder Geräte zu steuern. Die verschiedenen Aktivitätsmuster, die im Gehirn entstehen, wenn ein Proband "Ich nehme den Arm nach oben" oder "Ich nehme den Arm nach unten" denkt, können die Wissenschaftler erkennen und auf einem Computer so übersetzen, dass der entsprechende Gedanke mit einer Cursor-Bewegung auf dem Bildschirm verkoppelt wird. Auf diese Weise können Probanden nur durch ihre Gedanken etwa ein einfaches Computerspiel steuern.

Therapie neurologischer Erkrankungen

Ein weiteres wichtiges Anwendungsgebiet ist die Therapie neurologischer Erkrankungen. Je genauer die Forscher die Zentren der Hirnaktivität kennen, desto vielfältiger können sie auf diese einwirken. Das gilt in erster Linie für neuronale Erkrankungen, bei denen bestimmte Hirnareale geschädigt sind. So gelang es beispielsweise den Wissenschaftlern der Ruhr-Universität Bochum, allein durch den Einsatz einer speziellen Magnetspule den Tastsinn zu verfeinern: Sie regten den für dieses motorische Segment verantwortlichen Teil des Gehirns durch ein Magnetfeld von außen an.

Künstliche Intelligenz in der Hirnforschung

Hirnforscher koppeln die bildgebenden Verfahren außerdem mit künstlicher Intelligenz. Mithilfe der beiden Technologien wollen sie in Zukunft voraussagen, wie Krankheiten wie Parkinson bei Patienten verlaufen.

Potenzial für gesunde Menschen

Aber auch für gesunde Menschen gibt es in Zukunft womöglich eine Reihe von Anwendungen aus der Hirnforschung, die das tägliche Leben vereinfachen oder verbessern könnten. Ob aber je komplexeres Wissen oder Fähigkeiten per Knopfdruck implementiert werden können, ist fraglich. Theoretisch spricht nichts dagegen, wenn wir den Code des Gehirns genauer verstehen.

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Die Grenzen der Hirnforschung: Das Bewusstsein bleibt ein Rätsel

Trotz der beeindruckenden Fortschritte der Hirnforschung gibt es auch Grenzen. Die Wissenschaft ist weit entfernt davon, den Inhalt unseres Bewusstseins auslesen zu können. Wie das Gehirn als Organ funktioniert, unterscheidet sich vollkommen davon, wie wir uns selbst wahrnehmen, wie wir denken und fühlen. Im Gehirn selbst gibt es keine Bilder oder Farben, sondern wie in einem Computer nur bestimmte Schaltzustände. Zwischen diesem neuronalen Zustand und einem einfachen Bewusstseinserlebnis, wie etwa einer Farbempfindung, besteht kein offensichtlicher Zusammenhang. Zwar gehen die meisten Hirnforscher davon aus, dass sich im Prinzip auch die Inhalte zum Beispiel eines gedachten Bildes von außen erkennen lassen können. Selbst wenn es uns also gelingen würde, alle Prozesse im Gehirn genau zu verstehen und zu beschreiben, könnten wir die Art und Weise, in der wir etwa Dinge wahrnehmen, damit nicht vollständig erklären. Die Kluft zwischen der gemessenen Gehirnaktivität und dem Erlebnis des tatsächlichen Denkvorgangs bleibt auch für die Hirnforschung unüberbrückbar.

Das "Ich": Illusion oder Realität?

Auch das Konzept des "Ich" wird durch die Hirnforschung in Frage gestellt. Zu jeder Empfindung von der Welt, von uns selbst, unseren Gefühlen und Wahrnehmungen gibt es Muster von Aktivitäten der Nervenzellen im Gehirn, die genau diesem jeweiligen Zustand entsprechen. Das jedenfalls legen die Forschungen der Neurowissenschaftler nahe. In unserer alltäglichen Erfahrung ist ein Gefühl von "Ich" fast immer anwesend. Dieses "Ich" ist permanent in Bewegung und scheint unsere Handlungen zu steuern. Selbst unseren Körper können wir nicht unmittelbar wahrnehmen. Ein bekanntes Beispiel für die fehlerhafte Repräsentation des Körpers sind die sogenannten Phantomschmerzen: Menschen, denen Gliedmaßen amputiert wurden, empfinden manchmal Schmerzen in eben den Körperteilen, die sie gar nicht mehr haben. Auch der umgekehrte Fall ist in der Neurologie bekannt: Es gibt Patienten, die bestimmte Körperteile nicht als Teil ihrer selbst wahrnehmen. Den eigenen Arm oder das eigene Bein empfinden sie als störenden Fremdkörper. Doch neurologische Defekte wie die beschriebenen zeigen, wie wenig stabil selbst dieser scheinbar noch greifbare und klare Bezug von Körper und "Ich" ist. Eindrucksvoll zeigen unsere Träume, wie groß die schöpferischen Fähigkeiten des Gehirns sind, auch in Hinblick auf die Identität. In Träumen können wir uns selbst als andere Personen erleben - entweder ohne Körper oder ausgestattet mit Merkmalen, die gänzlich verschieden sind vom eigenen Körper. Ob die starke Überzeugung unserer Identität nun zwangsläufig mit dem Körper verbunden ist oder nicht: Auf jeden Fall scheint sich der Körper auf Grund seiner Ausdrucksmöglichkeiten mit dem Ich-Empfinden zu verknüpfen. Er ist das wichtigste und unmittelbarste Instrument unserer Handlungen. Doch selbst in dieser Funktion lässt sich das Verhältnis von Körper und "Ich" verschieben.

Auch psychologisch lässt sich der Begriff des "Ich" nicht eindeutig klären. Einig sind sich die meisten Wissenschaftler, dass das "Ich" keine konstante Größe ist, sondern aus verschiedenen Faktoren besteht, die sich in ihrer Zusammensetzung und Gewichtung auch verändern und unterscheiden können. Eine allgemeine Definition des Begriffs aber gibt es nicht. Die meisten psychisch gesunden Menschen erleben das "Ich" als die Steuerzentrale der eigenen Person. Doch die Hirnforschung hat eine solche Stelle in den Hirnarealen nicht ausmachen können und es gilt als höchstwahrscheinlich, dass es keinen fixen Ich-Punkt im Gehirn gibt. Vielmehr sind es viele verschiedene Hirnregionen, die miteinander kommunizieren und so das Ich-Bewusstsein entstehen lassen. Besonders wichtig unter diesen Regionen ist das sogenannte "Default Mode Netzwerk" (DMN). Die Untersuchungen der Hirnforschung zeigen auch, dass es kein Indiz dafür gibt, dass das "Ich" anderen Hirnfunktionen vorgeschaltet ist.

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